Urteil des OLG Karlsruhe vom 11.04.2005

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OLG Karlsruhe Beschluß vom 11.4.2005, 16 WF 44/05
Prozesskostenhilfe: Verweisung auf Prozesskostenvorschuss, wenn das Einkommen des potentiell Vorschusspflichtigen nicht bekannt ist
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihr Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht -
Mannheim vom 24. März 2005 wird zurückgewiesen.
Gründe
1
Das Amtsgericht hat der Antragstellerin Prozesskostenhilfe für einen Ehescheidungsantrag versagt und sie zuletzt auf einen
Prozesskostenvorschuss des Antragsgegners verwiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet.
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Die Antragstellerin trägt vor, der Antragsgegner sei mehrfach fruchtlos angeschrieben worden, ohne dass er Auskunft über seine Einkünfte erteilt
habe. Die Antragstellerin könne nicht auf eine Auskunftsklage verwiesen werden; dies sei wegen der Länge eines solchen Verfahrens
unzumutbar.
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1. § 115 Abs. 2 ZPO bestimmt, dass die Partei ihr Vermögen einzusetzen hat, soweit dies zumutbar ist. Zum Vermögen gehört auch ein Anspruch
auf Prozesskostenvorschuss.
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2. Besteht ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss, muss die Partei regelmäßig versuchen, diesen auch gerichtlich durchzusetzen; andernfalls
könnte sie im Zusammenwirken mit dem Vorschusspflichtigen trotz bestehenden Anspruchs zu Unrecht Prozesskostenhilfe erhalten
(Zimmermann, Prozesskostenhilfe in Familiensachen, 2. Aufl. 2000 Randnote 166; Kalthoener/Büttner/Wrobel - Sachs, Prozesskostenhilfe und
Beratungshilfe, 3. Aufl. 2003 Prozesskostenhilfe Randnote 355).
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3. a) Ist zweifelhaft oder unsicher, ob der Anspruch auf Prozesskostenvorschuss überhaupt besteht, ist eine Verweisung der Partei darauf nicht
von vornherein ausgeschlossen. Ist der Vorschusspflichtige die Gegenpartei, wird er regelmäßig eine Vorschusspflicht bestreiten; es wird
erforderlich sein, auch insoweit gerichtlich gegen ihn vorzugehen. Hierfür steht in verschiedenen Verfahren der Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung zur Verfügung, hier nach § 620 Nr. 10 ZPO. Der Antrag ist zulässig, sobald die Ehesache anhängig oder ein Antrag auf
Bewilligung der Prozesskostenhilfe eingereicht ist (§ 620 a Abs. 2 ZPO). Will die Partei alsbald die Rechtshängigkeit herbeiführen, steht ihr § 14
Nr. 3 GKG zur Verfügung.
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b) In Fällen, in denen die Partei die Einkommens - und Vermögensverhältnisse des Vorschusspflichtigen nicht kennt, ist jedenfalls nicht von
vornherein ausgeschlossen, sie ebenfalls auf gerichtliche Durchsetzung des Vorschussanspruchs zu verweisen. Sie kann den
Vorschusspflichtigen auf Auskunft in Anspruch nehmen. Sie kann sich aber auch darauf beschränken, den Vorschusspflichtigen außergerichtlich
aufzufordern, seine Einkommens - und Vermögensverhältnisse offen zu legen und, kommt er dem nicht nach, diese schätzen und die Schätzung
dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zugrundelegen. Eine Schätzung wird gerade in Ehescheidungsstreitigkeiten möglich sein,
wo die Partei in der Zeit des Zusammenlebens in der Regel Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse des Vorschusspflichtigen hatte. Ergibt
sich trotzdem nach Anhörung des Vorschusspflichtigen, dass dieser nicht einmal dazu in der Lage ist, den Prozesskostenvorschuss in Raten zu
erbringen, kann die Partei den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurücknehmen und wegen der Kosten auf eine entsprechende
Anwendung des § 93 d ZPO dringen. Das Prozesskostenrisiko der Partei mildert sich auch dadurch, dass ihr regelmäßig Prozesskostenhilfe für
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu bewilligen sein wird.
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c) Im Ausnahmefall kann der Partei auch die Klage auf Auskunft über die Einkommens - und Vermögensverhältnisse des Vorschusspflichtigen
zugemutet werden, für die ihr ebenfalls Prozesskostenhilfe zu bewilligen sein dürfte. Zumutbar ist die Auskunftsklage, wenn der beabsichtigte
Rechtsstreit schlechthin nicht eilig ist, wie etwa gerade ein Antrag auf Ehescheidung.
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d) Der Senat kann deshalb, jedenfalls nicht für den Regelfall und insbesondere nicht für den Regelfall eines Ehescheidungsverfahrens, der
immer wieder fortgeschleppten Auffassung folgen, eine Verweisung auf Prozesskostenvorschuss komme nicht in Betracht, wenn das Einkommen
des Unterhaltspflichtigen nicht bekannt ist und über eine Auskunftsklage erst ermittelt werden muss (OLG München FamRZ 1994, 1126;
Musielak/Fischer ZPO § 115 Randnote 37; dagegen insbesondere Zimmermann, Prozesskostenhilfe in Familiensachen, 2. Aufl. Rdn. 166 unter
bb).
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4. Da nach der gegenwärtigen Sachlage die Antragstellerin mindestens darauf verwiesen werden muss, gegen den Antragsgegner wegen eines
Prozesskostenvorschusses im Wege des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorzugehen, hat ihr das Amtsgericht zu Recht
Prozesskostenhilfe versagt.
10 5. Beschwerdegebühr: 50 EUR (Nr. 1811 Kostenverzeichnis zum Gerichtskostengesetz).