Urteil des OLG Karlsruhe vom 17.07.2003

OLG Karlsruhe: vertragliche haftung, stadt, gebäude, haus, grundstück, nachbar, wiederherstellung, verhinderung, wand, verjährungsfrist

OLG Karlsruhe Urteil vom 17.7.2003, 12 U 53/00
Haftung bei Änderung einer Grenzeinrichtung
Leitsätze
Das Verbot der Änderung einer Grenzeinrichtung nach § 922 Satz 3 BGB richtet sich nicht nur gegen den Nachbarn, sondern gegen jeden, der an
solchen Maßnahmen mitwirkt.
Die ohne Zustimmung des Nachbarn durchgeführte Änderung oder Beseitigung einer Grenzeinrichtung verstößt solange gegen das Verbot des §
922 Satz 3 BGB, als nicht von vornherein diejenigen Maßnahmen getroffen werden, die zur Verhinderung oder schnellst möglichen Beseitigung von
Auswirkungen im Nutzungsinteresse des Nachbarn geboten sind. Ist dies nicht der Fall, besteht auch keine Duldungspflicht, die einem Rückgriff auf
Hilfspersonen entgegen stehen könnte.
Tenor
1. Auf die Berufungen der Klägerin und des Beklagten Hans K. wird das Urteil des Landgerichts M vom 30.12.1999 - 3 O 173/93 - in Ziff. 1 geändert
und neu gefasst:
I. Der Beklagte Hans K. wird verurteilt, an die Klägerin EUR 144.565,34 nebst Zinsen von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 11.12.2002 zu
zahlen.
II. Es wird festgestellt, dass der Beklagte Hans K. (als Gesamtschuldner neben der Stadt M im Rahmen deren erstinstanzlicher Verurteilung)
verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen weiteren Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden ist und noch entstehen wird, dass die
Standsicherheit des Hinterhauses Am M-Platz 7 in M beeinträchtigt ist, weil es durch die Abbrucharbeiten auf den Grundstücken Am M-Platz 6 und L-
Strasse 6 verstärkt Horizontallasten ausgesetzt ist;
ausgenommen ist der Schaden, der der Klägerin durch einen von der Stadt M am 01.03.1989 gezahlten Betrag in Höhe von DM 1.400,00 und durch
einen von der Kn & Co. GmbH, M, am 25.06.1987 gezahlten Betrag in Höhe von DM 500,00 ersetzt wurde, sowie der Schaden, zu dessen Ersatz die
Kn & Co. GmbH durch Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 25.11.1992 - 1 U 43/92 - rechtskräftig verurteilt wurde.
2. Die weitergehende Berufung der Klägerin gegen die Abweisung ihrer weitergehenden Klage gegen den Beklagten Hans K. und dessen Berufung
werden zurückgewiesen.
3. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten Hans K. im Berufungsverfahren hat zu 1/10 die Klägerin, im übrigen er selbst zu tragen.
Im übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorbehalten.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden,
wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1
Die Berufungen des Beklagten Hans K. und die der Klägerin im Verfahren gegen diesen sind zulässig. Erfolg hat aber nur die Berufung der
Klägerin, soweit sie ihren Schaden teilweise beziffert hat. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht eine Haftung des Beklagten K.
angenommen.
2
1. Die Klagänderung der Klägerin in der Berufung durch Bezifferung eines Teils ihres Schadens ist gemäß § 264 ZPO zulässig.
3
2. Die Klägerin hat gegen den Beklagten K. Schadensersatzansprüche gemäß §§ 823 Abs. 2, 1004, 922 Satz 3 BGB.
4
Nach § 922 Satz 3 BGB darf eine Grenzanlage im Sinne von § 921 BGB nicht beseitigt und geändert werden, solange ein Nachbar an deren
(unverändertem) Fortbestand ein Interesse hat und der Beseitigung oder Änderung nicht zustimmt. Nach dem Schutzzweck des § 922 Satz 3
BGB kann jeder Nachbar verlangen, dass sein Recht auf ungehinderte Benutzung der Grenzeinrichtung unangetastet bleibt. Diesem Zweck
widerspricht es, wenn der Abriss eines Hauses die Bestands- und Funktionsfähigkeit der mit einem Nachbarhaus gemeinsamen Giebelmauer
derart beeinträchtigt, dass der Nachbar gezwungen wird, sich durch bauliche Maßnahmen erst wieder die Nutzungsmöglichkeit zu verschaffen,
die ihm die Mauer bisher bot. § 922 Satz 3 BGB ist eine Verbotsnorm. Insofern steht sie anderen Verbotsnormen im Nachbarverhältnis gleich.
Entsprechend richtet sich auch hier das Verbot nicht nur gegen den Eigentümer des Grundstücks, von dem aus die Grenzeinrichtung
angegangen wird, sondern gegen jeden, der an der Maßnahme mitwirkt wie z.B. der Bauunternehmer, der bauleitende Ingenieur oder auch der
Statiker, dessen Aufgabe die Ermittlung der Sicherungsmaßnahmen ist (vgl. BGHZ 85, 375; BGHZ 101, 290; OLG Köln BauR 1987, 472). Jeden
Beteiligten trifft eine eigenverantwortliche Prüfungspflicht. Wenn sein Beitrag zu der schadensbringenden Maßnahme pflichtwidrig und schuldhaft
ist, haftet er nach §§ 823 Abs. 2, 922 BGB auf Ersatz des Schadens.
5
Richtig ist allerdings, dass § 922 Satz 3 BGB im Ergebnis das Recht des Eigentümers des Nachbargrundstücks, sein Haus abzureißen, nicht
soweit einschränkt, dass der Nachbar allein durch Versagung seiner Zustimmung jegliche Maßnahme unterbinden könnte (BGH NJW 1989,
2541). Der Eigentümer des abgerissenen Hauses muss nur auf seine Kosten diejenigen Maßnahmen treffen, die zur Verhinderung oder
Beseitigung der Auswirkungen des Hausabrisses auf das Nutzungsinteresse des Nachbarn an der halbscheidigen Giebelwand geboten sind.
Unter die nach § 922 Satz 3 BGB zustimmungsbedürftigen Eingriffe fallen nicht nur Eingriffe in die Substanz einer Grenzeinrichtung, sondern
auch Handlungen, die den Bestimmungszweck der Einrichtung und ihre bisherige Brauchbarkeit für diesen Zweck zum Nachteil des
Miteigentümers aufheben oder mindern. Die ohne Zustimmung des Nachbarn durchgeführte Änderung oder Beseitigung einer Grenzeinrichtung
verstößt somit solange gegen das Verbot des § 922 Satz 3 BGB, als nicht von vornherein diejenigen Maßnahmen getroffen werden, die zur
Verhinderung oder schnellst möglichen Beseitigung von Auswirkungen im Nutzungsinteresse des Nachbarn geboten sind (BGHZ 78, 397). Ist
dies nicht der Fall, besteht auch keine Duldungspflicht, die einem Rückgriff auf Hilfspersonen entgegen stehen könnte (BGHZ 101, 290).
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Die südliche wie auch die westliche Giebelwand stehen auf der Grundstücksgrenze. Sie sind halbscheidige Giebelwände. Ihre Nutzung
unterliegt daher den Einschränkungen des § 922 BGB. Durch den Abriss der Hinterhäuser auf den Grundstücken M-Platz 6 und L-Straße 6 wurde
den Giebelmauern die bisherige Abschirmung gegen erheblichen Winddruck genommen. Sie sind deshalb in dem freistehenden Zustand für die
Klägerin nicht mehr als Hausabschlusswand uneingeschränkt brauchbar. Davon ist aufgrund der nachvollziehbaren und überzeugenden
Ausführungen des Sachverständigen G der Senat überzeugt. Der Sachverständige hat schon in seinem erstinstanzlich erstatteten Gutachten
ausgeführt, dass die Giebelwände des Hintergebäudes der Klägerin nach dem Abbruch der Gebäude auf den Nachbargrundstücken über vier
Geschosse freistehen. Aufgrund der Konstruktion des Gebäudes aus Mauerwerkswänden und Holzbalkendecken besitze es seit dem Abbruch
keine ausreichende Aussteifung mehr. Es sei nicht mehr gewährleistet, dass anfallende Horizontallasten (Wind) aufgefangen werden könnten.
