Urteil des OLG Hamm vom 23.11.2010

OLG Hamm (zeuge, einstweilige verfügung, datum, verbraucher, zweifel, uwg, behauptung, tag, vertrag, firma)

Oberlandesgericht Hamm, I-4 U 138/10
Datum:
23.11.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-4 U 138/10
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 13 O 32/10
Tenor:
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 10. Juni 2010 verkün-
dete Urteil der II. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
Dortmund wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
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A.
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Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich der Energieversorgung.
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Am 26.02.2010 wurde der Zeuge u einem für die Antragsgegnerin tätigen Vermittler
aufgesucht. Dieser unterzeichnete im Rahmen des Besuchs einen Antrag auf
Stromlieferung durch die Antragsgegnerin. Er entschloss sich noch am gleichen Tag,
den Antrag zu widerrufen, was er am nächsten Tag auch tat.
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Am 04.03.2010 informierte der Zeuge u die Antragstellerin über den Besuch des
Vermittlers und teilte dort der Mitarbeiterin X mit, dass der Vermittler behauptet habe, die
Antragsgegnerin habe das Stromnetz der Antragstellerin übernommen.
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Nach erfolgloser Abmahnung vom 05.03.2010 hat die Antragstellerin eine
Beschlussverfügung vom 15.03.2010 erwirkt, mit der Antragsgegnerin unter Androhung
der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt worden ist,
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im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Zusammenhang mit
dem Abschluss von Versorgungsaufträgen die Behauptung aufzustellen, dass die
Antragsgegnerin das Stromversorgungsnetz der Antragstellerin übernommen hat.
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Die Antragsgegnerin hat hiergegen Widerspruch eingelegt. Sie hat bestritten, dass der
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als Vermittler tätige Zeuge X2 die beanstandete Behauptung aufgestellt hat. Dieser
habe den Zeugen u darüber unterrichtet, dass es sich bei den Parteien um
unterschiedliche Energieversorger handele, die nichts miteinander zu tun hätten.
Nach Beweisaufnahme über den behaupteten Verstoß durch Vernehmung der Zeugen
u und X2 hat das Landgericht die Beschlussverfügung durch das angegriffene Urteil
bestätigt. Das Landgericht hat es als glaubhaft gemacht angesehen, dass ein
Vertragsvermittler der Antragsgegnerin die streitgegenständliche Äußerung getätigt
habe. Der Zeuge u habe insoweit glaubhaft bekundet, dass der Werber, der nicht der
Zeuge X2 gewesen sei, von einer Übernahme des Stromnetzes der Antragstellerin
gesprochen habe. Dieser Aussage stehe nicht die Aussage des Zeugen X3 entgegen.
Es könne nicht festgestellt werden, dass der Zeuge X2 tatsächlich überhaupt das
Verkaufsgespräch mit dem Zeugen u geführt habe. Insoweit bestünden erhebliche
Zweifel an der Richtigkeit der Aussage des Zeugen X2. Dieser habe zwar bestätigt und
auch angegeben, den Zeugen u wiedererkannt zu haben. Als dem Zeugen X2 mitgeteilt
worden sei, dass der Zeuge u energisch in Abrede gestellt habe, jemals mit ihm
gesprochen zu haben, habe der Zeuge X2 ohne zu zögern seine Aussage in diesem
Punkt wieder zurückgenommen und sich insoweit auf Erinnerungslücken berufen.
Dessen Aussage sei nicht glaubwürdig. Wenn die handschriftlichen Eintragungen, wie
vom Zeugen X2 bekundet, von diesem stammten, so besage dies nichts für den
Zeitpunkt der Eintragungen und zwinge auch nicht zu der Annahme, dass diese
während eines Vertragsgesprächs mit dem Zeugen u erfolgt seien. Es bestehe die
Möglichkeit, dass die Eintragungen erst nachträglich gefertigt worden seien. Nach dem
vom Zeugen u gewonnenen Eindruck sei ihm auch abzunehmen, dass er ein
Verkaufsgespräch mit dem Zeugen X2 abgelehnt hätte.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz und der
der Begründung wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des
angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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Die Antragsgegnerin wehrt sich hiergegen mit ihrer Berufung. Sie beanstandet die
landgerichtliche Beweiswürdigung und meint, die Aussage des Zeugen u weise an
verschiedenen Stellen Widersprüche und Lücken auf. Dieser habe nicht mehr gewusst,
für welches Unternehmen der Werber aufgetreten sei und mit welchem Mitarbeiter er bei
den Stadtwerken gesprochen habe, um über die angebliche Täuschung zu berichten.
