Urteil des OLG Karlsruhe vom 01.12.2008

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OLG Karlsruhe Urteil vom 1.12.2008, 1 U 85/08
Rücktritt vom Neuwagenkaufvertrag wegen fehlerhafter Startvorgänge
Leitsätze
Es kann einen zum Rücktritt vom Neuwagen-Kaufvertrag berechtigenden Sachmangel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB darstellen, wenn es bei
einer nicht fernliegenden Fehlbedienung zu nicht unerheblichen Startproblemen kommt, eine technische Kompensation etwaiger Bedienfehler beim
Starten in der vergleichbaren Fahrzeugklasse aber dem Standard entspricht und dies daher vom Käufer berechtigterweise auch erwartet werden
darf.
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 28. Januar 2008 – 5 O 226/07 – im Kostenpunkt aufgehoben und
im Übrigen wie folgt abgeändert:
a) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 19.747,01 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 05.09.2007 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Kraftfahrzeugs, Typ Alfa Romeo 159, 1,9 JTDM,
Kraftfahrzeug-Ident-Nr.:...; abzüglich 0,12 EUR von der Klägerin zu zahlender Nutzungsentschädigung für jeden bis zur Rückgabe des
Fahrzeugs über den Kilometerstand von 50.141 hinausgehend gefahrenen Kilometer.
b) Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den Rechtsanwaltsgebühren des Rechtsanwalts ... in Höhe von 1.057,69 EUR nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.08.2007 freizustellen.
c) Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des in Ziffer 1 a) genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
d) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster wie zweiter Instanz tragen die Klägerin ¼, der Beklagte ¾.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1
Die Klägerin begehrt die Rückabwicklung eines Kaufvertrags bezüglich eines vom beklagten Kfz-Händler erworbenen Neufahrzeugs.
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Wegen der tatbestandlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil des Landgerichts Bezug genommen. Änderungen bzw.
Ergänzungen ergeben sich aus den nachfolgenden Ausführungen:
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Die Klägerin kaufte im Frühjahr 2006 gemeinsam mit ihrem Ehemann, der ihr sämtliche Rechte abgetreten hat, vom Beklagten, der einen
Kraftfahrzeug-Handel betreibt, einen Neuwagen des Typs Alfa Romeo 159 JTDM (Turbodiesel). Dieser wird nicht mittels eines
herkömmlichen Zündschlüssels gestartet, sondern durch Einschieben eines bartlosen Schlüssels sowie Drücken einer START/STOP-Taste.
4
Die Klägerin reklamierte wiederholt erfolglos beim Beklagten Störungen des Startvorgangs: Es komme in der Anlassphase regelmäßig zu
einem nicht ordnungsgemäßen, sehr starken Schütteln und Rütteln; der Startvorgang müsse dann abgebrochen werden. Nachdem der
Beklagte weitere Nachbesserungen ablehnte, verlangte die Klägerin die Rückabwicklung des Kaufvertrags. Dem tritt der Beklagte entgegen.
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Außerdem macht die Klägerin weitere 250,50 EUR mit der Begründung geltend, der streitgegenständliche PKW habe „überraschend“ nach
einem Reifenschaden zur Reparatur in eine Werkstatt gebracht werden müssen, wobei sich herausgestellt habe, dass seit der Auslieferung
werkseitig eine Spur falsch eingestellt gewesen sei. Zur Vermeidung weiterer Schäden sei eine sofortige Spur-Korrektur notwendig
gewesen.
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In erster Instanz begehrte die Klägerin danach zuletzt die Rückzahlung des Kaufpreises zuzüglich hieraus gezogener Zinsnutzungen
abzüglich selbst gezogener Gebrauchsvorteile, Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten, die Feststellung von
Annahmeverzug sowie Ersatz der für die Reparatur der Spur verauslagten Kosten.
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Der Beklagte beantragte Klageabweisung.
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Nachdem das Landgericht vorab im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens – 5 OH 10/06 - ein schriftliches Gutachten des
Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) P. vom 02.03.2007 sowie ein Ergänzungsgutachten desselben vom 05.07.2007 eingeholt hatte, hat das
Landgericht im Hauptsacheverfahren den Sachverständigen in mündlicher Verhandlung vom 17.12.2007 angehört und alsdann die Klage
mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Startprobleme stellten keinen
Sachmangel dar. Insbesondere sei der PKW für die nach dem Vertrag vorausgesetzte (§ 434 Abs. 1 Nr. 1 BGB) bzw. die gewöhnliche
Verwendung geeignet (Abs.1 Nr. 2). Nach den Ausführungen des Sachverständigen seien die von Klägerseite beschriebenen untauglichen
Startversuche nur zu reproduzieren, wenn eine entsprechende Mühe an den Tag gelegt worden sei. Es sei wesentlich leichter, den
Startvorgang ordnungsgemäß durchzuführen als einen fehlerhaften Startvorgang zu (re-) produzieren. Dies gelte vor allem auch deshalb,
weil die Betriebsanleitung zutreffend und verständlich sei und das Display den relevanten Zeitpunkt, zu dem der Fahrer reagieren müsse,
anzeige. Dem schließe sich das Gericht an. Der Pkw könne also problemlos der vereinbarten wie auch der gewöhnlichen Verwendung,
nämlich dem Fahren, zugeführt werden. Insbesondere würden vom Fahrer keine besonderen Fähigkeiten und auch kein längeres Studium
der Betriebsanleitung erwartet.
