Urteil des OLG Karlsruhe vom 22.12.2005

OLG Karlsruhe: gutgläubiger erwerb, versendung, genfer abkommen, leichtfertiges verhalten, anschlussberufung, berechtigung, mitverschulden, firma, vollstreckung, briefpost

OLG Karlsruhe Urteil vom 22.12.2005, 9 U 84/05
Wertpapierrecht: Mitverschulden bei grob fahrlässiger Einlösung eines in Verlust geratenen Schecks
Leitsätze
Ein im Auslandszahlungsverkehr nach Italien erfahrener deutscher Exporteur ist zur Vermeidung des Mitverschuldenseinwandes nach § 254 Abs. 1
BGB gehalten, den per Post an den in Italien ansässigen Empfänger übersandten, in Verlust geratenen und von einer Bank in Deutschland
grobfahrlässig eingelösten Scheck, der über einen Betrag von EUR 12.500 hinausgeht, "Nicht an Order" zu stellen.
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten Ziffer 1 wird das Urteil des Landgerichts Freiburg abgeändert:
Die Beklagte Ziffer 1 wird verurteilt, an die Klägerin EUR 118.491,44 nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
jährlich hieraus seit dem 28.9.2002 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage gegenüber der Beklagten Ziffer 1
abgewiesen.
Die weitergehenden Rechtsmittel der Klägerin und der Beklagten Ziffer 1 werden zurückgewiesen.
2. Von den Gerichtskosten erster Instanz und den insoweit angefallenen außergerichtlichen Auslagen der Klägerin haben die Klägerin 1/15, die
Beklagte Ziffer 1 10/15 als Gesamtschuldner neben den Beklagten Ziffer 2 und 3 sowie die Beklagten Ziffer 2 und 3 weitere 4/15 zu tragen. Von den
Gerichtskosten zweiter Instanz und den insoweit angefallenen außergerichtlichen Auslagen der Klägerin haben die Klägerin 1/5, die Beklagte Ziffer
1 4/5 zu tragen. Von den außergerichtlichen Auslagen der Beklagten Ziffer 1 und der Streithelferin der Beklagten hat die Klägerin 1/5 zu tragen, den
Rest behalten diese auf sich. Die Beklagten Ziffer 2 und 3 behalten ihre außergerichtlichen Auslagen auf sich.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte Ziffer 1 oder die Streithelferin gegen
Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte Ziffer 1 bzw. die Streithelferin vor der Vollstreckung in
Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet. Die Beklagte Ziffer 1 darf die Vollstreckung durch die Klägerin gegen
Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in Höhe von 110 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1
Streitgegenständlich sind, soweit für die Berufungsinstanz noch von Belang, Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagte Ziffer 1
(im Folgenden: Beklagte), einer bedeutenden deutschen Bank, wegen grob fahrlässiger Hereinnahme eines gestohlenen Schecks über EUR
148.114,30. Die Klägerin hatte den Scheck per Post an die italienische Empfängerin versandt. Auf die tatsächlichen Feststellungen in der
angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen.
2
Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben, der Klägerin jedoch einen Mitverursachungsbeitrag in Höhe von einem Drittel
zugerechnet, weil sie Schecks in dieser Werthaltigkeit auf dem Postwege verschickt habe. Selbst wenn der Inhalt der Sendung von außen nicht
erkennbar gewesen sei, hätte die Klägerin bei der Versendung so hoher Werte die leichte Zugriffsmöglichkeit potentieller Diebe bedenken
müssen.
