Urteil des OLG Hamm vom 07.08.2008
OLG Hamm: bürgschaft, mitverschulden, pauschal, skonto, architekt, insolvenz, unternehmer, pastor, bezahlung, anteil
Oberlandesgericht Hamm, 21 U 78/07
Datum:
07.08.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
21. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
21 U 78/07
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 9 O 70/05
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 20. April 2007 verkündete
Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Essen unter Zurückweisung
des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin
127.595,41 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. November 2004 zu zahlen.
Wegen der Zinsmehrforderung wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
1
I.
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Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1
Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens der
Parteien stellt sich der Sachverhalt wie folgt dar:
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Die als Generalunternehmerin tätige Klägerin verlangt von der Beklagten zu 1), die sie
gemäß Vertrag vom 20.02.2002 (K1, Bl. 11f. GA) mit der Vollarchitektur der
Erschließung des Baugebietes C-Straße/M-Straße in T beauftragt hat, und von den
Beklagten zu 2) und 3) als Gesellschaftern der Beklagten zu 1) insgesamt 127.595,41 €
Schadensersatz, weil sie für Erschließungsleistungen aufgrund einer unrichtigen
Rechnungsprüfung der Beklagten zu 1) zu viel Werklohn an die mittlerweile in Insolvenz
gefallene L GmbH gezahlt habe.
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Die Beklagte zu 1) hatte die Arbeiten ausgeschrieben, die Vertragsverhandlungen
geführt und einen schriftlichen Vertrag mit der L GmbH entworfen. Nach diesem Entwurf
hatte die L GmbH eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 10% der
Auftragssumme zuzüglich etwaiger Nachträge zu stellen. Andernfalls sollte die Klägerin
das Recht haben, Abschlagszahlungen in dieser Höhe einzubehalten (K2 im grünen
AnlBd).
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Der für die Klägerin tätige Zeuge H führte mit den Geschäftsführern B und L ein sog.
Finalgespräch, in dem es neben der Beauftragung eines zusätzlichen Loses lediglich
noch um die Preisgestaltung ging. Nachdem man sich auf Preisreduzierungen, für ein
Los aber auch auf eine Erhöhung geeinigt hatte, bestätigte die Klägerin der L GmbH mit
Schreiben vom 22.01.2002 (K4 im grünen AnlBd = K11, Bl. 101f. GA) die vereinbarten
Pauschalfestpreise, die sich auf insgesamt 779.000 DM netto beliefen, und rief einen
Teilauftrag im Wert von 198.000 € netto ab. Die Klägerin übersandte das Schreiben den
Beklagten am 23.01.2002 per Fax (K5 AnlBd) zur Kenntnis.
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Die L GmbH erstellte im Zuge der Arbeiten insgesamt 15 Abschlagsrechnungen, die
zumindest ab der dritten Rechnung von der Beklagten zu 1) durch den Zeugen S
geprüft, an die Klägerin weitergeleitet und von dieser durch die Zeugin U – teilweise
unter Abweichung von der Höhe des Prüfergebnisses – bezahlt wurden. Von der 15.
Abschlagsrechnung nahm die Zeugin U einen von den Beklagten nicht berücksichtigten
Gewährleistungseinbehalt von 25.013,31 € vor.
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Ohne Beachtung blieb bei den von den Beklagten vorgenommenen
Rechnungsprüfungen und bei den von der Klägerin geleisteten Zahlungen, dass die L
GmbH im Finalgespräch Preisabschläge zugestanden und keine
Vertragserfüllungsbürgschaft gestellt hatte.
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Einschließlich später beauftragter Nachträge belief sich der Auftragsumfang schließlich
auf insgesamt 623.441,58 € (K6 AnlBd).
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Die L GmbH stellte im Jahre 2004 Insolvenzantrag und führte die Arbeiten nicht weiter.
Ihre Schlussrechnung vom 31.03.2004 (K7 AnlBd) wurde von den Beklagten am
21.07.2004 geprüft, wobei sie eine Überzahlung von 65.251,26 € errechneten. Dieser
Betrag beruht neben Massen- und Preiskürzungen darauf, dass sie wegen der beim
Finalgespräch pauschal vereinbarten Nachlässe jetzt erstmals prozentuale Abzüge von
den Ansätzen des ursprünglichen Einheitspreisangebotes der L GmbH vornahmen.
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In Fortführung der Tätigkeit der L GmbH führte eine T2 GmbH die Erschließungsarbeiten
weiter. Deren Schlussrechnung (K15, Bl. 341ff. GA) wird von der Klägerin teilweise nicht
anerkannt.
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Die von der Klägerin mit der Klage geforderten 127.595,41 € setzen sich aus der von
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den Beklagten ermittelten Überzahlung von 65.251,26 € und einem unterbliebenen
Abzug von 62.344,15 € wegen der nicht gewährten Vertragserfüllungsbürgschaft
zusammen.
Die Klägerin hat behauptet, die Fortführung der von der L GmbH nicht beendeten
Erschließungsmaßnahmen werde einen weitaus höheren Betrag als 62.344,15 €
kosten. Sie hat gemeint, die Beklagte zu 1) habe ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen
Rechnungsprüfung verletzt, indem sie nicht nur das Fehlen einer
Vertragserfüllungsbürgschaft, sondern auch die beim Finalgespräch erzielten
Preisnachlässe unberücksichtigt gelassen und den von der L GmbH ausgeführten
Leistungsumfang unrichtig bewertet habe. Die Preisänderungen seien für die vier Lose
durch einen Vergleich des Angebotes der L GmbH vom 18.11.2001 mit den
Pauschalbeträgen gemäß Schreiben vom 22.01.2002 wie folgt als prozentuale
Abschläge/Zuschläge ersichtlich gewesen:
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1. Innere Erschließung 387.000 DM statt 450.000 DM netto, also Reduzierung auf
86%
2. Rohdungs- und Abbruchmaßnahmen Nicht ausgeschrieben, bei Finalgespräch mit
38.000 DM netto vereinbart
3. Freianlagen 150.000 DM statt 203.487,50 DM netto, also Reduzierung auf 73,71%
4. Ausbau M-Straße 204.000 DM statt 180.000 DM netto, also Erhöhung auf 113,33%
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15
Die Klägerin hat sich bereit erklärt, der Beklagten zu 1) den ihr wegen der fehlenden
Vertragserfüllungsbürgschaft zu ersetzenden Einbehalt zu erstatten, soweit der Betrag
im Hinblick auf die Höhe des Nichterfüllungsanspruches gegen die L GmbH nicht
verbraucht werde. Ebenso werde ein im Insolvenzverfahren realisierter Betrag
zurückgewährt.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 127.595,41 € nebst
Zinsen von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2004 zu
zahlen.