Die vom Beklagten veranlasste Anbringung von Eckbandagen reiche nicht aus, die erforderliche Sicherheit zu geben. Die Decken müssten zur
Wiedererlangung der erforderlichen Standsicherheit konstruktiv als sogenannte Scheiben ausgebildet werden. In der Berufung hat der
Sachverständige festgestellt, dass die Giebelwand zwar mehrfach mit der Firstfette bzw. Pfosten verankert worden sei. Im Dachgeschoss seien
aussteifende Maßnahmen getroffen worden, die dem Stand früherer Zeit entsprächen. Nach heutigen Maßstäben seien die aussteifenden
Elemente jedoch bei weitem nicht ausreichend. Vor dem Abbruch hätte auf dem Grundstück M-Platz 6 ein etwa gleich hohes Gebäude
gestanden, wodurch die Gebäude sich gegenseitig hätten abschatten und abstützen können. Durch den Abbruch hätten sich die Verhältnisse
jedoch verschlechtert. Die im Dachgeschoss vorhandenen Aussteifungselemente könnten nunmehr nicht als ausreichend betrachtet werden.
Erforderlich sei, dass in Höhe der Decke über dem Erdgeschoss, dem ersten, dem zweiten und dem dritten Obergeschoss in Abständen von etwa
zwei bis drei Metern sogenannte Schlaudern bzw. Zuganker eingebaut würden, die die Außenwände mit den Decken verbinden könnten.
7
Die Standsicherheit des Hauses ist nur durch den Abriss der Häuser Am M-Platz 6 und L-Straße 6 beeinträchtigt. Nur zu diesen Grundstücken
bestand eine halbscheidige Grenzwand, die Horizontallasten abhalten konnte, nicht zum Grundstück L-Straße 4. Dies hat auch das Landgericht
so gesehen. Der Urteilstenor hinsichtlich der Haftungsfeststellung ist dieser Sachlage entsprechend zu korrigieren.
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Für die Überzeugungsbildung und die Entscheidung des Gerichts, dass das Haus der Klägerin aufgrund des Abrisses der Nachbarhäuser nicht
mehr standsicher ist, ist nicht erforderlich, dass der Sachverständige im Haus der Klägerin sämtliche Geschossdeckenbalken - auch im Bad des
zweiten Obergeschosses und in den anderen Geschossen - freilegt und die Verankerung in der Außenwand untersucht. Der Sachverständige hat
ausgeführt, dass in jedem Geschoss u.a. die Deckenbalken durch Zuganker mit der Außenwand verbunden werden müssen, um die
Standsicherheit zu erreichen, die das Hintergebäude der Klägerin vor dem Abriss des Gebäudes auf dem Grundstück M-Platz 6 hatte. Diese
Feststellung reicht aus, um über die Klaganträge entscheiden zu können. Schon aufgrund der freigelegten und untersuchten Balken steht fest,
dass das Gebäude der Klägerin nicht mehr standsicher ist. Welche Maßnahmen im einzelnen erforderlich sind, um die durch den Abriss des
Nachbargebäudes verlorene Standsicherheit wiederherzustellen, braucht nicht entschieden zu werden. Nur für die Beantwortung einer solchen
Frage wäre die Öffnung sämtlicher Geschossdecken erforderlich. Weder im Rahmen des Feststellungsbegehrens, es betrifft nur die Haftung
grundsätzlich, noch für den Zahlungsantrag, der nur Folgeschäden umfasst, braucht die Frage beantwortet zu werden.
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Ebenso ist deswegen nicht erforderlich, dass der Sachverständige dazu Stellung nimmt, wie die Bodenbeläge auf den Deckenbalken des
Hinterhauses der Klägerin befestigt sind. Die vorhandene Befestigung und die vorhandenen Zuganker reichen, wie der Sachverständige
ausgeführt hat, jedenfalls nicht aus, um die vor dem Abriss vorhandene erforderliche Standsicherheit zu gewährleisten.
10 Schließlich kann auch die Behauptung des Beklagten dahingestellt bleiben, dass die Ersetzung einer Zwischenwand durch einen T-Träger zu
einer wesentlichen Schwächung der Standfestigkeit geführt hat. Die Zwischenwand wurde schon vor dem Abriss der Nachbargebäude entfernt
und durch den T-Träger ersetzt. Für eine Schwächung der Gebäudestandsicherheit durch Maßnahmen der Klägerin oder eines ihrer
Rechtsvorgänger haftet der Beklagte nicht. Dafür, dass die Standfestigkeit des Gebäudes der Klägerin verloren ging, hat er nur insoweit
einzustehen, wie der Verlust auf dem Abriss des Nachbargebäudes beruht. Mehr begehrt die Klägerin auch nicht und wird nicht ausgesprochen.
11 Aus dem gleichen Grund ist für diese Entscheidung der Einwand des Beklagten unerheblich, dass der obere Teil der westlichen Hauswand
schon vor dem Abriss des Hauses L-Straße 6 freistand.
12 In welcher zeitlichen Reihenfolge die Gebäude erbaut wurden, spielt für die Anwendung des § 922 BGB keine Rolle. Die halbscheidige
Giebelmauer ist eine einverständlich geschaffene Grenzeinrichtung. Soweit die Nachbarn die Mauer nicht gemeinsam errichten, entstehen mit
dem Anbau an die von einem errichtete, vorhandene Wand Miteigentum und Mitbesitz beider Nachbarn. Die Nachbarn haben das Recht, die
Grenzmauer gemeinschaftlich zu nutzen. Aus dem Recht erwächst jedem Nachbarn der Anspruch, dass die Funktion der Einrichtung nicht ohne
seine Zustimmung zu seinen Lasten beeinträchtigt wird. Wer die Mauer errichtete und wer an die vorhandene Mauer anbaute, spielt für die
Abwehr von Beeinträchtigungen somit keine Rolle.
13 b. Der Beklagte war damit beauftragt, die Statik des abzureißenden Hauses und der angrenzenden Bauteile zu untersuchen. Angrenzender
Bauteil ist zumindest auch die halbscheidige Grenzwand, die nach dem Abriss von einer Innen- zu einer Außenmauer des Hintergebäudes der
Klägerin umfunktioniert ist. Der Auftrag bezog sich nicht nur auf das Haus M-Platz 6, sondern auch auf das Gebäude L-Straße 6. Alle drei
Grundstücke, deren Hintergebäude abgerissen wurden, sind im schriftlichen Auftrag der Stadt M vom 28.02.1986 (I 202) und im Angebot vom
24.02.1986 (I 203) genannt. Auch wenn die Stadt M konkrete Arbeiten nur hinsichtlich des Gebäudes M-Platz 6 abgerufen haben sollte, wurde
dadurch der Beklagte K. nicht davon entbunden, seinen Hinweispflichten im Rahmen seines Vertrags umfassend nachzukommen. Ob der
Beklagte mit Bauüberwachungstätigkeiten beauftragt war oder nur beratende Funktion hatte, kann offen bleiben. Gerade als beratender
Sonderfachmann hatte er statische Probleme, die beim Abriss entstehen konnten, anzusprechen und Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln.