Auch zeitlich habe er das Gespräch nicht mehr richtig einordnen können. Die
inhaltlichen Zusammenhänge blieben bei seiner Aussage im Dunkeln. Ebenso wenig
plausibel sei die angebliche Motivation des Zeugen, den Vertrag zu widerrufen. Es sei
ihm nämlich am 26.02.2010 noch nicht einmal in den Sinn gekommen, betrogen worden
zu sein. Im Hinblick auf die Bekundungen des Zeugen X2 sei unberücksichtigt
geblieben der vom Zeugen u unterzeichnete Stromlieferungsvertrag, auf dem sich die
Eintragungen des Vermittlers und seine Unterschrift befänden. Es bestünden keine
Anhaltspunkte dafür, dass die Eintragungen erst nachträglich gefertigt worden seien.
Die vom Landgericht geäußerten Zweifel, dass der Zeuge X2 das Gespräch geführt
habe, lägen neben der Sache. Soweit der Zeuge X2 zunächst angegeben habe, sich an
den Zeugen y erinnern, und auf Vorhalt des Gerichts und nach einer kurzen
Überlegungspause bekundet habe, dass er sich nicht sicher sei, habe er seine Aussage
keineswegs zurückgenommen, sondern dahin relativiert, dass er sich bei der Anzahl der
geführten Kundengespräche nicht an jedes Gesicht erinnern könne. Schließlich habe
das Landgericht auch die von dem Zeugen u gezeigten Ressentiments gegenüber dem
Zeugen X2 nicht gewürdigt. Jedenfalls fehle es an einer wettbewerblichen Relevanz,
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weil der Umstand, dass ein Energieversorgungsunternehmen zugleich über ein eigenes
Stromnetz verfüge, für den Verbraucher völlig irrelevant sei. Eine spürbare
Beeinträchtigung der Verbraucherinteressen sei nicht anzunehmen. Es sei nicht
erkennbar, welcher Vorteil für die Antragsgegnerin mit der Behauptung einer
Übernahme des Stromnetzes einhergehen solle, zumal das Stromnetz der
Antragstellerin überhaupt nicht von marktsignifikantem Wert sei.
Die Antragsgegnerin beantragt,
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das landgerichtliche Urteil abzuändern, die einstweilige Verfügung vom 15.03.2010
aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.
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Die Antragstellerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Antragstellerin verteidigt das Urteil mit näheren Ausführungen. Sie meint, die
Beweiswürdigung des Landgerichts sei nicht zu beanstanden. Die Aussage des Zeugen
u erscheine detailliert und glaubwürdig. Insbesondere sei die konkrete Motivation des
Zeugen für die Ausübung des Widerrufsrechts rechtlich unerheblich. Nachvollziehbar
und glaubwürdig sei auch dessen Angabe, dass der Zeuge X2 nicht derjenige gewesen
sei, mit dem er das Gespräch geführt habe. Es sei keineswegs unwahrscheinlich, dass
der Eintrag eines Vermittlers nachträglich erfolgen könne. Auf jeden Fall lägen aufgrund
des Aussageverhaltens des Zeugen X2 berechtigte Zweifel vor, die das Landgericht zu
der Auffassung geführt hätten, dem Zeugen u mehr Glauben zu schenken als dem
Zeugen X2. Entscheidend sei dabei die Tatsache, dass der Zeuge X2 zunächst
uneingeschränkt bestätigt habe, der anwesende Zeuge u sei derjenige, bei dem er auch
gewesen sei, und dies dann später dahingehend eingeschränkt habe, dass er sich doch
nicht sicher sei. Es frage sich, warum der Zeuge X2 zunächst ohne Umschweife
beteuert habe, den Zeugen y erkennen, später aber doch Zweifel an seiner
Erinnerungsfähigkeit kundgetan habe. Möglicherweise habe sich der Zeuge, als er
gemerkt habe, dass es für ihn eng werden könne, der Gefahr einer bewussten
Falschaussage entziehen wollen. Letztlich trage auch die ehrliche und subjektive
