Urteil des OLG Karlsruhe vom 11.05.2006

OLG Karlsruhe (kläger, vvg, basel, untersuchung, verletzung der anzeigepflicht, versicherer, versicherungsnehmer, grobes verschulden, umstände, zeitpunkt)

OLG Karlsruhe Urteil vom 11.5.2006, 19 U 208/04
Rücktritt der Berufsunfähigkeitsversicherung wegen Falschbeantwortung der Gesundheitsfragen im
Versicherungsantrag: Nichtangabe einer anstehenden Untersuchung in einer Psychiatrischen
Universitätsklinik
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 13.10.2004 wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von
120% des aufgrund dieses Urteils zu vollstreckenden Betrages vorläufig abwenden, wenn nicht die Beklagte vor
der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1
I
bis September 2003 und Feststellung des Fortbestehens der bei der Beklagten geschlossenen
Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.
2
Auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1
ZPO).
3
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im
Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte mit Erklärung vom 14.8.2002 wirksam und leistungsbefreiend nach
§ 16 Abs. 2 VVG von der zwischen den Parteien abgeschlossenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung
zurückgetreten sei, weil der Kläger bei Antragstellung am 27.9.2001 unter Verstoß gegen seine Anzeigepflicht
nach § 16 Abs. 1 S. 1 VVG verschwiegen habe, dass er zwei Tage vor Antragstellung von der Psychologin Dr.
B. zum Ausschluss einer organischen Psychose zu Untersuchungen an die Psychiatrische
Universitätspoliklinik Basel überwiesen worden war. Die Behauptung des Klägers, er habe nicht gewusst, dass
Frau Dr. B. Verdacht auf Vorliegen einer organischen Psychose hatte, könne als wahr unterstellt werden, denn
auch in diesem Fall müsse dem Kläger angesichts der Überweisung zumindest klar gewesen sein, dass Frau
Dr. B. den Verdacht auf irgendwelche physische oder psychische Gesundheitsstörungen hatte, die durch die
weiteren Untersuchungen hätten abgeklärt werden sollen, weshalb er bereits nach § 16 Abs. 1 VVG verpflichtet
gewesen sei, die erfolgte Überweisung und anstehende Untersuchung in Basel mitzuteilen. Auch wenn die
Gesundheitsfrage Nr. 2 grammatikalisch streng ausgelegt nur in der Vergangenheit durchgeführte
Untersuchungen angesprochen habe, während die den Kläger betreffende Untersuchung in der Psychiatrischen
Universitätspoliklinik Basel erst bevorgestanden habe, habe doch auf der Hand gelegen, dass die Beklagte erst
recht die Unterrichtung über aktuell laufende oder unmittelbar bevorstehende Untersuchungen und
Behandlungen erwarte. Weil der Kläger die Frage verneint habe, obwohl er habe erkennen müssen, dass eine
anstehende Untersuchung für die Entscheidung der Beklagten von erheblichem Interesse sein konnte, habe er
nicht ohne Verschulden seine Anzeigepflicht verletzt.
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Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Er trägt vor, dass eine Falschbeantwortung der
Gesundheitsfrage Ziffer 2 nicht vorliege, weil nach dem Wortlaut der Frage, der die Grenze für jegliche
Auslegung bilde, nur nach bereits vorgenommenen Untersuchungen und Behandlungen bei Ärzten oder
Heilbehandlern gefragt worden sei, die Untersuchung in der Psychiatrischen Universitätspoliklinik Basel zum
Zeitpunkt der Antragstellung aber nicht bereits stattgefunden, sondern noch bevorgestanden habe. Die
Beratungsgespräche bei Frau Dr. B. am 24. / 25.9.2001 habe er nicht anzeigen müssen, weil Frau Dr. B. als
Psychologin weder Ärztin noch Heilbehandlerin sei und weil das mit ihr geführte Gespräch nicht als
Heilbehandlung angesehen werden könne. In diesem Gespräch sei der Kläger lediglich gefragt worden, ob er
sich wohl fühle und ob er Probleme in seiner Ehe sehe.