14 c. Der Beklagte K. handelte schuldhaft. Er hat fahrlässig eine länger andauernde und noch bestehende Beeinträchtigung der Standsicherheit und
damit der Benutzbarkeit des Hinterhauses der Klägerin verursacht. Er konnte voraussehen, dass die nach dem Abriss des Nachbargebäudes
freistehende halbscheidige Grenzwand aufgrund fehlender Aussteifung nicht mehr standsicher sein würde. Er selbst trägt vor, dass er vor dem
Abriss davon ausgehen konnte, dass vorhandene Standsicherheitsmaßnahmen dem Standard zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes
entsprachen, also vor etwa 100 Jahren. Das bedeutet, dass die Geschossdecken aus Balken hergestellt und die Wände, auch die halbscheidige
Grenzwand vollständig gemauert waren. Er konnte auch, soweit dies nicht schon vorher möglich war, bei dem Abriss der Häuser Am M-Platz 6
und L-Straße 6 die Konstruktion des Nachbarhauses der Klägerin erkennen. Er ordnete den Austausch verrosteter Anker und insbesondere als
Sicherungsmaßnahme Eckbandagen an, die der gerichtliche Sachverständige allerdings für unzureichend hält. Er wusste weiterhin, dass das
Haus der Klägerin nicht frei stand, sondern an zwei Nachbargebäude angebaut war. Er wusste somit, dass dem verbleibenden Gebäude durch
den Abriss wesentliche Stützung entzogen und dieses wesentlich höheren Horizontallasten ausgesetzt sein würde. Er musste daher damit
rechnen, dass die Verankerung der Geschossdeckenbalken in den Wänden nach dem Abriss der Nachbargebäude nicht mehr die gleiche
Standsicherheit garantieren würde wie der Schutz der Nachbarhäuser zuvor. Die sichtbaren vorhandenen Schlaudern und Anker im
Giebelbereich durften ihn nicht darauf vertrauen lassen, dass ausreichende Aussteifungselemente in das Gebäude eingebaut waren, die für die
gleiche Standsicherheiten sorgten wie die anlehnenden Gebäude. Die Schlaudern und Anker waren nur im freistehenden Bereich der
Grenzwände erkennbar.
15 Der Einwand, dass eine genauere Untersuchung der Statik des Hauses der Klägerin nur unter erheblichem Mehraufwand und Mehrkosten - das
Haus war genutzt - möglich gewesen wäre, kann den Beklagten nicht entlasten. Er hätte in diesem Fall darauf hinweisen müssen, dass er die
Standsicherheit des Gebäudes der Klägerin nach dem Abriss des Nachbarhauses nicht beurteilen könne. Der Senat ist davon überzeugt, dass
die Stadt M dann die erforderlichen Untersuchungen ermöglicht und den Abriss gestoppt hätte, bis das Ergebnis der Nachforschungen
festgestanden hätte. Immerhin hatte die Stadt von Anfang an zumindest den fachmännischen Rat des Beklagten K. eingeholt, um statische
Probleme der vom Abriss betroffenen "angrenzenden Bauteile" zu vermeiden bzw. ihnen entgegenzuwirken.
16 Der unterlassenen Hinweis auf die nach dem Abriss der Nachbarbebauung nicht mehr vorhandene Standsicherheit des Hauses der Klägerin
hatte und hat vermeidbare Folgen. Der Senat ist davon überzeugt, dass die Stadt M, die den Abriss verantwortlich veranlasst hatte, die
erforderlichen Maßnahmen zur Stützung der halbscheidigen Giebelwände in Auftrag gegeben hätte, wenn der Beklagte K. auf die Folgen des
Abrisses für die Standsicherheit des Hauses der Klägerin hingewiesen hätte. Nach dem überzeugenden Gutachten des gerichtlichen
Sachverständigen G und dem darauf beruhenden Urteil des Landgerichts hat die Stadt M nämlich nicht den Rechtsstreit mit der Klägerin
weitergeführt, sondern die ersten Maßnahmen ergriffen, um ihrer Verpflichtung zur Beseitigung der Beeinträchtigungen der Grenzmauer der
Klägerin nachzukommen. Hätte der Beklagte K. rechtzeitig auf die statischen Probleme des Hauses der Klägerin hingewiesen, hätte die Stadt M
mit Sicherheit noch während des Abbruches oder direkt anschließend die Geschossdecken als Scheiben zur Stabilisierung des Hauses
ausbilden lassen.
17 d. Die Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten K. sind nicht gemäß § 852 BGB a.F. verjährt. Die in § 852 Abs. 1 BGB a.F. vorausgesetzte
positive Kenntnis von der Person des Ersatzpflichtigen hat der Verletzte nur dann, wenn ihm dessen Name und Anschrift bekannt sind (BGH NJW
2001, 1721; VersR 1998, 378). Die Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB a.F. kann ausnahmsweise auch dann zu laufen beginnen, wenn der
Geschädigte den gebotenen Kenntnisstand nicht positiv besitzt, es ihm jedoch möglich ist, sich die erforderlichen Kenntnisse in zumutbarer
Weise ohne nennenswerte Mühe und ohne besondere Kosten zu beschaffen. Allerdings steht selbst eine grob fahrlässige Unkenntnis der vom
Gesetz geforderten positiven Kenntnis nicht gleich; vielmehr betrifft diese Ausnahme vom Gebot der positiven Kenntnis nur Fälle, in denen es der
Geschädigte versäumt, eine gleichsam auf der Hand liegende Kenntnismöglichkeit wahrzunehmen und letztlich das Sichberufen auf die
Unkenntnis als Förmelei erscheint, weil jeder andere in der Lage des Geschädigten unter denselben konkreten Umständen die Kenntnis hätte
(BGH NJW 2001, 1721; ZIP 2001, 379). Der Beklagte hat eine Kenntnis der Klägerin oder ihres Ehemanns als ihr Vertreter zu einem Zeitpunkt vor
1992 nicht dargetan. Der Beklagte hat auch keine konkreten Umstände vorgetragen, aus denen sich ergeben könnte, dass sich der Klägerin zu
einem Zeitpunkt vor 1992 Erkenntnisse über seine Beauftragung mit der Sicherung des Abrisses hätten aufdrängen müssen. Der Lauf der
Verjährungsfrist wurde durch Klagerhebung im April 1993 wirksam unterbrochen.
18 3. Die Klägerin kann den Beklagten K. nicht wegen der streitgegenständlichen Risse in Anspruch nehmen. Insoweit hat das Landgericht zu Recht
die Klage abgewiesen.
19 Der Beklagte haftet nicht gemäß §§ 823 Abs. 2, 1004, 922 BGB für die an den Giebelwänden aufgetretenen Risse.
20 Bei einer Grundstücksvertiefung haftet ein Statiker, dessen Berechnungen die Grundlage für den Bodenaushub und die dabei zu beachtenden
Sicherungsmaßnahmen bilden (BGH VersR 1997, 119). Ebenso haftet ein Statiker nach Ansicht des Senats bei einem Abriss eines Gebäudes,
das eine halbscheidige Giebelwand hat, nur insoweit, als er auftragsgemäß Erkundungen vorzunehmen und Maßnahmen vorzuschlagen bzw.
anzuordnen hat. Die Aufgabe des Beklagten K. bestand nur in der Überprüfung der Standsicherheit des abzureißenden Gebäudes und der
angrenzenden Bauteile. Er war nicht damit beauftragt, die weiteren Beeinträchtigungen der halbscheidigen Giebelwand nach Abriss der
Gebäude Am M-Platz 6 und L-Straße 6 zu untersuchen. Er brauchte deshalb nicht darauf zu achten und ggf. darauf hinzuweisen, dass die
Wärmedämmung und der Feuchtigkeitsschutz der Giebelwand nach dem Abriss des einen angrenzenden Gebäudes nicht mehr gewährleistet
war.
21 Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass die Wandrisse auf einer Beeinträchtigung der Standsicherheit durch den Abriss des
Nachbargebäudes beruhen. Der Sachverständige G hat überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, dass die Vertikalrisse in der Außenwand
des Gebäudes der Klägerin nicht auf eine nicht mehr vorhandene Standsicherheit zurückzuführen sind, sondern auf an der Wand auftretende
Temperaturunterschiede, die Schwächen im Wandgefüge verstärken.
