Urteil des OLG Hamm vom 04.04.1989

OLG Hamm (verfügung von todes wegen, verwahrung, notar, antrag, auflage, beschwerde, urschrift, erbvertrag, aufhebung, aushändigung)

Oberlandesgericht Hamm, 15 W 457/88
Datum:
04.04.1989
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 W 457/88
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 9 T 357/88
Tenor:
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert im Verfahren der weiteren Beschwer de beträgt
3.000,00 DM.
Gründe
1
Die Beteiligten haben am xxx 1964 zu UR.-Nr. xxx des inzwischen verstorbenen Notars
xxx in xxx einen Erbvertrag geschlossen, der von dem Amtsgericht unter Nr. xxx des
Verwahrungsbuches in amtliche Verwahrung genommen worden ist. Ein
Ergänzungserbvertrag der Beteiligten vom xxx 1981 (UR.-Nr. xxx des Notars xxx in xxx)
ist unter Nr. xxx des Verwahrungsbuches in amtliche Verwahrung genommen worden.
Die Beteiligten haben sodann am xxx 1988 einen weiteren Erbvertrag geschlossen
(UR.-Nr. xxx des Notars xxx in xxx), in dem sie die beiden erwähnten früheren
Erbverträge aufgehoben haben.
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Die Beteiligten haben mit Schreiben vom xxx bei dem Amtsgericht den Antrag gestellt,
ihnen die Erbverträge aus den Jahren 1964 und 1981 aus der amtlichen Verwahrung
auszuhändigen. Diesen Antrag hat der Notar an das Amtsgericht weitergeleitet und zur
näheren Begründung ausgeführt, daß den Beteiligten nach der zweifelsfreien
Aufhebung ihrer früheren Erbverträge das Recht eingeräumt werden müsse, diese
Urkunden aus der amtlichen Verwahrung zurückzunehmen. Es sei davon auszugehen,
daß der Urkundsnotar auf der Grundlage des verfassungsrechtlich geschützten Rechtes
der informationellen Selbstbestimmung die von ihm verwahrte Urkunde an die
Vertragsschließenden nach vollständiger Aufhebung des Erbvertrages auszuhändigen
habe. Diese Entscheidung müsse anstelle des verstorbenen Notars xxx das
Nachlaßgericht treffen. Die Beteiligten legten besonderen Wert darauf zu vermeiden,
daß der Inhalt ihrer aufgehobenen Erbverträge durch Verbleib in den Gerichtsakten und
spätere Eröffnung als Verfügung von Todes wegen bekannt werde.
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Durch Beschluß vom xxx 1988 hat der Rechtspfleger des Amtsgerichtes den Antrag
zurückgewiesen. Hiergegen haben die Beteiligten mit Schriftsatz ihres
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Verfahrensbevollmächtigten vom xxx 1988 Beschwerde eingelegt, der der
Rechtspfleger und der Richter des Amtsgerichts nicht abgeholfen haben. Durch
Beschluß vom xxx 1988 hat das Landgericht die Beschwerde zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom xxx
1988 bei dem Oberlandesgericht eingelegte weitere Beschwerde der Beteiligten.
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Die weitere Beschwerde ist nach § 27 FGG statthaft und gem. § 29 Abs. 1 Satz 3 FGG
formgerecht eingelegt. Dabei ist davon auszugehen, daß der erstinstanzliche Antrag der
Beteiligten von dem Notar als deren Bevollmächtigter gestellt worden ist. Die Beteiligten
haben zwar den Antrag selbst in einem gesonderten privatschriftlichen Schreiben vom
xxx 1988 gestellt. Der Antrag bildet jedoch mit der ihm von dem Notar bei gegebener
Begründung vom xxx 1988 eine Einheit. Die Postulationsfähigkeit des Notars nach § 29
Abs. 1 Satz 3 FGG ist im übrigen nicht davon abhängig, daß er den Antrag beurkundet
oder eine Unterschriftsbeglaubigung vorgenommen hat (BayObLG Z 1972, 44, 45). Die
Beschwerdebefugnis der Beteiligten folgt bereits aus der Zurückweisung ihrer
Erstbeschwerde.
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In der Sache bleibt das Rechtsmittel indessen ohne Erfolg, weil die Entscheidung des
Landgerichtes nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27 FGG).
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In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen
Erstbeschwerde der Beteiligten ausgegangen, deren Beschwerdebefugnis aus der
Zurückweisung ihres erstinstanzlich gestellten Antrages folgt.