3
Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte Berufung der Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor, dass sie seit Jahren ihren
Auslandszahlungsverkehr durch Versendung von Schecks auf dem Postwege betreibe und es bis zum Sommer 2002 nicht zu Schäden durch
abhanden gekommene Schecks gekommen sei. Die Versendung eines Schecks per Post sei kein Verstoß gegen die Sorgfalt in eigenen
Angelegenheiten. Vielmehr würden die Dienste der Deutschen Post jährlich millionenfach in Anspruch genommen. Die Versendung auf dem
Postwege sei eine anerkannte Form der Übermittlung von Schreiben. Dass auch die Deutsche Post bzw. ausländische Postunternehmen Opfer
von Straftaten und kriminellen Organisationen werden könnten, sei ein allgemeines Lebensrisiko, welches der Versenderin nicht auf dem Wege
des Mitverschuldens angerechnet werden dürfe. Der Bundesgerichtshof habe entschieden, dass die Übersendung eines Verrechnungsschecks
über 150.000,- EUR mit einfachem Brief den Vorwurf des Mitverschuldens nicht begründe.
4
Die Klägerin stellt folgenden Antrag:
5
Unter Abänderung des am 29.04.2005 verkündeten Urteils des Landgerichts Freiburg (Az.: 14 O 478/03) wird die Beklagte Ziffer 1
verurteilt, gesamtschuldnerisch mit den Beklagten Ziffer 2 und 3 über die Ausgeurteilten EUR 98.742,87 weitere EUR 49.371,43, mithin
insgesamt EUR 148.114,30 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich hieraus seit dem 28.09.2002
zu zahlen.
6
Die Beklagte Ziffer 1 und ihre Streithelferin beantragen,
7
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
8
Im Wege der Anschlussberufung stellen sie folgenden Antrag:
9
Auf die Anschlussberufung der D. Bank AG wird das Urteil des Einzelrichters der 14. Zivilkammer des Landgerichts Freiburg vom 29.
April 2005 (14 O 478/03) abgeändert. Die Klage gegen die D. Bank AG wird abgewiesen.
10 Die Klägerin beantragt,
11
die Anschlussberufung der Beklagten Ziffer 1 zurückzuweisen.
12 Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung, soweit der Klägerin ein Mitverschulden zugerechnet worden ist.
13 Zur Begründung der Anschlussberufung trägt sie vor, das Landgericht habe die Beweislast verkannt. Es sei nicht nachgewiesen, dass die
Klägerin bei Einlösung des Schecks durch die Beklagte noch Eigentümerin gewesen sei. Außerdem habe sie den Scheck nicht grob fahrlässig
eingelöst. Die Disparität sei nicht geeignet, Zweifel an der Berechtigung des Einreichers zu begründen. Dasselbe gelte für die Höhe der
Schecksumme. Der bisherige Kontoverlauf sei unauffällig. Dass kurz zuvor drei weitere kleinere Schecks nicht eingelöst worden seien, ergebe
keinen Verdacht. Diese Schecks seien nicht etwa deshalb nicht eingelöst worden, weil die Beklagte davon habe ausgehen müssen, sie seien
abhanden gekommen, sondern weil sie gesperrt worden seien.
14 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
15
Zur Anschlussberufung der Beklagten:
16 Die Anschlussberufung der Beklagten bleibt in der Hauptsache ohne Erfolg, weil die Klägerin bei Einlösung des Schecks durch die Beklagte
noch dessen Eigentümerin war und die Beklagte grob fahrlässig die Nichtberechtigung des Einreichers verkannt hat.
17 1. Wer einen Orderscheck von einem Nichtberechtigten, der nach Art. 19 ScheckG ausreichend durch Indossamente ausgewiesen ist, erwirbt, ist
zur Herausgabe nach § 985 BGB verpflichtet, wenn er die mangelnde Berechtigung des Inhabers gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit
nicht erkannt hat (Art. 21 ScheckG). Kann die Bank den Scheck nicht mehr herausgeben, ist sie unter den vorgenannten Bedingungen nach den
§§ 990, 989 BGB schadensersatzpflichtig.
18 2. Bei Einlösung des Schecks durch die Beklagte war die Klägerin noch Eigentümerin des Schecks.
19 Richtig ist allerdings die Auffassung der Beklagten, dass die Klägerin beweispflichtig für die Fortdauer ihres Eigentums ist (vgl.