Aussage des Zeugen y dieser Beurteilung bei. Dieser habe überhaupt keine
Veranlassung gehabt, so vehement zu bestreiten, dass der Zeuge X2 derjenige
gewesen sei, von dem er das Vertragsangebot erhalten habe. Die Ausführungen der
Antragsgegnerin hinsichtlich der angeblichen Irrelevanz der Irreführung lägen neben der
Sache. Eine spürbare Beeinträchtigung liege vor. Allein aus der Äußerung, man habe
das Stromnetz der Stadtwerke übernommen und könne nun Strom günstig anbieten,
beeinflusse den Verbraucher bei seiner Entscheidungsfindung dahin, dass er diese
Information zum Anlass nehme, einen neuen Versorgungsvertrag abzuschließen und
sein bestehendes Vertragsverhältnis mit den Stadtwerken aufzugeben. Maßgeblich sei,
dass der Verbraucher zu der Ansicht verleitet werde, es ändere sich etwas bei seinem
ursprünglichen Versorger und er wechsle daher besser zu dem neuen Anbieter. Die
Größe des Stromnetzes spiele dabei keine Rolle, sondern allein die irreführende
Darstellung unwahrer Tatsachen.
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Der Senat hat den gestellten Zeugen u uneidlich vernommen. Wegen des Ergebnisses
der Beweisaufnahme und der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird
auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin sowie die gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
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B.
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Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin ist unbegründet. Die Antragstellerin kann
von ihr im Wege der einstweiligen Verfügung nach §§ 8 I, III Nr. 1; 3; 5 I, II Nr. 3 UWG die
Unterlassung der Behauptung einer Übernahme des Stromversorgungsnetzes von der
Antragstellerin verlangen.
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Eine unlautere Irreführung ist zu bejahen. Auf etwaige weitere Verbotstatbestände, etwa
§ 6 UWG oder §§ 1004, 823 I, 824, 826 BGB, kommt es insoweit nicht mehr an.
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I.
21
Die Antragstellerin ist als Stromlieferantin und damit als Mitbewerberin i.S.v. von § 8 III
Nr. 1 UWG antragsbefugt. Die Antragsgegnerin bietet gleichfalls die Lieferung von
elektrischer Energie an.
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Die Antragsgegnerin ist als diejenige, die vom Zeugen u gemäß dem Stromantrag vom
26.02.2010 mit der Stromlieferung beauftragt worden ist, auch passivlegitimiert,
unabhängig davon, dass die Bestätigung des Widerrufs vom 10.03.2010 durch die T
GmbH erfolgt ist. Für das Verhalten ihres L GmbH müsste die Antragsgegnerin gemäß §
8 II UWG einstehen. Ihre Passivlegitimation wird mit der Berufung auch nicht mehr in
Abrede gestellt.
23
II.
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Der für den Erlass der einstweiligen Verfügung nötige Verfügungsgrund ist zu bejahen.
Die Dringlichkeit wird nach § 12 II UWG vermutet. Eine Widerlegung ist insoweit nicht
erfolgt. Insofern ist auch ein dringlichkeitsschädliches Verhalten der Antragstellerin
durch eine etwaig verzögerte Rechtsverfolgung nicht festzustellen. Die vom Senat
geforderte Monatsfrist ist insoweit eingehalten. Nachdem der geltend gemachte Verstoß
der Antragstellerin am 04.03.2010 zur Kenntnis gebracht worden ist, hat diese nach der
Abmahnung vom 05.03.2010 zeitnah unter dem 12.03.2010 den Verfügungsantrag bei
Gericht eingereicht.
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III.
26
Der Verfügungsanspruch folgt aus §§ 8 I, III Nr. 1; 3; 5 I, II Nr. 3 UWG.
27
1.