5
Jedenfalls liege eine verschuldete Anzeigepflichtverletzung nicht vor, da der Beklagte eine unklar gestellte
Frage falsch verstanden habe. Außerdem habe das Landgericht verkannt, dass der Kläger bereits zum
Zeitpunkt der Antragstellung, ohne dass er selbst dies erkannt habe, objektiv an einer sowohl paranoid-
halluzinatorischen als auch residualen Form der Schizophrenie gelitten habe mit der Folge, dass er nicht in der
Lage gewesen sei, den Sinngehalt einer an ihn gestellten Frage mit medizinischem Bezug zu erfassen.
Aufgrund eines weiteren Schubs der Krankheit während der ambulanten Behandlung in der Psychiatrischen
Universitätspoliklinik Basel sei er noch weniger in der Lage gewesen, im Zeitraum zwischen Antragstellung und
Policierung der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung die in Basel vorgenommene Untersuchung und deren
Ergebnis der Beklagten anzuzeigen. Ein Rücktrittsrecht des Versicherers nach § 16 VVG setze ein grobes
Verschulden des Versicherungsnehmers voraus.
6
Der Kläger beantragt,
7
1. Das Urteil des Landgerichts Freiburg (2 O 493/03) vom 13.10.2004 wird abgeändert.
8
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 26.650,00 zu zahlen, zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % über
dem Basiszinssatz aus
9 EUR 1.425,00 vom 01.05.2002 bis 31.05.2002,
EUR 2.850,00 vom 01.06.2002 bis 30.06.2002,
EUR 4.275,00 vom 01.07.2002 bis 31.07.2002,
EUR 5.700,00 vom 01.08.2002 bis 31.08.2002,
EUR 7.125,00 vom 01.09.2002 bis 30.09.2002,
EUR 8.550,00 vom 01.10.2002 bis 31.10.2002,
EUR 9.975,00 vom 01.11.2002 bis 30.11.2002,
EUR 11.400,00 vom 01.05.2002 bis 31.05.2002,
EUR 14.250,00 vom 01.02.2003 bis 28.02.2003,
EUR 15.675,00 vom 01.03.2003 bis 31.03.2003,
EUR 17.100,00 vom 01.04.2003 bis 30.04.2003,
EUR 18.525,00 vom 01.05.2003 bis 31.05.2003,
EUR 19.950,00 vom 01.06.2003 bis 30.06.2003,
EUR 21.375,00 vom 01.07.2003 bis 31.07.2003,
EUR 22.800,00 vom 01.08.2003 bis 31.08.2003,
EUR 24.255,00 vom 01.09.2003 bis 30.09.2003,
EUR 25.650,00 ab 01.10.2003.
10 3. Es wird festgestellt, dass die vom Kläger unter der Versicherungsnummer 1 LV-4418082 bei der Beklagten
unterhaltene aufgeschobene Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung durch den Rücktritt
der Beklagten vom 10.04.2003 nicht aufgelöst ist, sondern ungekündigt fortbesteht.
11 Die Beklagte beantragt,
12
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
13 Sie verteidigt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das landgerichtliche Urteil und bestreitet,
dass der Kläger bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung unter Wahnvorstellungen, Halluzinationen, Ich-
Störungen und affektiven Störungen gelitten habe mit der Folge, dass er nicht in der Lage gewesen sei, den
Sinngehalt der Gesundheitsfragen zu erfassen. Bei Zugrundelegung der Behauptungen des Klägers zu seinem
Gesundheitszustand bei Antragstellung sei dieser außerdem bereits zu diesem Zeitpunkt berufsunfähig
gewesen, mit der Folge, dass für die Beklagte keine Leistungspflicht bestehe.
14 Bezüglich des Vortrags der Parteien in der Berufungsinstanz im Einzelnen wird auf die Berufungsbegründung
vom 31.1.2005 (Band II AS 31 ff) und die Berufungserwiderung vom 29.3.2005 (Band II AS 59) verwiesen, die
Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat waren.