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Dass es andere Pkw-Modelle gebe, die eine Fehlbedienung wie die der Klägerin tolerierten, bedeute keinen Mangel. Verschiedene
Produkte für denselben Verwendungszweck wiesen regelmäßig verschieden komfortable Lösungen auf. Dies hänge mit der fortschreitenden
technischen Entwicklung und dem von Herstellerseite betriebenen Aufwand zusammen. Weil letzterer vom Kunden bezahlt werden müsse,
sei es üblich und legitim, dass dieser variiere. Der berechtigterweise von Kundenseite erwartete „technische Mindeststandard“ sei vorliegend
nicht unterschritten, weil der PKW – wie gezeigt – problemlos genutzt/gefahren werden könne, ohne dass es besonderer Anstrengungen
bedürfe. Andernfalls dürften sich technische Produkte gar nicht voneinander (in Haltbarkeit, Handhabungsfreundlichkeit usw.)
unterscheiden. Durch entsprechend fehlerhafte Bedienung sei jedes technische Produkt zu Fehlfunktionen zu bringen.
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Im Hinblick auf die angeblich fehlerhafte Einstellung der Spur sei der Klägervortrag unsubstantiiert und habe die Klägerin einen geeigneten
Beweis nicht angeboten.
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Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie - mit Ausnahme einer in der Berufungsbegründung zunächst erklärten
teilweisen Erledigung des Zahlungsantrags Ziffer 1 a wegen zwischenzeitlicher Nutzungen im Wert von 1.138,50 EUR bzw. anschließender
Klageerweiterung desselben Antrags im Hinblick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 17.04.2008, Az. C-404/06 in
Sachen Quelle (Entfallen jeder Nutzungsentschädigung) ihre erstinstanzlichen Anträge vollumfänglich weiterverfolgt. Sie macht dafür
geltend, das Landgericht habe überspannte Anforderungen an das Vorliegen eines Sachmangels gestellt. Unabhängig davon, ob man
vorliegend auch eine konkludent mögliche Beschaffenheitsvereinbarung annehme, eigne sich der Pkw hier nicht für die gewöhnliche
Verwendung und weise auch keine Beschaffenheit auf, die bei Sachen der gleichen Art üblich sei und die der Käufer nach Art der Sache
habe erwarten können (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB).
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Entgegen dem Landgericht sei ein ordnungsgemäßer Startvorgang auch nicht etwa durch die Befolgung der schriftlichen
Bedienungsanleitung durchzuführen, weil dort detaillierte Angaben fehlten. Im Übrigen verlösche nach den Feststellungen des
Sachverständigen das Display im Armaturenbrett des Fahrzeugs nicht, sondern fordere immer noch zum Drücken der START/STOP-Taste
auf, selbst wenn der Startvorgang gar nicht mehr eingeleitet werden könne, was zumindest im Widerspruch zur entsprechenden
Bedienungsanleitung stehe.
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Selbst wenn das Schlechtanspringen des Motors für sich genommen keinen Mangel darstellen sollte, sei es jedenfalls als Mangel zu
qualifizieren, dass die Startelektronik des Fahrzeugs den – unterstellt – zu spät eingeleiteten Startvorgang nicht folgenlos „schlucke“,
sondern einen Startvorgang versuche, der aufgrund des damit verbundenen starken Schüttelns und Rüttelns zu erheblichen Folgeschäden
führe. Denn es sei bei modernen Kraftfahrzeugen üblich und erwartbar, dass die Startvorgänge so weit automatisiert und abgesichert seien,
dass sie intuitiv und problemlos ausgeführt werden könnten.
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Hinsichtlich der fehlerhaft eingestellten Spur sei die entsprechende erstinstanzliche Klageerweiterung zulässig u begründet gewesen;
vorsorglich werde zusätzlich die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt.
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Die Klägerin beantragt danach zuletzt:
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1. Das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 28.01.08, Aktenz. 5 O 226/07 wird im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen
dahingehend abgeändert, dass
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a) der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin – hilfsweise: an die Klägerin und Herrn ... – 25.513,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.9.2007 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückholung des Kraftfahrzeugs, Typ Alfa
Romeo 159, 1,9 JTDM, Kraftfahrzeug-Ident-Nr.: ..., (derzeitiges) amtliches Kennzeichen ...;
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b) der Beklagten verurteilt wird, an die Klägerin – hilfsweise: an die Klägerin und Herrn ... – von den anrechnungsfrei bleibenden
Rechtsanwaltsgebühren des Herrn Rechtsanwalts ... in Höhe von 1.057,69 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit 7.8.2007 freizustellen,
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c) festgestellt wird, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des oben unter Klagantrag Ziff. 1 a) genannten Fahrzeugs in
Annahmeverzug befindet,
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d) der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin – hilfsweise: an die Klägerin und Herrn ... – 250,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Rückholung des Kraftfahrzeugs, Typ Alfa Romeo 159,
1,9 JTDM, Kraftfahrzeug-Ident-Nr.: ..., (derzeitiges) amtliches Kennzeichen ... zu zahlen, wobei gleichzeitig festgestellt wird, dass sich der
Beklagte mit der Rücknahme dieses Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
21
Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung der Klägerin.
