Urteil des OLG Karlsruhe vom 12.03.2002

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OLG Karlsruhe Beschluß vom 12.3.2002, 3A W 40/02
Kostenfestsetzungsverfahren: Erstattung der Kosten des durch den Haftpflichtversicherer im Prozeß über den Haftpflichtanspruch bestellten
Anwalts; Vorsteuerabzugsberechtigung des Versicherungsnehmers
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Mannheim vom 17. Dezember 2001 - 2 O
407/97 - wie folgt abgeändert:
Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Mannheim vom 15. Dezember 1998 sowie des rechtskräftigen Beschlusses des
Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 17.10.2001 sind vom Kläger 8.102,19 EUR nebst 4 % Zinsen aus 3.525,36 EUR seit dem 28.12.1998 und aus
weiteren 4.576,83 EUR seit dem 23.10.2001 an die Beklagte zu erstatten.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Beschwerdewert wird auf DM 2.535,44 festgesetzt.
Gründe
I.
1
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen. Die Beklagte meldete im Kostenfestsetzungsverfahren unter anderem
Mehrwertsteuer in Höhe von DM 2.535,44 auf die Rechtsanwaltsgebühren für beide Instanzen an, obwohl sie selbst zum Vorsteuerabzug
berechtigt ist. Sie verweist darauf, dass ihre Haftpflichtversicherung die Auftraggeberin ihres Prozessbevollmächtigten ist.
2
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.12.2001 berücksichtigte die Rechtspflegerin die angemeldete Mehrwertsteuer. Hiergegen richtet sich
die "Erinnerung" des Klägers, der darauf verweist, die Beklagte als GmbH sei zum Vorsteuerabzug berechtigt.
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Die Beklagte tritt der Beschwerde entgegen und legt ein Schreiben der ... Versicherungsgesellschaft vom 19. Januar 1998 an ihre
Prozessbevollmächtigten vor.
II.
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Die als sofortige Beschwerde geltende "Erinnerung" des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Mannheim vom
17.12.2001 ist nach § 104 Abs. 3 ZPO i.V.m. §§ 11 Abs. 1, 21 Nr. 1 RPflG zulässig. Das Rechtsmittel ist auch in der Sache begründet.
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1. Die Beklagte war bereits vor Klageerhebung bei der ...Versicherungs-Gesellschaft haftpflichtversichert. Kommt es zum Prozess über den
Haftpflichtanspruch, so hat der Versicherungsnehmer die Prozessführung dem Versicherer zu überlassen sowie dem von dem Versicherer
bestellten oder bezeichneten Anwalt Vollmacht und alle von diesem oder dem Versicherer für nötig erachteten Aufklärungen zu geben (§ 5 Nr. 4
Satz 1 AHB). Diese Bestimmung in den Allgemeinen Haftpflichtbedingungen geht davon aus, dass der Versicherer im Verhältnis zum
Versicherungsnehmer allein und ausschließlich zur Prozessführung berechtigt ist (sogenannte "Prozessmundschaft").
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Der nach § 5 Nr. 4 Satz 1 AHB zur Durchführung des Haftpflichtprozesses bestellte Anwalt wird Vertragspartner des Versicherers, nicht des
Versicherungsnehmers (vgl. Späte, Kommentar zu den AHB, 1993, § 5 Rdn. 43; Prölss/Martin, Kommentar zum VVG, 26. Auflage, § 5 AHB, Rdn.
15).
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Auch im vorliegenden Falle kam der Anwaltsvertrag zwischen dem Beklagtenvertreter und der Haftpflichtversicherung zustande. Dies ergibt sich
aus dem Schreiben der ...Versicherungsgesellschaft vom 19.01.1998, in dem die Rechtsanwälte Dr. ... und Kollegen gebeten wurden, die
Versicherungsnehmerin zu vertreten. Dem steht nicht entgegen, dass der Versicherungsnehmer dem Anwalt die Prozessvollmacht zu erteilen
hat. Gebührenschuldner ist allein die Versicherung (Späte, AHB-Kommentar, 1993, § 5 Rdn. 42; Bruck/Möller/Johannsen, Kommentar zum VVG,
8. Auflage, Anmerkung G 19 m.w.N.; Prölss/Martin, Kommentar zum VVG, 26. Auflage, §§ 5 AHB, Rdn. 9 ff., 15). Schuldner der
Gebührenforderung ist auch dann der Auftraggeber, wenn in Ausführung des Auftrages Belange dritter Personen gewahrt werden, wie etwa
gerade in den Fällen, in denen Versicherungsgesellschaften zur Abwehr von Ansprüchen, die gegen den Versicherungsnehmer erhoben
werden, in Erfüllung einer dem Versicherungsnehmer gegenüber bestehenden Rechtspflicht einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens beauftragen
(vgl. Riedel/Sußbauer, Kommentar zur BRAGO, 7. Auflage, § 1 Rdn. 17).
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2. Im Kostenfestsetzungsverfahren ist die Prozesspartei die der aus dem Vollstreckungstitel Berechtigte (Zöller/Herget, ZPO-Kommentar, 22.
Auflage, §§ 103, 104 Rdn. 3). Dies ist hier wie überhaupt in den Fällen, in denen die Haftpflichtversicherer einen Rechtsanwalt nach § 5 Nr. 4
AHB mandatieren, nicht der Versicherer, sondern der beklagte Versicherungsnehmer. Gleichwohl ist allgemein anerkannt, dass im
Kostenfestsetzungsverfahren der unterlegene Dritte nicht deshalb von der Verpflichtung zum Ersatz der Rechtsanwaltskosten freigestellt ist (vgl.