Baumbach/Hefermehl Wechselgesetz und Scheckgesetz 22. Auflage Art. 16 WG Rdnr. 8). Diesen Beweis hat die Klägerin vorliegend jedoch
geführt, wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat. Die Klägerin hat nämlich ihr Eigentum als Ausstellerin des Schecks nicht verloren. Die
gegenteiligen Überlegungen der Beklagten sind abstrakter Natur und ohne greifbare Anhaltspunkte. Die Beklagte legt zutreffend dar, dass sich
das Eigentum an dem Scheck nach den jeweils maßgeblichen Bestimmungen des Lageorts bestimmt (Wertpapiersachstatut; vgl. BGHZ 108,353).
Auch kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass in Italien das Eigentum bereits aufgrund der bloßen Einigung übergeht. Für eine
solche Einigung fehlt es jedoch an jeglicher tatsächlichen Grundlage. Die Beklagte trägt vor, der Firma S. sei durch ihre Geschäftsverbindung mit
der Klägerin die Zahlungsweise durch Schecks bekannt, es sei daher davon auszugehen, dass bereits mit der Ausstellung des Schecks auch
das Eigentum am Papier mit Eintritt in den italienischen Rechtskreis auf den Empfänger übergegangen sei. Dies ist, wie sich dem Wortlaut der
Darstellung entnehmen lässt, eine bloße Vermutung. Hierfür spricht nichts. Es ist schon nicht vorgetragen, dass die Empfängerin mit Eingang
eines Schecks in dieser Höhe überhaupt gerechnet hat. Der Scheck betrifft nicht eine Einzellieferung, sondern insgesamt 46 im Schriftsatz der
Klägerin vom 26.02.2004 im Einzelnen bezeichnete, der Höhe nach unterschiedliche Rechnungen.
20 Es entspräche nicht den Erfordernissen einer beiderseitigen interessengerechten Auslegung von Parteierklärungen, der Scheckempfängerin den
Willen zu unterstellen, bereits mit Grenzübertritt des Schecks Eigentümerin sämtlicher ihr zugewandter Schecks zu werden. Dann müsste sie
nämlich, vorbehaltlich gar nicht im Einzelnen vorgetragener schuldrechtlicher Regelungen, als Eigentümerin der Schecks grundsätzlich deren
Verlustrisiko tragen. Hieran hat die Empfängerin ersichtlich kein Interesse.
21 Die Beklagte meint, es komme ein gutgläubiger Erwerb des Schecks in Italien in Betracht. Während das deutsche Recht einen Eigentumserwerb
an abhanden gekommenen Sachen nicht kenne, sei nach italienischem Recht ein Eigentumserwerb kraft guten Glaubens auch an solchen
Sachen möglich. Nur wenn der hier streitige Scheck ausschließlich durch die Hände bösgläubiger Personen gegangen wäre, stünde mit der
notwendigen Sicherheit fest, dass der Scheck der Klägerin bei der Einlösung noch zu Eigentum geführt habe. Auch diese Überlegungen finden
im Sachverhalt keine Stütze. Ein gutgläubiger Erwerb eines Orderschecks setzt den Nachweis einer förmlichen Berechtigung nach Art. 19
ScheckG voraus. Dies gilt auch nach italienischem Recht (vgl. Art. 12 Anlage II zum Genfer Abkommen über das Einheitliche Scheckgesetz).
Vorliegend ist nicht einmal vorgetragen, an wen überhaupt indossiert worden ist. Nach dem unstreitigen Sachverhalt war der Einlöser im Sinne
von Art. 19 ScheckG legitimiert. Zu den Voraussetzungen eines gutgläubigen Erwerbs eines Zwischenerwerbers hat die Beklagte, die im Besitz
des Schecks war, nichts Konkretes vorgetragen.