22
Er verteidigt das angefochtene Urteil und hält nach wie vor an seinem umfassenden Klageabweisungsantrag fest. Ein Sachmangel liege
nicht vor, sondern lediglich eine Fehlbedienung. Bei einem komplexen technischen Gegenstand wie einem Fahrzeug sei es auch
unmöglich, den Kunden und das Fahrzeug vor jeglicher Art von Fehlbedienung zu schützen. Im Übrigen sei auch die von der Klägerin
abgezogene Nutzungsentschädigung fehlerhaft berechnet worden. Denn nach allgemeiner Rechtsprechung sei nicht ein Quotient von 0,5 %
des Neupreises, sondern ein solcher in Höhe von 0,67 % anzusetzen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug
genommen.
24
Mit Beschluss vom 10.04.2008 wurde der Rechtsstreit auf den Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Gemäß Beweisbeschluss vom
06.08.2008 wurde die Einholung eines ergänzenden mündlichen Sachverständigengutachtens des bereits in erster Instanz beauftragten
Dipl.-Ing. (FH) P. angeordnet, das dieser im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10.11.2008 erstattete.
II.
25
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache weitgehend Erfolg. Die zuletzt gestellten Klageanträge
sind zulässig (dazu A.). Die Klägerin kann vom Beklagten auch Rückabwicklung des mit diesem geschlossenen Neuwagen-Kaufvertrags
verlangen (B.).
A.
26
Die Anträge der Klägerin sind zulässig.
27
1. Das für die begehrte Feststellung von Annahmeverzug nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse resultiert
aus §§ 756 Abs. 1, 765 ZPO.
28
2. Die mit Schriftsatz vom 21.05.2008 erfolgte Klageerweiterung hinsichtlich Zahlungsantrag Ziffer 1 a) im Hinblick auf die Entscheidung des
Europäischen Gerichtshofs vom 17.04.2008 - C-404/06 in Sachen Quelle - ist zulässig. Die Voraussetzungen nach § 533 Nr. 1 2. Alternative
sowie § 533 Nr. 2 ZPO liegen vor.
B.
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Die Klägerin kann aus eigenem sowie abgetretenem Recht ihres Ehemanns vom Beklagten gemäß §§ 433 Abs. 1 Satz 2, 434 Abs. 1 Satz 2
Nr. 2, 437 Nr. 2, 440, 323, 346 ff. BGB infolge wirksamer Rücktrittserklärung von dem Beklagten die Rückabwicklung des Neuwagen-
Kaufvertrags vom 01.03.2006 verlangen.
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1. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin vermochte den Nachweis für das Vorliegen eines Sachmangels zu erbringen.
31
Nach § 434 Abs.1 Satz 2 BGB ist eine verkaufte Sache, bezüglich der - wie hier - eine Beschaffenheit nicht vereinbart ist, frei von
Sachmängeln, wenn sie sich (gemäß Ziffer 1) für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst (nach Ziffer 2) wenn sie
sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer
nach der Art der Sache erwarten kann. Jedenfalls die zuletzt genannte Voraussetzung ist bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug nicht
erfüllt.
32
a) Nach dem vorgenannten Maßstab scheidet hier allerdings die Annahme eines Sachmangels insoweit aus, als die Klägerin eine
fehlerhafte Spur -Einstellung beim streitgegenständlichen Fahrzeug geltend gemacht hat. Denn hinsichtlich dieses vom Beklagten
bestrittenen Vorbringens hatte die Klägerin – wie vom Landgericht völlig zu Recht entschieden – in erster Instanz weder hinreichend
vorgetragen noch tauglichen Beweis angeboten. Das greift die Berufung auch nicht näher an, sondern beharrt lediglich ohne weiteres
tatsächliches Vorbringen auf ihrer hiervon abweichenden rechtlichen Bewertung. Ersichtlich vermochte jedoch die diesbezüglich vorgelegte
Rechnung vom 05.12.2007 (bei einer Gesamtfahrleistung von 30.121) einen für den Zeitpunkt der mehr als 6 Monate zuvor erfolgten
Übergabe des Fahrzeugs vorliegenden Mangel der Spur des Fahrzeugs nicht zu belegen. Dies gilt schon deshalb, weil unbestritten sowie
auch allgemein bekannt die Verstellung einer Spur jederzeit etwa auch schon durch ein (qualifiziertes) Durchfahren eines Schlaglochs oder
ein Überfahren eines Bordsteins hervorgerufen werden kann. Dies gilt zudem ungeachtet dessen, dass – selbst bei Unterstellung einer
fehlerhaften Spur-Einstellung zum Zeitpunkt der Übergabe, mithin für eine Fahrstrecke von mehr als 30.000 Kilometer bis zur Reparatur –
nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich ist, dass bzw. warum die Klägerin vor der Inanspruchnahme einer fremden Werkstatt in H. nicht dem
Beklagten im nur wenige Kilometer entfernten M. Gelegenheit zur Nachbesserung hätte geben können. Eine (voreilige) Ersatzvornahme
geschieht freilich auf eigene Kosten.
