Urteil des OLG Hamm vom 31.05.2007

OLG Hamm: angemessene frist, nachfrist, verzug, treu und glauben, gespräch, angemessenheit, positive vertragsverletzung, materielle rechtskraft, geschäftsführer, anfang

Oberlandesgericht Hamm, 24 U 150/04
Datum:
31.05.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
24 U 150/04
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 14 O 113/04
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 5.11.2004 verkündete Urteil
der
14. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten
der Streithelfer des Beklagten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht der Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe:
1
A.
2
Die Klägerin begehrt vom Beklagten Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines
Bauträgervertrags. Zur Begründung stützt sie sich auf die Entscheidung des OLG
Stuttgart vom 26.04.2001 (19 U 217/00 = BauR 2003, 108) in dem Vorprozess
umgekehrten Rubrums, durch das eine Klage des jetzigen Beklagten abgewiesen
wurde. Der BGH hat die Revision durch Beschluss vom 2.05.2002 (VII ZR 199/01) nicht
angenommen.
3
Die Klägerin schloss am 11.03.1995 mit dem Beklagten einen Bauträgervertrag, in dem
sie sich verpflichtete, am Elbufer in Dresden, G-Strasse, ein Wohngebäude mit 19
Wohnungen und einem Atelierhaus mit weiteren 3 Wohnungen, sowie einer Tiefgarage
zu errichten. Der Beklagte erwarb die noch zu bildenden Wohnungseigentumsrechte an
den Wohnungen Nr. 12 und Nr. 13, die zu einer Wohneinheit zusammengefasst wurden,
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mit dem Abstellraum Nr. 10 sowie den Sondernutzungsrechten an den Stellplätzen Nr. 9
und Nr. 10 in der Tiefgarage. Er zahlte die von ihm geschuldete Vergütung in Höhe von
1,3 Mio. DM am 11.05.1995 gegen Stellung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern.
Die Klägerin verpflichtete sich in § 3 Nr. 6 des notariellen Vertrags, den
Vertragsgegenstand bis zum 30.06.1996 bezugsfertig zu errichten. Wenn
Außenarbeiten, jahreszeitlich bedingt, nicht bis zur Bezugsfertigkeit ausgeführt werden,
hatte der Verkäufer diese nach der vertraglichen Vereinbarung zu geeigneter Zeit
unverzüglich zu erbringen.
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Die Wohnung sollte von der Familie des Sohns des Beklagten, der bis dahin mit seiner
Frau und den Kindern in einer beengten Wohnung wohnte, am 1.07.1996 bezogen
werden. Er sollte in Dresden eine Niederlassung des Familienunternehmens aufbauen
und leiten.
6
Der Baubeginn erfolgte nicht, wie vorgesehen, am 1.06.1995, sondern erst am 1.09.
1995, weil die von der Klägerin am 26.04.1995 beantragte Baumfällgenehmigung
wegen gefährdeter Vogelarten erst nach dem Ende der Brutzeit am 28.08.1995 erteilt
wurde. Eine weitere Verzögerung der Baumaßnahme wurde von der Klägerin auf den
außergewöhnlich strengen Winter 1995/1996 zurückgeführt.
7
Die Klägerin erstellte am 29.04.1996 einen Bauzeitenplan, in dem sie vom März 1996
bis zum 7.02.1997 eine restliche Bauzeit von 11 Monaten vorgesehen hatte. Es ist nicht
ersichtlich, dass sie den Bauzeitenplan dem Beklagten übermittelt hat. Aus dem
Anwaltsschreiben des Beklagten vom 15.10.1996 (Bl. 201 d.A.) ergibt sich, dass sie
dem Beklagten mitgeteilt hat, dass sich eine Verzögerung von 4 Monaten ergeben
werde. Der Beklagte bat die Klägerin in dem Schreiben vom 15.10. 1996, bis zum
Ablauf jener Frist, dem 31.10.1996 (30.06. zzgl. 4 Monate), nachvollziehbar darzulegen,
warum weder der 30.06.1996 noch der 31.10.1996 als Fertigstellungstermin eingehalten
werden konnten. Der Sohn des Beklagten erkundigte sich am 23.10. 1996 auf der
Baustelle nach dem frühestmöglichen Fertigstellungstermin.
8
Die Klägerin ließ das Schreiben durch ihren Gesellschafter, den Architekten F, mit
Schreiben vom 31.10.1996 (Bl. 203 d.A.) beantworten, der einen Verzug der Klägerin
einräumte und die Bezugsfertigkeit für Ende Februar 1997 in Aussicht stellte.
9
Der Beklagte antwortete mit Anwaltsschreiben vom 4.11.1996 (Bl. 222 d.A.), dass es
ihm nicht zuzumuten sei, bis Ende Februar auf die Bezugsfertigkeit der Wohnung zu
warten und er setzte der Klägerin eine Frist zur Fertigstellung der Wohnung bis zum
30.11.1996, verbunden mit einer Ablehnungsandrohung.
10
Am 13.11.1995 befand sich der Sohn des Beklagten auf einer Geschäftsreise in
Süddeutschland. Der Geschäftsführer T der Klägerin und ihr Architekt F nutzten diese
Gelegenheit, um ihn im Flughafen G zu treffen und ihn um eine Fristverlängerung zu
bitten, die der Sohn des Beklagten ihnen nicht gewährte. Wegen der Einzelheiten des
streitigen Inhalts des Gesprächs wird auf den Berichterstattervermerk bezüglich der
Beweisaufnahme vom 15.03.2007 verwiesen.
11
Die Klägerin räumt ein, dass sie ab dem 30.11.1996, dem Ablauf der ihr gesetzten Frist,
keine gesteigerten Anstrengungen zur Herbeiführung der Bezugsfertigkeit unternommen
hat. Mit Anwaltsschreiben vom 2.12.1996 (Bl. 218 d.A.) nahm sie zu dem Schreiben der
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Streithelfer des Beklagten vom 4.11.1996 Stellung. Im Widerspruch zu dem Schreiben
des Architekten F vom 31.10.1996 vertrat sie die Auffassung, dass sie die
Bauzeitverzögerung nicht zu vertreten habe, was sie ausführlich begründete.
Abschließend berief sie sich in dem Schreiben darauf, dass sie sich bis zum 31.01.1997
nicht in Verzug befände. Danach bedürfe es einer angemessenen Nachfrist, damit der
Beklagte Rechte aus § 326 BGB geltend machen könne. Eine angemessene
Nachfristsetzung sei in dem Schreiben vom 4.11.1996 nicht enthalten. Die Klägerin wies
deshalb Ansprüche zurück und erklärte, dass sie ihrerseits auf Erfüllung des Vertrages
bestehe. Ein Hinweis auf das Gespräch vom 13.11.1995 mit dem Sohn des Beklagten
findet sich in diesem Schreiben nicht.