22 Ebenso wenig kommt vorliegend ein gutgläubiger Erwerb durch die ehemals Beklagte Ziffer 2 in Betracht. Die Beklagte hat die insoweit
maßgeblichen Gesichtspunkte in ihrer Geldwäscheverdachtsanzeige gemäß § 11 GeldwäscheG dargelegt (Anlage K 10). Die von der Firma
abgegebene Erklärung zum Hintergrund der Transaktion sei nicht glaubhaft. Eine Rücksprache mit der Firma C. habe nämlich ergeben, dass
diese seit neuestem mit einem Unternehmensberater namens U. P. zusammenarbeite. Die C. übernehme für U. P. Inkassotätigkeiten,
überwiegend für dessen ausländische Kunden. Die Durchsicht des Vertrages ergebe, dass dieser ein nach Auffassung der Beklagten
unrealistisches Auftrags- bzw. Erfüllungshonorar in Höhe von 10 % aus den eingezogenen Gegenwerten vorsehe. Aus der 10 %igen Beteiligung
ergibt sich zur Überzeugung des Senats, dass die maßgeblichen Mitarbeiter der Firma C. die Schecks hehlerisch, also vorsätzlich handelnd
erworben und eingereicht haben.
23 3. Die Beklagte hat bei Einlösung des Schecks grob fahrlässig die Nichtberechtigung des Einlösers verkannt.
24 Ein Kreditinstitut, das einen Inhaberverrechnungsscheck zur Einziehung hereinnimmt, ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die materielle
Berechtigung des Einreichers nachzuprüfen. Eine solche Pflicht besteht erst dann, wenn ganz besondere Umstände vor allem in der Person des
Einreichers oder der Ungewöhnlichkeit des Geschäfts nach der Lebenserfahrung den Verdacht nahe legen, der Scheck könne abhanden
gekommen sein (BGH NJW 1993, 1583). Dies gilt auch für den Erwerb eines Orderverrechnungsschecks bei nach Art. 19 ScheckG
ordnungsgemäßer Legitimation des Einreichers.
25 Bei der Entscheidung über die Hereinnahme eines Schecks kommt es nicht lediglich auf das Wissen des für die Bank handelnden Mitarbeiters
an. Die Zurechnung von Wissen bestimmt sich nach § 166 BGB, weil diese Vorschrift nicht nur bei rechtsgeschäftlicher Vertretung, sondern auch
analog bei Wissensvertretung gilt. Für die Hereinnahme eines Schecks zum Einzug kommt es damit nicht nur auf das präsente Wissen der
konkret mit der Bearbeitung des Schecks befassten Angestellten an. Der Bank ist vielmehr das in den beteiligten Bankabteilungen, in der Regel
Schalterabteilung oder Posteingangsstelle und der Scheckabteilung vorhandene Wissen zuzurechnen. Als vorhanden anzusehen ist dabei das
Wissen, das bei sachgerechter Organisation dokumentiert und verfügbar ist und zu dessen Nutzung unter Berücksichtigung der geschäftlichen
Bedeutung des Vorgangs Anlass bestand. Die Wissenszurechnung erfolgt dabei nicht nur nach den konkret getroffenen
Organisationsmaßnahmen, vielmehr muss die Bank sich das Wissen zurechnen lassen, dass die zuständigen Mitarbeiter bei sachgerechter
Organisation hätten. Andernfalls könnte die Bank eine Haftung aus der Hereinnahme abhanden gekommener Schecks schon dadurch
vermeiden, dass sie wechselnde Schalterangestellte abschließend über die Hereinnahme von Schecks entscheiden lässt (BGH NJW 1997,
1917). Bei der Hereinnahme eines disparischen Schecks hat ein Bankangestellter bei Überschreiten eines Mindestscheckbetrages von EUR
2.550,- nicht nur eigenes Wissen, sondern auch in den Kontounterlagen verfügbare Informationen zu berücksichtigen (vgl. BGH aaO.; Bülow
Heidelberger Kommentar zum Wechselgesetz, Scheckgesetz, AGB 4. A. Art. 21 ScheckG Rdnr. 29). Dies gilt auch dann, wenn die kontoführende
Stelle nicht diejenige ist, bei der der Scheck eingereicht wird (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski/Nobbe Bankrechtshandbuch 2.A. Band I § 61
Rdnr. 158).