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Die Beklagten haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
20
Sie haben gemeint, die Abschlagsrechnungen korrekt auf fachtechnische und
rechnerische Richtigkeit geprüft zu haben. Über Preisnachlässe, die beim
Finalgespräch zwischen den Zeugen H und L erzielt worden seien, seien sie nicht
hinreichend informiert worden. Das ihnen zugänglich gemachte Auftragsschreiben vom
22.01.2002, das im Übrigen eine Beauftragung nur eines Teilbereiches enthalten habe,
gebe nur pauschale Festpreise wieder. Die Nachlässe hätten nicht einfach im Wege des
Dreisatzes umgesetzt werden können. Es hätte weiterer Informationen bedurft.
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Angesichts der Umstände, die dadurch gekennzeichnet gewesen seien, dass die
Klägerin noch einmal eigenständig geprüft und bei den Zahlungen auf die
Abschlagsrechnungen 8, 9, 10, 11, 14 und 15 von den Freigaben abgewichen sei, sei
ihr Verhalten für einen Schaden der Klägerin auch nicht ursächlich gewesen. Zumindest
treffe die Klägerin ein überwiegendes Mitverschulden.
Schließlich haben die Beklagten die Schadensberechnung der Klägerin bestritten. Die L
GmbH sei nicht überzahlt. Bei der Schlussrechnungsprüfung seien sie im Rahmen der
Ermittlung der Überzahlung nicht von den tatsächlichen Zahlungen der Klägerin,
sondern von den höheren von ihnen freigegeben Beträgen ausgegangen. Zur
Darlegung des Umfangs der der L GmbH zu vergütenden Leistungen reiche es nicht
aus, dass die Klägerin schlicht auf ihre, der Beklagten, Prüfung der Schlussrechnung
vom 31.03.2004 Bezug nehme.
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Die Klägerin müsse sich im Übrigen Beträge anrechnen lassen, die sie gegenüber der L
GmbH im Insolvenzverfahren durchsetzen könne.
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Den Eingang der Vertragserfüllungsbürgschaft hätte die Klägerin selbst überwachen
müssen. Sie, die Beklagten, hätten nicht gewusst, was insoweit beim Finalgespräch
vereinbart worden sei. Die beiden ersten Abschlagsrechnungen seien im Übrigen von
der Klägerin durch einen im Jahre 2002 verstorbenen Herrn U geprüft worden, so dass
ihnen ein unterbliebener Abzug wegen der unterbliebenen Bürgschaftserteilung
ohnehin nicht angelastet werden könne. Der Klägerin sei zudem kein
Nichterfüllungsschaden in Höhe eines eventuell unterbliebenen Einbehalts von
62.344,15 € entstanden. Schließlich sei ein Einbehalt ohnehin nur bezogen auf den
Hauptvertrag und nicht auch hinsichtlich der Nachträge in Betracht gekommen.
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Die Kammer hat die Zeugen H, S und B vernommen. Wegen des Inhaltes und des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der mündlichen
Verhandlungen vom 10.10.2006 (Bl. 206ff. GA) und 13.02.2007 (Bl. 222ff. GA)
verwiesen.
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Mit am 20.04.2007 verkündetem Urteil, wegen dessen näheren Inhaltes auf Bl. 229ff. GA
verwiesen wird, hat die Kammer die Klage abgewiesen und zur Begründung im
Wesentlichen ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, dass die Beklagten gemäß
§ 280 Abs. 1 BGB gegenüber der Klägerin bestehende Pflichten verletzt hätten. Zwar
umfasse § 55 Abs. 2 Nr. 8 HOAI auch die Kostenfeststellung und -kontrolle. Die
Beklagten hätten jedoch die ihnen bekannten Zahlungsmodalitäten berücksichtigt.
Ihnen seien lediglich die reduzierten Endpreise mitgeteilt worden, nicht jedoch welche
Abschläge auf bestimmte Leistungen und welche Nachlässe auf die eingehenden
Rechnungen zu gewähren seien. Aufgrund der Beweisaufnahme stehe fest, dass der
Zeuge H dem Zeugen S auf dessen Nachfrage lediglich erklärt habe, er könne sich die
Nachlässe selbst ausrechnen. Mangels detaillierter Informationen über die
Finalverhandlung habe keine Verpflichtung bestanden, selbsttätig den Gesamtnachlass
im Wege des Dreisatzes auf die Einzelleistungen umzurechnen.
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Die Rechnungsprüfung durch die Beklagten sei im Übrigen nicht kausal für einen
etwaigen Schaden, weil die Klägerin die Überweisungen hinsichtlich mehrerer
Abschlagsrechnungen abweichend von den Freigaben der Beklagten getätigt und
teilweise andere Bauvorhaben einbezogen habe.
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Den Beklagten könne auch nicht vorgeworfen werden, die Nichtgewährung der
Vertragserfüllungsbürgschaft unbeachtet gelassen zu haben. Mangels Unterrichtung
durch die Klägerin hätten sie davon ausgehen können, die L GmbH habe die Bürgschaft
gestellt.
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Schließlich seien ein aufgrund der Insolvenz der L GmbH entstandener
Nichterfüllungsschaden und eine Überzahlung auf die erbrachten Leistungen nicht
dargelegt.