15
II
16 Abs. 2 S. 1 VVG vom Vertrag zurückgetreten mit der Folge, dass Leistungsfreiheit eingetreten ist, § 21
VVG.
16 Der Versicherer kann nach § 16 Abs. 2 VVG vom Vertrag zurücktreten, wenn entgegen § 16 Abs. 1 VVG die
Anzeige eines erheblichen Umstandes unterblieben ist. Nach § 16 Abs. 1 VVG hat der Versicherungsnehmer
bei Schließung des Vertrages alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind,
dem Versicherer anzuzeigen. Erheblich sind die Gefahrumstände, die geeignet sind, auf den Entschluss des
Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen, Einfluss auszuüben. Ein
Umstand, nach welchem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich gefragt hat, gilt im Zweifel als erheblich (§
16 As. 1 S. 3 VVG). Der Rücktritt ist nach § 16 Abs. 3 VVG u.a. dann ausgeschlossen, wenn den
Versicherungsnehmer an der fehlenden Anzeige des Gefahrumstandes kein Verschulden trifft (§ 116 Abs. 3
VVG), wobei einfache Fahrlässigkeit zur Begründung des Verschuldensvorwurfs genügt und darlegungs- und
beweisbelastet für ein fehlendes Verschulden der Versicherungsnehmer ist (vgl. Prölss/Martin, VVG, 27.
Auflage, §§ 16,17 Rdnr. 34, 41)
17 1. Der Kläger hat bei der Antragstellung am 27.9.2001 - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - bei
Beantwortung der an ihn gestellten Gesundheitsfragen einen Gefahrumstand nicht mitgeteilt, nach welchem die
Beklagte ausdrücklich und schriftlich gefragt hat.
18 Ziffer 2 der Gesundheitsfragen der Beklagten lautete:
19
„Bestehen oder bestanden bei Ihnen in den letzten 10 Jahren Gesundheitsstörungen, Krankheiten,
Beschwerden, Schmerzen, Allergien, Lähmungen, Verletzungen, Vergiftungen wegen denen Sie durch
Ärzte, Krankenhäuser oder andere Heilbehandler beraten, untersucht oder behandelt wurden?“
20 Der Kläger hat diese Frage mit „nein“ und damit falsch beantwortet. Zu Recht ist das Landgericht davon
ausgegangen, dass der Kläger aufgrund der Gesundheitsfrage Ziffer 2 der Beklagten hätte mitteilen müssen,
dass er drei bzw. zwei Tage vor der Antragstellung zwei Beratungsgespräche bei Dr. B. hatte und diese ihn zur
Abklärung einer möglichen physischen oder psychischen Gesundheitsstörung an die Universitätspoliklinik
Basel überwiesen hatte.
21 a. Selbst wenn der Kläger das erste Gespräch bei Frau Dr. B. - wie er behauptet hat - als bloßes
Eheberatungsgespräch verstanden haben sollte, so stand doch spätestens mit der erfolgten Überweisung fest,
dass Frau Dr. B. eine weitere Abklärung möglicher physischer oder psychischer Gesundheitsstörungen in einer
Psychiatrischen Universitätsklinik für erforderlich erachtete. Damit handelte es sich - unabhängig von der
Frage, was Anlass für die Untersuchung war - objektiv um eine Untersuchung und Beratung durch eine Ärztin
oder Heilbehandlerin wegen Gesundheitsstörungen oder Beschwerden im Sinne der unter Ziffer 2 der
Gesundheitsfragen gestellten Frage. Denn die Überweisung an eine Psychiatrische Universitätsklinik zur
Abklärung einer möglichen physischen oder psychischen Gesundheitsstörung setzt eine Untersuchung und
Beratung hinsichtlich möglicher Gesundheitsstörungen und / oder Beschwerden voraus.
22 Dass die Überweisung an die Psychiatrische Universitätspoliklinik Basel nicht zum Zwecke einer weiteren
Eheberatung erfolgte, konnte dem Kläger nicht verborgen bleiben.
