Urteil des OLG Karlsruhe vom 14.06.2013

OLG Karlsruhe: beschränkung, bestandteil, überprüfung, täterschaft, erforschung, freispruch, überzeugung, strafprozessordnung, rüge, dispositionsfreiheit

OLG Karlsruhe Beschluß vom 14.6.2013, 3 Ss 233/13; 3 Ss
233/13 - AK 92/13
Leitsätze
Die nachträgliche Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist nach § 257 c
Abs. 2 Satz 1 StPO ein der Verständigung im Berufungshauptverfahren jedenfalls grundsätzlich
zugänglicher Gegenstand.
Gründe
1 Die Rüge des Angekl., seine im Berufungsverfahren erklärte Berufungsbeschränkung auf
den Rechtsfolgenausspruch sei unwirksam, greift nicht durch.
2 Soweit der Angekl. der Auffassung ist, dass die nachträgliche Beschränkung der Berufung
auf den Rechtsfolgenausspruch nicht Bestandteil einer Verständigung sein könne, weil
dieser ein - zwingend auf die Richtigkeit zu überprüfendes (BVerfG, StV 2013, 353) -
Geständnis zugrunde liegen soll (§ 257c Abs. 2 Satz 2 StPO), folgt der Senat dem nicht (vgl.
auch Niemöller in N/Sch/W, VerstG, Teil C, Rdn. 100). Nach § 257c Abs. 2 Satz 2 StPO
„soll“ ein Geständnis Bestandteil jeder Verständigung sein. Wenn auch in aller Regel in
einer nachträglichen Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch, die eine
Teilrücknahme des ursprünglich unbeschränkt eingelegten Rechtsmittels darstellt (BGHSt
33, 59), zum Ausdruck kommt, dass der Angeklagte die Tat(en) einräumt, ist eine solche
„Geständnisfiktion“ nicht zwingend. Gegenstand einer Verständigung kann nach § 257c
Abs. 2 Satz 1 StPO auch „das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten“ sein (vgl. LG
Freiburg, StV 2010, 236). Entscheidend ist auf jeden Fall, dass § 244 Abs. 2 StPO
unberührt bleibt (§ 257c Abs. 1 Satz 2 StPO), d. h. jede Disposition über Gegenstand und
Umfang der dem Gericht von Amts wegen obliegenden Pflicht zur Aufklärung des mit der
Anklage vorgeworfenen Geschehens ist ausgeschlossen (BVerfG, a.a.O. [Rdn. 68]). Seine
Grenzen findet dieser Grundsatz jedoch in der Dispositionsfreiheit des Angekl., der nach
der Strafprozessordnung befugt ist, ein Rechtsmittel gegen ein vorinstanzliches
gerichtliches Urteil zu beschränken (oder vollständig zurückzunehmen) und damit der
Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht zu entziehen. In diesen Fällen basiert der
Schuldspruch nicht auf einem Geständnis, sondern auf der (teilweisen) Akzeptanz der
vorinstanzlichen Entscheidung durch den Angeklagten. Ob etwas anderes in
Ausnahmefällen gilt (etwa wenn dem amtsgerichtlichen Urteil seinerseits ein
verständigungsbasiertes Geständnis ohne Überprüfung seiner Richtigkeit zugrunde liegt),
kann offen bleiben, weil vorliegend das AG aufgrund einer umfassenden Beweisaufnahme
zu der Überzeugung von der Täterschaft des die Tatvorwürfe bestreitenden Angekl.
gekommen ist und das LG ebenfalls die Beweisaufnahme nahezu vollständig durchgeführt
hatte, bevor auf Anregung des Angekl. die anschließend getroffene Verständigung erfolgt
ist. Die Behauptung des Angekl., ihm sei die Möglichkeit abgeschnitten worden, „durch eine
umfassende Erforschung der Wahrheit zu einem ihm im konkreten Fall zustehenden
Freispruch zu kommen“, ist damit widerlegt. Dass der Angekl. am Ende der durchgeführten
Beweisaufnahme vor dem LG damit rechnete, dass seine Berufung möglicherweise in
vollem Umfang verworfen werden würde, und er deshalb sich auf die von ihm initiierte
Verständigung mit dem Ziel einer geringeren Strafe einließ, vermag die Wirksamkeit der
Verständigung nicht in Frage zu stellen.