Urteil des OLG Hamm vom 17.11.1998
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Oberlandesgericht Hamm, 2 WF 415/98
Datum:
17.11.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 WF 415/98
Vorinstanz:
Amtsgericht Essen, 108 a F 114/98
Tenor:
Auf die Beschwerde des Kindesvaters wird der Beschluß des
Amtsgerichts - Familiengericht - Essen vom 27.08.1998 ab-geändert.
Dem Kindesvater wird im Rahmen der bewilligten Prozeßkostenhilfe
Rechtsanwalt Margraf in Bottrop beige-ordnet.
G r ü n d e :
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Die gem. § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde des Kindesvaters gegen die
Ablehnung der Beiordnung eines Rechtsanwalts gem. § 121 Abs. 2 ZPO ist begründet.
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Die Begründung der angefochtenen Entscheidung entspricht zwar der bisherigen
ständigen Rechtsprechung des Senats (FamRZ 1984, 1245; 1990, 896). Diese kann
jedoch nach der gesetzlichen Neuregelung der elterlichen Sorge durch das
Kindschaftsreformgesetz (KindRG) vom 16.12.1997 nicht mehr uneingeschränkt
aufrechterhalten werden. Die bisherige restriktive Handhabung der Anwaltsbeiordnung
in Sorge- und Umgangsverfahren beruhte darauf, daß z.B. häufig für die Trennungszeit
Sorgeregelungen nach § 1672 BGB a.F. beantragt wurden, obwohl in der Frage, wer
das Kind zu betreuen und zu versorgen hatte, kein oder kein erheblicher Streit zwischen
den Eltern bestand. Bei einer solchen einfachen Sachlage erschien, soweit nicht bereits
ein Regelungsbedürfnis verneint wurde, die Beiordnung eines Rechtsanwalts zur
Wahrnehmung der Interessen der Eltern nicht erforderlich, zumal in jedem Fall aufgrund
des sogenannten Zwangsverbundes gem. § 623 Abs. 3 ZPO a.F. eine gerichtliche
Regelung im Scheidungsverbundurteil erfolgte. Durch das KindRG ist nicht nur der
Zwangsverbund entfallen, sondern auch die Regelung des § 1672 BGB a.F. Nunmehr
ist weder im Zeitpunkt der Trennung noch der Scheidung eine gerichtliche
Sorgeregelung erforderlich, soweit sie nicht ausdrücklich zumindest von einem Elternteil
gewünscht wird. Ist dies nicht der Fall, so verbleibt es bei der gemeinsamen elterlichen
Sorge mit den in § 1687 BGB geregelten Befugnissen der Eltern. Abweichend von
diesem Regelfall kann gem. § 1671 BGB n.F. ein Elternteil die Übertragung der
elterlichen Sorge auf sich allein beantragen. Eine antragsgemäße Entscheidung setzt
voraus, daß entweder der andere Elternteil dem Antrag zustimmt, d.h. bezüglich der
elterlichen Sorge Einvernehmen zwischen den Eltern besteht, oder das Familiengericht
feststellt, daß die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und die Übertragung
auf den antragstellenden Elternteil allein dem Kindeswohl am besten entspricht. Wird
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eine solche Regelung vom Familiengericht vorgenommen, so ist sie zeitlich
unbeschränkt mit der Folge, daß sie nur unter den Voraussetzungen des § 1696 BGB
abgeändert werden kann. Eine zeitlich beschränkte Sorgeregelung wie in § 1672 BGB
a.F. sieht das Gesetz nicht mehr vor. Da somit der in Zukunft im isolierten
Sorgerechtsverfahren getroffenen Regelung in ihrer Auswirkung eine sehr viel größere
Bedeutung zukommt als bisher, wo im isolierten Verfahren allein eine Entscheidung
nach § 1672 BGB getroffen werden konnte, ist es nicht mehr gerechtfertigt, die bisherige
Rechtsprechung des Senats, von einer Anwaltsbeiordnung nach § 121 Abs. 2 ZPO
grundsätzlich abzusehen, uneingeschränkt weiterhin anzuwenden. Vielmehr wird im
Regelfall für Verfahren, die einen Antrag nach § 1671 BGB betreffen, die Beiordnung
eines Rechtsanwalts erforderlich sein. Dies gilt insbesondere für den vorliegenden Fall,
in welchem beide Eltern die Übertragung der elterlichen Sorge auf sich allein
beantragen. Der Umstand, daß sie - offensichtlich noch von dem früheren
Rechtszustand ausgehend - lediglich die Übertragung der elterlichen Sorge für die
Dauer des Getrenntlebens jeweils auf sich beantragt haben, steht dem nicht entgegen,
da das Familiengericht gehalten ist, die Verfahrensbeteiligten auf die neue Rechtslage
hinzuweisen und auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken. Das
Familiengericht ist aber keineswegs gehalten, sofort über die Anträge zu entscheiden
und eine endgültige Sorgeregelung zu treffen. Vielmehr ist unter dem Aspekt der
Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in das Elternrecht zunächst zu prüfen, ob nicht eine
Übertragung lediglich des Aufenthaltsbestimmungsrechts, ggf. zunächst im Wege einer
vorläufigen Anordnung, verbunden mit einer Aussetzung des Verfahrens nach § 52 Abs.
2 FGG, ausreicht, um eine dem Kindeswohl entsprechende Regelung zu treffen. Auf
diese Weise wird die Möglichkeit offengehalten, im zeitlichen Abstand zu der Trennung
und den damit verbundenen Auseinandersetzungen und Spannungen eine
einvernehmliche Regelung der Eltern zu erreichen, die häufig dem Kindeswohl besser
gerecht wird als eine gerichtliche Entscheidung.