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Eine Beweisaufnahme zu diesem Gesichtspunkt kam vor diesem Hintergrund nicht in Betracht; sei es die Vernehmung des Mitarbeiters der
den Reifen ersetzt habenden Werkstatt als Zeugen oder auch die von der Klägerin erstmals in zweiter Instanz „vorsorglich“ beantragte
Einholung eines Sachverständigengutachtens; und zwar unabhängig davon, dass insoweit für die besonderen Zulassungsvoraussetzungen
des § 531 Abs. 2 ZPO nichts ersichtlich ist.
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b) Einen Sachmangel vermochte die Klägerin demgegenüber jedoch insoweit nachzuweisen, als das streitgegenständliche Fahrzeug unter
bestimmten Umständen beim Startvorgang ein starkes Rütteln aufweist. Zwar ist insoweit nicht schon vom Nichtvorliegen einer vereinbarten
Sollbeschaffenheit gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB auszugehen (dazu aa), ebensowenig davon, das Fahrzeug eigne sich nicht für die nach
dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung entsprechend § 434 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 1 BGB – dazu bb). Allerdings ist das verkaufte Fahrzeug
insofern nicht – wie erforderlich - frei von Sachmängeln, als es sich zwar auch grundsätzlich für die gewöhnliche Verwendung eignet, dabei
aber eine Beschaffenheit nicht aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die die Klägerin als Käuferin nach der Art der Sache
erwarten konnte (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 2 BGB – dazu cc).
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aa) Dafür, dass die Vertragsparteien - bezogen auf den Startvorgang - eine bestimmte Beschaffenheit des streitgegenständlichen
Fahrzeugs zumindest konkludent vereinbart hätten, hat die Klägerin weder Hinreichendes vorgetragen, noch ist dafür sonst etwas
ersichtlich.
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bb) Das Fahrzeug eignet sich auch grundsätzlich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte (§ 434 Abs.1 Satz 2 Ziff. 1 BGB) wie auch für
die gewöhnliche Verwendung (a.a.O., Ziffer 2 1. Halbsatz). Denn es lässt sich zur Überzeugung des Gerichts ohne weiteres problemlos
starten.
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(1) Nach den überaus differenzierten, nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen sowohl in seinen
schriftlichen Gutachten als auch im Rahmen seiner mündlichen Anhörung durch das Landgericht wie auch der ergänzenden
mündlichen Gutachtenserstattung vor dem Berufungsgericht, den sich das erkennende Gericht vollumfänglich anschließt, steht fest, dass
sich das streitgegenständliche Fahrzeug bei einer Bedienung gemäß der schriftlichen Bedienungsanleitung ohne Probleme lässt.
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Dort wird hinsichtlich des Motor-Anlassens für den hier in Rede stehenden Dieselmotor u.a. ausgeführt:
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„Bitte gehen Sie so vor:
- ... den elektronischen Schlüssel bis zum Anschlag ins Zündschloss einstecken. Auf der Instrumententafel leuchtet die [Vorglüh-] Kontrollleuchte;
- das Ausgehen der Kontrollleuchte abwarten, was umso schneller erfolgt, je wärmer der Motor ist;
- ... die Taste START/STOP sofort nach dem Erlöschen der Kontrollleuchte drücken. Ein zu langes Abwarten würde den Vorgang der
Glühkerzenerwärmung wieder aufheben. Die Taste sofort nach dem Start des Motors loslassen.
ZUR BEACHTUNG
Falls der Motor in der Anlassphase ausgeht, genügt es, zum erneuten Anlassen das Kupplungs- oder Bremspedal zu treten und dann die Taste
START/STOP zu drücken ...“ [Anmerkung nur hier].
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Nach den Feststellungen des Sachverständigen ließen sich zwar die von der Klägerin geklagten Startprobleme durchaus wiederholt
und nicht nur zufällig reproduzieren; dies allerdings nur dann, wenn (1) nach dem obligatorischen Verlöschen der
Vorglühkontrollleuchte (2) nicht sofort der Start-Knopf gedrückt, sondern damit zu lange zugewartet wurde und (3) schließlich der
Startknopf zu kurz gedrückt wurde. Nach diesen von der Klägerin mit Substanz nicht angegriffenen, sondern ersichtlich nur
missgedeuteten Feststellungen des Sachverständigen kommt es zwar zu den beanstandeten Startproblemen, diese beruhen allerdings
auf der Nichteinhaltung der Vorgaben der werksseitigen Bedienungsanleitung, mithin auf Bedienungsfehlern.
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Soweit die Klägerin in zweiter Instanz die Einholung eines „Probegutachtens“ beantragt hat, lagen die Voraussetzungen nach § 412
ZPO nicht vor.
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(2) Ohne Erfolg macht die Klägerin in diesem Zusammenhang auch eine Unklarheit der Bedienungsanleitung geltend, weil diese keine
exakten, also absoluten Zeitvorgaben für die einzelnen Bedienschritte enthalte. Ungeachtet des Umstands, dass sich aus einer
etwaigen Unklarheit der Bedienungsanleitung nicht ohne weiteres auf einen Sachmangel des Fahrzeugs schließen ließe - § 434 Abs. 2
BGB ist insoweit weder einschlägig noch analog heranziehbar –, bedurfte es exakter, absoluter Zeitvorgaben in der
Bedienungsanleitung weder aus technischer noch aus rechtlicher Sicht.
