Urteil des OLG Karlsruhe vom 06.11.2002

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OLG Karlsruhe Beschluß vom 6.11.2002, 2 WF 125/01
Kostenerstattung im Vaterschaftsfeststellungsverfahren: Erstattungsfähigkeit der Mehrkosten des auswärtigen Prozessbevollmächtigten
eines niederländischen Beklagten
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagtenvertreters wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Mosbach vom
29.03.2001 (1 C 256/99) dahin abgeändert, dass neben den festgesetzten Kosten in Höhe von DM 3.217,44 weitere 557,31 EUR (DM 1.090,00)
nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 22.12.2000 festgesetzt werden.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Beschwerdewert wird auf 557,31 EUR (DM 1090,00) festgesetzt.
Gründe
I.
1
Mit Urteil vom 26.10.2000 - AZ.: 2 UF 256/99 - hat das Oberlandesgericht Karlsruhe die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts
- Familiengericht - Mosbach vom 29.11.2000, in dem die Vaterschaftsfeststellungsklage gegen den Beklagten abgewiesen worden war, ebenfalls
zurückgewiesen. Danach hat der Beklagtenvertreter einen Kostenfestsetzungsantrag für die erste Instanz beim Amtsgericht Mosbach gestellt.
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Der Beklagte lebt in den Niederlanden und ist niederländischer Staatsangehörigkeit. Sein Prozessbevollmächtigter ist in Versmold in der Nähe
von Münster niedergelassen. In seinem Kostenfestsetzungsantrag hat er Reisekosten für die Teilnahme an zwei mündlichen Verhandlungen am
23.06.1997 und 11.11.1999, Abwesenheitsgeld, Parkhausgebühren sowie Aktenversendungspauschale in Höhe von insgesamt DM 1.090,00
(DM 12,48 + DM 36,40 + DM 220 + 16 % MWSt hieraus i.H.v. DM 43,02 + DM 353,10 + DM 396 + DM 15 + DM 14) geltend gemacht. Mit
Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.03.2001 hat das Amtsgericht Mosbach unter anderem diese Kosten mit der Begründung nicht festgesetzt,
dass der Beklagtenvertreter ihre Notwendigkeit nicht dargelegt habe. Der Beschluss ist dem Beklagtenvertreter am 21.04.2001 zugestellt worden.
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Hiergegen hat der Beklagtenvertreter sofortige Beschwerde am 27.04.2001 beim Amtsgericht Mosbach mit der Begründung erhoben, bei
Beauftragung eines am Amtsgericht Mosbach niedergelassenen Rechtsanwaltes hätten die Reisekosten des Beklagten für eine
Informationsreise nach Mosbach, bei der auch eine Übernachtung erforderlich gewesen wäre, die Reisekosten des Rechtsanwaltes überstiegen.
Außerdem hätte noch ein Verkehrsanwalt beauftragt werden müssen.
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Das Amtsgericht Mosbach hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem OLG Karlsruhe zur Entscheidung vorgelegt.
II.
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Die sofortige Beschwerde ist zulässig, § 11 Abs. 1 RPflG, §§104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO, und in der Sache begründet.
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Gem. § 91 Abs. 2 ZPO sind der obsiegenden Partei - hier dem Beklagten - die Auslagen und Reisekosten des Rechtsanwaltes, der nicht bei dem
Prozessgericht zugelassen ist und am Ort des Prozessgerichtes auch nicht wohnt, insoweit zu erstatten, als die Zuziehung zur
zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig war. Nach der Neufassung von § 78 ZPO wird zum Teil die Auffassung vertreten,
Reisekosten eines am Prozessgerichtes nicht zugelassenen Anwaltes seien nur erstattungsfähig, soweit bei Einschaltung eines
Unterprozessbevollmächtigten keine geringeren Kosten entstanden wären (OLG Thüringen, MDR 2002, S. 723; OLG Schleswig, MDR 2001, S.
537), oder soweit durch sie andere (fiktive) Parteikosten erspart worden seien (OLG Karlsruhe, MDR 2001, S. 293). Die überwiegende
Rechtsprechung geht jedoch dahin, dass Reisekosten grundsätzlich erstattungsfähig sind, wenn der auswärtige Verfahrensbevollmächtigte
seinen Kanzleisitz am Sitz der Partei hat und es nicht zur Beauftragung eines weiteren Prozessbevollmächtigten kommt (OLG Dresden, JurBüro,
2002, S. 255; KG Berlin, KGR Berlin 2002, S. 157; OLG Frankfurt, MDR 2000, S. 1215; OLG Düsseldorf, JurBüro 2002, S. 151 und 485). Hierbei
sei zum einen das Interesse der beauftragenden Partei an einer angemessenen Rechtsvertretung und zum anderen das für sie aus der
allgemeinen Schadensminderungspflicht abzuleitende bestehende Gebot der kostengünstigen und sparsamen Prozessführung zu beachten.
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Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, welcher Rechtsprechung zu folgen ist, denn auch die Erstattungsvoraussetzungen nach der engeren
Auffassung liegen vor. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass es sich um eine ausländische Partei handelt, der weder die deutsche Sprache
noch das deutsche Recht bekannt ist. Gegen sie wurde eine Vaterschaftsfeststellungsklage, mithin eine Klage mit weitreichenden nicht nur
finanziellen Konsequenzen erhoben. Die anwaltliche Vertretung durch einen deutschen Anwalt war damit ohne Frage notwendig. Gerade bei
diesem Streitgegenstand durfte der Beklagte einen Anwalt seines persönlichen Vertrauens wählen. Auch die Beauftragung eines Anwaltes nahe
der deutsch-niederländischen Grenze ist insoweit nicht zu beanstanden. Der Beklagte konnte davon ausgehen, dass dies seinen eigenen
Aufwand zur erforderlichen Rechtsverteidigung angemessen begrenzte, da zur adäquaten Prozessvorbereitung im vorliegenden Verfahren
persönliche Gespräche über den die Privatsphäre tangierenden Sachverhalt erforderlich waren. Auch die Bestellung eines
Korrespondenzanwaltes hätte im vorliegenden Verfahren keine wesentliche Kostenersparnis zur Folge gehabt. Dem Beklagten war deshalb
zuzugestehen, dass er einen Anwalt in der Nähe seines Wohnsitzes auswählt, der gleichzeitig näher am Prozessgericht niedergelassen ist. Ein
Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht des Beklagten kann deshalb nicht festgestellt werden.
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Die geltend gemachten Reisekosten und Abwesenheitsgelder in Höhe von insgesamt DM 1.090,00 des nicht am Ort des Prozessgerichts
niedergelassenen Rechtsanwaltes sind daher im vorliegenden Fall als notwendig im Sinne des § 91 Abs. 2 ZPO anzusehen. Der
Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Mosbach wird insoweit abgeändert.
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Die Kostenentscheidung ergeht gem. §§ 97, 91 ZPO (Zöller/Hergeth, ZPO, 23. Aufl., § 104 Rn. 21 Stichwort: Kostentragung).
10 Der Beschwerdewert entspricht den zusätzlich festgesetzten Gebühren.