Urteil des OLG Karlsruhe vom 11.10.2007

OLG Karlsruhe: Pflicht zur Leistung einer Prozesskostensicherheit: Einrede der Prozesskostensicherheit gegenüber einer nicht parteifähigen Klägerin, eintragung im handelsregister, anerkennung, adresse

OLG Karlsruhe Urteil vom 11.10.2007, 19 U 34/07
Pflicht zur Leistung einer Prozesskostensicherheit: Einrede der Prozesskostensicherheit gegenüber einer nicht parteifähigen Klägerin;
Behandlung einer klagenden Gesellschaft mit tatsächlichem Verwaltungssitz in Kanada
Leitsätze
Die Einrede der Prozesskostensicherheit kann auch gegenüber einer nicht parteifähigen Klägerin erhoben werden.
Eine Gesellschaft, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in Kanada hat, ist wie eine Partei zu behandeln, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt
außerhalb des Gebiets der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums hat, auf den satzungsgemäßen Sitz kommt es nicht an.
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Zwischenurteil des Landgerichts Freiburg vom 28. Februar 2007 abgeändert:
Der Klägerin wird aufgegeben, der Beklagten für die Prozesskosten eine Sicherheit in Höhe von 8.200 EUR bis spätestens zum 10. November 2007
zu leisten.
2. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe
I.
1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung. Der Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin, Herr Dr. G. R. (fortan
Schuldner), ist der geschiedene Ehemann der Beklagten.
2
Die Klägerin ist eine 1993 gegründete Verwaltungs-GmbH. Sie ist alleinige Komplementärin und Geschäftsführerin der Dr. R. GmbH & Co. KG
(fortan R. KG). Die R. KG befasst sich ausschließlich mit der Verwaltung von Immobilien, die Klägerin ist lediglich als Geschäftsführerin und
Gesellschafterin der R. KG tätig. Die Klägerin hatte ihren Sitz gemäß § 1 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrags vom 27. September 1993 zunächst in
Staufen. Aufgrund einer Änderung des Gesellschaftsvertrags am 25. März 2002 verlegte sie den satzungsmäßigen Sitz 2002 nach Hönow (vgl.
Handelsregisterauszug vom 29. November 2006). Der Schuldner verzog im Jahr Herbst 2000 nach Kanada. Inzwischen werden die Geschäfte
der Klägerin sowie sämtliche geschäftsführenden Tätigkeiten vom Wohnsitz des Schuldners in Kanada geführt. Geschäftsräume in Deutschland
unterhält die Klägerin nicht. Ebensowenig übt die Klägerin in Deutschland eine eigene Verwaltungstätigkeit aus.
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Die Beklagte hat eine durch notarielle Urkunde vom 26. Juli 2000 titulierte Forderung gegen den Schuldner. Darin hat sich dieser verpflichtet, der
Beklagten 1,6 Mio. DM als Zugewinnausgleich zu zahlen. Der Notar erteilte am 31. Oktober 2000 eine vollstreckbare Ausfertigung. Der
Vollstreckungstitel wurde dem Schuldner am 12. November 2002 zugestellt. Die Beklagte betrieb die Zwangsvollstreckung und erwirkte zunächst
im Wege des Sicherungsarrestes einen Pfändungsbeschluss des Amtsgerichts Riesa vom 4. August 2005, worin u.a. Ansprüche des Schuldners
gegen die Klägerin zugunsten der Beklagten gepfändet wurden. Der Pfändungsbeschluss wurde der Klägerin als Drittschuldnerin am 20.
Dezember 2005 zugestellt. Mit weiteren Beschlüssen des AG Strausberg vom 17. und 19. Januar 2006 wurden die gepfändeten Ansprüche der
Beklagten zur Einziehung überwiesen. Diese Überweisungsbeschlüsse wurden der Klägerin am 29. Mai 2006 im Wege der Auslandszustellung
zugestellt.
