Urteil des OLG Karlsruhe vom 11.03.2011

OLG Karlsruhe: gegendarstellung, foto, verfügung, veröffentlichung, montage, zusammensetzung, privatbereich, gestaltung, persönlichkeitsrecht, einverständnis

OLG Karlsruhe Urteil vom 11.3.2011, 14 U 186/10
Gegendarstellung zu Bildveröffentlichungen; Fotomontage
Leitsätze
1. Auch Bildveröffentlichungen sind gegendarstellungsfähig, soweit durch sie eine Tatsachenbehauptung aufgestellt wird.
2. Der bloße Umstand, daß es sich bei einem veröffentlichten Bild um eine reine Fotomontage - im Sinne einer Zusammenstellung unverändert
gebliebenen Bildmaterials - handelt, stellt noch keine zur Gegendarstellungsfähigkeit führende Tatsachenbehauptung dar.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Offenburg vom 30. November 2010 - 2 O
415/10 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
3. Beschluß: Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 20.000 EUR.
Gründe
I.
1
Der Verfügungskläger (in der Folge: Kläger) ist ein bekannter Journalist und Moderator. Er wendet sich mit Antrag (und Hilfsantrag) auf Erlaß
einer einstweiligen Verfügung gegen die Veröffentlichung eines Bildes auf der Titelseite der von der Verfügungsbeklagten (in der Folge:
Beklagte) verlegten Zeitschrift „n. w.“ Nr. 42 vom 15.10.2010. Auf dem Bild ist der Kläger neben seiner Frau T. abgebildet vor einem aus grünen
Blättern zusammengesetzten Hintergrund - zwischen dem Kopf des Klägers und seiner Frau ist in kleiner Schrift wiedergegeben: „Glücklich
verheiratet: TV-Moderator G. J. und Ehefrau T.“. Die bildliche Darstellung einschließlich des darunter stehenden, in großer Schrift dargestellten
Textes
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„G. J. & SEINE T.
Triumph & Tränen
Alles über sein geheimes
Privat-Leben“
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nimmt etwas mehr als die Hälfte der Titelseite ein; neben einigen weiteren Abbildungen unterschiedlicher Art findet sich links neben der
Darstellung des Ehepaars eine kleinere Abbildung mit zwei Personen und dem Text „F.s.. Quälende Sehnsucht! Bricht H. ihm das Herz?“.
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Der Kläger hat unter Hinweis auf die Rechtslage den Abdruck einer Gegendarstellung begehrt, mit der er klarstellen will, daß es sich bei der
Abbildung des Ehepaars J. um eine ohne sein Einvernehmen hergestellte Fotomontage handele.
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Erstinstanzlich hat der Kläger beantragt,
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1. den Erlass der nachfolgenden einstweiligen Verfügung:
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Der Verfügungsbeklagten wird auferlegt, in dem gleichen Teil der Zeitschrift „n. w.“, in der der Artikel „TV-Liebling G. J. Triumph & Tränen!
Alles über sein geheimes Privat-Leben“ erschienen ist, mit gleicher Schrift und unter Hervorhebung des Wortes „Gegendarstellung“ als
Überschrift durch entsprechende drucktechnische Anordnung und Schriftgröße wie „Triumph & Tränen“ sowie der weitere Fließtext der
Größe der Schrift der Worte „TV Liebling G. J.“ in der nächsten für den Druck noch nicht abgeschlossenen Nummer ohne Einschaltungen und
Weglassungen die folgende Gegendarstellung zu veröffentlichen:
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Gegendarstellung
Auf der Titelseite von „n. w.“ Nr. 42 vom 15. Oktober 2010 ist ein Foto abgebildet, welches mich und meine Frau vor grünen Blättern zeigt.
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Hierzu stelle ich fest:
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Das Foto ist eine ohne mein Einverständnis hergestellte Fotomontage. Ein Einzelfoto von mir und ein Einzelfoto von meiner Frau wurden auf einen
Hintergrund mit grünen Blättern gesetzt.
P., 28. Oktober 2010-11-29
G. J.
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2. hilfsweise den Erlass der nachfolgenden einstweiligen Verfügung:
12
Der Verfügungsbeklagten wird auferlegt, in dem gleichen Teil der Zeitschrift „n. w.“, in der der Artikel „TV-Liebling G. J. Triumph & Tränen!
Alles über sein geheimes Privat-Leben“ erschienen ist, mit gleicher Schrift und unter Hervorhebung des Wortes „Gegendarstellung“ als
Überschrift durch entsprechende drucktechnische Anordnung und Schriftgröße wie „Triumph & Tränen“ sowie der weitere Fließtext der
Größe der Schrift der Worte „TV Liebling G. J.“ in der nächsten für den Druck noch nicht abgeschlossenen Nummer ohne Einschaltungen und
Weglassungen die folgende Gegendarstellung zu veröffentlichen:
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Gegendarstellung
Auf der Titelseite von „n. w.“ Nr. 42 vom 15. Oktober 2010 ist ein Foto abgebildet, welches mich und meine Frau vor grünen Blättern zeigt.