Auf dieses Schreiben hin erläuterten die Streithelfer des Beklagten mit Schreiben vom
5.12.1996 ausführlich, warum die Klägerin nach seiner Auffassung die
Bauzeitverzögerung zu vertreten habe, dass der strenge Winter 1995/1996 nur zu einer
Bauzeitverlängerung bis zum 20.07.1996 habe führen können und dass es für den
Beklagten nicht erkennbar sei, warum sich eine Verlängerung bis zum 31.01.1997
ergeben solle. Sie verwiesen darauf, dass sie die Frist für angemessen hielten und
gaben der Klägerin eine letzte Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 15.12.1996.
Davon machte sie keinen Gebrauch.
13
Mit Anwaltsschreiben vom 6.01.1997 forderte der Beklagte die Kreissparkasse S auf,
den Betrag in Höhe von 1,3 Mio. DM, für dessen Rückzahlung sie sich verbürgt hatte,
bis zum 21.01.1997 an ihn zu zahlen. Von diesem Schreiben hat die Klägerin am
15.01.1997 Kenntnis erlangt. Die Kreissparkasse S zahlte am 28.01. 1997 an den
Beklagten 1.186.950 DM auf die von ihm geforderte Bürgschaftssumme.
14
Mit Anwaltsschreiben vom 27.01.1997 wies der Prozessbevollmächtigte der Klägerin
die Streithelfer des Beklagten darauf hin, dass die Parteien untereinander über
Lösungsmöglichkeiten diskutierten. Mit Schreiben vom 28.02. und 18.03.1997 richtete
die Klägerin Zahlungsaufforderungen an den Beklagten. Dem letztgenannten Schreiben
fügte sie eine Bürgschaftsurkunde über 975.000 DM bei.
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Die Klägerin schaltete um die Jahreswende 1996/97 verschiedene Maklerfirmen ein, um
die vom Beklagten erworbene Wohnung anderweitig zu verkaufen. Am 25.03.97 führte
sie ein erstes Verkaufsgespräch mit der Zeugin N2, die die Wohnungen sodann am
17.07.1997 gekauft hat (Bl. 18 ff d.A.). Diese hatte sich schon zu einer Zeit für eine
Wohnung in dem Bauvorhaben interessiert, als alle Wohnungen verkauft waren.
16
Im Mai 1997 war das Gebäude noch eingerüstet, weil der Wärmedämmputz angebracht
wurde.
17
Der Beklagte hat am 14.07.1997 vor dem Landgericht Rottweil (2 O 677/97) Klage auf
Schadensersatz in Höhe von 678.966,13 DM erhoben. Die Klägerin verteidigte sich in
jenem Prozess in gleicher Weise wie in ihrem Schreiben vom 2.12.1996 damit, dass sie
sich nicht in Verzug befunden habe. Sie berief sich zudem darauf, dass es durch
Sonderwünsche des Beklagten zu einer Bauzeitverzögerung gekommen sei.
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Das Landgericht Rottweil hat zu der Frage, inwieweit die Klägerin die
Bauzeitverzögerung zu vertreten habe, mehrere Zeugen vernommen und ein Gutachten
des Sachverständigen Prof. Dipl.-Ing. I eingeholt. Es hat einen Verzug der Klägerin mit
der Herstellung der Bezugsfertigkeit der vom Beklagten erworbenen Wohnungen bejaht
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und die Klägerin zur Zahlung von 195.551,27 DM verurteilt.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie sich
weiterhin darauf berufen hat, dass sie die Bauzeitverzögerung nicht zu vertreten habe
(Bl. 477 d. BA). Die Anfang November geäußerten Sonderwünsche des Beklagten
hätten ebenfalls zu einer Bauzeitverzögerung von 10 Wochen geführt, "das würde im
Ergebnis dazu führen, dass die Fristsetzung des Beklagten zum 30.11.1995
unangemessen kurz" gewesen sei (Bl. 481 d.BA).
20
14 Tage vor dem Senatstermin des OLG Stuttgart vom 15.03.2001 trat der Architekt F
dem Rechtsstreit als Streithelfer der Klägerin bei. Er bestritt im Schriftsatz vom
27.02.2001, der dem Beklagten am 1.03.2001 zugestellt worden ist, zunächst auf 10
Seiten den Verzug der Klägerin und sodann schloss er umfangreiche
Rechtsausführungen zu der Angemessenheit der Nachfrist an. Ohne eine
Substantiierung bzw. Konkretisierung, welche Nachfrist angemessen gewesen wäre,
berief er sich darauf, dass die vom Beklagten gesetzte Nachfrist unangemessen kurz
gewesen sei. Er verwies insoweit darauf, dass es nach seiner Auffassung Sache des
Beklagten sei, den Bautenstand zum Zeitpunkt des Zugangs des Schreibens vom
4.11.1996 und die Angemessenheit der Nachfrist darzulegen (Bl. 523 d.BA.).
21
Daraufhin lud der Senatsvorsitzende den Sachverständigen Prof. Dipl.-Ing. I telefonisch,
ohne ihm ein Beweisthema mitzuteilen, obwohl dieser zuvor weder mit der Frage der
Bezugsfertigkeit noch mit der Angemessenheit der Fristsetzung befasst war. Er
informierte die Prozessbevollmächtigten weder von der Ladung des Sachverständigen
geschweige denn davon, zu welchen Beweisfragen dieser gehört werden sollte. Obwohl
zu der Frage, welchen Zeitraum die Klägerin für die Herstellung der Bezugsfertigkeit
benötigt hätte, jeglicher Parteivortrag fehlte, erteilte er den Parteien keinen rechtlichen
Hinweis, dass der Senat nicht mehr den Verzug, auf den sich der Parteivortrag
konzentriert hatte, sondern die Angemessenheit der Fristsetzung als das entscheidende
Problem ansehe. Im Senatstermin erstattete der Sachverständige ein mündliches
Gutachten zu dem Zeitraum, der für die Herstellung einzelner Leistungen erforderlich
gewesen wäre. Bezüglich der Voraussetzungen der Bezugsfertigkeit wurden ihm keine
rechtlichen Vorgaben gemacht.