28
Die im Zusammenhang mit der Kundenwerbung aufgestellte unwahre Behauptung der
Antragsgegnerin über ihre geschäftlichen Verhältnisses und vermeintlich des Eigentums
am örtlichen Stromnetz stellt unzweifelhaft eine unlautere irreführende geschäftliche
Handlung dar. Die Behauptung des Kundenwerbers, dass diese das Stromnetz der
Antragstellerin übernommen habe, ist falsch, wobei – worauf es entscheidend freilich
nicht mehr ankommt - auch der unrichtige Eindruck vermittelt wird, die Antragsgegnerin
habe die Marktmacht, das Stromnetz von der Antragstellerin zu übernehmen. Eine
solche kann nach Aktenlage jedenfalls nicht zugrunde gelegt werden. Eine solche
Übernahme des Stromnetzes ist tatsächlich nicht erfolgt.
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2.
30
Die streitgegenständliche Äußerung des Kundenwerbers gegenüber dem Zeugen u bei
dem Vorfall vom 26.02.2010 ist durch die Einvernahme des Zeugen u vor dem Senat
und beim Landgericht sowie in diesem Zusammenhang mit indiziell durch die
eidesstattlichen Versicherung der Zeugin X vom 11.03.2010 glaubhaft gemacht.
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Nach § 529 I ZPO hat das Berufungsgericht zwar grundsätzlich die vom Landgericht,
festgestellten Tatsachen, insofern die falsche Erklärung durch den Werber, zugrunde zu
legen. Da insoweit jedoch ein non liquet nahe liegen könnte und es ohne persönlichen
Eindruck von den Zeugen überaus schwierig ist, deren Glaubwürdigkeit zu beurteilen,
war es jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Vollständigkeit der bisherigen
Tatsachenfeststellungen geboten, den gestellten Zeugen u erneut zu vernehmen.
Dieser hat die Erklärung des Kundenwerbers dahin, dass die Antragsgegnerin das
Stromnetz übernommen habe, wiederum glaubhaft bestätigt. Der Zeuge war
glaubwürdig. Die Aussage des Zeugen X2, der nicht erneut gestellt worden ist, der
jedoch vom Landgericht vernommen worden ist, vermag demgegenüber keine andere
Beurteilung zu rechtfertigen. Ihr kann nicht gefolgt werden.
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Der Zeuge u hat angegeben, dass der Kundenwerber ihm gesagt habe, die Firma habe
das Stromnetz der Antragstellerin übernommen und deshalb könne man günstiger
Strom anbieten. Er habe gedacht, er könne so Geld sparen, nämlich 2 Cent pro
Kilowattstunde. Aus diesem Grund habe er auch den Antrag unterschrieben. Bereits am
Abend habe er gedacht, dass dies eine Dummheit gewesen sei. Er habe Zweifel
bekommen, ob es das wert sei, weil er bereits so lange bei der Stadt V gewesen sei. Am
nächsten Tag habe er den Vertrag widerrufen. Ihm sei insofern auch von der Nachbarin
gesagt worden, dass das nicht sein könne, weil die Stadtwerke das Netz nicht verkaufen
würden. Diese Aussage des Zeugen war insgesamt in sich stimmig. Auch wirkte der
Zeuge durchaus glaubwürdig, wenngleich er in seiner Person eher einfacher strukturiert
war und gewisse Vorbehalte gegen den Zeugen X2 hatte, den er vom Landgericht
kannte. Diese Vorbehalte konnte der Zeuge u freilich, gleich ob man sie gutheißen mag
oder nicht, konkret auch schildern. Der Werber damals, so der Zeuge, habe eine ganz
andere Aussprache gehabt, und sei ganz anders aufgetreten. Dieser sei salopp
angezogen gewesen mit Anzug und Schlips. Es habe sich um einen jüngeren Mann
gehandelt, der gepflegt gewesen sei, keinen Akzent gehabt habe und perfekt deutsch
gesprochen habe. Den Zeugen X2, der es nicht gewesen sei, hätte er nie in seine
Wohnung gelassen. Auch gibt es letztlich keinen nachvollziehbaren Grund, wieso der
Zeuge u diese Geschichte schlicht erfunden haben sollte und dann den Stadtwerken in
V hätte mitteilen sollen. So ist zudem durch die eidesstattliche Versicherung der Zeugin
X vom 11.03.2010 glaubhaft gemacht, dass sie am 04.03.2010 vom Kunden u einen
Telefonanruf erhalten habe, in dem er mitgeteilt habe, dass er am Freitag, den
26.02.2010, von einem Kundenwerber der Firma N angerufen worden sei. Im
Zusammenhang mit dem Abschluss eines Stromversorgungsauftrages habe der
Kundenwerber diesem gegenüber gesagt, dass die N GmbH das Stromnetz der V
GmbH übernommen habe.