14 Hierzu stelle ich fest:
15
Das Foto ist eine ohne mein Einverständnis hergestellte Fotomontage.
P., 28. Oktober 2010-11-29
G. J.
16 Die Beklagte ist den Anträgen des Klägers entgegengetreten.
17 Wegen der vom Kläger verfolgten Ansprüche und des zugrundeliegenden Sachverhalts im einzelnen sowie wegen des Vorbringens der Parteien
wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 ZPO).
18 Das Landgericht hat die Anträge des Klägers auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Grundsätzlich könnten auch bildliche
Darstellungen einen Gegendarstellungsanspruch auslösen, sofern darin Tatsachenbehauptungen enthalten sind. Im vorliegenden Fall sei die
Gegendarstellung aber nur auf die Richtigstellung des Umstandes gerichtet, daß es sich bei der Abbildung nicht um eine echte einheitliche
Fotoaufnahme handele, sondern um eine aus Einzelfotos hergestellte Montage. Die Art der Herstellung einer Abbildung an sich stelle indes
keine gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptung dar.
19 Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine Anträge auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung weiter. Dadurch, daß zwei von öffentlichen Auftritten
stammende Einzelfotos des Klägers und seiner Ehefrau vor einen Hintergrund mit grünen Blättern geklebt wurden, sei der Eindruck eines
privaten Fotos in einem Garten o.ä. noch verstärkt worden. Kläger und Ehefrau seien in gleicher Größe abgebildet, es entstehe der Eindruck, als
stehe die Ehefrau des Klägers schräg vor ihm. Der einheitliche Hintergrund mit grünen Blättern suggeriere, das Paar habe sich im Freien
gemeinsam privat fotografieren lassen. Die Entscheidung des Landgerichts widerspreche diametral der Rechtsprechung des BVerfG in seiner
Entscheidung vom 14.2.2005 - Ron Sommer. Die Einzelrichterin beachte auch nicht hinreichend, daß sich jedenfalls dem flüchtigen „Kioskleser“
die Natur der streitgegenständlichen Abbildung als Fotomontage nicht erschließe.
20 Der Kläger beantragt
21
Abänderung des angefochtenen Urteils und Erlaß einer einstweiligen Verfügung nach Maßgabe der im ersten Rechtszug gestellten
Anträge.
22 Die Beklagte bittet um Zurückweisung der gegnerischen Berufung.
23 Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug. Im Streitfall sei offensichtlich, daß die
Gestaltung der Titelseite keinen realen Ausschnitt aus der Wirklichkeit darstelle.
24 Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt des Schriftsätze der Parteien
Bezug genommen.
II.
25 Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
26 Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Klägers, wonach sich der Gegendarstellungsanspruch auch gegen eine
Bildveröffentlichung richten kann, wenn nämlich durch die Veröffentlichung des Bildes eine Tatsachenbehauptung „aufgestellt“ wird
(Löffler/Sedelmeier, Presserecht, 5. Aufl., § 11 LPG Rdn. 111; Seitz/Schmidt, Der Gegendarstellungsanspruch, 4. Aufl., Kap. 6 Rdn. 78; Wanckel,
Foto- und Bildrecht, 3. Aufl., Rdn. 291). Auch aus Fotomontagen können sich gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptungen ergeben, sofern
nicht aus der Gestaltung der Fotomontage offensichtlich ist, daß es sich um eine Montage handelt, z.B. durch irreale Proportionen oder sichtbare
Schnittkanten (Wanckel a.a.O. Rdn. 292; auch Seitz/Schmidt a.a.O.; s.a. OLG München, AfP 1976, 364: Auch bildliche Darstellungen können
einen Gegendarstellungsanspruch auslösen, wenn in ihnen bestimmte Sachverhalte, Begebenheiten, Verhältnisse oder Zustände geschildert
werden.).
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1.
Klägers -etwa in seinem Garten- entstandenes Foto, kann dahinstehen. Denn die beantragte Gegendarstellung stellt keine Entgegnung (zu
dieser Voraussetzung vgl Löffler/Sedelmeier a.a.O. § 11 LPG Rdn. 126) auf eine so verstandene Tatsachenaussage der Abbildung dar, worauf
schon das Landgericht zutreffend hingewiesen hat. Die begehrte Gegendarstellung beschränkt sich vielmehr auf die Eigenart der Herstellung der
Abbildung als Zusammensetzung aus Einzelbildern und wendet sich allein gegen den Eindruck einer einheitlichen Fotoaufnahme. Daß etwa die
einzelnen Bestandteile oder die Abbildung als Ganzes nicht aus dem privaten Bereich des Klägers stammen, kommt in der Gegendarstellung
gerade nicht zum Ausdruck.