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Das OLG Stuttgart beraumte anschließend ohne Gewährung einer Schriftsatzfrist einen
Verkündungstermin auf den 26.04.2001 an, in dem es die Klage des jetzigen Beklagten
abgewiesen und ihm unter Verstoß gegen § 97 Abs. 2 ZPO die gesamten Kosten des
Rechtsstreits auferlegt hat. Es sprach ihm auch keinen
Verzugsschadensersatzanspruch zu, obwohl es in Übereinstimmung mit dem LG
Rottweil annahm, dass die Klägerin sich mit der Herstellung der Bezugsfertigkeit in
Verzug befunden habe. Es entnahm dem mündlichen Gutachten des Sachverständigen
Prof. Dipl.-Ing. I, dass die Fertigstellung frühestens zum 27.01.1997 möglich und die im
Schreiben vom 4.11.1996 auf den 30.11.1996 gesetzte Frist zu kurz gewesen sei. Der
jetzige Beklagte habe durch seine Schreiben vom 5.12.1996 und 6.01.1997 deutlich zu
erkennen gegeben, die Leistung auch dann nicht annehmen zu wollen, wenn sie in
objektiv angemessener Zeit erbracht würde. Wegen der Einzelheiten der Entscheidung
wird auf Bl. 7 – 17 d.A. verwiesen.
23
Die Klägerin sieht in Übereinstimmung mit dem OLG Stuttgart in den Anwaltsschreiben
des Beklagten vom 5.12.1996 und 6.01.1997, insbesondere in dem letztgenannten, mit
dem er von der Kreissparkasse S aufgrund der von ihr erklärten Bürgschaft den Betrag
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in Höhe von 1, 3 Mio. DM zurückgefordert hat, eine positive Vertragsverletzung (Bl. 3, 4
d.A.). Der Beklagte habe die Vertragserfüllung ernsthaft und endgültig verweigert, so
dass eine Nachfrist nicht mehr erforderlich gewesen sei.
Sie berühmt sich nun ihrerseits, Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten in
Höhe von 345.483,04 € zu haben (Bl. 150 d.A.), von denen sie mit der Klage 239.846,99
€ geltend macht. Ihren Schaden begründet sie unter anderem damit, dass sie die
Wohnung wegen der in Dresden gefallenen Grundstückspreise nur noch für 1.230.000
DM habe verkaufen können, nachdem sie die Wohnungen mit einem Aufwand von
324.017,26 DM entsprechend den Wünschen der Erwerberin umgebaut habe. Hinzu
komme ein Zinsschaden vom 28.01.1997 bis zum 5.09.1997.
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Die Klägerin hat beantragt,
26
den Beklagten zu verurteilen, an sie 239.846,99 € zzgl. 5 % - Punkte Zinsen über
dem Basiszinssatz ab 1.09.2002 zu zahlen.
27
der Beklagte und seine Streithelfer haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie haben gerügt, dass das OLG Stuttgart entscheidungserheblichen Sachverhalt außer
Betracht gelassen habe. Es habe übersehen, dass die Klägerin die Erfüllung ihrer
vertraglichen Hauptleistungspflicht in angemessener Frist ernsthaft und endgültig
verweigert habe. Sie haben behauptet, dass die Klägerin keine außerordentlichen
Anstrengungen unternommen habe, um die Wohnungen fristgerecht fertig zu stellen.
Diese hätten sich noch Ende Mai 1997 im Rohbauzustand befunden. Die angemessene
Nachfrist sei auch schon am 1.01. bzw. 8.01. bzw. 20.01.1997 abgelaufen. Innerhalb
dieser Frist habe die Klägerin die Bezugsfertigkeit nicht herstellen könne, weil sie die
dafür erforderlichen gesteigerten Anstrengungen nicht unternommen habe. Die vom
OLG Stuttgart durchgeführte Beweisaufnahme lasse nicht erkennen, was der
Sachverständige unter "außerordentlichen Anstrengungen" verstanden habe.
Abschließend haben sie die Höhe des von der Klägerin geltend gemachten Schadens
bestritten.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es spreche zwar einiges dafür, dass der
Beklagte sich vertragswidrig verhalten habe, weil er sich mit anwaltlichem Schreiben
vom 5.12.1996 vom Vertrag gelöst habe, nachdem er mit Schreiben vom 4.11.1996 eine
zu kurze Nachfrist bis zum 30.11.1996 gesetzt habe; der Klägerin sei durch das
vertragswidrige Verhalten des Beklagten jedoch kein Schaden entstanden, weil ihr eine
Erfüllung ihrer Vertragspflicht bis zum Ablauf einer angemessen Nachfrist bis Februar
1997 nicht möglich gewesen sei und sie sich in Verzug befunden habe. Die
Fertigstellung des Bauvorhabens sei erst durch Anbringung der Außendämmung im Mai
1997 erfolgt. Diese gehöre zur Herstellung der Bezugsfertigkeit.
31
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
32
Gegen dieses Urteil richtet sich die frist- und formgerecht eingelegte Berufung der
Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Vorbringen insbesondere zur Schadenshöhe
wiederholt.
33
Sie habe nach der Fristsetzung des Beklagten vom 4.11.1996 gegenüber dem
Generalunternehmer, der Firma Y AG, Druck gemacht, der von dieser auch
angenommen worden sei; sie habe die Fertigstellungsarbeiten forciert.
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Der Sohn des Beklagten habe am 13.11.1996 auf dem Flughafen in G
unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass eine Verlängerung der gesetzten
Fertigstellungsfrist nicht in Betracht komme und sicher eine Abnahme der Wohnung
ausgeschlossen werde, weil seine Ehefrau nicht mehr in die Wohnung einziehen wollte.
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Nachdem der Beklagte sich von dem Vertrag mit der zum 30.11.1996 gesetzten Frist
losgesagt habe, sei die weitere Fertigstellung dilatorisch behandelt worden, bis ein
neuer Käufer gefunden worden sei. Sie hätte andernfalls die vom Sachverständigen
Prof. Dipl.-Ing. I im Vorprozess angenommene Fertigstellungsfrist bis Ende
Januar/Anfang Februar einhalten können.
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Die Fertigstellungsfrist habe sich nicht auf die Außendämmung bezogen, da vertraglich
vereinbart gewesen sei, dass Außenarbeiten, die jahreszeitlich bedingt nicht bis zur
Bezugsfertigkeit ausgeführt werden können, unverzüglich nachzuholen sind. Die
Bezugsfertigkeit sei nicht gem. § 3 MaBV in der z.Z. des Vertragsschlusses geltenden
Fassung zu bestimmen, sondern danach, ob dem Bauherren zugemutet werden könne,
das Bauvorhaben zu beziehen. Das sei nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen.
Danach sei es dem Erwerber zumutbar, in ein Haus ohne Aussenfassade zu ziehen und
– auf Kosten des Verkäufers – intensiver zu heizen.
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Die Fertigstellung der Wohnungen des Dr. M habe sich aufgrund seiner Sonderwünsche
und der Zusammenfassung von 2 Wohnungen verzögert.
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Die Klägerin beantragt,
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1. Das Urteil des Landgerichts Münster vom 5.11.2004 – 14 O 113/04 - wird
abgeändert.
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2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 239.846,99 € zzgl. 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz ab 1.09.2002 zu zahlen.