22 Der Riss der südlichen Giebelwand an der Ecke zum Treppenturm auf dem Grundstück M-Platz 6 könne durch Mauerwerkseinbindung,
Eckeneinbindung oder Eckbandagen ebenso erklärt werden wie durch Temperaturdifferenzen oder eine Drehung des Treppenhausturmes auf
dem Grundstück M-Platz 6. Andere Ursachen seien nicht denkbar. Der vertikale Riss in der Mitte der Südwand sei an der Stelle einer schon
vorhandenen Fuge aufgetreten. Die Vergrößerung sei sehr wahrscheinlich durch die Temperaturdifferenzen, die nach dem Abriss des
angebauten Gebäudes auf die Außenwand wirken würden, entstanden. Die Schrägrisse im Inneren seien nicht durch den Abriss des
Nachbargebäudes zu erklären, sondern durch die unterschiedlichen Verformungsprozesse von Wänden und Holzbalken innerhalb des
Gebäudes. Auch der Riss auf der Westseite lasse sich nicht mit Abbrucharbeiten erklären. Eine Rissbildung aufgrund Abbrucharbeiten hätte mit
Beendigung der Arbeiten beendet sein müssen. Der Riss hätte nicht nach dem späteren Verputzen wiederauftreten dürfen, was er aber tat.
23 b. Eine vertragliche Haftung kommt nicht in Betracht. Die Klägerin könnte eine vertragliche Haftung allenfalls darauf stützen, dass der Beklagte
seine Statiker-Leistungen, die er aufgrund des mit der Stadt M geschlossenen Vertrages schuldete, auch zu ihren Gunsten erbringen sollte. Die
geschuldeten Leistungen umfassten aber nicht andere als statische Beeinträchtigungen durch den Abriss des Nachbarhauses zu untersuchen.
Vertragliche Ansprüche könnten daher nicht über den unter a. angeführten Umfang hinausgehen.
24 4. Die Klägerin hat gegen den Beklagten K. keine weitergehenden Ansprüche gemäß §§ 823 Abs. 2, 1004, 909 BGB.
25 Gemäß § 909 BGB darf ein Grundstück nicht in der Weise vertieft werden, dass der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze
verliert, es sei denn, dass für eine genügende anderweitige Befestigung gesorgt ist. Die Klägerin hat ihre Behauptung, dass Schäden an ihrem
Gebäude aufgrund einer Grundstücksvertiefung durch die Abrissarbeiten oder aufgrund unsorgfältiger Abrissarbeiten aufgetreten sind, nicht
nachgewiesen. Der Sachverständige G hat ausgeführt, dass die Risse, die an dem Gebäude der Klägerin vorhanden sind, nicht auf
Grundstücksvertiefungen oder Erschütterungen beruhen. Vielmehr hätten schon vorhandene Fugen aufgrund der veränderten Verhältnisse nach
dem Abriss sich gezeigt und/oder sich vergrößert, wie oben unter 3 a ausgeführt ist.
26 5. Weitergehende Ansprüche hat die Klägerin auch nicht unter dem Gesichtspunkt allgemeiner Verkehrssicherungspflichten gemäß § 823 Abs. 1
BGB. Verkehrssicherungspflichten trafen den Beklagten K. nur, soweit er solche gegenüber der Stadt M als Veranlasserin der Abrissmaßnahmen
übernahm. Die Verkehrssicherungspflichten konnten im vorliegenden Fall nicht weitergehen als die schon angesprochenen gesetzlich speziell
geregelten Verhaltenspflichten. Das im Eigentum der Klägerin stehende Haus ist allein mittelbar dadurch betroffen, dass es nicht mehr von den
Nachbarhäusern gegen Horizontaldruck abgeschattet und deshalb nicht mehr standsicher und damit uneingeschränkt nutzbar ist.
27 6. Gemäß § 249 BGB hat der Beklagte die Schäden zu ersetzen, die der Klägerin durch seinen gebotenen, aber fehlenden Hinweis auf
erforderliche Sicherungsmaßnahmen und eine stabile Verbindung der Giebelwand mit den Decken entstanden sind.
28 a. Zum Schaden zählen die der Klägerin entstandenen Verluste, die auf der mangelnden Nutzbarkeit des Gebäudes beruhen. Die fehlende
Nutzbarkeit hat ihren Grund darin, dass das Gebäude nach dem Abriss der Nachbargebäude nicht mehr ausreichend standsicher ist. Die
Standsicherheit und damit die Vermietbarkeit des Objekts wäre nicht verloren gegangen, wenn der Beklagte rechtzeitig auf die statischen
Probleme, die nach dem Abriss der Nachbargebäude auftraten, hingewiesen hätte. In diesem Fall hätten alle notwendigen Erhebungen vor
Beginn der Arbeit durchgeführt werden können und wären zur Überzeugung des Senats auch durchgeführt worden. Im Nachgang wären sodann
die notwendigen Sicherungsmaßnahmen - einschließlich eventuell von der Klägerin selbst zu tragender Aufwendungen für Maßnahmen zum
Ausgleich der Auswirkungen der Ersetzung einer Zwischenwand durch einen T-Träger - unmittelbar im Zusammenhang mit den Abrissarbeiten
erfolgt. Die nunmehr zu verzeichnende Verzögerung bei der Umsetzung dieser Maßnahmen geht im Verhältnis der Klägerin zum Beklagten K.
allein zu dessen Lasten. Er hat deshalb den Verzögerungsschaden zu ersetzen. Die Klägerin hätte ohne den Verstoß des Beklagten K. -
unstreitig - die Räume in dem Hinterhaus zu den von ihr angegebenen Preisen vermieten können. Hätte sie die Räume vermietet, hätte sie
Einnahmen gehabt und mit den Einnahmen Kredite getilgt. Einnahmen und Zinssätze hat sie im einzelnen dargelegt. Der Gesamtverlust beträgt
144.565,34 EUR.
29 Die Kausalkette ist nicht dadurch unterbrochen, dass das Hintergebäude möglicherweise nicht aktuellen Brandschutzbestimmungen entspricht.
Ein Schaden könnte aus diesem Grund nur entfallen oder sich reduzieren, wenn die (potentiellen) Mieter deshalb von einer Anmietung Abstand
genommen oder die Miete gemindert oder wenn die Baubehörde die Nutzung der Räume untersagt hätte. Unabhängig davon, dass
problematisch erscheint, ob die Baubehörde eine Nutzung nach § 47 LBO untersagen könnte, hat der Beklagte Umstände, die darauf hindeuten
könnten, dass die betroffenen Räumlichkeiten wegen fehlenden Brandschutzes nicht genutzt werden, nicht vorgetragen.
30 b. Der Beklagte K. haftet der Klägerin auch für die Aufwendungen, die dieser dafür entstehen können, dass sie die baulichen Maßnahmen
durchführt, die zur Wiederherstellung der Standsicherheit ihres Gebäudes führt, die vor dem Abriss der Nachbargebäude bestand. Dadurch dass
der Beklagte nicht auf das Erfordernis von Maßnahmen hinwies, die die Standsicherheit des Hauses der Klägerin gewährleistet hätten, ließ die
Stadt M solche Maßnahmen nicht durchführen. Die Stadt M hatte dem Beklagten gerade deshalb beauftragt, um statische Probleme zu erkennen,
die durch die Abrissarbeiten entstehen könnten. Die Pflichtverletzung ist daher auch für diesen Schaden ursächlich.
31 c. Auf den Schaden sind nicht sog. Sowieso-Kosten anzurechnen. Die Klägerin brauchte keine Aufwendungen zu tätigen, um die gemeinsame
Grenzwand zu erhalten oder zu verbessern. Die geltendgemachten Ansprüche sind dadurch entstanden, dass die Funktion der halbscheidigen
Grenzwand aufgrund des Abrisses des Nachbargebäudes beeinträchtigt ist. Für die Wiederherstellung der Funktion hat allein der Störer zu
sorgen, nicht der beeinträchtigte Nachbar (BGH NJW 1981, 866). Dass Sicherungsmaßnahmen auch bei pflichtgemäßen Handeln des Beklagten
K. notwendig geworden wären, kann deshalb allenfalls in dessen Verhältnis zur Gesamtschuldnerin Stadt M eine Rolle spielen, da diese für
Sicherungsmaßnahmen ohnehin hätte aufkommen müssen.
