Urteil des OLG Karlsruhe vom 12.07.2006

OLG Karlsruhe (kläger, zpo, treu und glauben, erklärung, verwaltung, zustimmung, abschluss, vermietung, interesse, errichtung)

OLG Karlsruhe Urteil vom 12.7.2006, 1 U 20/06
Gemeinschaft von Miteigentümern eines Grundstücks: Mehrheitsentscheidung über den Nichtabschluss
eines Mietvertrages über eine Mobilfunksendestation als Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung
Leitsätze
1. Bei Gemeinschaften von Miteigentümern stimmt die Mehrheitsentscheidung, einen Mietvertrag über die
Errichtung einer Mobilfunksendestation auf dem Dach des gemeinschaftlichen Wohnhauses nicht abzuschließen,
mit einer dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechenden Verwaltung und Benutzung im
Sinne von § 745 Abs. 2 BGB überein.
2. Auch bei Einhaltung der Grenzwerte der 26. BImSchV kann nach der Verkehrsanschauung bereits die
Besorgnis einer Gesundheitsgefahr die Gebrauchstauglichkeit von Mieträumen zu Wohnzwecken beeinträchtigen.
Die Nutzung eines Gebäudes durch Vermietung oder seine Verwertung durch Verkauf (von Miteigentumsanteilen)
können durch die Installation einer Mobilfunksendeanlage beeinträchtigt werden. Da bereits die ernsthafte
Möglichkeit einer Wertminderung ausreicht, kommt es auf deren tatsächliches Eintreten nicht an.
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 12.01.2006 - 1 O 360/04 - wird
zurückgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1
Die Kläger verlangen die Zustimmung der Beklagten zum Abschluss eines Mietvertrages.
2
Die Parteien sind Miteigentümer des Anwesens ... in ..., wobei die Beklagte Inhaberin eines Anteils von 5/9 ist.
Der Kläger Ziffer 1 erhielt im Frühjahr 2004 ein Angebot eines Mobilfunkanbieters zum Abschluss eines
Mietvertrages zur Errichtung einer Funkfeststation auf dem Dach des Gebäudes. Der Jahresmietzins sollte
4.500.-- EUR betragen. Eine Kündigung des Mietvertrages ist nach dem Vertragsentwurf erstmals zum
30.04.2024 möglich. Die Beklagte hat es im Gegensatz zu den Klägern abgelehnt, den Mietvertrag
abzuschließen.
3
Auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1
ZPO).
4
Die Kläger haben beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, der Vermietung einer Fläche im Dachgeschoß des Gebäudes ... in ... zur
Errichtung einer Antennenanlage, Versorgungseinheit, Kabelwege und Zuwege in und auf dem Gebäude an die
Firma Z- Mobilfunk zu den im Einzelnen bezeichneten Vertragsbestimmungen des Angebots der Firma Z-
Mobilfunk zuzustimmen.
6
Die Beklagte hat beantragt,
7
die Klage abzuweisen.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Abschluss des
Mietvertrages mit dem Ziel der Errichtung einer Mobilfunkantenne stelle keine zur Erhaltung des Gebäudes
notwendige Maßnahme dar. Die Anbringung der Antenne biete lediglich die Möglichkeit, Mieteinnahmen zu
erzielen. Dies stelle aber keine Maßnahme dar, die den Wert des Hauses oder die Substanz des Gebäudes
erhalte.