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Auch vor dem Landgericht hat der Zeuge u die Darstellung der Klägerin bestätigt. Er hat
ebenso bekundet, der Werber, ein junger Mann, der nicht der von der Antragsgegnerin
gestellte Zeuge X2 gewesen sei, habe erklärt, "die" hätten das Stromnetz von der Stadt
V übernommen und mit ihm einen neuen Vertrag schließen wollen. Es sei von der Firma
die Rede gewesen, die auf dem Brief gestanden habe, also nach den vorgelegten
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Unterlagen von der Antragsgegnerin. Der Mann, so der Zeuge an späterer Stelle, habe
gesagt, dass das Stromnetz von den Stadtwerken übernommen worden sei. Er, u, habe
dies so verstanden, dass die neue Firma jetzt das Stromnetz verwalte. Sonst hätte er als
Kunde, der bei den Stadtwerken habe bleiben wollen, gar nicht unterschrieben. Noch
am Abend habe er die Kündigung geschrieben.
Soweit im Hinblick auf das Datum dieses Gesprächs ein Widerspruch in der Aussage
bestehen könnte, weil mitunter auch vom 04.04.2010, die Rede war, ist einerseits
festzustellen, dass das Datum vom 26.02.2010 letztlich unstreitig ist und dass auch der
Stromantrag dieses Datum trägt. Dabei ist es nach entsprechend längerer Zeit auch
keineswegs ungewöhnlich, dass man sich, zumal der Zeuge bei seiner Vernehmung
keine Unterlagen vorliegen hatte, an das genaue Datum nicht erinnern kann, sondern
vielmehr primär den näheren Geschehensablauf in Erinnerung hat. Zudem war das
"falsche" Datum offenbar vom Gericht etwas unpräzise wiedergegeben, wenn es im
Verhandlungsprotokoll heißt, es sei an dem vom Gericht genannten Datum, dem
04.03.2010 gewesen. Hier ist ein maßgeblicher Widerspruch tatsächlich nicht
vorhanden. Entsprechendes gilt für den Namen der beworbenen Gesellschaft, den
selbst Eingeweihte kaum auseinander halten können, zumal auch ausweislich des
Antrags eine N GmbH, eine F GmbH und eine T GmbH agieren und dem Laien gerade
auch nicht bekannt ist, welche "Aufgabenteilung" hier besteht. Gewisse Bedenken
mögen insofern noch bestanden haben, als jedenfalls unklar war, mit welcher Motivation
der Zeuge u den Vertrag noch am gleichen Tag widerrufen wollte, wenn er doch erst am
nächsten Tag explizit von der Unwahrheit der Angaben des Werbers Kenntnis erhalten
hat. Der Zeuge hat freilich vor dem Senat glaubhaft bekundet, dass er selbst an diesem
Abend schon entsprechende Zweifel bekommen habe und doch lieber bei den
Stadtwerken habe bleiben wollen, wo er schon länger war.