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Mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihre Forderung in
voller Höhe weiter. Sie meint, die Beklagte zu 1), bei der sich die gesamten Unterlagen
befunden hätten und auf deren Rechnungsprüfung sie sich umfassend habe verlassen
dürfen, hätte vor der Freigabe der Abschlagszahlungen bei ihr nachfragen müssen, ob
die geschuldete Vertragserfüllungsbürgschaft eingegangen sei. Zudem habe es die
Beklagten zu 1) versäumt, die Abschlagsrechnungen hinsichtlich Art und Umfang der
erbrachten Leistungen und der angesetzten Preise unter Berücksichtigung der
gewährten Nachlässe ordnungsgemäß zu überprüfen. Dies sei erst bei der
Schlussrechnung erfolgt, deren Prüfung richtigerweise eine Überzahlung von 65.251,26
€ ausweise. Die Beklagte zu 1) habe die Forderung der L GmbH damals zu recht
herunter korrigiert. Dass dabei wegen der bei der Finalbesprechung gewährten
Nachlässe auch prozentuale Abschläge vorgenommen worden seien, ohne dass die
Beklagten zwischenzeitlich weitere Informationen erhalten hätten, zeige, dass sie hierzu
entgegen der kaum nachvollziehbaren Begründung des Landgerichts auch schon im
Rahmen der Prüfung der Abschlagsrechnungen in der Lage gewesen wären, weil sie
über alle relevanten Informationen verfügt hätten.
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Unerheblich sei, dass sie, die Klägerin, in wenigen Fällen bei den Zahlungen an die L
GmbH von den von der Beklagten zu 1) freigegeben Beträgen abgewichen sei. Die
Differenzen hätten allein buchhalterische Gründe gehabt. Eine sachliche Prüfung habe
sie nicht vorgenommen. Lediglich bei der 15. Abschlagsrechnung sei ihrer Angestellten
U durch einen glücklichen Zufall das Fehlen eines Gewährleistungseinbehaltes
aufgefallen, der jedoch mit der fehlenden Vertragserfüllungsbürgschaft nichts zu tun
habe. Es spiele auch keine Rolle, dass im Rechnungs- und Zahlungsverkehr einzelne
Positionen aufgetaucht seien, die an sich anderen Bauvorhaben zuzurechnen seien.
Die von den Beklagten errechnete Überzahlung von 65.251,26 € beziehe sich allein auf
das streitbefangene Vorhaben. Mit der Überzahlung sei gegen die Beklagten ein
Schadensersatzanspruch entstanden, der nicht dadurch ausgeschlossen sei, dass
gegen die L GmbH Rückzahlungsansprüche bestehen könnten. Dass entgegen dem
Ergebnis der Rechnungsprüfung der Beklagten zu 1) keine Überzahlung erfolgt sei,
müssten die Beklagten darlegen und beweisen.
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Die Beklagten behaupten, den jeweiligen Leistungsstand bei der Prüfung der
Abschlagsrechnungen ordnungsgemäß bewertet zu haben. Die Klägerin habe nicht
dargelegt, inwiefern die Zahlungen unter Berücksichtigung des Bautenstandes und
etwaiger Mängel nicht gerechtfertigt gewesen seien. Die Nachlässe hätten sie auch
nicht auf die Positionen der Abschlagsrechnungen herunter rechnen können, weil die
Abschläge auf eigenen, von der Klägerin bestimmten und nicht immer
nachvollziehbaren Maßstäben beruht hätten. Das Landgericht habe auch damit Recht,
dass die von ihnen durchgeführte Prüfung für die Höhe der von der Klägerin geleisteten
Zahlungen nicht ursächlich sei, wie daraus folge, dass die Zahlungen nicht den
Prüfergebnissen entsprochen hätten. In Höhe eines Betrages von 50.000 €, der für
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Arbeiten im Garten des Zeugen H gezahlt, aber über das streitbefangene Bauvorhaben
abgerechnet worden sei, könne sich die Klägerin ohnehin auf keinen Schaden berufen.
Ein Schaden entstehe bei einer Überzahlung im Übrigen erst, wenn
Rückforderungsansprüche nicht durchgesetzt werden könnten. Dies habe die Klägerin
weiterhin nicht dargelegt. Schließlich treffe die Klägerin ein erhebliches Mitverschulden.
Eine Pflichtverletzung habe das Landgericht richtigerweise auch im Zusammenhang mit
der Vertragserfüllungsbürgschaft verneint. Da – wie unstreitig ist – die L GmbH die
Bürgschaft der Klägerin habe zukommen lassen sollen, habe diese den Eingang zu
überwachen gehabt. Eine Bürgschaft habe die L GmbH zudem nur in Höhe von 10% der
Hauptauftragssumme, also in Höhe von 37.868,28 €, geschuldet. Ein
Nichterfüllungsschaden der Klägerin sei nicht dargetan. Die Klägerin habe die erste
Abschlagsrechnung durch den Bauoberleiter U selbst geprüft.
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Der Senat hat die Zeugen S und U vernommen. Wegen des Inhaltes und des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle nebst
Berichterstattervermerken zu den Senatsterminen vom 24.01.2008 (Bl. 375ff. GA) und
07.08.2008 (Bl. 403ff. GA) verwiesen.
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II.
35
Die zulässige Berufung der Klägerin hat im Wesentlichen Erfolg.
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Die Klage ist bis auf eine Zinsmehrforderung begründet.
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Die Beklagte zu 1) schuldet ihr aus §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB Schadensersatz in
Höhe von 127.595,41 €, weil sie als Architektin die nach dem geschlossenen Vertrag
bestehende Pflicht zur ordnungsgemäßen Rechnungsprüfung schuldhaft verletzt hat.