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Die Beklagte kündigte als Pfändungsgläubigerin die Gesellschaftsverhältnisse der Klägerin an der R. KG am 17. Mai 2006 und - durch ihren
Bevollmächtigten - am 24. Mai und erneut am 27. Juni 2006 jeweils zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Die von der Beklagten geforderte
Drittschuldnererklärung gab die Klägerin nicht ab. Vielmehr erhob die Klägerin am 10. Juli 2006 Klage, mit der sie beantragte festzustellen, dass
das Gesellschaftsverhältnis der Klägerin nicht durch die Kündigungen der Beklagten beendet wurde. Die Beklagte beantragte daraufhin, der
Klägerin eine Prozesskostensicherheit aufzuerlegen. Nachdem die Beklagte - gestützt auf Pfändungen von Ansprüchen des Schuldners gegen
die Klägerin - als Drittschuldnerklage Widerklage auf Auskunft über bestimmte gesellschaftsrechtliche Verhältnisse der Klägerin erhob, hat die
Klägerin ihren ursprünglichen Antrag für erledigt erklärt und ihn lediglich hilfsweise - für den Fall, dass die Erhebung der Widerklage die
ursprüngliche Klage nicht erledigt haben sollte - aufrecht erhalten.
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Das Landgericht hat über die Frage der Prozesskostensicherheit durch Zwischenurteil entschieden und den Antrag der Beklagten
zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten mit der sie ihr Begehren, der Klägerin Prozesskostensicherheit aufzuerlegen,
weiterverfolgt.
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Die Beklagte meint, die Voraussetzungen des § 110 ZPO seien erfüllt, weil die Klägerin tatsächlich ihren Verwaltungssitz in Kanada habe.
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Die Beklagte beantragt,
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das Zwischenurteil des Landgerichts Freiburg vom 28. Februar 0207 abzuändern und die Klägerin zu verurteilen, der Beklagten
innerhalb einer vom Gericht zu bestimmenden Frist wegen der Prozesskosten Sicherheit zu leisten.
9
Die Klägerin beantragt,
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die Berufung abzuweisen.
11 Sie verteidigt das landgerichtliche Zwischenurteil.
II.
12 Die Berufung ist zulässig. Es handelt sich entgegen der Auffassung der Klägerin um eine unbedingte Berufung. Die Berufung ist auch begründet.
13 1) Die Beklagte verfolgt mit ihrem Berufungsantrag - trotz der weiten Fassung - nur eine Prozesskostensicherheit für die ihr aufgrund der
Verteidigung gegen die Klage entstehenden Prozesskosten, nicht für sämtliche Kosten des Prozesses. Dies folgt aus einer Auslegung des
Klagebegehrens. Die Beklagte hat zunächst sich nur gegen die Klage verteidigt und in diesem Zusammenhang die Einrede der
Prozesskostensicherheit erhoben. Die Widerklage hat die Beklagte erst kurz vor der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2006 erhoben.
14 2) In diesem Umfang hat die Berufung auch Erfolg.
15 Die Klägerin ist gemäß § 110 Abs. 1 ZPO verpflichtet, der Beklagten eine Sicherheit für die Prozesskosten der von der Klägerin erhobenen Klage
zu leisten. Die Klägerin hat ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in Kanada und damit außerhalb des Gebiets der Europäischen Union und des
Europäischen Wirtschaftsraums. Die Voraussetzungen des § 110 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.
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a) Die Beklagte hat rechtzeitig die Einrede der Prozesskostensicherheit erhoben. Hierbei kann dahinstehen, ob eine Verlegung des
Verwaltungssitzes in das Ausland zur Auflösung der Klägerin geführt hat (so die wohl h.M., vgl. etwa Ulmer/Behrens, GmbHG, Einl. B Rn. 118
m.w.N.; Scholz/Emmerich, GmbHG 10. Aufl., § 4a Rn. 7, 24) und welche Auswirkungen dies auf die Partei- und Prozessfähigkeit der Klägerin
hat. Jedenfalls kann die Einrede der Prozesskostensicherheit auch gegenüber einer nicht parteifähigen Klägerin erhoben werden, weil auch
insoweit der Schutzzweck des § 110 ZPO eingreift (Schütze, IPrax 2001, 193, 194).