32 d. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist nicht gemäß § 254 Abs. 2 S. 2 BGB gemindert. Die Verzögerung der Wiederherstellung der
Standsicherheit gereicht ihr nicht zu Verschulden. Gleich nachdem sie die Erkenntnis gewonnen hatte, dass durch die Abrissarbeiten die
Standsicherheit ihres Hauses beeinträchtigt sein könnte, ist sie auf die Stadt M und, nachdem sie von der Beteiligung des Beklagten erfahren
hatte, auf diesen zugegangen. Nach Klärung der Beeinträchtigung und der Ursache durch das Urteil des Landgerichts hat die Stadt M begonnen,
die von ihr geschuldeten Maßnahmen zu eruieren und zu ergreifen. Anlass für eigene Initiativen der Klägerin bestand daher nicht. Sie hat darauf
vertrauen dürfen, dass die Stadt M das Gebotene veranlasst.
II.
33 Eine vollständige Kostenentscheidung ist noch nicht möglich, da das Verfahren gegen die Fünftbeklagte, die Kn & Co. GmbH, durch Eröffnung
des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen unterbrochen ist und der Rechtsstreit nicht insgesamt abgeschlossen werden kann. Ausscheidbar
sind nur die Kosten des Zweitbeklagten. Diese sind gemäß §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO anteilsmäßig zu tragen. Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO vorläufig vollstreckbar.
34 Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO liegen nicht vor.
I.
35 Die Berufungen des Beklagten Hans K. und die der Klägerin im Verfahren gegen diesen sind zulässig. Erfolg hat aber nur die Berufung der
Klägerin, soweit sie ihren Schaden teilweise beziffert hat. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht eine Haftung des Beklagten K.
angenommen.
36 1. Die Klagänderung der Klägerin in der Berufung durch Bezifferung eines Teils ihres Schadens ist gemäß § 264 ZPO zulässig.
37 2. Die Klägerin hat gegen den Beklagten K. Schadensersatzansprüche gemäß §§ 823 Abs. 2, 1004, 922 Satz 3 BGB.
38 Nach § 922 Satz 3 BGB darf eine Grenzanlage im Sinne von § 921 BGB nicht beseitigt und geändert werden, solange ein Nachbar an deren
(unverändertem) Fortbestand ein Interesse hat und der Beseitigung oder Änderung nicht zustimmt. Nach dem Schutzzweck des § 922 Satz 3
BGB kann jeder Nachbar verlangen, dass sein Recht auf ungehinderte Benutzung der Grenzeinrichtung unangetastet bleibt. Diesem Zweck
widerspricht es, wenn der Abriss eines Hauses die Bestands- und Funktionsfähigkeit der mit einem Nachbarhaus gemeinsamen Giebelmauer
derart beeinträchtigt, dass der Nachbar gezwungen wird, sich durch bauliche Maßnahmen erst wieder die Nutzungsmöglichkeit zu verschaffen,
die ihm die Mauer bisher bot. § 922 Satz 3 BGB ist eine Verbotsnorm. Insofern steht sie anderen Verbotsnormen im Nachbarverhältnis gleich.
Entsprechend richtet sich auch hier das Verbot nicht nur gegen den Eigentümer des Grundstücks, von dem aus die Grenzeinrichtung
angegangen wird, sondern gegen jeden, der an der Maßnahme mitwirkt wie z.B. der Bauunternehmer, der bauleitende Ingenieur oder auch der
Statiker, dessen Aufgabe die Ermittlung der Sicherungsmaßnahmen ist (vgl. BGHZ 85, 375; BGHZ 101, 290; OLG Köln BauR 1987, 472). Jeden
Beteiligten trifft eine eigenverantwortliche Prüfungspflicht. Wenn sein Beitrag zu der schadensbringenden Maßnahme pflichtwidrig und schuldhaft
ist, haftet er nach §§ 823 Abs. 2, 922 BGB auf Ersatz des Schadens.
39 Richtig ist allerdings, dass § 922 Satz 3 BGB im Ergebnis das Recht des Eigentümers des Nachbargrundstücks, sein Haus abzureißen, nicht
soweit einschränkt, dass der Nachbar allein durch Versagung seiner Zustimmung jegliche Maßnahme unterbinden könnte (BGH NJW 1989,
2541). Der Eigentümer des abgerissenen Hauses muss nur auf seine Kosten diejenigen Maßnahmen treffen, die zur Verhinderung oder
Beseitigung der Auswirkungen des Hausabrisses auf das Nutzungsinteresse des Nachbarn an der halbscheidigen Giebelwand geboten sind.
Unter die nach § 922 Satz 3 BGB zustimmungsbedürftigen Eingriffe fallen nicht nur Eingriffe in die Substanz einer Grenzeinrichtung, sondern
auch Handlungen, die den Bestimmungszweck der Einrichtung und ihre bisherige Brauchbarkeit für diesen Zweck zum Nachteil des
Miteigentümers aufheben oder mindern. Die ohne Zustimmung des Nachbarn durchgeführte Änderung oder Beseitigung einer Grenzeinrichtung
verstößt somit solange gegen das Verbot des § 922 Satz 3 BGB, als nicht von vornherein diejenigen Maßnahmen getroffen werden, die zur
Verhinderung oder schnellst möglichen Beseitigung von Auswirkungen im Nutzungsinteresse des Nachbarn geboten sind (BGHZ 78, 397). Ist
dies nicht der Fall, besteht auch keine Duldungspflicht, die einem Rückgriff auf Hilfspersonen entgegen stehen könnte (BGHZ 101, 290).
40 Die südliche wie auch die westliche Giebelwand stehen auf der Grundstücksgrenze. Sie sind halbscheidige Giebelwände. Ihre Nutzung
unterliegt daher den Einschränkungen des § 922 BGB. Durch den Abriss der Hinterhäuser auf den Grundstücken M-Platz 6 und L-Straße 6 wurde
den Giebelmauern die bisherige Abschirmung gegen erheblichen Winddruck genommen. Sie sind deshalb in dem freistehenden Zustand für die
Klägerin nicht mehr als Hausabschlusswand uneingeschränkt brauchbar. Davon ist aufgrund der nachvollziehbaren und überzeugenden
Ausführungen des Sachverständigen G der Senat überzeugt. Der Sachverständige hat schon in seinem erstinstanzlich erstatteten Gutachten
ausgeführt, dass die Giebelwände des Hintergebäudes der Klägerin nach dem Abbruch der Gebäude auf den Nachbargrundstücken über vier
Geschosse freistehen. Aufgrund der Konstruktion des Gebäudes aus Mauerwerkswänden und Holzbalkendecken besitze es seit dem Abbruch
keine ausreichende Aussteifung mehr. Es sei nicht mehr gewährleistet, dass anfallende Horizontallasten (Wind) aufgefangen werden könnten.
Die vom Beklagten veranlasste Anbringung von Eckbandagen reiche nicht aus, die erforderliche Sicherheit zu geben. Die Decken müssten zur
Wiedererlangung der erforderlichen Standsicherheit konstruktiv als sogenannte Scheiben ausgebildet werden. In der Berufung hat der
Sachverständige festgestellt, dass die Giebelwand zwar mehrfach mit der Firstfette bzw. Pfosten verankert worden sei. Im Dachgeschoss seien
aussteifende Maßnahmen getroffen worden, die dem Stand früherer Zeit entsprächen. Nach heutigen Maßstäben seien die aussteifenden
Elemente jedoch bei weitem nicht ausreichend. Vor dem Abbruch hätte auf dem Grundstück M-Platz 6 ein etwa gleich hohes Gebäude
gestanden, wodurch die Gebäude sich gegenseitig hätten abschatten und abstützen können. Durch den Abbruch hätten sich die Verhältnisse
jedoch verschlechtert. Die im Dachgeschoss vorhandenen Aussteifungselemente könnten nunmehr nicht als ausreichend betrachtet werden.