43
Denn der Sachverständige hat mit aller nötigen Klarheit verdeutlicht, dass die Bedienungsanleitung trotz fehlender absoluter
Zeitangaben weder aus sachkundiger noch aus Laiensicht unklar oder auch nur ergänzungsbedürftig ist, wenn darin der Bediener nach
Erlöschen der Kontrollleuchte zum „sofortigen“ Drücken der START/STOP-Taste aufgefordert (und zudem auf die nachteiligen Folgen zu
langen Zuwarten hingewiesen!) wird. Im Übrigen - so der Sachverständige - bestehen insoweit ohnedies noch mehrere Sekunden
Toleranz, sodass ein (alleiniges) Missachten dieser Vorgabe zudem folgenlos bliebe. Auch das „Drücken“ des ersichtlich und für jeden
Bediener intuitiv bereits beim ersten Mal nicht als nur zum Antippen ausgestaltete Sensortaste, sondern als mechanischer erfahrbarer
Druck-Knopf (im wörtlichen Sinne) bedurfte insoweit keiner weiteren Erläuterung in der Bedienungsanleitung (II 289 f.). Daran ändert es
auch nichts, dass in der Bedienungsanleitung hinsichtlich des Kupplungs- bzw. Bremspedals von einem „ Durch treten“ die Rede ist.
Denn die Pedale unterscheiden sich - auch aus Laiensicht - ganz erheblich von dem START/STOP-Knopf; und zwar schon dadurch,
dass erstere etliche Zentimeter lange Pedal-„Wege“ aufweisen, während Letzterer allenfalls wenige Millimeter tief eindrückbar ist. Wenn
es der Hersteller vor diesem Hintergrund für sinnvoll erachtete, das Treten der Pedale - zur Vermeidung jedweder Missverständnisse -
näher zu konkretisieren, folgt daraus daher noch keine Unklarheit hinsichtlich des START/STOP-Knopfs.
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Ebenso wenig ist dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass für die Klägerin als (Durchschnitts-) Bedienerin des Fahrzeugs nach der
Bedienungsanleitung unklar geblieben wäre, wann der Motor nach Drücken der Taste eine hinreichende Leerlaufdrehzahl erreicht hat
und demgemäß ausreichend rund läuft. Dies gilt umso mehr, als sich der Anlassvorgang insoweit von dem mit einem herkömmlichen
Zündschlüssel nicht unterscheidet.
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(3) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, namentlich der mündlichen Gutachtenserstattung des Sachverständigen vor dem
Berufungsgericht liegt auch – entgegen der Ansicht der Klägerin – kein Widerspruch zwischen der zitierten Passage der
Bedienungsanleitung einerseits und dem Display im Armaturenbrett des Fahrzeugs vor. Zwar erscheint in diesem Display – wie vom
Sachverständigen zuletzt nochmals konkretisiert und mittels Lichtbilder dokumentiert (II 285, 309) – folgende Aufforderung:
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„Kupplungs- oder Bremspedal treten und Start“;
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und zwar noch für rund 7 Sekunden nach Erlöschen der Vorglühkontrollleuchte (bevor die Aufforderung durch die Datumsanzeige
ersetzt wird – vgl. I 38; II 285), mithin auch noch, nachdem der eigentlich werksseitig vorgesehene Zeitraum von rund 3 Sekunden zum
Drücken der START/STOP-Taste bereits verstrichen ist.
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Ein Widerspruch zur Bedienungsanleitung liegt hierin gleichwohl nicht. Denn der Sachverständige hat bestätigt (II 287), dass insoweit
die Bedienungsanleitung nur die Sollvorgaben, mithin das „Optimum“ eines wünschenswerten, korrekten Startvorgangs beschreibt,
wohingegen das Display auch den Zeitraum noch möglichen Anlassens mit umfasst. Nach den vom Sachverständigen ergänzend
durchgeführten Versuchen bleibt nämlich auch in der Zeitspanne zwischen 3 und 7 Sekunden nach Erlöschen der
Vorglühkontrollleuchte ein problemloses Starten möglich, sofern nur der START/STOP-Knopf ausreichend tief und lange genug gedrückt
wird.
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cc) Gleichwohl ist das streitgegenständliche Fahrzeug insofern sachmangelhaft, als es eine Beschaffenheit nicht aufweist, die bei
Sachen der gleichen Art üblich ist und die die Klägerin danach als Käuferin nach der Art der Sache erwarten konnte (§ 434 Abs. 1 Satz 2
Ziffer 2 BGB). Denn das Fahrzeug kompensiert die nach den gesamten Umständen keineswegs fern liegenden Bedienungsfehler der
Klägerin (zu spätes und zu zaghaftes Drücken der START/STOP-Taste) nicht wie dies die Klägerin angesichts des Standards der
vergleichbaren Fahrzeugklasse im Frühjahr 2006 berechtigterweise erwarten durfte.