23 Vom Begriff der Heilbehandlung ist auch die Psychotherapiebehandlung umfasst (vgl. §§ 1 Abs. 1 a , 3 Abs. 3
MBKK 94 für den Bereich der Krankenversicherung; BVerwG NJW 84, 1414) mit der Folge, dass es entgegen
der Berufungsbegründung nicht darauf ankommt, ob Frau Dr. B. Ärztin oder Psychologin ist.
24 b. Der Kläger war aufgrund der Gesundheitsfrage Ziffer 2 auch und insbesondere verpflichtet, die erfolgte
Überweisung an die Psychiatrische Universitätsklinik Basel und die dort anstehende - zunächst - ambulante
Untersuchung anzuzeigen.
25 Er war insbesondere nicht berechtigt, diesen Umstand deshalb der Beklagten nicht mitzuteilen, weil die
Überweisung durch Frau Dr. B. zum Zeitpunkt der Antragstellung zwar bereits erfolgt war, die Untersuchung in
der Psychiatrischen Universitätspoliklinik Basel für den 2.10.2001 aber noch bevorstand und sich die
Gesundheitsfrage Ziffer 2 ihrem reinen Wortlaut nach im ersten Halbsatz zwar auf sowohl gegenwärtige als
auch bereits überwundene Beschwerden bezog, im zweiten Halbsatz hingegen auf bereits stattgefundene
Beratungen, nicht derzeit anstehende Untersuchungen und Behandlungen.
26 Denn bei der Ermittlung des objektiven Sinns einer Gesundheitsfrage und Beurteilung, ob diese einen
bestimmten Umstand mit erfassen soll, ist nicht nur vom bloßen Wortlaut der Frage auszugehen. Vielmehr ist
die Verständnismöglichkeit eines durchschnittlichen, umsichtigen Versicherungsnehmers zugrunde zu legen,
was zum Ergebnis führen kann, dass ausnahmsweise ein Umstand als von einer Frage mit umfasst anzusehen
ist, obwohl deren Wortlaut streng genommen nicht auf ihn zutrifft (OLG Düsseldorf NZVersR 99, 217;
Prölss/Martin a.a.O. §§ 16,17 Rdnr. 21).
27 Allerdings gibt ein Versicherer mit den branchenüblich im Antragsformular gestellten Fragen an den
Antragsteller grundsätzlich zu erkennen, was er für seine Entscheidung als wesentlich ansieht und was er
deshalb wahrheitsgemäß und vollständig beantwortet sehen will. Daher kann der Antragsteller grundsätzlich
davon ausgehen, dass der branchenerfahrene Versicherer bei der Fragestellung seine Interessen umfassend
zu wahren weiß und ihm einen daran ausgerichteten vollständigen Fragenkatalog vorlegt. Der Versicherer kann
deshalb regelmäßig nicht erwarten, dass der künftige Versicherungsnehmer ihm weitere Umstände ungefragt
mitteilt, mögen sie - objektiv gesehen - auch als gefahrerheblich gewertet werden können ( BGH VersR 1986,
1089). Anderes gilt jedoch für solche nicht ausdrücklich erfragten Umstände, auf die sich eine Frage
konkludent auch bezieht oder deren Mitteilung bei der gestellten Frage als selbstverständlich erscheint (BGH
a.a.0.; OLG Hamm VersR 1994, 293; Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. §§ 16, 17 Rdnr. 10).
