Urteil des OLG Karlsruhe vom 21.11.2005

OLG Karlsruhe: gütliche beilegung, datenbank, verfügung, flucht, niedersachsen, hauptsache, unternehmen, prozessleitung, ermessensfehler, rechtsberatung

OLG Karlsruhe Beschluß vom 21.11.2005, 2 WF 191/05
Ordnungsmittelverfahren in einer Familiensache: Ermessensentscheidung über die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen die zum Termin
geladene, aber nicht erschienene Partei; Verneinung einer Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren über das Ordnungsmittel
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Baden-Baden – 3 F 101/05 - aufgehoben, soweit ersatzweise Ordnungshaft
festgesetzt wurde.
2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1 Die Klägerin verlangt in vorliegendem Verfahren von dem Beklagten – ihrem Ehemann - für die beiden gemeinsamen Kinder der Parteien gemäß
§ 1629 Abs. 3 BGB Unterhalt für die Zeit ab März 2005. ...
2 Mit Verfügung vom 27.07.2005 hat das Amtsgericht Verhandlungstermin auf 06.10.2005 bestimmt, das persönliche Erscheinen der Parteien zur
Aufklärung des Sachverhalts und für einen Güteversuch angeordnet sowie dem Beklagten eine Klageerwiderungsfrist gesetzt. ... Mit Schriftsatz
vom 04.10.2005 - bei Gericht eingegangen am 04.10.2005 - hat der Prozessbevollmächtigten des Beklagten mitgeteilt, dass die Parteien im
Zeitraum Juli bis Mitte September 2005 wieder zusammengelebt hätten. Im Verhandlungstermin vom 06.10.2005 ist die Klägerin dann nicht
erschienen. Das Amtsgericht hat daraufhin im Verhandlungstermin durch Beschluss gegen die Klägerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 200 EUR,
ersatzweise im Falle der Uneinbringlichkeit 4 Tage Ordnungshaft festgesetzt. Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin am 20.10.2005
Beschwerde eingelegt. Ihr Prozessbevollmächtigter hat zur Begründung der Beschwerde zunächst gegenüber dem Amtsgericht geltend gemacht,
der Beklagte habe ihr nach einem (früheren) Verhandlungstermin vom 30.06.2005 aufgelauert, sei ihr nachgefahren und habe hierdurch ihre
Adresse ausfindig gemacht. Es sei nach jenem Verhandlungstermin auch zu einem Zwischenfall mit körperlichen Übergriffen seitens des
Beklagten gekommen. Sie habe den Termin vom 06.10.2005 "wohl" aus Angst vor weiteren Körperverletzungshandlungen nicht wahrgenommen.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Es hat zur Begründung
zum einen darauf aufgehoben, dass das persönliche Erscheinen der Klägerin im Hinblick auf den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des
Beklagten vom 04.10.2005 alleine schon zur Aufklärung erforderlich gewesen sei, zum anderen hätte den Befürchtungen der Klägerin durch
Schutzmaßnahmen seitens des Gerichts Rechnung getragen werden können. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat anschließend die
Beschwerdebegründung dahingehend ergänzt, dass die Klägerin mit den Kindern vor dem Beklagten in ein Frauenhaus habe flüchten müssen;
sie habe daher "wohl" schlichtweg vom Gerichtsterminen am 6.10.2005 nicht erfahren.
II.
3 Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 278 Abs. 3, 141 Abs. 3, 380 Abs. 3 ZPO zulässig, aber nur begründet, soweit das Amtsgericht ersatzweise
Ordnungshaft festgesetzt hat.
4 Das Amtsgericht hat entsprechend den Soll-Vorschriften der §§ 278 Abs. 3, 141 Abs. 1 ZPO das persönliche Erscheinen der Klägerin zur
Aufklärung des Sachverhalts (§ 141 Abs. 1 ZPO) und für einen Güteversuch (§ 278 Abs. 3 ZPO) angeordnet. Die anschließende persönliche
Ladung der Klägerin über Rechtsanwältin K. war ordnungsgemäß, da diese Ladungsweise nach Auffassung des Senats durch die
Prozesserklärungen des von der Klägerin bevollmächtigten Rechtsanwalts gedeckt war. Dies beanstandet die Klägerin auch nicht.
5 Zu Recht ist das Amtsgericht auch davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht ausreichend entschuldigt ist. Soweit die Klägerin aus Angst vor
dem Beklagten (bewusst) zu dem Verhandlungstermin nicht erschienen sein sollte, entschuldigt dies ihr Fernbleiben nach Auffassung des Senats
nicht, da sie das Amtsgericht zuvor über ihre Befürchtungen hätte informieren können, sodass - worauf das Amtsgericht zu Recht hinweist -
geeignete Schutzmaßnahmen hätten getroffen werden können. Selbst wenn man aber der Auffassung sein sollte, dass ihre Angst das Fernbleiben
entschuldigen würde, wäre damit doch nicht entschuldigt, dass sie das Amtsgericht nicht rechtzeitig vor dem Verhandlungstermin entsprechend
informiert hat (§ 141 Abs. 3 Satz 1 i.V. § 381 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Soweit die Klägerin wegen ihrer Flucht in das Frauenhaus von dem
Verhandlungstermin keine Kenntnis bekommen haben sollte, entschuldigt sie dies nicht, da sie verpflichtet gewesen wäre, ihre
Prozessbevollmächtigten von ihrer Flucht in das Frauenhaus nach einer Zeit vorübergehender Abwesenheit von ihrer Wohnung - längstens nach
6 Wochen (vgl. BVerfGE 41, 332, 336) - zu benachrichtigen, um für diese weiter erreichbar zu sein. Da die Ladung zum Termin vom 06.10.2005
vorliegend bereits am 03.8.2005 an die Prozessbevollmächtigte der Klägerin - Rechtsanwältin K. - abgesandt worden ist, muss davon
ausgegangen werden, dass die Klägerin vom Verhandlungstermin rechtzeitig Kenntnis bekommen hätte, wenn sie dieser
Informationsobliegenheit entsprochen hätte.