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Welche Beschaffenheit für ein Kaufobjekt üblich ist und der Käufer daher nach Art der Sache erwarten kann, bestimmt sich allgemein
aus Sicht eines Durchschnittskäufers aus dem Verkehrskreis (BGH NJW 2007, 1351: „objektiv berechtigte Käufererwartung; Matusche-
Beckmann in: Staudinger BGB, Buch 2 (2004), § 434, Rn. 79 m.w.N.; PWW-Schmidt, BGB, 3. Aufl. 2008, Rn. 51/55) und
selbstverständlich nach dem Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses (hier also: Frühjahr 2006). Speziell für neue Personenkraftwagen
ist dafür auf Neuwagen vergleichbarer Art und Preisklasse abzustellen (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, BB 2008, 2469 - juris Rn.
30; Bamberger/Roth/Faust, BGB, § 434, Rn. 60; Erman/Grunewald, BGB, 3. Aufl. 2008, § 434 Rn. 20; PWW-Schmidt, a.a.O., Rn. 53).
Dabei ist angesichts insgesamt hoher Fertigungsqualität wie auch der Werbung der Hersteller durchaus eine hohe Erwartung eines
Neuwagenkäufers hinsichtlich Qualität, Sicherheit, Leistung und Haltbarkeit neuer Fahrzeuge gerechtfertigt (vgl. Reinking/Eggert, Der
Autokauf, 9. Aufl. 2005, Rn. 226). Ferner wird die Erwartung nach der allgemeinen Verkehrsauffassung beeinflusst vom Ruf von Marke
und Typ/Modell (vgl. OLG Düsseldorf NJW 2006, 2858; OLG Stuttgart, NJW-RR 2008, 1077). Als ein wesentlicher Gesichtspunkt ist
insoweit auch der Stand der Technik zu berücksichtigen, der zwar grundsätzlich „absolut“ nach dem jeweils aktuellen Status an Wissen
und Erfahrung auf technischem Gebiet zu bestimmen ist, sodass auch nicht allein auf einen einzelnen Hersteller abgestellt werden
kann, sondern der Entwicklungsstand der gesamten Automobilindustrie ausschlaggebend ist (Reinking/Eggert, a.a.O., Rn. 214, Fn. 88
f.). Andererseits ist freilich nicht das technisch überhaupt Machbare oder die optimale technische Lösung, sondern einzig der Standard
der jeweils vergleichbaren Wagenklasse zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses maßgebend. Verbesserungswürdigkeit alleine
stellt noch keinen Sachmangel dar (Reinking/Eggert, a.a.O., Rn. 242 f.).
51
Gemessen an diesem Maßstab steht vorliegend zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das streitgegenständliche Fahrzeug den zum
Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses für Fahrzeuge vergleichbarer Art und Preisklasse erwartbaren Standard nicht aufwies und
deshalb sachmangelhaft ist.
52
So hat der Sachverständige bei seiner mündlichen Gutachtenserstattung vor dem Berufungsgericht die maßgebliche Fahrzeugklasse
überzeugend als die der sportlichen Stufenhecklimousinen umschrieben, die weniger auf Familien mit deren Raumbedarf zielt, sondern
deren Fahrzeuge eher knapper vom Raum her bemessen und sportlicher ausgelegt sind. Er hat dafür eine Reihe von zumindest fünf
unmittelbar vergleichbaren Fahrzeugen benannt sowie – zur Abrundung – noch weitere überprüft und dabei festgestellt, dass bei
keinem der Fahrzeuge ähnliche Startprobleme zu reproduzieren waren; und zwar weder bei den Fahrzeugen, die noch mit
herkömmlichem Zündschlüssel ausgestattet waren noch bei denen, welche eine Start-/Stopp-Technik vergleichbar der beim
streitgegenständlichen Fahrzeug aufwiesen. Letztere war nach den Feststellungen des Sachverständigen seinerzeit zwar noch
keineswegs flächendeckend im Markt vertreten, aber auch nicht mehr als „exotische“ Technik anzusehen. Sowohl bei Fahrzeugen mit
herkömmlichem Zündschlüssel als auch bei Verwendung von Start-/Stopp-(Sensor-)Tasten waren jedoch – nach den Versuchen des
Sachverständigen – Startprobleme wie vorliegend ausgeschlossen; sei es aufgrund mechanischer und/oder elektronischer
Schutzmechanismen, etwa dergestalt, dass dem Bediener einzig die Initiative für den Startvorgang überlassen blieb, das Fahrzeug
hingegen die weitere Durchführung des Anlassens dann selbsttätig übernahm. Diese detaillierten und in jeder Hinsicht
nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, die im Übrigen insoweit bloß das Ergebnis des von der
Klägerin als Privatgutachter hinzugezogenen Dipl.-Ing. (BA) S. bestätigten, hat weder der Beklagte selbst noch der im Termin mit dem
Beklagtenvertreter aufgetretene, vom Hersteller entsandte technische Außendienstmitarbeiter anzugreifen oder gar zu entkräften
vermocht. Von ihnen geht auch das Berufungsgericht aus.