Erforderlich sei, dass in Höhe der Decke über dem Erdgeschoss, dem ersten, dem zweiten und dem dritten Obergeschoss in Abständen von etwa
zwei bis drei Metern sogenannte Schlaudern bzw. Zuganker eingebaut würden, die die Außenwände mit den Decken verbinden könnten.
41 Die Standsicherheit des Hauses ist nur durch den Abriss der Häuser Am M-Platz 6 und L-Straße 6 beeinträchtigt. Nur zu diesen Grundstücken
bestand eine halbscheidige Grenzwand, die Horizontallasten abhalten konnte, nicht zum Grundstück L-Straße 4. Dies hat auch das Landgericht
so gesehen. Der Urteilstenor hinsichtlich der Haftungsfeststellung ist dieser Sachlage entsprechend zu korrigieren.
42 Für die Überzeugungsbildung und die Entscheidung des Gerichts, dass das Haus der Klägerin aufgrund des Abrisses der Nachbarhäuser nicht
mehr standsicher ist, ist nicht erforderlich, dass der Sachverständige im Haus der Klägerin sämtliche Geschossdeckenbalken - auch im Bad des
zweiten Obergeschosses und in den anderen Geschossen - freilegt und die Verankerung in der Außenwand untersucht. Der Sachverständige hat
ausgeführt, dass in jedem Geschoss u.a. die Deckenbalken durch Zuganker mit der Außenwand verbunden werden müssen, um die
Standsicherheit zu erreichen, die das Hintergebäude der Klägerin vor dem Abriss des Gebäudes auf dem Grundstück M-Platz 6 hatte. Diese
Feststellung reicht aus, um über die Klaganträge entscheiden zu können. Schon aufgrund der freigelegten und untersuchten Balken steht fest,
dass das Gebäude der Klägerin nicht mehr standsicher ist. Welche Maßnahmen im einzelnen erforderlich sind, um die durch den Abriss des
Nachbargebäudes verlorene Standsicherheit wiederherzustellen, braucht nicht entschieden zu werden. Nur für die Beantwortung einer solchen
Frage wäre die Öffnung sämtlicher Geschossdecken erforderlich. Weder im Rahmen des Feststellungsbegehrens, es betrifft nur die Haftung
grundsätzlich, noch für den Zahlungsantrag, der nur Folgeschäden umfasst, braucht die Frage beantwortet zu werden.
43 Ebenso ist deswegen nicht erforderlich, dass der Sachverständige dazu Stellung nimmt, wie die Bodenbeläge auf den Deckenbalken des
Hinterhauses der Klägerin befestigt sind. Die vorhandene Befestigung und die vorhandenen Zuganker reichen, wie der Sachverständige
ausgeführt hat, jedenfalls nicht aus, um die vor dem Abriss vorhandene erforderliche Standsicherheit zu gewährleisten.
44 Schließlich kann auch die Behauptung des Beklagten dahingestellt bleiben, dass die Ersetzung einer Zwischenwand durch einen T-Träger zu
einer wesentlichen Schwächung der Standfestigkeit geführt hat. Die Zwischenwand wurde schon vor dem Abriss der Nachbargebäude entfernt
und durch den T-Träger ersetzt. Für eine Schwächung der Gebäudestandsicherheit durch Maßnahmen der Klägerin oder eines ihrer
Rechtsvorgänger haftet der Beklagte nicht. Dafür, dass die Standfestigkeit des Gebäudes der Klägerin verloren ging, hat er nur insoweit
einzustehen, wie der Verlust auf dem Abriss des Nachbargebäudes beruht. Mehr begehrt die Klägerin auch nicht und wird nicht ausgesprochen.
45 Aus dem gleichen Grund ist für diese Entscheidung der Einwand des Beklagten unerheblich, dass der obere Teil der westlichen Hauswand
schon vor dem Abriss des Hauses L-Straße 6 freistand.
46 In welcher zeitlichen Reihenfolge die Gebäude erbaut wurden, spielt für die Anwendung des § 922 BGB keine Rolle. Die halbscheidige
Giebelmauer ist eine einverständlich geschaffene Grenzeinrichtung. Soweit die Nachbarn die Mauer nicht gemeinsam errichten, entstehen mit
dem Anbau an die von einem errichtete, vorhandene Wand Miteigentum und Mitbesitz beider Nachbarn. Die Nachbarn haben das Recht, die
Grenzmauer gemeinschaftlich zu nutzen. Aus dem Recht erwächst jedem Nachbarn der Anspruch, dass die Funktion der Einrichtung nicht ohne
seine Zustimmung zu seinen Lasten beeinträchtigt wird. Wer die Mauer errichtete und wer an die vorhandene Mauer anbaute, spielt für die
Abwehr von Beeinträchtigungen somit keine Rolle.
47 b. Der Beklagte war damit beauftragt, die Statik des abzureißenden Hauses und der angrenzenden Bauteile zu untersuchen. Angrenzender
Bauteil ist zumindest auch die halbscheidige Grenzwand, die nach dem Abriss von einer Innen- zu einer Außenmauer des Hintergebäudes der
Klägerin umfunktioniert ist. Der Auftrag bezog sich nicht nur auf das Haus M-Platz 6, sondern auch auf das Gebäude L-Straße 6. Alle drei
Grundstücke, deren Hintergebäude abgerissen wurden, sind im schriftlichen Auftrag der Stadt M vom 28.02.1986 (I 202) und im Angebot vom
24.02.1986 (I 203) genannt. Auch wenn die Stadt M konkrete Arbeiten nur hinsichtlich des Gebäudes M-Platz 6 abgerufen haben sollte, wurde
dadurch der Beklagte K. nicht davon entbunden, seinen Hinweispflichten im Rahmen seines Vertrags umfassend nachzukommen. Ob der
Beklagte mit Bauüberwachungstätigkeiten beauftragt war oder nur beratende Funktion hatte, kann offen bleiben. Gerade als beratender
Sonderfachmann hatte er statische Probleme, die beim Abriss entstehen konnten, anzusprechen und Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln.
48 c. Der Beklagte K. handelte schuldhaft. Er hat fahrlässig eine länger andauernde und noch bestehende Beeinträchtigung der Standsicherheit und
damit der Benutzbarkeit des Hinterhauses der Klägerin verursacht. Er konnte voraussehen, dass die nach dem Abriss des Nachbargebäudes
freistehende halbscheidige Grenzwand aufgrund fehlender Aussteifung nicht mehr standsicher sein würde. Er selbst trägt vor, dass er vor dem
Abriss davon ausgehen konnte, dass vorhandene Standsicherheitsmaßnahmen dem Standard zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes
entsprachen, also vor etwa 100 Jahren. Das bedeutet, dass die Geschossdecken aus Balken hergestellt und die Wände, auch die halbscheidige
Grenzwand vollständig gemauert waren. Er konnte auch, soweit dies nicht schon vorher möglich war, bei dem Abriss der Häuser Am M-Platz 6
und L-Straße 6 die Konstruktion des Nachbarhauses der Klägerin erkennen. Er ordnete den Austausch verrosteter Anker und insbesondere als
Sicherungsmaßnahme Eckbandagen an, die der gerichtliche Sachverständige allerdings für unzureichend hält. Er wusste weiterhin, dass das
Haus der Klägerin nicht frei stand, sondern an zwei Nachbargebäude angebaut war. Er wusste somit, dass dem verbleibenden Gebäude durch
den Abriss wesentliche Stützung entzogen und dieses wesentlich höheren Horizontallasten ausgesetzt sein würde. Er musste daher damit
rechnen, dass die Verankerung der Geschossdeckenbalken in den Wänden nach dem Abriss der Nachbargebäude nicht mehr die gleiche
Standsicherheit garantieren würde wie der Schutz der Nachbarhäuser zuvor. Die sichtbaren vorhandenen Schlaudern und Anker im
Giebelbereich durften ihn nicht darauf vertrauen lassen, dass ausreichende Aussteifungselemente in das Gebäude eingebaut waren, die für die
gleiche Standsicherheiten sorgten wie die anlehnenden Gebäude. Die Schlaudern und Anker waren nur im freistehenden Bereich der
Grenzwände erkennbar.