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Der Beklagte und sein Streithelfer beantragen,
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die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
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Sie machen geltend, dass die Klägerin nach der Fristsetzung keine Intensivierung ihrer
Bemühungen um die Herstellung der Bezugsfertigkeit habe erkennen lassen. Die
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Klägerin habe Beschleunigungsmaßnahmen der Firma Y, die zu Mehrkosten geführt
hätten, abgelehnt. Das habe zu einem Leistungsrückstand von wenigstens 3 Wochen
geführt. Die Dämmung und der Putz einer Fassade seien für die Funktionsfähigkeit des
Gebäudes von wesentlicher Bedeutung und zur Herstellung der Bezugsfertigkeit
erforderlich. Diese Auslegung decke sich mit § 3 MaBV in der z.Z. des
Vertragsschlusses geltenden Fassung.
Sie behaupten, dass im Januar 1997 der Endausbau im Hinblick auf den Flur, das
Treppenhaus, die Zuwegung etc. gefehlt habe. Die Fertigstellung der Wohnung des
Zeugen Dr. M habe sich so stark verzögert, dass erst im Dezember 1997 die vorletzte
Rate angefordert worden sei.
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Am 13.11.1996 habe der Sohn des Beklagten den Geschäftsführer der Klägerin
lediglich an den Anwalt seines Vaters verwiesen und keineswegs zum Ausdruck
gebracht, dass er endgültig vom Vertrag Abstand nehmen wolle. Es entspreche nicht der
Wahrheit, dass die Zeugin U im November 1996 nicht mehr habe in die Wohnung
einziehen wollen. Den Schreiben vom 5.12.1996 und 6.01.1997 sei keine
Erfüllungsverweigerung des Beklagten zu entnehmen.
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Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der
Schriftsätze Bezug genommen. Die Akten 2 O 677/97 LG Rottweil / 19 U 217/00 OLG
Stuttgart lagen im Ortstermin zu Informationszwecken vor.
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Der Senat hat im Rahmen eines Ortstermins in Dresden Beweis erhoben durch
Anhörung der Sachverständigen Dipl.-Ing. X und Prof. Dipl.-Ing. I, die jeweils ein
mündliches Gutachten erstattet haben, letzterer unter Bezugnahme auf seine
Tischvorlage vom 13.03.2007, und durch Vernehmung der Zeugen F, S, N2, S3, G2, Dr.
M, F3, U und U2. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den
Berichterstattervermerk zum Protokoll vom 15.03.2007 verwiesen.
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Durch Beschluss vom 10.05.2007 hat der Senat mit Zustimmung der Parteien
beschlossen gem. § 128 Abs.2 ZPO ohne weitere mündliche Verhandlung zu
entscheiden.
51
B.
52
I.
53
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
54
Die Parteien gehen zutreffend davon aus, dass der Senat nicht an die materielle
Rechtskraft der Entscheidung des OLG Stuttgart (19 U 217/00) gebunden ist. Der
Streitgegenstand ist nicht identisch, da sich die Parteien zur Begründung der von ihnen
geltend gemachten Ansprüche jeweils auf unterschiedliche Pflichtverletzungen der
Gegenseite berufen. Die Klägerin macht keine Ansprüche geltend macht, die das
kontradiktorische Gegenteil der im Vorprozess vom Beklagten geltend gemachten
Ansprüche darstellen oder im Vorprozess präjudiziert sind.
55
II.
56
Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass der Klägerin kein
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Schadensersatzanspruch gem. § 326 BGB a.F. gegen den Beklagten zustehe.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte sich von dem zwischen den
Parteien geschlossenen Vertrag losgesagt hat, obwohl dafür die Voraussetzungen des
§ 326 BGB a.F. nicht vorgelegen haben.
58
1. Die Klägerin bestreitet im vorliegenden Rechtsstreit nicht mehr, dass sie sich im
November 1996 mit der Herstellung der Bezugsfertigkeit der an den Beklagten
verkauften Wohnung in Verzug befunden habe. Diese Frage ist im Vorprozess in
umfassender Weise aufgeklärt worden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird
insoweit auf das angefochtene Urteil und die Urteile des LG Rottweil und des OLG
Stuttgart verwiesen.
59
2. Dass der Beklagte der Klägerin in rechtsmissbräuchlicher Weise eine zu kurze Frist
gesetzt hat, um sich von dem Vertrag lossagen zu können, vermag der Senat nicht
festzustellen. Dem Anwaltsschreiben des Beklagten vom 4.11.1996 kann nicht
entnommen werden, dass der Beklagte nicht bereit gewesen wäre, die Leistungen der
Klägerin anzunehmen, wenn sie von dieser noch innerhalb einer angemessenen
Nachfrist erbracht worden wären. Das OLG Stuttgart hat ebenfalls keine Anhaltspunkte
für einen solchen Willen aufgeführt, sondern zutreffend angenommen, dass durch
dieses Schreiben eine objektiv angemessene Frist in Lauf gesetzt worden sei.
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Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH WM 1985, 1106, 1107) setzt eine zu knapp
bemessene Nachfrist nur dann keine angemessene Frist in Lauf, wenn der Gläubiger
die Frist nur zum Schein gesetzt oder zu erkennen gegeben hat, dass er die Leistung
keinesfalls annehmen werde, selbst wenn sie innerhalb einer angemessenen Frist
erbracht werden sollte, so dass für die Gegenpartei keine Veranlassung mehr bestand,
sich um eine Erfüllung ihrer Leistungspflicht zu bemühen (BGH WM 1974, 327, 329).
Solch eine Vertragsuntreue des Beklagten hätte die Ursache für die Nichterfüllung der
Klägerin sein müssen. Die Klägerin macht eine entsprechende Wirkung des Schreibens
vom 4.11.1996 jedoch nicht geltend. Vielmehr war sie nach ihrer Darstellung nach der
Fristsetzung in einem erhöhten Maß darum bemüht, ihre Leistungspflichten zu erfüllen,
indem sie ihre Bemühungen, die Bezugsfertigkeit der Wohnung herzustellen, gesteigert
habe. Die Parteien haben zudem nach der Fristsetzung noch am 5.11.1996 eine
Änderung der Elektroarbeiten vereinbart und am 26.11.1996 (Bl. 216 d.A.) hat die
Schwiegertochter des Beklagten mit der Klägerin eine Änderung der Parkettstärke
vereinbart.