Die Beklagten zu 2) und 3) haften als Gesellschafter der Beklagten zu 1) entsprechend §
128 HGB für die Verbindlichkeit (s. Palandt-Sprau, 67. Aufl., § 714 Rn. 12).
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1) Aufgrund des Architektenvertrages hatte die Beklagte zu 1) gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 8
HOAI die Bauoberleitung zu übernehmen, zu der die Kostenkontrolle durch Überprüfen
der Leistungsabrechnung der bauausführenden Unternehmen im Vergleich zu den
Vertragspreisen und der fortgeschriebenen Kostenberechnung gehört. Ein Architekt
muss deshalb auch Abschlagsrechnungen daraufhin kontrollieren, ob z.B. die
eingesetzten Preise mit den vereinbarten übereinstimmen, die eingesetzten Mengen mit
den ausgeführten in Einklang stehen und ob Sonderkonditionen und Rabatte
berücksichtigt sind (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 12. Aufl., Rn. 1510; siehe auch
BGH BauR 2002, 1112; BGH BauR 1998, 869; Locher/Koeble/Frik, HOAI, 8. Aufl., § 15
Rn. 192, 219).
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Die Klägerin wirft der Beklagten zu 1) die Vernachlässigung ihrer
Rechnungsprüfungspflicht zu Recht zu zwei Aspekten vor.
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a) Die Beklagte zu 1) ist zum einen bei der Prüfung der Abschlagsrechnungen der L
GmbH von zu hohen Preisen und zu weitgehenden Ausführungsständen ausgegangen.
Dies hat zu einer Überzahlung von 65.251,26 € durch die Klägerin geführt.
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aa) Die Beklagte zu 1) hätte die Abschlagsrechnungen der L GmbH zur Bezahlung
durch die Klägerin nur insoweit freigeben dürfen, wie dies dem jeweils erreichten
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Ausführungsstand und den vereinbarten Preisen entsprach. Wie ihrer eigenen
Schlussrechnungsprüfung vom 21.07.2004 (K7 AnlBd) zu entnehmen ist, die eine
Überzahlung von 65.251,26 € ausweist, ist sie dieser Pflicht nicht umfassend
nachgekommen. Zur geschuldeten Überprüfung der fachlichen und rechnerischen
Richtigkeit der Abschlagsrechnungen gehörte neben der Bewertung des tatsächlichen
Umfangs der von der L GmbH erbrachten Leistungen – anders als das Landgericht
gemeint hat – auch die Berücksichtigung der Preisabsprachen, die Herr H für die
Klägerin mit den Geschäftsführern der L GmbH bei dem sog. Finalgespräch getroffen
hatte. Die im Finalgespräch erzielten Preisveränderungen hätten sich anteilig auf die
Höhe der Abschlagsrechnungen auswirken müssen, so dass die entsprechende
Beachtung der Nachlässe bzw. des für ein Los gewährten Aufschlages ebenfalls eine
Frage der rechnerischen Richtigkeit war. Eine Pflichtverletzung könnte der Beklagten zu
1) insoweit nur dann nicht vorgeworfen werden, wenn sie schuldlos entweder schon
nichts von den Abschlägen wusste oder die Abschläge wegen schuldlos
unzureichender Informationen nicht sachgerecht umsetzen konnte. Beides ist zu
verneinen. Die Klägerin hat der Beklagten zu 1) mit Fax vom 23.01.2002 (K5 AnlBd) das
Schreiben vom 22.01.2002 (K4 AnlBd), in dem die ausgehandelte Gesamtsumme
aufgeschlüsselt nach vier Leistungskomplexen aufgeführt war, zugeleitet. Der Beklagten
zu 1) wäre es daraufhin auch ohne weitere Hinweise problemlos möglich gewesen, der
Rechnungsprüfung die im Finalgespräch vereinbarten Preise zugrundezulegen. Die der
L zustehende Vergütung ergab sich nämlich nicht aus einer detaillierten Neufestsetzung
der zunächst angebotenen Einheitspreise. Vielmehr waren bei der Finalbesprechung
lediglich die von der L GmbH auf der Basis ihrer ursprünglich angebotenen
Einheitspreise ermittelten Gesamtpreise für die drei Lose Lothringer Straße, C-Straße
und Freianlagen (siehe Angebot der L GmbH vom 18.12.2001 im Leitzordner) pauschal
um bestimmte Beträge gekürzt bzw. erhöht worden. Entsprechend der jeweiligen
prozentualen Änderung hätte die Beklagte zu 1) auf der Basis der zu den Losen
zunächst angebotenen Einheitspreise die Ansätze schon bei der Prüfung der
Abschlagsrechnungen kürzen können und müssen, wie sie dies hinsichtlich der
Schlussrechnung später auch praktiziert hat.
bb) Dadurch, dass die Beklagte zu 1) der L GmbH bei der Prüfung der
Abschlagsrechnungen einen zu hohen Ausführungsstand und zu hohe Preise
zugebilligt hat, ist der Klägerin ein Schaden von 65.251,26 € entstanden. Die Klägerin
bezieht sich zur Begründung der Höhe des Betrages im Ergebnis zu Recht auf die diese
Summe ausweisende Schlussrechnungsprüfung, bei der die Beklagte zu 1) eine
Gesamtwerklohnforderung der L GmbH von 410.001,58 € und von der Klägerin gezahlte
Abschläge von 475.252,84 € ermittelt hat. Wenngleich nicht aufgeschlüsselt ist,
inwieweit sich die Differenz anteilig auf die beiden Aspekte Ausführungsstand und
Preise verteilt und welche konkreten Fehler bei der Freigabe der einzelnen
Abschlagsrechnungen gemacht worden sind, steht fest, dass der Fehlbetrag auf
schuldhaft unrichtigen Prüfungen der Beklagten zu 1) beruht. Die Prüfung der
Schlussrechnung ist, wie im Folgenden noch auszuführen ist, korrekt, so dass die
vorausgegangen Prüfungen der Abschlagsrechnungen, die zu den Überzahlungen
geführt haben, in entsprechendem Umfang unrichtig gewesen sein müssen.
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(1) Entsprechend der Schlussrechnungsprüfung der Beklagten zu 1) vom 21.07.2004
(K7 AnlBd) hätten der L GmbH Abschläge nur in Höhe von 410.001,58 € zugestanden.