9
Die Kläger könnten die begehrte Zustimmung der Beklagten auch nicht unter dem Gesichtspunkt des § 745
Abs. 2 BGB verlangen. Hier könne unter mehreren zur Auswahl stehenden Maßregeln nur diejenige
durchgeführt werden, die das Interesse aller Teilhaber bestmöglich wahre. Voraussetzung einer Regelung durch
das Gericht sei allerdings eine Uneinigkeit der Mitberechtigten, die auch durch die Mehrheit nicht behoben
werden könne. Die Beklagte habe allerdings als Inhaberin der Mehrheitsbeteiligung den Abschluss des
Mietvertrages abgelehnt, so dass ein Mehrheitsbeschluss vorliege. Dieser widerspreche der ordnungsgemäßen
Verwaltung nicht. Zwar biete die Vermietung auch Vorteile, indem der erzielte Mietzins der
Eigentümergemeinschaft zu Gute komme. Andererseits seien Gesundheitsgefährdungen durch die
Mobilfunkantenne nicht auszuschließen. Bereits die Ungewissheit bezüglich einer möglichen Beeinträchtigung
reiche aus, die Mehrheitsentscheidung als wirksam anzusehen, da sie dem billigen Ermessen aller Teilhaber
entspreche.
10 Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, die ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholen und vertiefen.
Zwar sei die Vermietung nicht die einzig zwingende Maßnahme. Entscheidend sei jedoch ein wirtschaftlicher
Maßstab. Die Gemeinschaft verfüge über keine anderen finanziellen Mittel, um die bestehende, desolate Lage
zu ändern. Im Hinblick auf § 745 Abs. 2 BGB liege zwar ein Mehrheitsbeschluss vor, dieser entspreche aber
nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Das Gebäude sei in höchst sanierungsbedürftigem
Zustand. Der Abschluss des Mietvertrages ermögliche hingegen, die gegenüber einer Bank bestehenden
Verbindlichkeiten zu bedienen. Zudem verhindere er weiteren Wertverlust. Das Landgericht habe zu Unrecht
angenommen, dass der Mehrheitsbeschluss der Billigkeit entspreche und hierbei dem Interesse an der
finanziellen Sanierung die bloße Möglichkeit einer Gesundheitsgefährdung gegenübergestellt. Demgegenüber
beständen tatsächlich keine Risiken für die Gesundheit, weil die Mobilfunkfeststation die maßgeblichen
Grenzwerte der 26. BImSchV einhalte. Hieraus ergebe sich, dass die Beeinträchtigung durch die Funkwellen
unwesentlich sei. Jedenfalls hätte die Beklagte Umstände beweisen müssen, die das in der Einhaltung der
Grenzwerte liegende Indiz erschüttern. Dies sei aber nicht erfolgt. Abstrakte Gefahren seien insoweit nicht
ausreichend.
11 Die Kläger beantragen,
12 unter Abänderung des am 12.01.2006 verkündeten Urteils des Landgerichts Heidelberg die Beklagte zu
verurteilen, der Vermietung einer Fläche im Dachgeschoß des Gebäudes ... in ..., zur Errichtung einer
Antennenanlage, Versorgungseinheit, Kabelwege und Zuwege in und auf dem Gebäude an die Firma Z-
Mobilfunk zu den im Einzelnen bezeichneten Vertragsbestimmungen des Angebots der Firma Z-Mobilfunk
zuzustimmen.
13 Die Beklagte beantragt,
14 die Berufung zurückzuweisen.
15 Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie sei nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss gelangt, dass der
mögliche gesundheitsgefährdende Aspekt erheblich und nicht von der Hand zu weisen sei. Demgegenüber trete
das Interesse der Kläger an einer minimalen Erhöhung der Mieteinnahmen zurück. Dabei sei auch zu beachten,
dass die Kläger den auf sie entfallenden Teil der Verbindlichkeiten gegenüber der Bank in Höhe von 527,75
EUR monatlich nicht bedienen. Auch die von ihnen selbst zu bezahlende Miete behielten die Kläger ein,
wodurch ein weiterer Fehlbetrag entstehe. Durch die von den Klägern angestrebten Mieteinnahmen könnten die
monatlich zu leistenden Zahlungen nicht erbracht werden.
16 Das Landgericht habe auch die Interessen ordnungsgemäß abgewogen. Durch eine Mobilfunksendestation
werde der Wert der Immobilie gemindert, selbst wenn diese in einer Entfernung von 100 Metern stehe.