61
Der Hinweis des OLG Stuttgart auf die Entscheidung des RG (RGZ 91, 204, 207) ist
verfehlt, weil in jenem Fall eine Partei der Gegenpartei eine Zahlungsfrist von 24
Stunden gesetzt hat in der bereits bei der Fristsetzung begründeten Erwartung, dass die
Gegenpartei die kurze Frist nicht einhalten werde, um daraus einen Grund für einen
Rücktritt von einem lästigen Vertrag herzuleiten. Jener Missbrauchsfall ist dadurch
gekennzeichnet, dass dem Schuldner keine realistische Chance eingeräumt werden
sollte, seine Leistung zu erbringen. Das kann im vorliegenden Fall allein aus der
Tatsache, dass die Frist zu kurz bemessen war, nicht hergeleitet werden. Die Annahme
einer missbräuchlichen Fristsetzung stellt einen Ausnahmetatbestand dar (BGH WM
1985, 1106, 1107), für den die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig ist. Im
vorliegenden Fall hat die Klägerin weder dargelegt noch bewiesen, dass die
Fristsetzung vom 4.11.1996 nur zum Schein erfolgt ist.
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3. Dass der Sohn des Beklagten bei dem Gespräch am 13.11.1996 gegenüber dem
Geschäftsführer der Klägerin und dem Zeugen F im Flughafen in G
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unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass eine Verlängerung der gesetzten
Fertigstellungsfrist nicht in Betracht komme, dass der Vertrag beendet und eine
Abnahme der Wohnung von ihm ausgeschlossen werde sowie, dass seine Ehefrau
nicht mehr in die Wohnung einziehen wolle, hat die vom Senat durchgeführte
Beweisaufnahme nicht bestätigt. Der Zeuge F hat zwar bekundet, dass es bei dem
Gespräch im Flughafen keine Einigung gegeben habe, weil der Sohn des Beklagten
diese kategorisch abgelehnt habe, er hat aber auch ausgesagt, dass das Gespräch
ohne Ergebnis verlaufen sei. Wenn jemand sage, dass er nicht mehr mitmache, so sei
das nicht unbedingt definitiv, sie hätten nochmals versuchen wollen zu schreiben. Der
Zeuge U2 hat dagegen bekundet, dass er keine Veranlassung gesehen habe,
Gespräche zu führen, weil das Aufgabe der Anwälte gewesen sei.
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Die Tatsache, dass der Sohn des Beklagten zu keiner Verhandlung bereit war,
nachdem bereits ein Anwalt eingeschaltet war, reicht für die Annahme, dass er mit
Wirkung für den Beklagten jede Erfüllungsbereitschaft ernsthaft und endgültig abgelehnt
hat, nicht aus. Insoweit ist die Gesamtsituation des Gesprächs und insbesondere zu
berücksichtigen, dass der Zeuge F nach seinen Angaben mit dem aktuellen Ablauf der
Baustelle nicht vertraut war. Weder der Geschäftsführer der Klägerin noch der Architekt
F waren bei dem Gespräch dazu in der Lage, den Sohn des Beklagten in einer
vertrauensbildenden Weise über den konkreten Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit und die
Maßnahmen, die sie getroffen haben, um dieses Ziel zu erreichen, zu informieren.
Angesichts dieser Ungewissheit ist es dem Sohn des Beklagten nicht vorzuwerfen, dass
er ohne Rücksprache mit dem vom Beklagten beauftragten Anwalt nicht spontan einer
Fristverlängerung zugestimmt hat.
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Die Klägerin musste nach der Fristsetzung des Beklagten unverzüglich die Ausführung
der restlichen Arbeiten auf das Äußerste beschleunigen, um diese in einer
angemessenen Frist durchzuführen. Angemessen ist die Frist, in der die Fertigstellung
der geschuldeten Leistung unter größten Anstrengungen des Unternehmers erfolgen
kann (BGH NJW 2006, 2254, 2257 unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG
Stuttgart BauR 2003, 108).
66
Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beklagte bereits im Mai 1995 die
Vergütung in Höhe von 1,3 Mio. DM an die Klägerin vorausgezahlt hat, der Verzug der
Klägerin bereits 4 Monate andauerte, die Familie des Sohnes des Beklagten in die
Wohnung einziehen wollte und ein Scheitern der Vertragsbeziehungen einen hohen
Schaden der Klägerin verursacht hat, den sie mit der vorliegenden Klage geltend macht,
ist der Senat der Auffassung, dass die Klägerin dafür sorgen musste, dass der von ihr
beauftragte Bauunternehmer den Einsatz der Arbeitskräfte soweit erhöhte, dass diese
die Arbeiten schnellstmöglich erledigen konnten. Das konnte eine Verpflichtung zur
Verdoppelung oder Verdreifachung der Anzahl der Arbeitskräfte bedeuten. Die Grenze
wird durch die Effizienz der Erhöhung des Arbeitseinsatzes gebildet. Die Anzahl der
Arbeiter muss nicht so weit erhöht werden, dass die Gefahr besteht, dass sich diese
gegenseitig behindern. Außerdem war eine Erhöhung der Arbeitszeiten bis hin zu
Doppelschichten und Samstagsarbeit geboten.
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Um diese Verpflichtungen erfüllen zu können, musste sich die Klägerin einen Überblick
verschaffen, welche Arbeiten noch auszuführen waren, wie deren Ausführung in
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optimaler Weise koordiniert werden konnte und in welchem Umfang die Zahl der
Arbeitskräfte, deren Arbeitszeit und die Anzahl der Schichten in effizienter Weise erhöht
werden konnten, damit sie die von ihr in dieser Situation geschuldeten größtmöglichen
Anstrengungen umsetzen konnte. Dazu musste sie einen entsprechenden detaillierten
Bauzeitenplan aufstellen und dessen Umsetzung mit dem ausführenden Unternehmen,
gegebenenfalls mit der Zusage, die Mehrkosten zu tragen, aushandeln.
Das alles hat die Klägerin nicht getan. Sie hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme
zwar Druck auf den Generalunternehmer Y ausgeübt. Ein solcher Druck bestand aber
wegen des Verzuges ohnehin. Der Zeuge F konnte weder von einem entsprechenden
Bauzeitenplan noch von verbindlichen Absprachen mit dem Generalunternehmer
berichten. Der Zeuge S3, einer der damaligen Geschäftsführer der Firma Y, hat
ebenfalls bekundet, dass keine konkreten Absprachen mit ihm getroffen worden seien,
und der Zeuge G2 hat bekundet, dass von der Firma Y nicht gefordert worden sei, dass
sie die Anzahl der Leute verstärke, sondern nur, dass die Wohnung fertig werde.