26 Vorliegend hat die Beklagte den streitgegenständlichen Scheck am 10.08.2002 (vgl. K 8) zum Einzug übernommen und am 26.08.2002 die
Valuta gutgeschrieben. Über dieses bereits seit längerem eingerichtete Konto waren, wie sich aus der Geldwäscheverdachtsanzeige der
Beklagten ergibt, nur wenige Transaktionen in viel geringeren Größenordnungen gelaufen. Es waren kurz zuvor drei auf italienische Empfänger
lautende Schecks eingereicht und, nach dem Vortrag der Beklagten, wegen erfolgter Sperrung rückbelastet worden. Dies sowie der Umstand,
dass das Konto bis dahin keine nennenswerte Umsätze aufgewiesen hatte, musste für die Mitarbeiter der Beklagten Anlass sein, die Einreichung
eines disparischen, auf einen italienischen Empfänger lautenden Orderschecks in einer zu den bisherigen Kontoumsätzen außergewöhnlichen
Höhe als verdächtig anzusehen und die Berechtigung des Einreichers zu überprüfen. Der Verdacht unrechtmäßigen Erwerbs durch den
Einreicher lag unter diesen Umständen klar auf der Hand, so dass das Verhalten der zuständigen Mitarbeiter der Beklagten als grob fahrlässig zu
werten ist.
27 Hinzu kommt, dass die Beklagte wissen musste, dass in Italien Schecks in dieser Größenordnung "nicht an Order" gestellt werden müssen, wie
noch darzulegen sein wird. Eine dennoch erfolgte Indossierung musste deshalb für die Beklagte ohne Weiteres Anlass sein, die Berechtigung
des Einreichers zu bezweifeln.
28 4. Erfolg hat die Anschlussberufung insoweit, als Zinsen lediglich in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zuzuerkennen sind, da
es vorliegend nicht um eine Entgeltforderung geht (vgl. § 288 Abs. 2 BGB).
III.
29
Zur Berufung der Klägerin:
30 Die Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg, weil der Senat den ihr zuzurechnenden Mitverursachungsbeitrag mit lediglich 1/5 bemisst.
31 1. Nach § 254 Abs. 1 BGB hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere
davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist, sofern bei der Entstehung des Schadens
ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt hat. Verschulden ist hierbei nicht als vorwerfbare, rechtswidrige Verletzung einer gegenüber einem
anderen bestehenden Rechtspflicht zu verstehen. Verschulden im Sinne der Vorschrift ist vielmehr der vorwerfbare Verstoß gegen Gebote des
eigenen Interesses. § 254 BGB beruht auf dem Gedanken, dass derjenige, der die Sorgfalt außer acht lässt, die nach Lage der Sache erforderlich
erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, den Verlust oder die Kürzung seines Schadensersatzanspruchs hinnehmen muss. Ein
derartiges Verschulden ist vorliegend gegeben.