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b) Die Klägerin ist wie eine Partei zu behandeln, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb des Gebiets der Europäischen Union und des
Europäischen Wirtschaftsraums hat (§ 110 Abs. 1 ZPO), weil sich der tatsächliche Verwaltungssitz der Klägerin in der kanadischen Provinz
British Columbia befindet.
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aa) Bei juristischen Personen kommt es für die Frage, ob Prozesskostensicherheit zu leisten ist, auf deren Sitz an (BGH, NJW-RR 2005,
148, 149; Stein/Jonas/Bork, ZPO 22. Aufl., § 110 Rn. 9; Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 110 Rn. 2). Hierbei entscheidet der tatsächliche
Verwaltungssitz (vgl. MünchKomm-ZPO/Belz, 2. Aufl. § 110 Rn. 12; offen gelassen von BGH, NJW-RR 2005, 148, 149). Dies gilt für eine
nach deutschem Recht wirksam gegründete GmbH zumindest dann, sofern die Klägerin - wie im Streitfall - im Inland und an ihrem
satzungsmäßigen Sitz keinerlei Geschäftsräume oder sonst eine zustellfähige Adresse unterhält.
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Dies ergibt sich aus der Auslegung des § 110 ZPO, insbesondere den zugrunde liegenden gesetzgeberischen Wertungen. Die Norm
stellt für eine natürliche Person auf den gewöhnlichen Aufenthalt ab; ein Wohnsitz ist nicht erforderlich, Nationalität oder Meldeanschrift
hingegen unerheblich. Dementsprechend ist bei juristischen Personen im Rahmen des § 110 ZPO auf den tatsächlichen
Verwaltungssitz abzustellen. Eine solche Anknüpfung entspricht der Intention des Gesetzgebers am besten, wonach die
Prozesskostensicherheit nicht mehr von der Staatsangehörigkeit, sondern nur noch von den aus dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des
Klägers folgenden Anerkennungs- und Vollstreckungsschwierigkeiten eines Kostentitels abhängen sollte (BT-Drs. 13/10871, S. 16f.).
Ziel der Neuregelung ist es, den Beklagten vor den typischen Schwierigkeiten - Anerkennung und Vollstreckung - zu schützen, die
dadurch entstehen, dass er seinen Anspruch auf Kostenerstattung im Ausland realisieren muss (vgl. BT-Drs. 13/10871, S. 17). Auf dieser
Wertung beruht § 110 ZPO (BT-Drs. 13/10871, S. 17). Demgemäß entfällt die Einrede der Prozesskostensicherheit immer dann, wenn
die Anerkennung und Vollstreckung der Kostenentscheidungen - wie etwa aufgrund der EuGVVO oder des Luganer Übereinkommens -
am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts gesichert ist (arg. § 110 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Bei juristischen Personen kommt es daher nicht
auf ihren satzungsmäßigen Sitz an, sondern - entsprechend dem „gewöhnlichen Aufenthalt“ bei natürlichen Personen - auf den
tatsächlichen Verwaltungssitz, wenn am satzungsmäßigen Sitz keine zustellfähige Anschrift vorhanden ist und der obsiegende Beklagte
daher auf eine Anerkennung und Vollstreckung seines Kostenerstattungsanspruchs im Ausland angewiesen ist.