69
Diese unzureichende Planung und Koordinierung der Klägerin wird durch die Art der
Fortführung der Arbeiten bestätigt, die keine effizienten größtmöglichen Anstrengungen
erkennen lassen. Der Zeuge F3 hat sich bei seiner Aussage zwar stark zurückgehalten
aber dann doch bekundet, dass mehr Leute hätten eingesetzt werden können. Die
Sachverständigen haben ebenfalls ausgeführt, dass sich aus den Bautagesberichten
nicht ergebe, dass die Arbeiten mit den größtmöglichen Anstrengungen fortgeführt
worden seien. Das hat auch der Senat den Bautagesberichten entnommen. In der vom
Beklagten erworbenen Wohnung sind nach der Fristsetzung vom 4.11. 1996 erstmals
am 21.11.1996 weitere Arbeiten, nämlich Putzarbeiten, ausgeführt worden, an
Samstagen wurde nur vereinzelt gearbeitet und an anderen Tagen wurde teilweise nicht
einmal die volle gewöhnliche Arbeitszeit genutzt.
70
Die Klägerin hätte zudem aufgrund ihrer Kooperationsverpflichtung dem Beklagten
unverzüglich (binnen einer Woche) den von ihr ohnehin aufzustellenden Bauzeitenplan
mit einer nachvollziehbaren substantiierten Erläuterung vorlegen müssen, wenn der
Beklagte ihr eine zu kurz bemessene Nachfrist gesetzt hat. Das musste sie sofort
erkennen wohingegen sie nicht erwarten konnte, dass der Beklagte als bautechnischer
Laie die Angemessenheit der Nachfrist ohne fachkundige Hilfe richtig einschätzen
konnte. Er kannte die internen Gestaltungsmöglichkeiten der Klägerin und ihre
Möglichkeiten der Vereinbarung von Beschleunigungsmaßnahmen nicht.
71
Für die Parteien eines Bauvertrags besteht nach der gefestigten Rechtsprechung des
BGH (BGHZ 133,44 = NJW 1996, 2158; BGHZ 143, 89 = NJW 2000, 807) eine
Kooperations- und Kommunikationspflicht, aus der sich eine Hinweis- und
Aufklärungspflicht der Klägerin bezüglich der von ihr noch benötigten Frist ergab.
Aufgrund dieser vertraglichen Nebenpflicht hätte sie den Beklagten umfassend, objektiv
richtig und nachprüfbar darüber informieren müssen, bis wann sie unter
Berücksichtigung ihrer Verpflichtung zu "größten Anstrengungen" die Arbeiten fertig
gestellt haben werde (MünchKomm – Emmerich § 326 BGB Rdnr. 36).
72
Das gilt insbesondere im vorliegenden Fall, in dem der Beklagte die Klägerin im
Oktober 1996 ausdrücklich um eine Information über die Gründe der Verzögerung der
Fertigstellung gebeten hat.
73
Mit Hilfe dieser Unterlagen hätte der Beklagte die objektive Angemessenheit der von der
74
Klägerin für die Ausführung sämtlicher Restarbeiten benötigten Nachfrist ggf. mit Hilfe
eines Privatgutachters kurzfristig überprüfen können. Erfahrungsgemäß kann ein
Sachverständiger einen Bauzeitenplan nebst einer nachvollziehbaren Erläuterung der
einzelnen Gewerke, die noch fertig zu stellen sind, in wenigen Tagen auf seine
Angemessenheit überprüfen. Ein qualifizierter Bausachverständiger, der
erfahrungsgemäß stark ausgelastet ist, benötigt dagegen mehrere Wochen oder Monate
für ein Privatgutachten, wenn er den Bautenstand vor Ort sowie die vertraglich
geschuldeten restlichen Leistungen selbst ermitteln und darstellen soll. Von dem
Auftraggeber kann die langwierige Einholung solch eines Gutachtens nicht verlangt
werden, weil es die Durchsetzung von berechtigten Ansprüchen vereiteln würde.
Ein detailliert erläuterter Bauzeitenplan des Auftragnehmers stellt zugleich eine
vertrauensbildende Maßnahme dar, weil er den Willen des Unternehmers dokumentiert,
sich künftig vertragstreu verhalten und zu "größten Anstrengungen" bereit zu sein. Da er
sofort umgesetzt werden muss, kann der Auftraggeber innerhalb der ihm
zuzubilligenden angemessenen Prüfungsfrist der Unterlagen das Vertrauen
zurückgewinnen, dass der Unternehmer zu einem vertragstreuen Verhalten
zurückgekehrt ist und das Bauvorhaben innerhalb der objektiv angemessenen Nachfrist
auch tatsächlich fertig stellen wird.
75
Der Unternehmer, der den Bauherren unter Verstoß gegen seine Kooperationspflicht
nicht in einer nachvollziehbaren und überprüfbaren Weise über die von ihm für die
Fertigstellung des Werks noch benötigte Frist informiert hat, kann sich nachträglich
grundsätzlich nicht darauf berufen, dass die Frist zu kurz war und der Bauherr sich
deshalb treuwidrig vom Vertrag losgesagt habe. Die Verletzung der Aufklärungspflicht
begründet zugunsten des Auftraggebers die Vermutung eines "aufklärungsgerechten
Verhaltens". Insoweit handelt es sich um einen Anwendungsfall des Anscheinbeweises
(Palandt/Heinrichs, BGB 66. Auf. § 280 Rdnr. 39), den der Unternehmer ggf. entkräften
muss.
76
Der Auftraggeber, dessen zu kurze Fristsetzung eine angemessene Frist in Lauf gesetzt
hat, muss seinerseits aufgrund seiner Kooperationspflicht unverzüglich, spätestens
binnen 2 – 3 Wochen erklären, ob er mit der aus dem Bauzeitenplan ersichtlichen Frist
einverstanden ist bzw. welche zusätzliche objektiv angemessene Leistungssteigerung
er, fachkundig beraten, im Einzelnen erwartet. Nur dann, wenn er seine entsprechende
Mitteilungspflicht verletzt, die sich als vertragliche Nebenpflicht aus der
Kooperationspflicht ergibt, kann sich der Unternehmer nachträglich darauf berufen, dass
er die Fortsetzung größter Anstrengungen, die zwangläufig kostenaufwändig sind, als
nutzlos ansehen durfte.
77
Die Klägerin hat es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme versäumt, dem Sohn des
Beklagten vor dem Treffen vom 13.11.1996 detailliert und nachprüfbar darzulegen,
welchen Zeitraum sie für die Fertigstellung des Bauvorhabens noch benötigt.
78
Die Vernehmung der Zeugin U hat nicht ergeben, dass sie der Anlass dafür gewesen
sein könnte, dass der Sohn des Beklagten ohne Rücksprache mit dem von dem
Beklagten beauftragten Anwalt und ohne Informationen über die Fertigstellungsfrist
endgültig erklärt hat, nicht in die Wohnung einziehen zu wollen. Die Zeugin hat
nachvollziehbar bekundet, dass es ihr auf sechs bis acht Wochen nicht angekommen
wäre, dass sie aber keinen Fortschritt gesehen habe. Sie hätten die Sache den
Anwälten übergeben und dann sei das o.k. gewesen. Die Entscheidung hätte ihr Mann
79
oder der Beklagte treffen müssen. Gegen die Darstellung der Klägerin spricht auch der
Umstand, dass die Zeugin noch am 26.11.1996 mit der Klägerin eine Änderung der
Parkettstärke vereinbart hat.