17 Die Kläger erwidern hierauf, im Umkreis von 100 Meter um das gemeinschaftliche Gebäude befänden sich
bereits mehrere Sendemasten, so dass kein (weiterer) Wertverlust eintreten könne. Der Einbehalt der Miete
durch die Kläger rechtfertige sich, weil auch die Beklagte die Einnahmen aus zwei Mieten nicht auf das
gemeinschaftliche, sondern auf ihr privates Konto leite. Hieraus folge ein Ausgleichsanspruch der Kläger von
über 30.000.-- EUR.
18 In der mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter (§ 527 ZPO) legten die Kläger eine handschriftliche
Erklärung der Beklagten vom 02.12.2005 vor, die unter der Überschrift „Zustimmungserklärung“ die Worte
enthält „Ich erkläre, dass eine Funkstation auf das Haus ... erlaubt ist“.
19 Die Kläger stützten nachfolgend die Berufung auch auf diese Erklärung und führten aus, die Beklagte habe
solche Zusagen zuvor mehrmals mündlich abgegeben, ihre Zustimmung später aber jeweils unter die
Bedingung des Verkaufs des Hauses gestellt. Entsprechend sei das Schriftstück zunächst nur vorgelegt
worden, um darzustellen, dass die Beklagte tatsächlich keine Gesundheitsgefahren befürchte. Eine allgemeine
Befürchtung von Beeinträchtigungen in der Bevölkerung könne kein Grund sein, die Verweigerung der
Zustimmung durch die Beklagte als Ausübung billigen Ermessens anzusehen.
20 Die Beklagte erklärte zu der „Zustimmungserklärung“ vom 02.12.2005, diese sei einerseits verspätet vorgelegt.
Andererseits sei sie erst abgegeben worden, nachdem sich die Parteien auf den Verkauf des Hauses geeinigt
hätten. Sie gelte daher auch nur für diesen Fall.
21 Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen verwiesen.
II.
22 Die zulässige Berufung ist unbegründet.
23 Die Kläger haben keinen Anspruch auf die begehrte Zustimmung der Beklagten.
24 1. Mit der „Zustimmungserklärung“ vom 02.12.2005 kann der geltend gemachte Anspruch nicht begründet
werden, weil diese Erklärung keinen unbedingten Rechtsbindungswillen der Beklagten enthielt. Deswegen kann
offen bleiben, ob mit Abgabe der beanspruchten Erklärung der Klaganspruch bereits erfüllt wäre.
25 a. Allerdings ist die Vorlage der Zustimmungserklärung erstmals im Berufungsverfahren nicht verspätet, §§
530, 296 Abs. 1, Abs. 4, 531 Abs. 2 ZPO. Eine Präklusion gemäß § 531 Abs. 2 ZPO scheidet aus, weil den
Klägern nicht vorgeworfen werden kann, diese Erklärung der Beklagten nicht in I. Instanz vorgelegt zu haben.
Die mündliche Verhandlung vor dem Landgericht Heidelberg wurde am 03.11.2005 geschlossen, wohingegen
die fragliche Bestätigung vom 02.12.2005 datiert. Sie konnte damit in I. Instanz nicht vorgelegt werden.
26 Auch ein Ausschluss dieses Vorbringens der Kläger nach §§ 530, 520, 296 Abs. 1 und 4 ZPO ist nicht
gerechtfertigt. Voraussetzung einer Zurückweisung des klägerischen Vortrags ist insoweit jedenfalls eine
ansonsten eintretende Verzögerung des Rechtsstreits (§ 296 Abs. 1 ZPO und Zöller/Gummer/Heßler, ZPO 25.
Aufl. § 530 Rdnr. 15 m.w.N.). Eine Verzögerung des Rechtsstreits tritt aber nicht ein, weil das Urteil bei
Verwertung der Zustimmungserklärung nicht später erginge, als wenn sie nicht berücksichtigt werden würde.