28 Ein solcher Fall ist vorliegend, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, gegeben. Denn durch den
ersten Halbsatz der Gesundheitsfrage hat die Beklagte - was bei vernünftiger Betrachtung ohnehin außer
Zweifel steht - für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne weiteres erkennbar deutlich gemacht,
dass für sie nicht nur bereits überwundene Krankheiten, Beschwerden etc. von Bedeutung sind, sondern auch
und gerade solche, deren Wirkungen noch andauern. Einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer musste
sich dann aber auch als Laien im medizinischen wie versicherungsrechtlichen Bereich ohne weiteres
aufdrängen, dass Behandlungen, Beratungen und Untersuchungen wegen solcher noch andauernder
Beschwerden für die Beklagte von hohem Interesse und daher von der gestellten Frage auch und gerade dann
mit umfasst waren, wenn die betreffenden Behandlung, Beratung oder Untersuchung nicht bereits in der
Vergangenheit stattgefunden hatte, sondern aufgrund einer aktuellen Überweisung in den nächsten Tagen
anstand. Der Kläger durfte deshalb nicht über das Beratungsgespräch bei Dr. B. und die hierbei vorgenommene
Überweisung an die Universitätsklinik Basel wie über eine Bagatellgesundheitsstörung stillschweigend
hinweggehen. Vielmehr musste er sich zur Erfüllung seiner Anzeigeobliegenheit aufgerufen fühlen und der
Beklagten die Gewichtung dieses Umstandes überlassen. Dass ihm zu diesem Zeitpunkt die ärztliche
Diagnose der Gesundheitsstörung oder die Verdachtsdiagnose von Frau Dr. B. nicht bekannt war, berührt seine
Anzeigepflicht nicht (vgl. OLG Hamm VersR 1999, 467; VersR 2001, 1503).
29 2. Zu Recht ist das Landgericht hinsichtlich der Frage der Gefahrerheblichkeit von der Vermutung des § 16
Abs. 1 S. 3 VVG ausgegangen, denn diese greift jedenfalls dann ein, wenn die Gefahrerheblichkeit der
verschwiegenen Umstände auf der Hand liegt (BGH RuS 1993, 393). Dass die Tatsache einer von einem
Psychologen für notwendig erachteten und aktuell anstehenden Untersuchung in einer Psychiatrischen
Universitätsklinik für den Entschluss eines Versicherers, einen Versicherungsvertrag für den Fall der
Berufsunfähigkeit überhaupt oder zu den vereinbarten Bedingungen zu schließen, von hohem Interesse ist,
bedarf keiner weiteren Erörterung.
30 3. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Kläger, der hierfür beweispflichtig ist, nicht
nachgewiesen hat, dass die Nichtanzeige der erfragten Umstände ohne sein Verschulden unterblieben ist.
31 a. Wie vorstehend unter Ziffer 1. ausgeführt, war für einen durchschnittlichen verständigen
Versicherungsnehmer, auf den aufgrund des objektiven Sorgfaltsmaßstabes des § 16 Abs. 3 VVG abzustellen
ist, bei Anspannung der erforderlichen Sorgfalt ohne weiteres erkennbar, dass die bei Frau Dr. B. geführten
Beratungsgespräche und die erfolgte Überweisung an die Psychiatrische Universitätspoliklinik Basel
anzuzeigen waren. Der Beklagte kann sich daher nicht darauf berufen, dass er eine unklar gestellte Frage
schuldlos falsch verstanden habe.
32 Dass ihm selbst die Gefahrerheblichkeit der erfragten Umstände möglicherweise verborgen geblieben ist,
begründet kein fehlendes Verschulden. Denn der Versicherungsnehmer muss auch Gefahrumstände angeben,
die er selbst für unerheblich hält, nach denen er aber - wie hier - gefragt worden ist. Eine medizinische Wertung
oder eigene Diagnose wird ihm nicht abverlangt, vielmehr kann und muss er die Bewertung der anzuzeigenden
Umstände allein dem Versicherer überlassen (vgl. OLG Düsseldorf, RuS 1997, 126; OLGR Saarbrücken 2005,
341; OLG Hamburg NZVersR 99, 467).
33 b. Der Kläger kann sich im Berufungsverfahren auch nicht mehr darauf berufen, dass er bereits bei
Antragstellung am 27.9.2001 krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen sei, den Sinngehalt einer an ihn
gestellten Frage mit medizinischem Bezug zu erfassen und richtig zu beantworten.