Die Beklagten stellen die Richtigkeit dieses Betrages nicht nachvollziehbar in Frage.
Sie haben nicht darlegen können, weshalb und an welchem Punkt die eigene
Berechnung unrichtig sein soll. Insbesondere haben sie nicht geltend gemacht, die in
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der Schlussrechnung von der L GmbH angesetzten Einheitspreise in der von der
Beklagten zu 1) nur an wenigen Positionen geänderten Höhe sowie die wegen des
Ergebnisses der Finalbesprechung bei der Prüfung vorgenommenen pauschalen
Abschläge seien unrichtig. Auch den bei der Schlussrechnungsprüfung zugrunde
gelegten Bautenstand stellen sie nicht nachvollziehbar in Frage. Insoweit berufen sie
sich zwar darauf, dass die L GmbH den Ausführungsstand in der Schlussrechnung
teilweise pauschal mit einem bestimmten Anteil angegeben und die Beklagte zu 1)
diesen Anteil teilweise ebenfalls nur pauschal nach unten korrigiert habe, wobei ein
gewisser Toleranzrahmen bestanden habe, der nunmehr bei der Bemessung eines
gegen sie gerichteten Schadensersatzanspruches zu berücksichtigen sei. Aus ihrem
Vortrag folgt jedoch nicht, dass die Beklagte zu 1) unangemessen hohe Kürzungen
vorgenommen hat, die zu Nachforderungen der L GmbH hätten führen müssen.
Vielmehr kann auch ihren Darlegungen nicht entnommen werden, dass sich die
Beklagte zu 1) bei der Schlussrechnungsprüfung außerhalb des vertretbaren Rahmens
bewegt hat. Die bei der Schlussrechnungsprüfung erfolgte Interessenwahrung der
Klägerin wäre auch schon bei der Prüfung der Abschlagsrechnungen angezeigt
gewesen, so dass die Beklagte zu 1) nur insgesamt 410.001,58 € hätte freigeben dürfen.
(2) Die Klägerin hat in Ausführung der ihr vom Senat mit Beschluss vom 24.01.2008
erteilten Auflage inzwischen im Einzelnen dargelegt und durch die Zeugin U bewiesen,
dass sie auf die 15 Abschlagsrechnungen Leistungen in einer Gesamthöhe von
475.252,84 € erbracht hat (siehe Aufstellung A 16 im violetten AnlBd zum Schriftsatz
vom 18.02.2008), wovon auch die Beklagte zu 1) bei der Schlussrechnungsprüfung vom
21.07.2004 ausgegangen ist (K7 im grünen AnlBd). Soweit die Klägerin zunächst in der
Summe und hinsichtlich mehrerer Einzelpositionen abweichende Beträge vorgetragen
hat, sind die Differenzen nunmehr geklärt. Die Höhe der erbrachten Zahlungen weicht
zwar zu den Abschlagsrechnungen 8, 9, 10, 11, 14 und 15 nominell von den Beträgen
ab, die die Beklagte zu 1) bei der Schlussrechnungsprüfung als Leistungen auf diese
Rechnungen in Ansatz gebracht hat. Die Abweichungen beruhen jedoch allein darauf,
dass die Buchhalterin der Klägerin, die Zeugin U, die Zahlungen mit Zahlungen für
andere hier nicht relevante Arbeiten der L GmbH verbunden hat bzw. andere
buchhalterische Umstände berücksichtigt hat, so dass es im Ergebnis dabei verbleibt,
dass sich die auf die 15 Abschlagsrechnungen entfallenden Zahlungen auf 475.252,84
€ belaufen. Im Einzelnen beruhen die Differenzen zwischen den tatsächlichen
Zahlbeträgen und den auf die Abschlagsrechnungen 8, 9, 10, 11, 14 und 15 erbrachten
Leistungen auf folgenden Gründen:
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Abschlagsrechnung 8 Die Abschlagsrechnung 8, die über 23.865,82 € lautete, ist
entgegen der Rechnungsprüfung der Beklagten zu 1) – wohl wegen eines Versehens
bei der Klägerin – zunächst nicht nur in Höhe von 14.057,51 €, sondern in voller Höhe
bezahlt worden, so dass es zu einer Überzahlung von 9.808,31 € gekommen ist.
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Da die Klägerin, wie mit Schriftsatz vom 18.02.2008 dargelegt worden ist, den
Differenzbetrag später in Höhe von 7.670,81 € auf eine andere hier nicht interessierende
Rechnung verrechnet und den verbleibenden Betrag von 2.137,50 € zur Bezahlung der
Abschlagsrechnung 10 verwandt hat, hat sie den auf die Abschlagsrechnung 8
gezahlten Betrag zu Recht nur in Höhe von 14.057,51 € + 2.137,50 € = 16.195,01 € in
ihre Berechnung der an die L GmbH für die Erschließungsmaßnahmen gezahlten
Abschläge eingestellt.
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Abschlagsrechnung 9 Die Klägerin setzt insoweit eine von ihr ausgeglichene Summe
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von 56.437,30 € an, deren Höhe der Rechnungsprüfung der Beklagten zu 1) entspricht.
Tatsächlich sind 58.095,34 € gezahlt worden, die sich folgendermaßen
zusammensetzen:
56.437,30 € geprüfte Rechnung - 1.693,12 € abgezogener Skontobetrag + 3.351,16 €
Zahlung auf anderweitige hier nicht relevante Re ##### 58.095,34 €
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Die Berechnung der Klägerin ist somit korrekt.