32 2. Die Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe den Scheck in einem Klarsichtumschlag versandt, war erstinstanzlich bestritten, ohne dass
die beweispflichtige Beklagte dort schon Beweis angetreten hätte. In der Berufungsinstanz ist dies insoweit unstreitig geworden, als die Klägerin
nunmehr einräumt, die Schecks in einem Brief mit Fensterumschlag versandt zu haben. Sie trägt jedoch vor, der Scheck sei in dem Fenster als
solcher nicht erkennbar gewesen. Für die Adressierung sei nämlich nicht der Aufdruck im entsprechenden Feld des Schecks verwandt worden,
sondern neutrales Briefpapier. Hinter diesem Briefpapier habe sich, für den Betrachter unsichtbar und mit der Vorderseite des Schecks in
Richtung Briefrückseite gerichtet, der Scheck befunden. Unter diesen Umständen kann insoweit ein Mitverschulden der Klägerin nicht
angenommen werden. Richtig ist, dass in der Rechtsprechung ein Mitverschulden erörtert worden ist in Fällen, in denen ohne weiteres
erkennbar ist, dass ein Scheck verschickt wird, wie es zum Beispiel bei Fensterumschlägen der Fall sein kann (vgl. BGHZ 139,108). Ist also der
Scheck im Fensterumschlag sichtbar, so ist ein Mitverschulden zu bejahen (vgl. Bülow aaO Art. 21 ScheckG Rdnr. 15). Vergleichbares ist von der
Beklagten nicht einmal behauptet. Die Versendung des Schecks in einem Fensterumschlag ist bei der von der Klägerin geschilderten
Vorsichtsmaßnahme unbedenklich. Dass die Verwendung von Fensterumschlägen für sich gesehen die Einsicht in den Inhalt der Sendung
erleichtert - beispielsweise durch das Halten des Briefes in Gegenlicht - ist von der Beklagten nicht vorgetragen. Dafür spricht bei Verwendung
ausreichend starken Papiers, auf dem die Adressierung des Briefes erfolgt, auch nichts. Soweit die Beklagte sich insoweit auf Parteivernehmung
berufen hat, ist der erst in der Berufungsinstanz angetretene Beweis verspätet (§ 531 Abs. 2 ZPO). Gründe, weshalb dieser Beweisantritt dennoch
zuzulassen sein soll, sind nicht vorgetragen.
33 Die Beklagte hat sich zum Beweis ihrer Behauptung, es habe durchaus im Verhältnis zu Italien Schwierigkeiten gegeben und Schecks seien dort
nicht angekommen, auf Parteivernehmung der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Klägerin berufen. Die Klägerin hat sich insoweit
gegenbeweislich auf das Zeugnis eines Mitarbeiters berufen. Nach § 445 Abs. 1 ZPO kann eine Partei, die den ihr obliegenden Beweis mit
anderen Beweismitteln nicht vollständig geführt oder andere Beweismittel nicht vorgebracht hat, den Beweis dadurch antreten, dass sie
beantragt, den Gegner über die zu beweisenden Tatsachen zu vernehmen. Von einem solcher Art zulässigen Beweisantrag ist die unzulässige
ausforschende Parteivernehmung abzugrenzen. Der Antrag auf Vernehmung des Gegners ist bei nicht hinreichend substantiierten
Tatsachenvortrag oder ungenauem Beweisthema unzulässig, da auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis gerichtet (vgl. Musielak/Huber
ZPO 4. Auflage § 445 Rdnr. 8 a).
34 Die Behauptung, es habe im Verhältnis zu Italien Schwierigkeiten gegeben, ist unbestimmt, weil diese Schwierigkeiten nicht näher beschrieben
sind. Mangels näherer Beschreibung kann überhaupt nicht beurteilt werden, ob diese behaupteten Schwierigkeiten geeignet wären, eine
Mitverantwortlichkeit nach § 254 BGB zu begründen. Dasselbe gilt hinsichtlich der Behauptung, Schecks seien dort nicht angekommen. Auch
insoweit wäre erforderlich eine genauere Angabe, in wie viel Fällen in welchem Zeitraum derartiges sich ereignet habe.
35 Dass Briefpost nicht immer ankommt, ist nämlich allgemein bekannt, ohne dass dies - für den Briefverkehr innerhalb Deutschlands gesprochen -
geeignet wäre, die Einwendung nach § 254 BGB zu begründen (vgl. hierzu BGHZ 139,108).