Auf die Gewährung eines Schriftsatzrechts, der die weiträumige Bestimmung des Termins im Sinne von § 128
Abs. 2 S. 2 ZPO entspricht, kommt es insoweit nicht an. Der Gegner der vortragenden Partei hat kein Recht,
durch Verweigerung der Einlassung das Gericht zu zwingen, von dem verspäteten Vorbringen keine Kenntnis
zu nehmen und dieses gemäß § 296 ZPO zurückzuweisen (Zöller/Greger, aaO, § 296 Rdnr. 16). Das gilt
vorliegend erst recht, da die fragliche Erklärung von der Beklagten stammt und deshalb von ihr verlangt werden
kann, auf entsprechenden Vortrag der Kläger sofort Stellung zu nehmen.
27 b. Die Beklagte hat jedoch vorgetragen, die von ihr unterzeichnete Erklärung erst abgegeben zu haben,
nachdem sie sich mit dem Beklagten Ziffer 1 über den Verkauf des gemeinschaftlichen Hauses geeinigt habe.
Hieraus sei zu folgern, dass die Zustimmung zur Errichtung der Mobilfunkantenne nur für diesen Fall gelten
solle.
28 Bei der Auslegung von Willenserklärungen ist der wirkliche Wille zu erforschen. Der buchstäbliche Sinn des
Ausdrucks tritt demgegenüber zurück (§ 133 BGB). Außerdem ist der Grundsatz von Treu und Glauben und
das Erfordernis der Verkehrssitte zu beachten (§ 157 BGB). Die Auslegung hat sich danach auszurichten, was
als Wille für denjenigen erkennbar geworden ist, für den die Erklärung bestimmt war (BGH NJW 1992, 1446
m.w.N.). Wird der tatsächliche Wille des Erklärenden bei Abgabe einer empfangsbedürftigen Willenserklärung
festgestellt, und hat der andere Teil die Erklärung ebenfalls in diesem Sinne verstanden, dann bestimmt dieser
Wille den Inhalt des Rechtsgeschäfts, ohne dass es auf Weiteres ankommt (BGH NJW 2002, 1038 f. m.w.N.).
Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinn verstanden, so geht der wirkliche
Wille des Erklärenden dem Wortlaut vor (BGH aaO).
29 Die Behauptung der Beklagten, ihre Zustimmungserklärung habe nur für den Fall des Verkaufs des Hauses
gelten sollen, wird durch die Darstellung der Kläger bestätigt. Diese haben insoweit vorgetragen, das
Schriftstück vom 02.12.2005 nicht zu einem früheren Zeitpunkt in den Prozess eingeführt zu haben, weil sie
davon ausgegangen seien, dass die Zustimmungserklärungen der Beklagten - einerseits zum Verkauf des
Hauses, andererseits zur Errichtung der Mobilfunkantenne und damit zum Abschluss des
streitgegenständlichen Mietvertrages - untrennbar miteinander verbunden waren. Die Wirksamkeit des in Rede
stehenden Einverständnisses hing also vom Hausverkauf ab. Damit haben die Kläger die Erklärung der
Beklagten in Übereinstimmung mit dieser dahin verstanden, dass sie unter eine Bedingung gestellt war und,
weil diese Voraussetzung nicht eingetreten ist, bisher keine Wirkung entfalten sollte.
30 Nach den dargestellten Grundsätzen kommt es weder darauf an, dass im Text der Zustimmungserklärung
keine Bezugnahme auf den Hausverkauf zu finden ist, noch spielt die Aufspaltung beider Erklärungen eine
Rolle, die in der Niederschrift auf verschiedenen Blättern besteht. Diese Umstände wären nur dann von
Bedeutung, wenn für die Kläger allein der Wortlaut der Erklärung der Beklagten maßgebend gewesen wäre. Das
ist, wie dargestellt, aber nicht der Fall.
31 Auf die erklärte Zustimmung kann die Klage mangels Bedingungseintritts nicht gestützt werden.
32 2. Auch andere Anspruchsgrundlagen können der Klage nicht zum Erfolg verhelfen.