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Abschlagsrechnung 10 Die Klägerin setzt insoweit einen Betrag von 40.190,38 € an, der
sich wie folgt zusammensetzt:
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36.847,16 € Zahlbetrag + 1.205,72 € Skonto + 2.137,50 € Verrechnung mit Überzahlung
aus AR 1 (siehe oben) 40.190,38 €
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Die ausgeglichenen Rechnungsforderungen von 40.190,38 € ergeben sich ihrerseits
nachvollziehbar aus folgender Berechnung:
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88.956,87 € Rechnungsprüfung der Beklagten zu 1) + 7.670,81 € Forderung aus nicht
relevanter Re ##### - 56.437,30 € von Bekl. zu 1) bei der Prüfung unbeachtete Zahlung
AR9 40.190,38 €
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Abschlagsrechnung 11 Die von der Beklagten zu 1) nach Prüfung in Höhe von
49.258,45 € für berechtigt gehaltene Rechnung hat die Zeugin U nach buchhalterischer
Richtigstellung der zuvor bereits geleisteten Abschläge auf 43.032,40 € korrigiert (s.
letzte Seite Anlage A 16 Nr. 11 im violetten AnlBd). Dieser Betrag ist gezahlt worden,
ohne dass ein Fehler zum Nachteil der Beklagten zu erkennen ist.
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Abschlagsrechnung 14 Insoweit hat die Klägerin 34.140,65 € gezahlt, geht in ihrer
Berechnung jedoch zu Recht davon aus, die Rechnung der L GmbH in Höhe des
geprüften Betrages von 35.196,55 € ausgeglichen zu haben. Bei der Differenz handelt
es sich um Skonto.
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Abschlagsrechnung 15 Von der von der Beklagten zu 1) auf 50.159,06 € geprüften
Rechnung hat die Zeugin U einen Gewährleistungseinbehalt von 25.013,31 €
vorgenommen. Außerdem hat sie berücksichtigt, dass der Ausgleich der
Abschlagsrechnung 14 nicht nur mit dem nominellen Zahlbetrag, sondern einschließlich
Skonto anzusetzen war. Zieht man die beiden Beträge von 25.013,31 €
(Gewährleistungseinbehalt) und 1.055,90 € (Skonto auf Abschlagsrechnung 14) ab,
ergibt sich der gezahlte Differenzbetrag von 24.089,85 €. Auch das lässt keinen Fehler
zum Nachteil der Beklagten erkennen.
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Die Zeugin U hat bei ihrer Vernehmung durch den Senat glaubhaft bestätigt, dass die
nominellen Abweichungen zwischen den tatsächlichen Zahlungen und den auf die
Abschlagsrechnungen anrechenbaren Leistungen der Klägerin auf den oben
dargestellten Umständen beruhen. Die entsprechenden Darlegungen im Schriftsatz der
Klägerin vom 18.02.2008 beruhen auf von ihr nach Überprüfung der
Buchhaltungsunterlagen erteilten Informationen. Da die Angaben schlüssig und ohne
Weiteres nachvollziehbar sind, besteht kein Anlass, an ihrer Richtigkeit zu zweifeln.
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(3) Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist unerheblich, dass in der von der
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Beklagten zu 1) geprüften Schlussrechnung ein Betrag von 56.056,97 € enthalten ist
(siehe Seiten 13, 16 K7 grüner AnlBd), der sich, wie der Zeuge S bei seiner
Vernehmung durch den Senat bestätigt hat, nicht auf das hier maßgebliche
Bauvorhaben bezieht, sondern eine private Maßnahme des Herrn H betrifft. Der Senat
kann offen lassen, ob die von Herrn H gewünschte Abrechnung von privaten
Verbindlichkeiten über eine der Klägerin erstellte Rechnung steuerrechtlich oder wegen
eines auf Kosten der Klägerin eingetretenen persönlichen Vorteils gesellschaftsrechtlich
etc. bedenklich ist. Für die Frage, inwieweit die Beklagte zu 1) ihre
Rechnungsprüfungspflicht verletzt hat, ist der Umstand ohne Bedeutung, weil sie den
Betrag ergebnisneutral sowohl auf der Seite der von der L GmbH erbrachten Leistungen
als auch auf der Seite der von der Klägerin geleisteten Zahlungen berücksichtigt hat.
(4) Da die mit Schriftsatz vom 18.02.2008 erfolgte Erläuterung der Klägerin und die
Vernehmung der Zeugin U ergeben hat, dass sich die Klägerin bei der Zahlung der
Abschläge an den von der Beklagten zu 1) bei den Rechnungsprüfungen freigegebenen
Beträgen orientiert hat und nominelle Abweichungen allein auf den oben beschriebenen
buchhalterischen Gründen, nicht jedoch auf einer von der Klägerin durchgeführten
nochmaligen Bewertung des Bautenstandes und der der L GmbH für die ausgeführten
Leistungen zustehenden Vergütung beruhten, waren die der Beklagten zu 1)
unterlaufenen Fehler für die Überzahlung von 65.251,26 € ursächlich.
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(5) Dem daraus folgenden Schadensersatzanspruch der Klägerin steht nicht entgegen,
dass die Klägerin im Insolvenzverfahren der L GmbH möglicherweise Forderungen auf
Rückzahlung überzahlten Werklohns durchsetzen könnte. Der Vermögensschaden der
Klägerin ist zunächst unmittelbar durch die Überzahlung eingetreten. Der für eine
Überzahlung verantwortliche Architekt hat einen solchen Schaden grundsätzlich
auszugleichen (siehe z.B. Werner/Pastor, a.a.O., Rn. 1510 Fußnote 317; Berding BauR
2007, 473; Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, 5. Aufl. Rn. 725). Aus § 255 BGB
folgt, dass der Geschädigte vom Schädiger in der Regel auch dann vollen Wertersatz
verlangen kann, wenn ihm zugleich ein Dritter Herausgabe oder Rückgewähr schuldet
(Palandt-Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 255 Rnrn. 1f.). Soweit in Literatur und
Rechtsprechung teilweise – eventuell einschränkend gemeint – ausgeführt wird, ein
Schadensersatzanspruch gegen den Architekten bestehe dann, wenn ein
Rückzahlungsanspruch gegen den überzahlten Unternehmer nicht realisiert werden
könne (siehe Locher/Koeble/Frik, HOAI, § 15 Rn. 219; Kniffka/Koeble, Kompendium des
Baurechts, 2. Aufl., 12. Teil Rn. 430; KG BauR 2006, 400; OLG Celle BauR 2000, 1897),
kann unter dem Aspekt der Rückforderbarkeit vom Unternehmer ein Anspruch gegen
den Rechnungsprüfer nach Auffassung des Senats aber allenfalls dann verneint
werden, wenn die Abrechnung des Bauvorhabens und der Abschlagszahlungen
zwischen Unternehmer und Auftraggeber problemlos erfolgen kann, nicht jedoch, wenn
– wie hier – etwaige Rückzahlungsanspruche wegen einer inzwischen eingetretenen
Insolvenz des Unternehmers allenfalls noch im Insolvenzverfahren verfolgt werden
können.