36 Die Beklagte beruft sich wegen „unverhältnismäßig häufiger Postverluste“ im Postsendungsverkehr nach Italien auf Sachverständigenbeweis.
Dieser Beweisantritt ist neu und, da keine Gründe vorgetragen sind, die eine Zulassung rechtfertigen, nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
37 Die Beklagte meint, die Klägerin müsse sich ein Mitverschulden bereits deshalb zurechnen lassen, weil es zu den Pflichten eines
Scheckversenders gehöre, alsbald nach Zweifeln über die Möglichkeit eines Abhandenkommens die Schecks sperren zu lassen. Diese in der
Rechtsprechung anerkannten Grundsätze sind vorliegend nicht anwendbar, da für die Klägerin keinerlei Anlass bestand, die Schecks sperren zu
lassen. Der streitgegenständliche Scheck wurde am 30.07.2002 unterzeichnet. Bis zum Zeitpunkt der Einreichung bei der Beklagten am
10.08.2002 und dem nicht vorgetragenen Zeitpunkt der Belastung auf dem klägerischen Konto war ein für einen Auslandsscheck keineswegs
ungewöhnlicher Zeitablauf eingetreten. Das Gutschriftsdatum vom 26.08.2002 ist mit dem Belastungsdatum nicht gleich zu setzen. Aus dem
Schecklauf konnte die Klägerin deshalb keinerlei Anhaltspunkte dafür gewinnen, dass der Scheck nicht an den Empfänger gelangt war.
38 Die Klägerin war auch nicht gehalten, die Empfängerin im Vorhinein telefonisch vom demnächst anstehenden Eingang eines Schecks zu
informieren. Genau so wenig oblag es ihr, sich alsbald nach Übersendung des Schecks bei der Empfängerin zu erkundigen, ob der Scheck
angekommen sei (vgl. Nobbe aaO § 61 Rdnr. 214).
39 3. Dennoch ist der Klägerin aus folgenden Gründen ein Mitverursachungsbeitrag zuzurechnen.
40 Die Zahlungsempfängerin, die S. S.p.a. mit Sitz in Mantua, Italien, hat mit Schreiben vom 23.02.2004 (Anlage K 12) mitgeteilt, dass nach dem für
sie maßgeblichen Recht der Scheck nicht indossabel sei. Diese Mitteilung trifft für in Italien ausgestellte Schecks im wirtschaftlichen Ergebnis zu.
Nach dem italienischen Gesetz vom 5. Juli 1991 (Nr. 197/1991; Gazzetta Ufficiale del 6 luglio 1991, n. 157) zur Bekämpfung der Geldwäsche
müssen Bankschecks, die über einen bestimmten Betrag hinausgehen, den Vermerk der Nichtübertragbarkeit („clausola di non trasferibilità“)
tragen. Dies entspricht dem Vermerk "nicht an Order“ im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 ScheckG. Die maßgebliche Grenze beträgt derzeit EUR
12.500,-. Bei dieser Vorschrift handelt es sich allerdings nicht um eine Bestimmung, kraft deren Schecks in Italien scheckrechtlich die
Verkehrsfähigkeit verlieren. Vielmehr geht es hierbei um eine öffentlich-rechtliche Vorschrift zur Bekämpfung der Geldwäsche, die, wie die
Klägerin erläutert hat, sanktionsbewehrt ist und dazu führen kann, dass eine Bank, die indossierte Schecks entgegennimmt, bis zu 40 % der
Schecksumme als Buße zahlen muss.