Bruck/Möller/Johannsen, Kommentar zum VVG, 8. Auflage, Anmerkung G 31 m.w.N.; siehe insbesondere auch OLG Stuttgart NJW 1991, 3158,
3159).
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Die versicherungsrechtliche Literatur (Späte, a.a.O.; Prölss/Martin a.a.O.; Bruck/Möller/Johannsen, a.a.O.) nimmt an, dass im
Kostenfestsetzungsverfahren gegen den im Haftpflichtprozess unterlegenen Dritten die dem Versicherer entstandenen Kosten zu
berücksichtigen sind, sofern sie gemäß § 91 ZPO zur Rechtsverteidigung notwendig waren (vgl. aus der Rechtsprechung: OLG Düsseldorf,
Versicherungsrecht 1973, 863; OLG Braunschweig, VersR 1973, 863; OLG Braunschweig, VersR 1963, 393; OLG Koblenz, NJW-RR 1988, 283;
OLG Hamburg MDR 2000, 1460; vgl. auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO-Kommentar, 60. Auflage, 2002, § 91 Rdn. 269).
10 Der Senat folgt dieser Auffassung im Ergebnis. Das Rechtsverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer beinhaltet nämlich
entweder die Ermächtigung des Versicherers an den Versicherungsnehmer, den Kostenerstattungsanspruch im Kostenfestsetzungsverfahren im
eigenem Namen geltend zu machen (vgl. Bruck/Möller/Johannsen, Kommentar zum VVG, 8. Auflage, Anmerkung G 33). Damit hat die Beklagte
nicht ihre eigenen Kosten, sondern als Prozessstandschafterin diejenigen des Versicherers angemeldet. Da der Versicherer seinem
Versicherungsnehmer in Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Versicherungsverhältnis einen Rechtsanwalt gestellt hatte, war dessen
prozessualer Kostenerstattungsanspruch als "Vermögensschaden im weiteren Sinne" nach § 67 Abs. 1 S. 1 VVG auf den Versicherer
übergegangen (vgl. Bruck/Möller/Johannsen, Komm. zum VVG, 8. Aufl., Anm. G 33). Nach dieser Auffassung kann die Haftpflichtversicherung
gegenüber dem Kläger lediglich im Umfang des zedierten Kostenerstattungsanspruchs ihres Versicherungsnehmers liquidieren, also im
vorliegenden Falle ohne Berücksichtigung der Mehrwertsteuer, da der Versicherungsnehmer vorsteuerabzugsberechtigt ist.
11 Oder aber meldet der Beklagte die seinem Versicherer entstandenen Rechtsanwaltskosten im Kostenfestsetzungsverfahren nach den
Grundsätzen der Drittschadensliquidation an. Ihm selbst ist nämlich keine Belastung mit einer Honorarverbindlichkeit aus dem
Rechtsanwaltsvertrag erwachsen, da - wie dargestellt - nicht er, sondern seine Haftpflichtversicherung "seinen" Rechtsanwalt mandatiert hatte.
Genau wie bei der Drittschadensliquidation liegt hier ein Fall vor, bei dem diese Belastung mit der Verbindlichkeit, die typischerweise beim
Gläubiger des Kostenerstattungsanspruchs eintritt, aufgrund eines Rechtsverhältnisses zwischen diesem und der Versicherung auf die
Versicherung verlagert ist. Da der Kläger als Schuldner des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs aus dieser Verlagerung keinen Vorteil
ziehen darf, ist es - wie bei der Drittschadensliquidation - zuzulassen, dass beim Auseinanderfallen von Gläubigerstellung und geschütztem
Interesse der Beklagte den - aus Sicht des Prozessgegners zufällig - auf seinen Versicherer verlagerten Schaden geltend machen kann. Auch
dann ist der Beklagte aber nicht berechtigt, die auf die Honorarforderung entfallende Mehrwertsteuer ersetzt zu verlangen. Ausgeglichen wird
nämlich nach Grund und Höhe nur die zufällig verlagerte Forderung. Zufällig verlagert aber ist nur die Honorarforderung der Beklagtenvertreter in
ihrem Nettobetrag, da der Beklagte vorsteuerabzugsberechtigt ist.
12 Aus diesen Gründen ist der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.12.2001 insoweit abzuändern, als aus dem Erstattungsbetrag die
Mehrwertsteuer in Höhe von 2.535,44 DM herauszurechnen ist. Der verbleibende Nettobetrag ist in Euro umzurechnen.
13 3. Der Senat hat nicht über den Fall zu befinden, dass der Versicherer als rechtsgeschäftlicher Vertreter nach § 164 BGB den
Prozessbevollmächtigten für seinen Versicherungsnehmer mandatiert (vgl. dazu Prölss/Martin, Kommentar zum VVG, 26. Auflage, § 5 AH B, Rdn.
15). Dieser Fall ist in der Versicherungspraxis auch die Ausnahme. In ihm würde nicht der Versicherer, sondern der Versicherungsnehmer Partei
des Anwaltsvertrages und damit Gebührenschuldner (vgl. OLG Karlsruhe, 3. Zivilsenat, Beschlüsse vom 27.10.2000, 3 W 93/00 und 3 W 99/00).
14 4. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Bei der Festsetzung des Beschwerdewertes ist
die Übergangsvorschrift des § 73 GKG beachtet.