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Wenngleich die Klägerin auf Seite 6 ihres Schriftsatzes vom 11.11.2005 (Bl. 161 GA) die
Abtretung eines ihr gegenüber dem Insolvenzverwalter der L GmbH zustehenden
Rückforderungsanspruches angeboten hat, haben die Beklagten ein
Zurückbehaltungsrecht nach §§ 255, 273 BGB nicht erhoben, so dass sie
einschränkungslos zur Zahlung zu verurteilen waren.
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cc) Der gegen die Beklagten gerichtete Anspruch der Klägerin auf Erstattung der an die
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L GmbH in Höhe von 65.251,26 € erbrachten Überzahlung ist nicht gemäß § 254 Abs. 1
BGB wegen eines Mitverschuldens der Klägerin zu kürzen. Ein Mitverschulden ist nicht
ersichtlich. Die Klägerin konnte sich auf die Richtigkeit der der Beklagten zu 1)
übertragenen Rechnungsprüfung verlassen, ohne diese noch einmal kontrollieren zu
müssen. Ein Mitverschulden käme insoweit allenfalls in Betracht, wenn sie aufgrund
besonderer Umstände hätte erkennen müssen, dass die Prüfung der Beklagten zu 1)
unzureichend war und von dieser freigegebene Beträge wegen offenbarer Rückstände
oder Mängel bzw. unrichtiger Preisansätze nicht berechtigt waren (siehe BGH BauR
2002, 1112). Dafür liegen keine Anhaltspunkte vor.
b) Desweiteren steht der Klägerin ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 62.344,15
€ zu, weil die Beklagte zu 1) bei der Rechnungsprüfung einen Abzug von 10% wegen
der von der L GmbH nicht geleisteten Vertragserfüllungsbürgschaft versäumt hat.
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aa) Auch insoweit ist der Beklagten zu 1) entgegen der Meinung des Landgerichts eine
schuldhafte Pflichtverletzung unterlaufen. Dabei kann offen bleiben, ob der Architekt bei
der Rechnungsprüfung generell eine Klausel über eine Vertragserfüllungsbürgschaft
und die Folgen einer ausbleibenden Vorlage einer solchen Bürgschaft beachten muss.
Eine Pflicht zur Nachfrage ist zweifelhaft, wenn die vertragliche Gestaltung ohne seine
Mitwirkung zustande gekommen ist und er mit einer solchen Vereinbarung nicht rechnen
muss. Hier ist der Vertrag jedoch von der Beklagten zu 1) entworfen und bis auf die
endgültige Höhe des Werklohns und einen zusätzlich beauftragten Komplex auch mit
der L GmbH verhandelt worden. Unter diesen Umständen musste die Beklagte zu 1)
davon ausgehen, dass die Regelung zur Vertragserfüllungsbürgschaft gemäß ihrem
Entwurf Vertragsbestandteil geworden war. Wenngleich die Bürgschaft nicht ihr,
sondern der Klägerin vorzulegen war, durfte sie sich angesichts der ihr umfassend
übertragenen Rechnungsprüfung nicht darauf verlassen, die Bürgschaft sei fristgerecht
gestellt, falls sie von der Klägerin von der Angelegenheit nichts mehr hörte. Vielmehr
hätte sie sich erkundigen müssen, bevor sie Zahlungen freigab.
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bb) Die Beklagten können sich in diesem Zusammenhang auch nicht mit Erfolg darauf
berufen, die beiden ersten Abschlagsrechnungen seien ohne ihre Mitwirkung durch
einen Herrn U geprüft worden. Wie aus dem Prüfvermerk vom 22.05.02 folgt, gilt das
zumindest für die 2. Abschlagsrechnung (K13, Bl. 106f. GA) nicht (anders eventuell 1.
Abschlagsrechnung, s. K12, Bl. 104f. GA). Im Übrigen hätte die Beklagte zu 1) jedenfalls
zu Beginn ihrer Prüfungstätigkeit nachfragen müssen, damit ein eventuell unterbliebener
Einbehalt noch hätte nachgeholt werden können.
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cc) Weiterhin berufen sich die Beklagten zu Unrecht darauf, der Einbehalt von 10% hätte
nur von der Auftragssumme des Hauptvertrages vorgenommen werden dürfen. Vielmehr
bezieht sich die Klausel ausdrücklich auch auf Nachträge (s. K2 AnlBd). Ein
Gesamtauftragsumfang von 623.441,58 € ist unstreitig, so dass sich der
zurückzubehaltende Betrag auf 62.344,15 € hätte belaufen müssen.