33 a. Zu Recht hat das Landgericht mit Blick auf § 745 Abs. 2 BGB ausgeführt, dass eine dem Interesse aller
Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung nur dann verlangt werden kann,
wenn weder eine Vereinbarung noch ein Mehrheitsbeschluss hierüber vorliegen. Das Landgericht hat hierzu
ausgeführt, im an die Prozessbevollmächtigte der Kläger gerichteten Schreiben der Beklagten vom 29.05.2004
sei ein Mehrheitsbeschluss mit dem Inhalt zu erblicken, den Mietvertrag nicht abzuschließen. Gegen diese
Wertung wendet die Berufung nichts ein.
34 Im Gegensatz zur Meinung der Kläger entspricht die Mehrheitsentscheidung (der Beklagten), den Mietvertrag
über die Errichtung der Mobilfunksendestation auf dem Dach des gemeinschaftlichen Wohnhauses nicht
abzuschließen, einer dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechenden Verwaltung und
Benutzung im Sinne von § 745 Abs. 2 BGB. Zwar kann es ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, etwa
zur Beschaffung von Mitteln zur Bestreitung der durch die Verwaltung entstandenen Verbindlichkeiten, nicht
nur das gemeinschaftliche Eigentum zum Zwecke der Kreditbeschaffung zu belasten. Auch die Veräußerung
von Teilflächen des im Bruchteilseigentum stehenden Grundstücks kann ein Akt ordnungsgemäßer Verwaltung
sein, dem sich kein Teilhaber widersetzen darf (BGHZ 140, 63 ff.).
35 Allerdings hat der Bundesgerichtshof bezüglich der Berücksichtigung von Einnahmen aus der Vermietung von
Dachflächen bei der Ermittlung der Kostenmiete festgestellt, dass zumindest im Anwendungsbereich von § 31
Abs. 1 Satz 1 II. BV die Vermietung von Dachflächen zum Betrieb von Mobilfunkantennen nicht zur
ordentlichen Bewirtschaftung eines Gebäudes zählt (BGH NJW-RR 2006, 380 f.).
36 Die Beklagte hat die Verweigerung ihrer Zustimmung mit der Befürchtung begründet, der Verkehrswert des
gemeinschaftlichen Gebäudes werde sich verringern, wenn die Mobilfunksendestation auf dessen Dach
installiert wird. Diese Befürchtung ist nicht unbegründet und lässt die wohlverstandenen Interessen der
Gemeinschaft nicht außer Acht.
37 aa. Zwar können aus dem Nachbarrecht Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche in der Regel nicht
hergeleitet werden, wenn die Grenzwerte der 26. BImSchV eingehalten sind. Die Einhaltung der in Gesetzen
oder Rechtsverordnungen im Sinne des § 906 Abs. 1 S. 2 BGB festgelegten Grenz- oder Richtwerte indiziert
regelmäßig die Unwesentlichkeit der auf ein Grundstück einwirkenden Beeinträchtigung (BGH PatR 2005, 9 ff.).
Unter dieser Voraussetzung kann auch ein Mieter von Wohnraum die Beseitigung einer Mobilfunkantenne oder
die Einstellung deren Betriebs nicht verlangen. In der Rechtsprechung und im Schrifttum ist anerkannt, dass
eine Mietwohnung keinen Sachmangel (§ 536 BGB) aufweist, wenn eine in der Nähe gelegene
Mobilfunksendeanlage die in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte für elektromagnetische Felder nicht
überschreitet (BGH WuM 2006, 304 ff. m.w.N.).
38 bb. Allerdings hat der Bundesgerichtshof in der letztgenannten Entscheidung ausdrücklich ausgeführt, dass
nach der Verkehrsanschauung gegebenenfalls bereits die begründete Besorgnis einer Gesundheitsgefahr die
Gebrauchstauglichkeit der Mieträume zu Wohnzwecken beeinträchtigen kann (BGH WuM 2006, 304 ff.
m.w.N.). Das Landgericht ist hiervon nicht abgewichen; ein Sachverständigengutachten über mögliche
Gesundheitsgefahren im vorliegenden Fall war deswegen auch nicht nötig.