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§ 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach der allgemeine Gerichtsstand einer juristischen Person grundsätzlich durch den satzungsmäßigen Sitz,
nicht den tatsächlichen Verwaltungssitz bestimmt wird (allg. Meinung, vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO 26. Aufl., § 17 Rn. 8, 10), steht dem
nicht entgegen. § 17 ZPO regelt zunächst einmal lediglich Inlandssachverhalte und die Frage des allgemeinen Gerichtsstands;
insbesondere setzt § 17 Abs. 1 ZPO einen zustellfähigen Sitz im Inland voraus. Schon § 17 Abs. 1 Satz 2 ZPO zeigt, dass auch der Ort
als Sitz gelten kann, wo die Verwaltung geführt wird. Ausschlaggebend ist jedoch die gesetzgeberische Wertung des § 110 ZPO, die -
anders als § 17 ZPO - nicht einer klagenden Partei einen möglichst einfach zu bestimmenden Gerichtsstand verschaffen will, sondern
die beklagte Partei, die ihren Kostenerstattungsanspruch durchsetzen möchte, vor Schwierigkeiten der Auslandsvollstreckung bewahren
will (Musielak/Foerste, ZPO 5. Aufl., § 110 Rn. 1; Zöller/Herget, aaO. § 110 Rn. 2). Diese Schwierigkeiten dürfen sich zwar nicht auf die
Frage beschränken, ob der Kläger über ein entsprechendes (inländisches) Vermögen verfügt, dass die Kosten des obsiegenden
Beklagten abdeckt. Daher kann die Einrede nicht allein darauf gestützt werden, dass eine deutsche GmbH vermögenslos ist (BGH, NJW
1984, 2762). Entscheidend ist vielmehr, ob eine Inlandsvollstreckung der Form nach in Betracht kommt. Das hängt letztlich davon ab, ob
- unabhängig vom Rechtsstreit - eine dauerhafte, zustellfähige Inlandsadresse vorhanden ist oder nicht. Daran fehlt es, wenn eine
deutsche GmbH ihren Verwaltungssitz faktisch ins Ausland verlegt, weder an ihrem satzungsmäßigen Sitz noch sonst irgendwo im
Inland Geschäftsräume unterhält und auch sonst im Inland über keinerlei dauerhaft zustellfähige Anschrift verfügt.
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Ebensowenig ist aus europarechtlichen Gründen eine andere Wertung erforderlich. Art. 60 EuGVVO begründet zwar eine Zuständigkeit
auch am satzungsmäßigen Sitz einer juristischen Person. Es handelt sich dabei aber lediglich um eine Zuständigkeitsnorm, die eine
Verweisung auf das Internationale Privatrecht des Gerichtsstaats entbehrlich machen soll (Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 8.
Aufl., Art.60 Rn. 2). Die darin enthaltenen Wertung greift nicht auf die Auslegung der Vorschriften über die Prozesskostensicherheit
durch. Europarechtlich ist insoweit - gestützt vor allem auf das Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV (früher Art. 6 EGV) - nur eine
Gleichbehandlung erforderlich (vgl. EuGH, NJW 1993, 2431; NJW 1996, 3407; NJW 1997, 3299; NJW 1998, 2127). Die generelle
Anknüpfung an den tatsächlichen Verwaltungssitz einer juristischen Person ist damit auch aus der Sicht des Europarechts
unbedenklich.
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bb) So liegt der Fall hier. Zwar trägt die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Klägerin ihren Sitz nicht im Gebiet der
Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums hat (vgl. Stein/Jonas/Bork, aaO. Rn. 46). Nachdem die Klägerin dem
ausführlichen Sachvortrag der Beklagten zur Frage des Sitzes der Klägerin aber nicht entgegen getreten ist, ist dieser Vortrag unstreitig
(§ 138 Abs. 3 ZPO).
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Danach befinden sich im Inland keinerlei Geschäftsräume der Klägerin (AS I, 87). Die Klägerin selbst hat in der Klageschrift im Rubrum
als Anschrift „Dr. R. Verwaltungs-GmbH, gesetzlich vertreten durch den Geschäftsführer Dr. G. R., dieser wohnhaft in „...“ angegeben.
Eine eigenständige Geschäftstätigkeit der Klägerin im Inland findet nicht statt (AS I, 89). Die Klägerin ist persönlich haftende
Gesellschafterin und Geschäftsführerin einer lediglich vermögensverwaltenden Vermietungsgesellschaft, die über keinen anderweitigen
Geschäftsbetrieb verfügt als die Verwaltung von Grundbesitz (AS I, 89). Die geschäftlichen Entscheidungen und Weisungen erfolgen
ausschließlich aus Kanada (AS I, 89). Ein Gewerbebetrieb der Klägerin an ihrem registermäßigen Sitz besteht nicht mehr (AS I, 91;
Anlage B 21); aus der Gewerbeauskunft ergibt sich, dass eine Abmeldung zum 31. Dezember 2005 erfolgte. Die Klägerin selbst
verwendet im Geschäftsverkehr lediglich ihre kanadische Adresse (AS I, 91). Damit stimmt überein, dass auch die R. KG selbst als ihren
Sitz die Adresse von Herrn Dr. R. in West Vancouver angibt. Dies folgt nicht nur aus den von der Beklagten vorgelegten
Geschäftsbriefen der R. KG (Anlage B 23, 24, 25), sondern insbesondere auch aus dem Jahresabschluss der R. KG für 2004 (Anlage B
26). Der Sitz einer KG befindet sich aber am Ort der tatsächlichen Verwaltung, nämlich der Geschäftsführung (Baumbach/Hopt, HGB 32.