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dd) Diesen Betrag müssen die Beklagten der Klägerin zunächst einmal zahlen, um der
Klägerin die Vermögenssituation zu verschaffen, in der sie sich befände, wenn der
Betrag nicht an die L GmbH geleistet worden wäre. Wäre der Betrag einbehalten
worden, hätte es sich um eine Sicherheit für den Fall einer fehlenden Vertragserfüllung
durch die L GmbH gehandelt, die im Sicherungsfalle nur in Höhe eines der Klägerin
entstehenden Nichterfüllungsschadens hätte verwertet werden können. Dies ist im
Rahmen des gegen die Beklagten gerichteten Schadensersatzanspruches zu
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berücksichtigen und führt dazu, dass die Beklagten der Klägerin den Betrag – ähnlich
wie einen Mangelbeseitigungsvorschuss – vorläufig zur Verfügung stellen müssen und
dass die Klägerin über den Betrag abrechnen muss, sobald sie den Schaden, den sie
durch den Abbruch der Arbeiten durch die L GmbH erlitten hat, beziffern kann. Eine
solche Abrechnung ist zurzeit noch nicht abschließend möglich, weil die Klägerin mit
der Nachfolgeunternehmerin, der T2 GmbH, über einzelne Positionen der
zwischenzeitlich erstellten Schlussrechnung streitet. Auch die Beklagten wenden bisher
nicht nachvollziehbar ein, dass die Klägerin den ihr durch den Abbruch der Arbeiten der
L GmbH entstanden Nichterfüllungsschaden beziffern könne, obwohl sie das
Bauvorhaben weiter betreuen.
ee) Die Klägerin muss sich gemäß § 254 Abs. 1 BGB auch kein Mitverschulden
anrechnen lassen, weil sie die von der Beklagten zu 1) freigegebenen
Abschlagsbeträge an die L GmbH ausbezahlt hat, ohne zuvor selbst noch einmal zu
überprüfen, ob wegen einer ausstehenden Vertragserfüllungsbürgschaft ein Einbehalt
möglich gewesen wäre. Zwar kann im Einzelfall die Annahme eines Mitverschuldens
gerechtfertigt sein, wenn sich der Bauherr trotz ihm aufgrund der Umstände erkennbarer
Unrichtigkeiten oder Unvollständigkeiten auf die Rechnungsprüfung des Architekten
verlässt (siehe BGH BauR 1998, 869; BGH BauR 2002, 1112). Bei der Beurteilung der
beiderseitigen Verantwortungsbereiche ist jedoch von der vertraglichen
Aufgabenverteilung auszugehen. Soweit eine Aufgabe dem Architekten zugewiesen ist,
darf sich der Auftraggeber in der Regel auf die Richtigkeit ihm übermittelter
Prüfungsergebnisse verlassen. Ihn trifft gegenüber dem Architekten grundsätzlich keine
Obliegenheit, dessen Tätigkeit auf Fehler zu überprüfen. Wie die Erörterungen mit den
Parteien im letzten Senatstermin noch einmal gezeigt haben, beruhten die Bedingungen
des zwischen der Klägerin und der L GmbH geschlossenen Vertrages nach dem
unstreitigen Vortrag beider Parteien auf einem allein von der Beklagten zu 1)
ausgearbeiteten Vertragsentwurf. Dies gilt auch für die Pflicht der L GmbH zur Stellung
einer Vertragserfüllungsbürgschaft und das Recht eines Einbehaltes von Werklohn für
den Fall, dass die Bürgschaft nicht gestellt würde. Zudem befand sich das Vertragswerk
bei der Beklagten zu 1). Streitig ist lediglich, ob und wann sie der Klägerin Unterlagen
zugänglich gemacht hat. Unabhängig davon war es nach der vereinbarten
Aufgabenverteilung aber allein Sache der Beklagten zu 1), die Rechnungsprüfung
sachgerecht durchzuführen und dabei alle für die Höhe der zu zahlenden Abschläge
maßgeblichen Umstände zu beachten. Die Klägerin durfte sich darauf beschränken, die
freigegebenen Beträge durch die Zeugin U buchhalterisch zu überprüfen, ohne dabei zu
kontrollieren, ob das Vertragswerk weitere Kürzungen zuließ. Daran änderte nichts,
dass die L GmbH die Vertragserfüllungsbürgschaft direkt der Klägerin zuleiten sollte. Da
auch dies auf dem Vertragsentwurf der Beklagten zu 1) beruhte und sie nach den
Umständen den Überblick über das gesamte Vertragswerk zu behalten hatte, hätte sie
die Klägerin darauf hinweisen müssen, Informationen über den Eingang der
Vertragserfüllungsbürgschaft im Hinblick auf die Rechnungsprüfung zu benötigen. Der
Klägerin oblag gegenüber der Beklagten zu 1) nicht die Pflicht, den Vertrag zur
Aufdeckung der Relevanz des Problems zu studieren und die Beklagte zu 1)
anschließend von sich aus über die fehlende Vertragserfüllungsbürgschaft zu
unterrichten.
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Zwar hat die Klägerin hinsichtlich eines anderen Aspektes von sich aus eine sachliche
Prüfung vorgenommen, indem sie auf Initiative der Zeugin U von der 15.
Abschlagsrechnung einen Gewährleistungseinbehalt vorgenommen hat. Daraus kann
jedoch nicht gefolgert werden, dass die Beklagte zu 1) annehmen konnte, bei der
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Klägerin würden allgemein mögliche Einbehalte auch wegen einer fehlenden
Nichterfüllungsbürgschaft beachtet. Vielmehr entsprach es der Übung der Parteien,
dass die Klägerin der Beklagten zu 1) die vertragsgemäße Abwicklung des
Bauvorhabens unter Berücksichtigung der vereinbarten Vertragsklauseln überlassen
hatte. Die Zeugin U hat, wie sie im Senatstermin ausgesagt hat, den
Gewährleistungseinbehalt auch nur deshalb veranlasst, weil er nach ihrer Erfahrung im
Falle einer Schlussrechnung, als die die 15. Abschlagsrechnung zunächst bezeichnet
war, allgemein üblich war.
2) Die Klägerin kann gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.11.2004 verlangen, weil
sie die Zahlung mit Schriftsatz vom 03.11.2004 (K9 AnlBd) unter Fristsetzung bis zum
15.11.2004 angemahnt hat. Soweit sie darüberhinaus Zinsen in Höhe von acht
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verlangt, ist die Klage abzuweisen, weil es sich
bei dem geltend gemachten Schadensersatz nicht um eine Entgeltforderung i.S.v. § 288
Abs. 2 BGB handelt.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die
Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht
vor.
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