39 Auch das Oberlandesgericht Hamm und das Bayerische Oberste Landesgericht haben ausgeführt, dass die
derzeit bestehende Ungewissheit, ob und in welchem Maße von Mobilfunkantennen gesundheitliche Gefahren
für die in unmittelbarer Nähe zu der Anlage wohnenden Menschen ausgehen, für die Annahme einer
tatsächlichen Benachteiligung ausreicht, die ein Wohnungseigentümer nach dem Maßstab des § 14 Nr. 1 WEG
nicht hinnehmen muss (OLG Hamm NJW 2002, 1730 ff., BayObLGZ 2002, 82 ff.).
40 Die Befürchtung einer Wertminderung des Gebäudes ist daher zumindest im Hinblick auf die Vermietbarkeit
einzelner Wohnungen und die Aufteilung des Gebäudes in Eigentumswohnungen und deren Verwertung
gerechtfertigt. Bei einer Vermietung kann möglicherweise nur ein geringerer Mietzins erzielt werden, auch wenn
ein Mangel der Wohnung im Rechtssinne nicht besteht. Dasselbe gilt, wenn nach einer - zwar nicht geplanten,
aber möglichen - Aufteilung des Gebäudes in Eigentumswohnungen diese verwertet werden sollen.
41 Die Verweigerung der Zustimmung zum Abschluss des streitgegenständlichen Mietvertrages durch die
Beklagte widerspricht daher bereits deswegen nicht der ordnungsgemäßen Verwaltung, weil die Nutzung des
Gebäudes durch Vermietung oder seine Verwertung durch Verkauf (von Miteigentumsanteilen) durch die
Installation der Mobilfunksendeanlage beeinträchtigt werden können. Da bereits die Möglichkeit einer
Wertminderung in diesem Sinne ausreicht, kommt es auf deren tatsächliches Eintreten nicht an.
42 cc. Im vorliegenden Fall tritt hinzu, dass die aus dem abzuschließenden Mietvertrag zu erwartenden
Mieteinnahmen noch nicht einmal ausreichen können, den von den Klägern einbehaltenen Anteil an den
Finanzierungsaufwendungen auszugleichen. Es kann dabei offen bleiben, ob das Verhalten der Kläger
angesichts der Vorgehensweise der Beklagten gerechtfertigt erscheint oder nicht. Durch den Abschluss des
Mietvertrages kann die Finanzierung des gemeinschaftlichen Grundstücks nicht gesichert werden, so dass
jedenfalls dessen Verwertung durch Zwangsversteigerung droht. Das klägerische Interesse an der Erzielung
geringer Einnahmen für eine begrenzte Zeitspanne zur Verminderung der Verbindlichkeiten der Gemeinschaft
ist geringer zu bewerten als das von der Beklagten verfolgte Ziel, eine Wertminderung des Gebäudes selbst zu
verhindern. Die Entscheidung der Beklagten ist daher eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem
Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung.
43 b. Aus § 744 Abs. 2 BGB ergibt sich nichts anderes. Nach dem Vortrag der Kläger reichen die mit dem
angestrebten Mietvertrag erzielten Einnahmen nicht aus, die laufenden Finanzierungsraten für das Gebäude zu
bezahlen. Daher kann allein mit diesen Einnahmen weder die zwangsweise Verwertung des Gebäudes
verhindert werden, noch steht ein Überschuss für dessen Sanierung zur Verfügung. Der Abschluss des
Mietvertrages ist daher nicht notwendig, um das Gebäude (für die Miteigentümergemeinschaft) zu erhalten.
44 Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass auch nach § 744 Abs. 2 BGB nur die Zustimmung zu solchen
Erhaltungsmaßnahmen verlangt werden kann, die sich ihrerseits im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung
entsprechend § 745 Abs. 2 BGB bewegen (Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl., § 744 Rdnr. 3 m.w.N).
45 3. Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich und wurden von den Klägern auch nicht bezeichnet.
46 Die Klage war daher unbegründet; die Berufung zurückzuweisen.
47 4. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
48 Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.