Aufl., § 106 Rn. 8). Da hier die Klägerin die Geschäftsführung für die R. KG ausübt und hierfür West Vancouver als Ort anzusehen ist, ist
dies auch der tatsächliche Verwaltungssitz der Klägerin. Schließlich hat die Klägerin nicht bestritten, dass die Beklagte schon die
Pfändungsbeschlüsse lediglich im Wege der förmlichen Auslandszustellung an die Klägerin zustellen lassen konnte (AS I, 91).
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cc) Die Klägerin kann sich nicht auf die Eintragung im Handelsregister und ihre Satzungsregelung berufen. Zwar ist nach § 4a Abs. 1
GmbHG Sitz der Gesellschaft der Ort, den der Gesellschaftsvertrag bestimmt. § 4a GmbHG gibt aber für die Frage, ob für § 110 ZPO bei
juristischen Personen der satzungsmäßige Sitz ausschlaggebend ist, nichts her, weil die gesetzgeberische Wertung auf
unterschiedlichen Aspekten beruht.
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§ 4a GmbHG lässt sich zwar die gesetzgeberische Wertung entnehmen, dass - unabhängig von einer späteren Verlegung des
tatsächlichen Sitzes - der satzungsmäßige Sitz grundsätzlich weiterhin maßgebend bleibt (BayObLG, ZIP 2002, 1400). Dies dient aber in
erster Linie dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger (vgl. Scholz/Emmerich, GmbHG 10. Aufl., § 4a Rn. 6). Verletzt eine GmbH - wie im
Streitfall die Klägerin - ihre Verpflichtung nach § 4a GmbHG, ihren Sitz im Inland zu haben, kann sie sich gegenüber einer von ihr
verklagten Partei nicht auf § 4a GmbHG berufen, um die verlangte Prozesskostensicherheit abzuwenden.
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c) Die Klägerin kann sich nicht auf die Ausnahmevorschriften des § 110 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 ZPO berufen, weil deren Voraussetzungen im
Streitfall nicht erfüllt sind. Es besteht kein völkerrechtlicher Vertrag, aufgrund dessen keine Sicherheit von einer Gesellschaft verlangt werden
kann, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in der Provinz British-Columbia in Kanada hat. Ebensowenig wird die Entscheidung über die
Erstattung der Prozesskosten auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrags in der Provinz Britisch-Columbia in Kanada vollstreckt. Das
deutsch-britische Abkommen über den Rechtsverkehr vom 20. März 1928 enthält keine solchen Regelungen.
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aa) Die Klägerin ist nicht nach Art. 14 des Abkommens von einer Sicherheitsleistung für die Prozesskosten befreit, weil sie ihren
„Wohnsitz“ nicht in Deutschland hat; § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist nicht erfüllt.
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Zum einen läuft Art. 14 des Abkommens im Hinblick auf eine mögliche Prozesskostensicherheit nach der Neufassung des § 110 ZPO
inzwischen faktisch leer, weil Art. 14 des Abkommens nur dann von der Verpflichtung befreit, eine Prozesskostensicherheit zu stellen,
wenn die klagende Partei ihren Wohnsitz im Inland hat. Dann ist eine Partei aber schon nach § 110 Abs. 1 ZPO nicht mehr zur Stellung
einer Prozesskostensicherheit verpflichtet (Schütze, IPrax 2001, 193, 194).