49 Der Einwand, dass eine genauere Untersuchung der Statik des Hauses der Klägerin nur unter erheblichem Mehraufwand und Mehrkosten - das
Haus war genutzt - möglich gewesen wäre, kann den Beklagten nicht entlasten. Er hätte in diesem Fall darauf hinweisen müssen, dass er die
Standsicherheit des Gebäudes der Klägerin nach dem Abriss des Nachbarhauses nicht beurteilen könne. Der Senat ist davon überzeugt, dass
die Stadt M dann die erforderlichen Untersuchungen ermöglicht und den Abriss gestoppt hätte, bis das Ergebnis der Nachforschungen
festgestanden hätte. Immerhin hatte die Stadt von Anfang an zumindest den fachmännischen Rat des Beklagten K. eingeholt, um statische
Probleme der vom Abriss betroffenen "angrenzenden Bauteile" zu vermeiden bzw. ihnen entgegenzuwirken.
50 Der unterlassenen Hinweis auf die nach dem Abriss der Nachbarbebauung nicht mehr vorhandene Standsicherheit des Hauses der Klägerin
hatte und hat vermeidbare Folgen. Der Senat ist davon überzeugt, dass die Stadt M, die den Abriss verantwortlich veranlasst hatte, die
erforderlichen Maßnahmen zur Stützung der halbscheidigen Giebelwände in Auftrag gegeben hätte, wenn der Beklagte K. auf die Folgen des
Abrisses für die Standsicherheit des Hauses der Klägerin hingewiesen hätte. Nach dem überzeugenden Gutachten des gerichtlichen
Sachverständigen G und dem darauf beruhenden Urteil des Landgerichts hat die Stadt M nämlich nicht den Rechtsstreit mit der Klägerin
weitergeführt, sondern die ersten Maßnahmen ergriffen, um ihrer Verpflichtung zur Beseitigung der Beeinträchtigungen der Grenzmauer der
Klägerin nachzukommen. Hätte der Beklagte K. rechtzeitig auf die statischen Probleme des Hauses der Klägerin hingewiesen, hätte die Stadt M
mit Sicherheit noch während des Abbruches oder direkt anschließend die Geschossdecken als Scheiben zur Stabilisierung des Hauses
ausbilden lassen.
51 d. Die Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten K. sind nicht gemäß § 852 BGB a.F. verjährt. Die in § 852 Abs. 1 BGB a.F. vorausgesetzte
positive Kenntnis von der Person des Ersatzpflichtigen hat der Verletzte nur dann, wenn ihm dessen Name und Anschrift bekannt sind (BGH NJW
2001, 1721; VersR 1998, 378). Die Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB a.F. kann ausnahmsweise auch dann zu laufen beginnen, wenn der
Geschädigte den gebotenen Kenntnisstand nicht positiv besitzt, es ihm jedoch möglich ist, sich die erforderlichen Kenntnisse in zumutbarer
Weise ohne nennenswerte Mühe und ohne besondere Kosten zu beschaffen. Allerdings steht selbst eine grob fahrlässige Unkenntnis der vom
Gesetz geforderten positiven Kenntnis nicht gleich; vielmehr betrifft diese Ausnahme vom Gebot der positiven Kenntnis nur Fälle, in denen es der
Geschädigte versäumt, eine gleichsam auf der Hand liegende Kenntnismöglichkeit wahrzunehmen und letztlich das Sichberufen auf die
Unkenntnis als Förmelei erscheint, weil jeder andere in der Lage des Geschädigten unter denselben konkreten Umständen die Kenntnis hätte
(BGH NJW 2001, 1721; ZIP 2001, 379). Der Beklagte hat eine Kenntnis der Klägerin oder ihres Ehemanns als ihr Vertreter zu einem Zeitpunkt vor
1992 nicht dargetan. Der Beklagte hat auch keine konkreten Umstände vorgetragen, aus denen sich ergeben könnte, dass sich der Klägerin zu
einem Zeitpunkt vor 1992 Erkenntnisse über seine Beauftragung mit der Sicherung des Abrisses hätten aufdrängen müssen. Der Lauf der
Verjährungsfrist wurde durch Klagerhebung im April 1993 wirksam unterbrochen.
52 3. Die Klägerin kann den Beklagten K. nicht wegen der streitgegenständlichen Risse in Anspruch nehmen. Insoweit hat das Landgericht zu Recht
die Klage abgewiesen.
53 Der Beklagte haftet nicht gemäß §§ 823 Abs. 2, 1004, 922 BGB für die an den Giebelwänden aufgetretenen Risse.
54 Bei einer Grundstücksvertiefung haftet ein Statiker, dessen Berechnungen die Grundlage für den Bodenaushub und die dabei zu beachtenden
Sicherungsmaßnahmen bilden (BGH VersR 1997, 119). Ebenso haftet ein Statiker nach Ansicht des Senats bei einem Abriss eines Gebäudes,
das eine halbscheidige Giebelwand hat, nur insoweit, als er auftragsgemäß Erkundungen vorzunehmen und Maßnahmen vorzuschlagen bzw.
anzuordnen hat. Die Aufgabe des Beklagten K. bestand nur in der Überprüfung der Standsicherheit des abzureißenden Gebäudes und der
angrenzenden Bauteile. Er war nicht damit beauftragt, die weiteren Beeinträchtigungen der halbscheidigen Giebelwand nach Abriss der
Gebäude Am M-Platz 6 und L-Straße 6 zu untersuchen. Er brauchte deshalb nicht darauf zu achten und ggf. darauf hinzuweisen, dass die
Wärmedämmung und der Feuchtigkeitsschutz der Giebelwand nach dem Abriss des einen angrenzenden Gebäudes nicht mehr gewährleistet
war.
55 Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass die Wandrisse auf einer Beeinträchtigung der Standsicherheit durch den Abriss des
Nachbargebäudes beruhen. Der Sachverständige G hat überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, dass die Vertikalrisse in der Außenwand
des Gebäudes der Klägerin nicht auf eine nicht mehr vorhandene Standsicherheit zurückzuführen sind, sondern auf an der Wand auftretende
Temperaturunterschiede, die Schwächen im Wandgefüge verstärken.
56 Der Riss der südlichen Giebelwand an der Ecke zum Treppenturm auf dem Grundstück M-Platz 6 könne durch Mauerwerkseinbindung,
Eckeneinbindung oder Eckbandagen ebenso erklärt werden wie durch Temperaturdifferenzen oder eine Drehung des Treppenhausturmes auf
dem Grundstück M-Platz 6. Andere Ursachen seien nicht denkbar. Der vertikale Riss in der Mitte der Südwand sei an der Stelle einer schon
vorhandenen Fuge aufgetreten. Die Vergrößerung sei sehr wahrscheinlich durch die Temperaturdifferenzen, die nach dem Abriss des
angebauten Gebäudes auf die Außenwand wirken würden, entstanden. Die Schrägrisse im Inneren seien nicht durch den Abriss des
Nachbargebäudes zu erklären, sondern durch die unterschiedlichen Verformungsprozesse von Wänden und Holzbalken innerhalb des
Gebäudes. Auch der Riss auf der Westseite lasse sich nicht mit Abbrucharbeiten erklären. Eine Rissbildung aufgrund Abbrucharbeiten hätte mit
Beendigung der Arbeiten beendet sein müssen. Der Riss hätte nicht nach dem späteren Verputzen wiederauftreten dürfen, was er aber tat.
57 b. Eine vertragliche Haftung kommt nicht in Betracht. Die Klägerin könnte eine vertragliche Haftung allenfalls darauf stützen, dass der Beklagte
seine Statiker-Leistungen, die er aufgrund des mit der Stadt M geschlossenen Vertrages schuldete, auch zu ihren Gunsten erbringen sollte. Die
geschuldeten Leistungen umfassten aber nicht andere als statische Beeinträchtigungen durch den Abriss des Nachbarhauses zu untersuchen.