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In der Sache hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, daß die Vorschriften über die
Verwahrung beurkundeter Erbverträge eine Herausgabe der in amtlicher Verwahrung
befindlichen Urschriften an die Vertragsschließenden nicht zulassen. Erbverträge, deren
amtliche Verwahrung die Vertragschließenden nach § 34 Abs. 2 BeurkG
ausgeschlossen haben, sind nach näherer Maßgabe der §§ 25 Abs. 2 BNotO, 16 DONot
in der Urkundensammlung des Notars zu verwähren. Schließen die Vertragsparteien in
zulässiger Weise nachträglich die amtliche Verwahrung aus, kann die Urschrift des
Erbvertrages nur entweder offen bei den Gerichtsakten weiterverwahrt oder in die
Verwahrung durch den Urkundsnotar zurückgegeben werden. Diese Auffassung des
Landgerichtes stützt sich auf die Entscheidung, des Senats in FamRZ 1974, 391 f. =
DNotZ 1974, 460 ff.). Sie entspricht der einhelligen Auffassung in der Literatur
(Staudinger-Kranzleiter, BGB, 12. Auflage, § 2277-, Rdnr. 3; MK-Muiselak, BGB, § 2277,
Rdnr. 9; Soergel-Wolf, BGB, 11. Auflage, § 2277, Rdnr.7; RGRK-Johannsen, BGB, 12.
Auflage, § 2277, Rdnr. 4; Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag, 2.
Auflage, § 34 BeurkG Rdnr. 24; Firsching, Nachlaßrecht, 6. Auflage, S, 107;
Keidel/Kuntze/Winkler, FG, 12. Auflage, § 34 BeurkG, Rdnr. 14).
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An dieser Auffassung hält der Senat fest. Entgegen dar Ansicht der weiteren
Beschwerde bietet die vorliegende Fairgestaltung keinen Anlaß zu einer abweichenden
Beurteilung. Dabei braucht der Senat keine Entscheidung zu der Rechtsfrage zu treffen,
inwieweit ein Notar, in dessen Verwahrung sich die Urschrift eines Erbvertrages
befindet, über den Wortlaut des § 45 Abs. 1 BeurkG hinaus berechtigt oder verpflichtet
ist, den Vertragschließenden nach Aufhebung des Erbvertrages die Urschrift aus seiner
Urkundensammlung auszuhändigen. Der Umstand, daß Notar xxx, der den Erbvertrag
der Beteiligten vom xxx 1964 beurkundet hat, verstorben ist, steht der Herbeiführung
einer Entscheidung über die Aushändigung dieses Erbvertrages nicht entgegen. Gem. §
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51 Abs. 1 Bundesnotarordnung ist zur Verwahrung seiner Urkunden entweder das
Amtsgericht, in dem der verstorbene Notar seinen Amtssitz hatte, oder ein anderer Notar
zuständig, dem der Präsident des Oberlandesgerichts die Verwahrung der Akten und
Bücher übertragen hat. Dem Amtsgericht oder dem vom Präsidenten des
Oberlandesgerichts dazu berufenen Notar obliegt es daher zunächst, die Urschrift des
Erbvertrages vom xxx 1964 zu der Urkundensammlung des verstorbenen Notars zu
nehmen, wenn die Beteiligten nunmehr nachträglich die amtliche Verwahrung gem. § 3
Abs. 2 Beurkundungsgesetz ausschließen. In die Zuständigkeit des Amtsgerichts
beziehungsweise des dazu berufenen Notars als Aktenverwahrungsstelle fällt jedoch
auch die Entscheidung über die Aushändigung der Urschrift einer Urkunde gem. § 45
Beurkundungsgesetz (Seybold/Hornig, Bundesnotarordnung, 5. Auflage, § 51, Rdnr.
27). Darin liegt der Kern des Anliegens der Beteiligten, über das in dem dafür
vorgesehenen Verfahrensgang zu entscheiden ist. Der Senat hat bereits in seinem oben
erwähnten Beschluß darauf hingewiesen, daß die unter Umständen schwierige
Feststellung einer in jeder Hinsicht wirksamen Aufhebung früherer Erbverträge durch
einen späteren Erbvertrag nach § 2290 BGB nicht zu dem der Verwahrungsstelle
zugewiesenen Aufgabenbereich gehört.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO.
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