Dem Gespräch vom 13.11.1996 hat die Klägerin nach der Überzeugung des Senats
selbst keine entscheidende Bedeutung beigemessen, weil sie es in dem an den Anwalt
des Beklagten gerichteten Anwaltsschreiben vom 2.12.1996 ebenso wenig erwähnt hat
wie in ihren im Vorprozess bis zum Senatstermin des OLG Stuttgart vom 15.03.2001
eingereichten Schriftsätzen. Auch der Architekt F, der als Streithelfer der Klägerin als
einziger und erstmals in dem Schriftsatz vom 27.02. 2001 eingehend zu den
Rechtsfragen einer angemessenen Fristsetzung Stellung genommen hat, hat dieses
Gespräch in jenem Schriftsatz nicht erwähnt.
80
Die Klägerin hat in dem zu diesem Zeitpunkt bereits 3 ½ Jahre rechtshängigen
Vorprozess erstmals in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 23.04.2001 kurz vor
Verkündung der Entscheidung des OLG Stuttgart vom 26.04.2001 auf das Gespräch
hingewiesen. Im vorliegenden Rechtsstreit hat sie das Gespräch vom 13.11.1996 weder
in der Klageschrift vom 16.02.2004 noch in dem Schriftsatz vom 13.05.2004 erwähnt,
sondern erstmals im Schriftsatz vom 23.08.2004 (Bl. 242 d.A.), was ebenfalls dafür
spricht, dass es nach ihrer Auffassung nicht die entscheidende Bedeutung hatte, die sie
dem Gespräch im Anschluss an den Hinweisbeschluss des Senats vom 6.06.2006 in
den Schriftsätzen vom 4.07., 25.07. und 28.08.2006 beimisst.
81
4. Den Schreiben des Beklagten vom 5.12.1996 und 6.01.1997 kann aus mehreren
Gründen entgegen der Auffassung des OLG Stuttgart und der ihm folgenden Klägerin
keine vertragswidrige Lossagung des Beklagten von dem mit der Klägerin
geschlossenen Vertrag entnommen werden.
82
Dem Beklagten war es nicht mehr zumutbar, den für ihn ungewissen Zeitpunkt der
endgültigen Fertigstellung der Wohnung weiter abzuwarten. Die Angemessenheit einer
Fristsetzung richtet sich nicht nur nach dem Interesse des Schuldners an der
nachträglichen Erbringung seiner Leistung, sondern es sind vornehmlich auch die
Interessen des Gläubigers an der pünktlichen Leistungserbringung zu berücksichtigen
(RGZ 89, 121, 125; MünchKomm-Emmerich, § 326 BGB Rdnr. 55). Die vom Senat
durchgeführte Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Klägerin den vertraglich
vereinbarten Bezugsfertigkeitstermin (30.06.1995) voraussichtlich um 11 Monate, das
sind 85 % der ursprünglich vorgesehenen Bauzeit von 13 Monaten, überschritten hätte.
Der Beklagte hatte die Wohnung erworben, damit sein Sohn mit seiner Frau und den
Kindern am 1.07.1996 in diese einziehen konnte. Der Sohn des Beklagten sollte in
Dresden eine Niederlassung des Familienunternehmens aufbauen und leiten. Er
wohnte mit seiner Familie in einer beengten Mietwohnung und wartete darauf, in die
erworbene und bereits bezahlte Wohnung einziehen zu können. In solch einem Fall
muss sich der Erwerber - anders als möglicherweise der Erwerber eines Anlageobjekts -
nicht auf langfristige Verzugsschadensersatzansprüche verweisen lassen.
83
Eine Fristsetzung gem. § 326 BGB a.F. soll dem Schuldner nur noch eine letzte
Gelegenheit gewähren, seine weitgehend fertig gestellte und im Wesentlichen
abgeschlossene Leistung nunmehr endlich voll zu erbringen und damit den Vertrag zu
erfüllen. Die Frist hat nach der gefestigten Rechtsprechung nicht den Zweck, den
Schuldner in die Lage zu versetzen, nun erst die Bewirkung der Leistung in die Wege zu
leiten. (BGH NJW 2006, 2254, 2257; NJW 1982, 1279, 1280; NJW 1973, 456; RGZ 89,
84
123, 125). Davon ist auch das OLG Stuttgart noch zutreffend und im Einklang mit der
nahezu einhelligen Auffassung in der Rechtsprechung und Literatur ausgegangen; es
hat aber versäumt, das Vorliegen dieser Voraussetzung zu prüfen.
Nach der Auffassung des Senats ist die Voraussetzung einer weitgehend fertig
gestellten Leistung nur dann erfüllt, wenn der Auftragnehmer, der sich bereits in Verzug
befindet, im Zeitpunkt der Fristsetzung bei einem Bauvorhaben, dessen Fertigstellung
längere Zeit in Anspruch nimmt, ⅔ bis ¾ der Bauleistung erbracht hat, wobei der Senat
für den Zeitpunkt von 4 Monaten nach Verzugsbeginn eher zu dem letztgenannten Wert
neigt, weil die Nachfrist um so kürzer bemessen werden kann, je länger der Schuldner
sich in Verzug befindet (BGH, NJW 1982, 1279, 1280), was einen höheren
Fertigstellungsstand voraussetzt. Die Konsequenz des Nichterreichens des
vorgenannten Bautenstands ist, wenn die Voraussetzung, dass die Leistung weitgehend
fertig gestellt und im Wesentlichen abgeschlossen sein muss, ernst genommen wird,
eine auf Treu und Glauben gegründete Entbehrlichkeit der Fristsetzung. Um die
Regelvoraussetzung des § 326 I BGB a.F. nicht auszuhöhlen, ist insoweit im Einzelfall
eine wertende Betrachtung erforderlich, bei der alle Umstände unter besonderer
Berücksichtigung der Kooperationsverpflichtung der Parteien und der Dauer, die für die
Fertigstellung des Werks noch benötigt wird, zu berücksichtigen sind. Der
Erforderlichkeit der Fristsetzung ist im Zweifel Vorrang einzuräumen. Andererseits kann
die Angemessenheit der Frist nicht unter Verzicht auf das Vorliegen der vorgenannten
Vorraussetzung beliebig ausgedehnt werden. Insoweit sind neben dem Zeitraum, der für
die Fertigstellung noch erforderlich ist, die vertraglich vereinbarte Bauzeit, die
Bemühungen des Auftragnehmers um die schnellstmögliche Fertigstellung des Objekts
und das Interesse des Auftraggebers an der Fertigstellung zu berücksichtigen.