Vertragliche Ansprüche könnten daher nicht über den unter a. angeführten Umfang hinausgehen.
58 4. Die Klägerin hat gegen den Beklagten K. keine weitergehenden Ansprüche gemäß §§ 823 Abs. 2, 1004, 909 BGB.
59 Gemäß § 909 BGB darf ein Grundstück nicht in der Weise vertieft werden, dass der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze
verliert, es sei denn, dass für eine genügende anderweitige Befestigung gesorgt ist. Die Klägerin hat ihre Behauptung, dass Schäden an ihrem
Gebäude aufgrund einer Grundstücksvertiefung durch die Abrissarbeiten oder aufgrund unsorgfältiger Abrissarbeiten aufgetreten sind, nicht
nachgewiesen. Der Sachverständige G hat ausgeführt, dass die Risse, die an dem Gebäude der Klägerin vorhanden sind, nicht auf
Grundstücksvertiefungen oder Erschütterungen beruhen. Vielmehr hätten schon vorhandene Fugen aufgrund der veränderten Verhältnisse nach
dem Abriss sich gezeigt und/oder sich vergrößert, wie oben unter 3 a ausgeführt ist.
60 5. Weitergehende Ansprüche hat die Klägerin auch nicht unter dem Gesichtspunkt allgemeiner Verkehrssicherungspflichten gemäß § 823 Abs. 1
BGB. Verkehrssicherungspflichten trafen den Beklagten K. nur, soweit er solche gegenüber der Stadt M als Veranlasserin der Abrissmaßnahmen
übernahm. Die Verkehrssicherungspflichten konnten im vorliegenden Fall nicht weitergehen als die schon angesprochenen gesetzlich speziell
geregelten Verhaltenspflichten. Das im Eigentum der Klägerin stehende Haus ist allein mittelbar dadurch betroffen, dass es nicht mehr von den
Nachbarhäusern gegen Horizontaldruck abgeschattet und deshalb nicht mehr standsicher und damit uneingeschränkt nutzbar ist.
61 6. Gemäß § 249 BGB hat der Beklagte die Schäden zu ersetzen, die der Klägerin durch seinen gebotenen, aber fehlenden Hinweis auf
erforderliche Sicherungsmaßnahmen und eine stabile Verbindung der Giebelwand mit den Decken entstanden sind.
62 a. Zum Schaden zählen die der Klägerin entstandenen Verluste, die auf der mangelnden Nutzbarkeit des Gebäudes beruhen. Die fehlende
Nutzbarkeit hat ihren Grund darin, dass das Gebäude nach dem Abriss der Nachbargebäude nicht mehr ausreichend standsicher ist. Die
Standsicherheit und damit die Vermietbarkeit des Objekts wäre nicht verloren gegangen, wenn der Beklagte rechtzeitig auf die statischen
Probleme, die nach dem Abriss der Nachbargebäude auftraten, hingewiesen hätte. In diesem Fall hätten alle notwendigen Erhebungen vor
Beginn der Arbeit durchgeführt werden können und wären zur Überzeugung des Senats auch durchgeführt worden. Im Nachgang wären sodann
die notwendigen Sicherungsmaßnahmen - einschließlich eventuell von der Klägerin selbst zu tragender Aufwendungen für Maßnahmen zum
Ausgleich der Auswirkungen der Ersetzung einer Zwischenwand durch einen T-Träger - unmittelbar im Zusammenhang mit den Abrissarbeiten
erfolgt. Die nunmehr zu verzeichnende Verzögerung bei der Umsetzung dieser Maßnahmen geht im Verhältnis der Klägerin zum Beklagten K.
allein zu dessen Lasten. Er hat deshalb den Verzögerungsschaden zu ersetzen. Die Klägerin hätte ohne den Verstoß des Beklagten K. -
unstreitig - die Räume in dem Hinterhaus zu den von ihr angegebenen Preisen vermieten können. Hätte sie die Räume vermietet, hätte sie
Einnahmen gehabt und mit den Einnahmen Kredite getilgt. Einnahmen und Zinssätze hat sie im einzelnen dargelegt. Der Gesamtverlust beträgt
144.565,34 EUR.
63 Die Kausalkette ist nicht dadurch unterbrochen, dass das Hintergebäude möglicherweise nicht aktuellen Brandschutzbestimmungen entspricht.
Ein Schaden könnte aus diesem Grund nur entfallen oder sich reduzieren, wenn die (potentiellen) Mieter deshalb von einer Anmietung Abstand
genommen oder die Miete gemindert oder wenn die Baubehörde die Nutzung der Räume untersagt hätte. Unabhängig davon, dass
problematisch erscheint, ob die Baubehörde eine Nutzung nach § 47 LBO untersagen könnte, hat der Beklagte Umstände, die darauf hindeuten
könnten, dass die betroffenen Räumlichkeiten wegen fehlenden Brandschutzes nicht genutzt werden, nicht vorgetragen.
64 b. Der Beklagte K. haftet der Klägerin auch für die Aufwendungen, die dieser dafür entstehen können, dass sie die baulichen Maßnahmen
durchführt, die zur Wiederherstellung der Standsicherheit ihres Gebäudes führt, die vor dem Abriss der Nachbargebäude bestand. Dadurch dass
der Beklagte nicht auf das Erfordernis von Maßnahmen hinwies, die die Standsicherheit des Hauses der Klägerin gewährleistet hätten, ließ die
Stadt M solche Maßnahmen nicht durchführen. Die Stadt M hatte dem Beklagten gerade deshalb beauftragt, um statische Probleme zu erkennen,
die durch die Abrissarbeiten entstehen könnten. Die Pflichtverletzung ist daher auch für diesen Schaden ursächlich.
65 c. Auf den Schaden sind nicht sog. Sowieso-Kosten anzurechnen. Die Klägerin brauchte keine Aufwendungen zu tätigen, um die gemeinsame
Grenzwand zu erhalten oder zu verbessern. Die geltendgemachten Ansprüche sind dadurch entstanden, dass die Funktion der halbscheidigen
Grenzwand aufgrund des Abrisses des Nachbargebäudes beeinträchtigt ist. Für die Wiederherstellung der Funktion hat allein der Störer zu
sorgen, nicht der beeinträchtigte Nachbar (BGH NJW 1981, 866). Dass Sicherungsmaßnahmen auch bei pflichtgemäßen Handeln des Beklagten
K. notwendig geworden wären, kann deshalb allenfalls in dessen Verhältnis zur Gesamtschuldnerin Stadt M eine Rolle spielen, da diese für
Sicherungsmaßnahmen ohnehin hätte aufkommen müssen.
66 d. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist nicht gemäß § 254 Abs. 2 S. 2 BGB gemindert. Die Verzögerung der Wiederherstellung der
Standsicherheit gereicht ihr nicht zu Verschulden. Gleich nachdem sie die Erkenntnis gewonnen hatte, dass durch die Abrissarbeiten die
Standsicherheit ihres Hauses beeinträchtigt sein könnte, ist sie auf die Stadt M und, nachdem sie von der Beteiligung des Beklagten erfahren
hatte, auf diesen zugegangen. Nach Klärung der Beeinträchtigung und der Ursache durch das Urteil des Landgerichts hat die Stadt M begonnen,
die von ihr geschuldeten Maßnahmen zu eruieren und zu ergreifen. Anlass für eigene Initiativen der Klägerin bestand daher nicht. Sie hat darauf
vertrauen dürfen, dass die Stadt M das Gebotene veranlasst.
II.
67 Eine vollständige Kostenentscheidung ist noch nicht möglich, da das Verfahren gegen die Fünftbeklagte, die Kn & Co. GmbH, durch Eröffnung
des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen unterbrochen ist und der Rechtsstreit nicht insgesamt abgeschlossen werden kann. Ausscheidbar
sind nur die Kosten des Zweitbeklagten. Diese sind gemäß §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO anteilsmäßig zu tragen. Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO vorläufig vollstreckbar.
68 Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO liegen nicht vor.