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Soweit der Beklagte sich mit nicht-nachgelassenem Schriftsatz gegen die vom Sachverständigen bestimmte und untersuchte Gruppe
vergleichbarer Fahrzeuge wendet, war dies nach § 296a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Davon abgesehen wurde - namentlich
etwa im Zusammenhang mit der Ausscheidung etwa des Audi A4 (des im Frühjahr 2006 auf dem Markt befindlichen Modells) sowie
auch der Fahrzeuge VW Passat und Opel Vectra aus dem engeren Vergleichsfeld - vom Sachverständigen überzeugend
herausgearbeitet und vom Gericht zudem in diesem Kontext als allgemein bekannt thematisiert, dass Alfa Romeo nicht zuletzt infolge
entsprechender Werbung, Produkt- sowie Preisgestaltung und Platzierung im Rahmen des FIAT-Konzerns - gerade auch mit dem
streitgegenständlichen Modell 159 - eher höherpreisige Fahrzeuge anbiete und etwa auch von der Fahrwerksauslegung sportlich-
ambitioniertere Fahrer ansprechen wolle, sodass dem Ansinnen des Beklagten, jedwedes Fahrzeug als Vergleichsmaßstab
heranzuziehen, mithin auch ausgesprochene Billigfahrzeuge, nicht gefolgt werden kann. Dessen ungeachtet hat der Sachverständige
selbst für preislich deutlich günstigere Fahrzeuge wie den Renault Megane entsprechende Schutzvorkehrungen attestiert.
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Soweit sich der Beklagte zuvor auf den generellen Einwand zurückgezogen hatte, bei einem komplexen technischen Gegenstand wie
einem modernen Kraftfahrzeug sei es schlechterdings unmöglich, den Kunden und das Fahrzeug vor jeglicher Art von Fehlbedienung
zu schützen, kommt es hierauf nicht an. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zumindest für die konkrete,
streitentscheidende Frage der technischen Verhinderbarkeit von Startproblemen der hier in Rede stehenden Art zur Überzeugung des
Gerichts fest, dass schon im Frühjahr 2006 bei Fahrzeugen vergleichbarer Art und Preisklasse mechanische und/oder elektronische
Schutzmechanismen ein problemloses Anlassen der Motoren standardmäßig zu gewährleisten vermochten. Entsprechendes durfte
daher die Klägerin auch beim Kauf des streitgegenständlichen Neufahrzeugs berechtigterweise erwarten.
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dd) Der festgestellte Sachmangel stellt sich auch keineswegs als lediglich unerheblich dar (vgl. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB).
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Maßgeblich hierfür ist eine umfassende Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Bedeutung des Mangels und des etwa
erforderlichen Beseitigungsaufwands (vgl. dazu u.a. BGH NJW 2007, 2111; OLG Düsseldorf NJW-RR 2008, 1199/1200; 1230/1231;
Schleswig-Holsteinisches OLG, BB 2008, 2469; Palandt-Grüneberg, BGB, 67. Aufl. 2008, § 323, Rn. 32 m.w.N.).
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Danach ist hier zwar einerseits von einer prima facie durch mögliche und zumutbare Einhaltung der Vorgaben der Bedienungsanleitung
benutzerseitig zu „kompensierenden“ Abweichung der Qualität des Kaufobjekts vom Standard vergleichbarer Produkte auszugehen, die
die Benutzbarkeit des Fahrzeugs nicht grundsätzlich in Frage stellt (s.o.). Die erforderlichen Mangelbeseitigungskosten schätzte der
Sachverständige auch nur auf wenige hundert Euro. Insoweit konnte er freilich – mangels erforderlichen Zugangs zu den Steuerdaten
der Bordelektronik – weder mit Bestimmtheit sagen, ob eine (nachträgliche) Mangelbeseitigung überhaupt möglich ist, noch konnte er
die Kosten verlässlich nach oben hin begrenzen. Vor allem jedoch betonte der Sachverständige in diesem Zusammenhang zu Recht,
dass die fehlerhaften Startvorgänge für den Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit Sicherheit ganz erheblich schädlich sind;
auch wenn er – schon mangels entsprechenden Auftrags hierzu – substanzielle (Folge-) Schäden (noch) nicht positiv festgestellt habe.
Solche Schäden könnten freilich leicht im Bereich 4-stelliger Euro-Beträge liegen. Von einem bloß unerhebliche Sachmangel kann vor
diesem Hintergrund indessen nicht ausgegangen werden.
58
ee) Der Beklagte hat im Übrigen unbestritten nach mehreren erfolglosen Nachbesserungsversuchen eine (weitere) Nachbesserung wie
auch Rückabwicklung des Kaufvertrags ausdrücklich verweigert.
59
2. Nach alledem steht der Klägerin das von ihr geltend gemachte Recht auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gemäß §§ 346 ff. BGB zu, von
welchem sie durch ausdrückliche Rücktrittserklärung auch Gebrauch gemacht hat.
60
a) Der Beklagte hat demgemäß den von der Klägerin unstreitig gezahlten Kaufpreis von 23.000 EUR (vgl. I 4, 9) zurück zu zahlen (§ 346
Abs. 1 BGB).
61
b) Hiervon sind - gemäß zu Recht anerkannter allgemeiner Ansicht - für die von der Klägerin mit dem streitgegenständlichen PKW
gefahrenen 50.141 Kilometer gezogene Gebrauchsvorteile gem. § 346 Abs. 1 BGB in Abzug zu bringen, für welche die Klägerin Wertersatz
schuldet (vgl. Reinking/Eggert, a.a.O., Rn. 456).