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Zum anderen stellt Art. 14 des Abkommens - ähnlich wie § 110 Abs. 1 ZPO - nicht auf den satzungsmäßigen Sitz einer Gesellschaft,
sondern auf den „Wohnsitz“ einer natürlichen Person ab. Diese Regelung beruht auf den Besonderheiten des englischen Rechts, nach
denen ein Kläger, der seine „residence“ nicht in England hat, verpflichtet werden kann, Sicherheit für die Prozesskosten zu leisten (vgl.
Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, A II, 520-24, Anmerkung 91 zu Art. 14 des deutsch-
britischen Abkommens; Jonas, JW 1929, 88f.). Die entsprechende Anwendung auf juristische Personen bedeutet aber, dass es auch für
Art. 14 des Abkommens auf den tatsächlichen Verwaltungssitz einer juristischen Person ankommt, wenn diese - wie im Streitfall - im
Inland und insbesondere am satzungsmäßigen Sitz über keinerlei Geschäftsräume und keine zustellfähige Anschrift verfügt.
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bb) Art. 14 des deutsch-britischen Abkommens genügt den Voraussetzungen des § 110 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht. Das Abkommen enthält
keine Regelung über die (Anerkennung und) Vollstreckung von Kostenentscheidungen gegen den unterliegenden Kläger (vgl.
Geimer/Schütze, aaO.). Eine Ergänzung des Abkommens im Verhältnis zu Kanada ist nicht erfolgt.
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d) Der Senat hält es für angemessen, eine Prozesskostensicherheit in Höhe von 8.200 EUR festzusetzen. Hierbei sind die bereits
angefallenen Kosten, die voraussichtlichen Kosten bis zum Abschluss der ersten Instanz und die mit hinreichender Sicherheit für eine
mögliche Berufung zu erwartenden Kosten anzusetzen (vgl. Stein/Jonas/Bork, aaO. § 112 Rn. 6). Die Sicherheitsleistung für eine mögliche
Berufung ist dabei auf die Kosten zu begrenzen, die entstehen würden, bis die Beklagte für die Berufungsinstanz die Einrede gemäß § 112
Abs. 3 ZPO erneut erheben könnte.
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Dies sind im Streitfall die erstinstanzlichen Anwaltskosten der Beklagten sowie die Kosten einer möglichen Berufungseinlegung durch die
Beklagte. Maßgeblich ist der Streitwert der Klage von 25.000 EUR. Danach beträgt eine Gebühr nach RVG 686 EUR, eine Gebühr nach GKG
311 EUR. In erster Instanz fallen 2,5 Anwaltsgebühren nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer von 19% (maßgeblich für die Höhe des
Umsatzsteuersatzes ist nicht die Auftragserteilung, sondern der Abschluss der Leistungserbringung, vgl. Schneider, NJW 2007, 325) an, eine
mögliche Berufung schlägt mit vier Gerichtsgebühren (KV 1220 zum GKG) und einer 1,6 Verfahrensgebühr (VV 3200 zum RVG) nebst
Auslagenpauschale und 19% Umsatzsteuer zu Buche. Dies sind insgesamt 4.638,59 EUR. Hinzu kommen die für den Streit um die
Prozesskostensicherheit in zweiter Instanz für die Beklagte aus einem Streitwert von 25.000 EUR entstandenen Gebühren. Diese betragen
vier Gerichtsgebühren à 311 EUR sowie 2,8 Anwaltsgebühren à 686 EUR nebst Auslagenpauschale und 19% Umsatzsteuer. Dies sind
insgesamt 3.553,55 EUR. Zusammen ergibt sich ein Betrag von - leicht aufgerundet - 8.200 EUR.
33 3) Die Fristsetzung erfolgt gemäß § 113 ZPO. Eine Kostenentscheidung war entbehrlich, nachdem es sich um einen Zwischenstreit handelt.
Nachdem die eine Prozesskostensicherheit anordnende Entscheidung nicht rechtsmittelfähig ist (BGHZ 102, 232, 234ff; BGH, NJW-RR 2006,
710 Rz. 6), ist auch kein Raum für die Zulassung der Revision.