41 Diese Bestimmung war zwar auf die Klägerin nicht unmittelbar in dem Sinne anwendbar, dass sie nach italienischem Recht bei Ausstellung des
Schecks in Deutschland gehalten gewesen wäre, ihn mit dem dargestellten Zusatz der Nichtübertragbarkeit zu versehen. Nachdem Schecks in
dieser Größenordnung im inneritalienischen Zahlungsverkehr nicht indossabel sind und der italienische Rechtsverkehr sich hierauf einstellt mit
der Folge, dass vorliegend die Empfängerin sogar - wenn auch möglicherweise irrig - den ihr übersandten Auslandsscheck für nicht mehr
indossabel gehalten hat, hätte es in Anbetracht des hohen Scheckbetrages einer umsichtigen Vorgehensweise entsprochen, den Scheck mit der
Klausel „nicht an Order“ zu versehen. Die Klägerin musste sich darauf einstellen, dass in Italien an der Indossabilität von Orderschecks in der hier
streitigen Größenordnung kein Interesse mehr besteht. Anerkennenswerte Interessen der Klägerin, den Scheck ohne diese Klausel zu
versenden, sind nicht erkennbar (vgl. BGH WM 1966, 64). Die Klägerin als erfahrener Importeur von Waren hätte sich, sofern ihr die Regelung
nicht ohnehin bekannt war, über die entsprechenden Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche nach italienischem Recht informieren
müssen. Dass die Klägerin nach ihrer Darstellung bis dahin keine entsprechenden Schäden aus der Versendung von Schecks nach Italien
erlitten hatte, ist demgegenüber ohne Bedeutung. Dies belegt allenfalls, dass die Diebstahlsrisiken als gering anzusehen waren, besagt jedoch
nicht, dass die auch von der Klägerin als allgemeines Risiko dargestellten Entwendungsfälle nicht durch einfache und landesübliche
Maßnahmen noch hätten minimiert werden können und müssen. Dadurch, dass die Klägerin den Vermerk unterlassen hat, hat sie die
Fallkonstellation ermöglicht, die auch die deutschen Vorschriften über die Geldwäsche zu bekämpfen suchen. Die Klägerin hat in diesem
Zusammenhang mit Recht auf die als Anlage K 10 vorgelegte Verdachtsanzeige der Beklagten Ziffer 1 verwiesen.
42 Durch die dargestellte Vorgehensweise wäre der eingetretene Schaden verhindert worden. Die Klägerin hätte damit das von ihr dargestellte
allgemeine Risiko aus der Versendung von Schecks mit einfacher Briefpost vermeiden können.
43 Der Senat setzt sich hiermit nicht in Widerspruch zu der von der Klägerin zitierten Entscheidung BGHZ 139, 108. Dort ging es ersichtlich um die
Versendung eines Schecks per Briefpost innerhalb von Deutschland. Die Versendung von Schecks in das europäische Ausland ist hiermit nicht
vergleichbar, schon weil der Brief im Vergleich zur inländischen Versendung vermehrt in Briefverteilungszentren bearbeitet wird und
insbesondere dort Diebstahlsrisiken nicht auszuschließen sind.
44 4. Der Senat ist der Auffassung, dass der von der Klägerin zu verantwortende Verursachungsbeitrag nur mit 20 % anzusetzen ist. Das
schuldhafte Verhalten der Klägerin tritt nicht vollständig hinter die grob-fahrlässige Schadensverursachung durch die Beklagte zurück, weil der
Verschuldensvorwurf durchaus gewichtig ist und zumindest an ein leichtfertiges Verhalten grenzt. Andererseits hat die Beklagte vorliegend mit
der Hereinnahme eines höchst verdächtigen Schecks die wesentliche Schadensursache gesetzt.
45 5. Beide Parteien haben die Beiziehung von Strafakten beantragt. Hierzu sieht der Senat keine Veranlassung, da keine konkreten
Tatsachenbehauptungen vorgetragen sind, zu deren Beweis die Beiziehung der Strafakten erforderlich wäre. Es handelt sich hierbei um einen
Beweisermittlungsantrag, dem nachzugehen nicht veranlasst ist. Die Parteien hätten ggf. selbst Einsicht nehmen und dann konkret vortragen
können.
46 6. Die Entscheidung beruht im Übrigen auf den §§ 92,101,708 Nr. 10, 711, 543 ZPO.