62
aa) Anderes folgt - entgegen der Ansicht der Klägerin - auch nicht aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom
17.04.2008 - C-404/06 in der Rechtssache Quelle AG gegen den Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände
(NJW 2008, 1433). Denn diese Entscheidung beschränkt sich nach ihrem Leitsatz wie auch den Entscheidungsgründen erklärtermaßen
auf den hier nicht vorliegenden Fall einer Ersatzlieferung. Folgerichtig hat denn auch der Bundesgerichtshof in der umsetzenden
Entscheidung vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05 (Presseerklärung) - ausschließlich eine richtlinienkonforme Auslegung des die
Nacherfüllung regelnden § 439 Abs. 4 BGB für notwendig erachtet.
63
Für den hier vorliegenden Fall einer Vertragsauflösung gemäß Art. 3 V der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 25.05.1999 hat demgegenüber auch der Europäische Gerichtshof ausdrücklich unter Verweis auf den 15. Erwägungsgrund
der Richtlinie den Grundsatz der gegenseitigen Herausgabe der erlangten Vorteile und damit die in Deutschland bestehende ständige
Praxis bestätigt (EuGH, a.a.O., Tz. 38 f.).
64
Die mit Schriftsatz vom 21.05.2008 erfolgte Klageerweiterung - gerichtet auf den Wegfall jeglichen Nutzungsersatzes - erweist sich
sonach als in der Sache nicht gerechtfertigt.
65
bb) Die von der Klägerin dem Beklagten zu erstattenden Gebrauchsvorteile sind nicht exakt berechenbar und deshalb analog § 287
Abs. 2 ZPO zu schätzen, wobei als Bemessungsgrundlage an den Bruttokaufpreis anzuknüpfen und dieser nach der linearen
Wertschwundmethode auf die erwartbare Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs umzulegen ist. Danach ergibt sich folgende
Berechnungsformel:
66
Gebrauchsvorteil =
Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer
erwartete Gesamtlaufleistung
(vgl. Reinking/Eggert a.a.O., Rn. 456 ff.).
67
Die Behauptung der Klägerin, bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug sei mit einer Gesamtfahrleistung von 200.000 km zu rechnen,
hat der Beklagte nicht bestritten. Gegen eine solche Erwartung ist im Übrigen auch aus gerichtlicher Sicht für ein modernes Diesel-
Fahrzeug - mangels abweichender Anhaltspunkte - grundsätzlich nichts zu erinnern (vgl. dazu auch Reinking/Eggert, a.a.O., Rn. 466).
68
Demnach ergibt sich aber für den vorliegenden Fall folgende Berechnung:
69
23.000 EUR x 50.141 km
200.000 km
= 5.766,22 EUR
70
bzw. (23.000 EUR/200.000 km = [gerundet]) 0,12 EUR Nutzungsentschädigung je gefahrenem Kilometer. Der entsprechende Ausspruch
in Tenor Ziffer 1 a für die bis zur Rückgabe des Fahrzeugs erfolgende weitere Nutzung war bei sachgerechter Auslegung der
Parteianträge als Minus vom umfassenden Klageabweisungsbegehren des Beklagten und dessen Verweis auf die Erforderlichkeit eines
- sogar weitergehenden - Abzugs wegen der gezogenen Gebrauchsvorteile ersichtlich mitumfasst.
71
c) Zudem kann die Klägerin vom Beklagten infolge des wirksamen Rücktritts vom Kaufvertrag nach § 346 Abs. 1 BGB die gezogenen bzw.
nach § 347 Abs. 1 BGB gegebenenfalls selbst nicht-gezogene Zinsvorteile aus dem unstreitig entrichteten Kaufpreis verlangen (vgl.
Reinking/Eggert, a.a.O., Rn. 454). Die Höhe des Zinsvorteils von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die Zeit vom
01.03.2006 bis 05.09.2007, mithin 2.513,23 EUR, blieb unbestritten.
72
d) Insgesamt kann die Klägerin folglich Zug-um-Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs vom Beklagten die Zahlung
folgender Summe verlangen:
73
23.000,00 EUR
-
5.766,22 EUR
+
2.513,23 EUR
=
19.747,01 EUR
74
e) Bei der Zug-um-Zug-Verurteilung ist zu berücksichtigen, dass Erfüllungsort für die zurück zu gewährenden Leistungen nach allgemeiner
Ansicht der Ort ist, an dem sich das vom Käufer zurückzugebende Fahrzeug vertragsgemäß befindet, was nach dem Parteiwillen in der
Regel dem Wohnort des Käufers entspricht (vgl. Reinking/Eggert, a.a.O., Rn. 477 m.w.N.).
75
3. Der Beklagte hat die Klägerin auch wegen der - nach Verzugseintritt - angefallenen, nicht anrechenbaren außergerichtlichen
Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.057,69 EUR freizustellen.
76
4. Die Klägerin kann außerdem die Feststellung verlangen, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des mangelhaften Fahrzeugs in
Verzug befindet. Die Klägerin hat dem Beklagten ein wörtliches Angebot i.S.v. § 295 BGB unterbreitet und den Beklagten dadurch in
Annahmeverzug gesetzt (vgl. Reinking/Eggert, a.a.O., Rn. 475 m.w.N.).
III.
77
Die Kostenentscheidung resultiert aus § 92 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative ZPO.
78
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
79
Gründe, die für den vorliegenden Einzelfall gemäß § 543 Abs. 2 ZPO eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, liegen nicht vor.