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Demgegenüber hat der Zeuge X2 vor dem Landgericht ausgesagt, die Eintragungen auf
dem ihm vorgelegten Stromantrag stammten von ihm. Das sei seine Unterschrift. Er
habe auch seinen Namen und seine Ordnungsnummer dort eingetragen. Er könne den
Vorgang nicht aus konkreter Erinnerung heraus schildern, er könne aber schildern, wie
er immer vorgegangen sei. Es werde gesagt, dass er von N komme. Er weise dabei
darauf hin, dass N ein eigenständiges Unternehmen sei. Selbstverständlich würde den
Kunden klar gemacht, dass das getrennt sei und N mit den Stadtwerken nichts zu tun
habe. Er habe nicht gesagt, dass N das Stromnetz der Stadtwerke übernehme. Diese
Darstellung des Zeugen X2 ist grundsätzlich ebenfalls in sich plausibel, zumal die
Antragsunterlagen auch seine Unterschrift und seine Ordnungsnummer tragen. Dabei ist
angesichts der Vielzahl der Kundenbesuche auch keineswegs ungewöhnlich, dass der
konkrete Einzelfall nicht direkt in der Erinnerung bleibt und der Werber nur den üblichen
Geschehensablauf schildert. Indes ist in der Tat überaus erstaunlich und
widersprüchlich, dass der Zeuge X2 beim Landgericht gleichwohl erst
einschränkungslos hat, der Kunde sei der bei Gericht anwesende Zeuge, den er nun
wieder gesehen habe. Auf Vorhalt, dass der Zeuge u dies verneint hatte, ist der Zeuge
X2 auf einmal völlig umgeschwenkt. Er müsse nunmehr sagen, dass er sich doch nicht
an jedes Gesicht erinnern könne, weil er 100 bis 160 Kunden in einem Zeitraum von 1
Monat gehabt habe. Er könne deswegen nicht genau sagen, ob das der Mann gewesen
sei, mit dem er gesprochen habe. Er wisse aber, dass er mit einem Herren u das
Geschäft gemacht habe. Danach ist die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen X2
erheblich eingeschränkt und kann insoweit nicht mehr als maßgeblich zugrunde gelegt
werden.
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Auch war sich der Zeuge u sicher, dass X2 tatsächlich nicht der Mann war, mit er
gesprochen hat. Der Erstere gab auch beim Landgericht an, "so jemanden
Ungepflegten" hätte er gar nicht rein gelassen. Außerdem sei der Mann, mit dem er
gesprochen habe, kein Ausländer gewesen. Er habe perfekt deutsch gesprochen. Der
Zeuge u hatte so jedenfalls für eine andere Person konkrete Anhaltspunkte. Dabei ist
sich der Senat darüber bewusst, dass im Unklaren bleibt, wann und wie die Unterlagen
vom Zeugen X2 ausgefüllt oder vervollständigt worden sind, und dass es dafür, dass
hier tatsächlich Manipulationen stattgefunden haben, ansonsten keine objektivierbaren
Anhaltspunkte gibt.
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In der Gesamtwürdigung und unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der
Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme ist die streitgegenständliche
Äußerung des Werbers als glaubhaft gemacht anzusehen.
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3.
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Diese Irreführung ist auch relevant, weil das Interesse an einem Vertrag mit dem neuen
Betreiber des Stromnetzes mit daraus resultierenden günstigeren Preisen sicherlich
einen Vertragsabschluss fördert. Ein Bagatellverstoß ist nicht anzunehmen. Die
Irreführung ist vielmehr geeignet, die Interessen der Verbraucher und der Mitbewerber
spürbar zu beeinträchtigen. Unabhängig von internen betriebswirtschaftlichen
Überlegungen der Parteien, den fraglichen Netznutzungsentgelten und der detaillierten
Größe des Stromnetzes der Antragstellerin, die zumeist auch gar nicht bekannt sind,
wird dem Verbraucher suggeriert, sein ursprünglicher Versorger, nämlich die
Stadtwerke, verfügte nicht mehr über das maßgebliche Stromnetz, es sei insofern
besser, zum neuen und aktuellen Anbieter zu wechseln. Auch wird bei einem solchen
"Türöffner" gegebenenfalls hergebrachtes Vertrauen in den ursprünglichen Anbieter zur
Förderung des neuen Geschäfts fruchtbar gemacht. Mit dieser Aussage wird auch eine
besondere Größe und Leistungsfähigkeit vorgetäuscht, die so nicht besteht, weil eine
Übernahme tatsächlich nicht stattgefunden hat. Keineswegs kann, wie die
Antragsgegnerin meint, zugrunde gelegt werden, dass das Eigentum am eigenen
Stromnetz für den Verbraucher völlig unwesentlich sei wie auch der Umstand, ob der
Energieversorger ein eigenes Stromnetz unterhalte. Eine Interessenbeeinträchtigung
liegt vor.
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IV.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 I, 708 Nr. 10 ZPO.
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