6 Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Festsetzung des Ordnungsgeldes ermessensfehlerhaft war. Solche Ermessensfehler macht die Klägerin gar
nicht geltend, sie sind aber auch nicht ersichtlich. Bei der Ermessensentscheidung war insbesondere zu berücksichtigen, dass das Gericht in jeder
Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits bedacht sein soll und zu diesem Zweck sowie zum Zweck einer ihm
erforderlich erscheinenden Sachverhaltsaufklärung das persönliche Erscheinen der Parteien anordnen soll (§§ 278 Abs. 3, 141 Abs. 1 ZPO). Zwar
mag im Rahmen der Ermessensentscheidung neben anderen Gesichtspunkten unter Umständen auch zu berücksichtigen sein, ob das
Nichterscheinen der Partei einen neuen Verhandlungstermin erforderlich macht und damit den Prozess verzögert. In Anbetracht der vorgenannten
gesetzgeberischen Wertung (das Gericht "soll" das persönliche Erscheinen anordnen) und auch der durch das ZPO-Reformgesetz beabsichtigten
Stärkung der erstinstanzlichen Prozessleitung und Einigungsförderung (vgl. insbes. BT-Drucks. 14/4722, S. 60/61) kann es nach Auffassung des
Senats aber auf den Aspekt der Verfahrensverzögerung nicht alleinentscheidend ankommen (ebenso: Thüringer LSG, Beschl. v. 23.10.2003 – L
2B 36/03 KN, Juris-Datenbank; Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 141 Rdn. 12; wohl im Ergebnis auch LAG Schleswig-Holstein NZA-RR 2004, 153;
anderer Ansicht: OLG Brandenburg MDR 2001, 411; OLG Köln OLGR 1997, 69 u. FamRZ 1992, 334; OLG Hamm OLGR 2004, 233; LAG
Niedersachsen MDR 2002, 1333/1334; LSG Berlin, Beschl. v. 10.06.2004 – L 3B 14/04 U, Juris-Datenbank; Musielak/Stadler, ZPO, 4. Aufl., § 141
Rdn. 13). Dies zeigt auch vorliegender Fall: Insbesondere der zwei Tage vor dem anberaumten Verhandlungstermin seitens des
Prozessbevollmächtigten des Beklagten erfolgte Vortrag, dass die Parteien im Zeitraum von Juli bis Mitte September 2005 wieder
zusammengelebt hätten, bot konkreten Anlass, zum einen die Klägerin zur Aufklärung des Sachverhalts anzuhören (vgl. zu diesem Aspekt OLG
Stuttgart OLGR 2004, 206 u. OLG Frankfurt OLGR 1995, 203) und zum anderen einen Güteversuch zu unternehmen. Dass das Amtsgericht in
dieser Situation gegen die nicht erschienene Klägerin ein Ordnungsgeld festgesetzt hat, ist daher – auch unter Berücksichtigung des Zwecks des
Ordnungsgeldes (vgl. u.a. OLG Koblenz OLGR 2004, 384, 385; OLG Köln OLGR 2004, 256, 257) – nicht zu beanstanden.
7 Die festgesetzte Höhe des Ordnungsgeldes hat die Klägerin nicht angegriffen, sie ist auch nicht zu beanstanden.
8 Rechtsfehlerhaft hat das Amtsgericht jedoch ersatzweise Ordnungshaft festgesetzt, da § 141 Abs. 3 ZPO die Verhängung ersatzweiser
Ordnungshaft gegen die Partei nach allgemeiner Auffassung nicht zulässt (u.a. OLG Karlsruhe OLGZ 1984, 450; OLG Köln FamRZ 1993, 338; OLG
Koblenz OLGR 2004, 384; Musielak/Stadler, a.a.O, Rdn. 12; Zöller/Greger, a.a.O., Rdn. 12), sodass der Beschluss insoweit aufzuheben war.
9 Eine Kostenentscheidung hat nicht zu erfolgen. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass auch im Beschwerdeverfahren eine
Kostenentscheidung nicht erfolgt, wenn in der angefochtenen Entscheidung selbst über Kosten nicht entschieden werden durfte, weil die Kosten
der angefochtenen Entscheidung im laufenden Verfahren entstehen und daher zur Hauptsache gehören (vgl. u.a. Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., §
97 Rdn. 9 u. Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 572 Rdn. 47). Dies gilt nach herrschender Auffassung auch, soweit die Beschwerde erfolgreich war
(OLG Hamm OLGR 2004, 233, 234; OLG Brandenburg MDR 2001, 411 u. OLGR 1999, 42, 43; OLG Koblenz OLGR 2004, 384, 386; OLG Köln
OLGR 1997, 102, 103; Musielak/Stadler, ZPO, 4. Aufl., § 141 Rdn 11 i.V. Musielak/Huber, ZPO, 4. Aufl., § 380 Rdn. 7 sowie Zöller/Greger, ZPO, 24.
Aufl., § 141 Rdn. 15, jeweils mit Nachweise zur Gegenansicht, nach der die Kosten bei erfolgreicher Beschwerde entspr. §§ 467 StPO, 46 OWiG
der Staatskasse auferlegt werden sollen).