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2.
entstanden ist, stellt für sich keine gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptung über den Abgebildeten dar, wie das Landgericht zutreffend
ausgeführt hat.
29 Zwar suggerieren fotografische Abbildungen Authentizität und schützt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht auch vor der Verbreitung eines
technisch manipulierten Bildes, das den Anschein erweckt, ein authentisches Abbild einer Person zu sein. Im Falle einer das Aussehen
verändernden Bildmanipulation wird die in der Regel mitschwingende Tatsachenbehauptung über die Realität des Abgebildeten unzutreffend
und können dem Abgebildeten deshalb Abwehransprüche zustehen (BVerfG NJW 2005, 3271). Ob dem Kläger unter diesem Gesichtspunkt im
Streitfall z.B. ein Unterlassungsanspruch zustehen könnte, bedarf hier keiner Entscheidung. Der von ihm geltend gemachte Anspruch auf
Gegendarstellung setzt jedenfalls voraus, daß die begehrte Gegendarstellung eine Entgegnung auf eine bestimmte, den Anspruchsteller
betreffende Tatsachenaussage der Erstmitteilung sein muß (hM; BVerfG E 97, 125, 147 = NJW 1998, 1381, 1382/83; vgl Löffler/Sedelmeier a.a.O.
§ 11 LPG Rdn. 126; Seitz/Schmidt a.a.O. Kap. 5 Rdn. 153; Burkhardt a.a.O. Kap. 11 Rdn. 110), die sich in nennenswerter Weise auf sein
Persönlichkeitsrecht auswirken können muß (BVerfG a.a.O. S. 148). Dies erfordert nach Auffassung des Senats eine Entgegnung auf eine
Sachaussage der Erstmitteilung, die über die bloße Frage hinausgeht, ob die fotografische Abbildung als echte einheitliche Fotoaufnahme
entstanden oder aus mehreren Fotos zusammengesetzt ist. Allerdings ist dabei zu beachten, daß eine Fotomontage häufig gerade infolge der
Zusammensetzung der Abbildung bestimmte, über den Umstand der Montage hinausgehende und deshalb grundsätzlich
gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptungen enthalten kann, so etwa im Fall des LG München (NJW 2004, 606) die mögliche Aussage,
daß sich „die drei Protagonisten dieser Affäre nach deren Bekanntwerden einträchtig nebeneinander hätten fotografieren lassen" oder „daß sich
die drei Personen schon früher kannten" (LG München a.a.O. S. 607). Auch im vorliegenden Fall ist eine Aussage der Abbildung dahin denkbar,
daß der Kläger sich entgegen seiner sonstigen Haltung zusammen mit seiner Ehefrau im Privatbereich habe ablichten lassen. Solche
Tatsachenaussagen einer Abbildung können bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen gegendarstellungsfähig sein. Demgegenüber besteht
auf die vom Kläger begehrte Veröffentlichung der bloßen Gegenerklärung, es handele sich um eine zusammengesetzte Abbildung, ohne
Entgegnung auf eine aus der Abbildung abzuleitende inhaltliche Tatsachenaussage kein Anspruch.
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3.
berechtigten Interesse des Klägers (§ 11 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BadWürttPrG) an der begehrten Veröffentlichung fehlen (vgl. allgemein zum fehlenden
rechtlichen Interesse in den Fällen der Belanglosigkeit von Erstmitteilung oder Entgegnung Seitz/Schmidt a.a.O. Kap. 5 Rdn. 189 f; Burkhardt
a.a.O. Kap. 11 Rdn. 53; BVerfG a.a.O.). Der Kläger beanstandet weder eine verfälschende oder gar nachteilige Art der Darstellung seiner Person
durch die Abbildung noch eine Verletzung seiner Privatsphäre, sondern macht lediglich geltend, durch die Abbildung könne der Eindruck
entstehen, daß er entgegen seiner grundsätzlichen Haltung erlaubt habe, daß die fotografische Abbildung in seinem Privatbereich gefertigt
wurde. Dies läßt eine nennenswerte Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers nicht erkennen, zumal wenn man berücksichtigt,
daß der Kläger durchaus schon Ausnahmen gemacht und sich zur Anfertigung und Veröffentlichung von Fotografien mit privatem Einschlag, wie
etwa die auf seinem Weingut gefertigte Fotostrecke, bereitgefunden hat.
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4.