34 Denn Entsprechendes hat der Kläger erstinstanzlich nicht behauptet. Vor dem Landgericht hat er lediglich
vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass er während der Behandlung in der Psychiatrischen
Universitätspoliklinik Basel aufgrund einer Sedierung durch die verordneten Medikamente nicht in der Lage
gewesen sei, die ihm dort eröffnete Diagnose zur Kenntnis zu nehmen (I, 99, Schriftsatz vom 1.10.2004 Blatt 2
) bzw. dass er auf Grund seiner Schizophrenieerkrankung nicht die ihm mitgeteilte Diagnose als gegenüber
dem Versicherer offenbarungspflichtigen Umstand habe einzuordnen können (I, 69, Schriftsatz vom 28.10.04
Blatt 2). Damit hat der Beklagte lediglich eine schuldlose Verletzung der Verpflichtung, die ihm noch vor
Schließung des Vertrages am 9.11.2001 im Kantonspital Basel eröffnete Diagnose nachzumelden (vgl. hierzu
OLG Frankfurt NJW-RR 2003, 115), behauptet, nicht hingegen ein fehlendes Verschulden hinsichtlich der bei
Antragstellung am 27.9.2005 begangenen Anzeigepflichtverletzung.
35 Dass er bereits seit 1997 und insbesondere zum Zeitpunkt der Antragstellung am 27.9.2001 an
Wahnvorstellungen, Halluzinationen, Ich-Störungen und affektiven Störungen gelitten habe, die es ihm
unmöglich gemacht hätten, die ihm gestellten Gesundheitsfragen zu verstehen, hat der Kläger erstmals in der
Berufungsbegründungsschrift behauptet. Ob diese Behauptung vor dem Hintergrund der ärztlichen
Stellungnahme des Kantonsspitals Basel vom 19.9.2002, wonach der Kläger bei seiner Aufnahme in der Klinik
lediglich über diffuse Kopfschmerzen und Antriebslosigkeit verbunden mit zunehmendem sozialen Rückzug
geklagt habe und es ihm vor der differentialdiagnostischen Abklärungen in der stationären Behandlung
sicherlich nicht möglich gewesen sei, seine Beschwerden als erste Anzeichen einer Erkrankung aus dem
schizophrenen Formenkreis einzuordnen, sowie dem eigenen erstinstanzlichen Vortrag des Klägers, vor dem
22.11.2001 habe eine Schizophrenie bei ihm nicht vorgelegen (I, 71, Schriftsatz vom 28.1.2004 Blatt 3),
plausibel ist, kann offen bleiben. Denn der Vortrag ist jedenfalls verspätet i.S.d. § 531 Abs. 2 ZPO. Der Kläger
hat nicht behauptet, dass einer der Tatbestände des § 531 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 ZPO vorliegt, aufgrund derer der
neue Vortrag im Berufungsrechtszug ausnahmsweise noch zu berücksichtigen wäre. Dies ist auch sonst nicht
ersichtlich. Der Kläger kann daher mit seinem neuen Vortrag im Berufungsrechtszug nicht mehr gehört werden.
36 Es kann daher offen bleiben, ob dann, wenn dieser Vortrag des Klägers zutreffend wäre, eine Leistungspflicht
der Beklagten unabhängig von der Frage eines wirksamen Rücktritts vom Versicherungsvertrag bereits deshalb
nicht begründet wäre, weil der Kläger dann bereits bei Abschluss des Versicherungsvertrages berufsunfähig
gewesen ist (vgl. BGH NJW-RR 93, 671).
37 4. Das Landgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte aus den dargelegten Gründen
berechtigt war, mit Erklärung vom 14.8.2002 gemäß § 16 Abs. 2 S. 1 VVG vom Versicherungsvertrag
zurückgetreten. Darauf, ob ihr ein Kündigungsrecht auch wegen der von der Beklagten behaupteten Verletzung
der Anzeigepflicht hinsichtlich eines beim Beklagten besehenden lumbovertebralen Reizsyndroms, wegen der
nicht angezeigten Arbeitsunfähigkeit mit einer Dauer von über 4 Wochen oder wegen einer schuldhaften
Verletzung der Nachmeldepflicht bezüglich der ihm im Kantonspital Basel eröffneten Diagnose der
Schizophrenieerkrankung zustand, kommt es nicht mehr an.
38 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die übrigen Nebenentscheidungen aus §§, 543 Abs. 2,
708 Nr. 10, 711 ZPO.