85
Die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme hat ergeben, dass Anfang November
1996 erst ca. 60 % der Bauleistungen erbracht waren. Das hat der Sachverständige
Prof. Dipl.-Ing. I durch eine detaillierte Auswertung aller Unterlagen in der Handvorlage
vom 13.03.2007, die er zur Vorbereitung des Ortstermins gefertigt hat, in überzeugender
Weise dargelegt. Er hat seine Untersuchungen auf die Bitte des Senats sowohl auf den
kostenmäßig geschaffenen Wert als auch auf den bauzeitmäßig geschaffenen
Fertigstellungsstand bezogen, der für die Frage der Fristsetzung von besonderer
Bedeutung ist. Der Sachverständige Dipl.-Ing. X hat dem Gutachten des
Sachverständigen Prof. Dipl.-Ing. I zugestimmt. Diese Gutachten hat die Klägerin, die im
Ortstermin und innerhalb der gewährten Schriftsatzfrist bis zum 27.04. bzw. 21.05.2007
ausreichend Gelegenheit dazu hatte, nicht substantiiert angegriffen. Aus dem Schreiben
der Klägerin vom 18.03.1997, das auch schon dem OLG Stuttgart vorlag, ergibt sich,
dass erst im März 1997 ein Fertigstellungsstand von 75 % erreicht worden ist, was die
Klägerin nicht bestreitet (Bl. 481 d.A.). Der Senat vermochte aufgrund der von ihm
vernommenen Zeugen keine abweichende Überzeugung zu gewinnen. Der Zeuge F
war über den Bautenstand nicht zutreffend informiert. Er ist davon ausgegangen, dass
der Innenputz fertig gewesen sei. Mit diesen Arbeiten wurde jedoch erst am 21.11.1996
begonnen. Das OLG Stuttgart hat es versäumt, den Bautenstand vom 4.11.1996
aufzuklären.
86
Ob aufgrund dieses Bautenstandes eine Fristsetzung entbehrlich war, ist untrennbar mit
der Frage verbunden, welche Voraussetzungen für die Herstellung der Bezugsfertigkeit
erfüllt sein müssen und welcher Zeitraum von der Klägerin dafür noch benötigt wurde.
Die Bezugsfertigkeit setzt voraus, dass dem Erwerber, seinem Mieter o.ä. zugemutet
werden kann, die Wohnung zu beziehen; sie muss von diesen zu dem nach dem
87
Vertrag vorausgesetzten Gebrauch genutzt werden können. Dazu muss - mit Ausnahme
der Außenanlage und der Beseitigung von Mängeln, die nicht die Sicherheit des
Wohnens beeinträchtigen - das gesamte Objekt fertig gestellt sein (OLG Hamm, NJOZ
2004, 832; Koblenz OLGR 2003, 105; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Aufl. Rdnr.
1235). Es kommt nicht auf die Bezugsfertigkeit des überwiegenden Teils des Hauses
an, sondern auf die Bezugsfertigkeit des gesamten Hauses (BGH, BauR 2004, 1171).
Zur Bezugsfertigkeit einer Wohnung gehört es dementsprechend, dass sie in
zumutbarer Weise zugänglich ist. Dazu ist zumindest die Fertigstellung des
Treppenhauses erforderlich.
Restliche Arbeiten außerhalb der Wohnung – abgesehen von den Außenanlagen –
dürfen unter Würdigung ihres Umfangs und der dafür erforderlichen Dauer die
vertraglich geschuldete Nutzungsmöglichkeit nur unerheblich beeinträchtigen (OLG
Naumburg, NZBau 2001, 139, 140). Die ungestörte Nutzungsmöglichkeit setzt bei einer
für 1,3 Mio. DM am Elbufer erworbenen Wohnung voraus, dass zumindest ab dem
Frühjahr auch die Balkone nutzbar sind und bei der Fertigstellung der übrigen
Wohnungen des Bauvorhabens kein erheblicher Baulärm oder Dreck entsteht. Solange
das Bauvorhaben insgesamt noch eine Großbaustelle darstellt, ist die Bezugsfertigkeit
einer einzelnen Wohnung zu verneinen.
88
In Übereinstimmung mit den beiden vom Senat angehörten Sachverständigen ist der
Senat der Auffassung, dass die weiteren Wohnungen in dem Bauvorhaben so weit fertig
gestellt sein mussten, dass deren Wände verputzt, der Estrich gelegt und sie mit einer
Eingangstür versehen waren, damit aus diesen Wohnungen nur noch in einem
tolerierbaren Umfang Baulärm und -schmutz bis in das Treppenhaus drang. Estrich und
Putz werden von einem Mischer vor dem Haus durch Schläuche in die einzelnen
Wohnungen gepumpt. Die Schläuche werden teilweise durch das Treppenhaus geleitet,
teilweise werden sie außen an dem Gebäude hoch geführt. Diese Arbeiten sind mit
einer erheblichen Lärmbelästigung verbunden, die dem Nutzer einer bereits fertig
gestellten Wohnung nicht zugemutet werden kann.
89
Der Senat ist in Übereinstimmung mit den von ihm angehörten Sachverständigen
weiterhin der Auffassung, dass auch die Fertigstellung des Wärmedämmputzes
aufgrund seiner Funktion Voraussetzung für die Bezugsfertigkeit des Bauvorhabens ist,
weil zuvor der vertraglich geschuldete Wärmedämmwert sämtlicher Außenwände nicht
erreicht wird und die Gefahr von Wärmebrücken im Bereich der Fensterstürze und
sonstiger bis zur Außenwand führenden Betonteile besteht. Wie bereits im Ortstermin
erwähnt wurde, ist dem Senat aus anderen Prozessen bekannt, dass sich dadurch in
Verbindung mit der gestörten üblichen Gebäudeaustrocknung gerade im Winter in den
entsprechenden Bereichen Kondensat und sodann Schimmelpilz bilden kann, was von
den Sachverständigen im Ortstermin bestätigt wurde. Insoweit ist es unerheblich, dass
die Klägerin auch über andere Erfahrungen verfügt. Das dargestellte Risiko vermochte
sie nicht sicher auszuschließen.
90
Unter Berücksichtigung der dargestellten Gesichtspunkte war der Wärmedämmputz
nicht nur nach § 3 MaBV in der z.Z. des Vertragsschlusses geltenden Fassung für die
Herstellung der Bezugsfertigkeit entscheidend, sondern auch nach der
Verkehrsauffassung, auf die die Klägerin zumindest ursprünglich abstellen wollte. Es
konnte dem Bauherren im vorliegenden Fall vor der Anbringung des
Wärmedämmputzes nicht zugemutet werden, das Bauvorhaben zu beziehen. Hätte es
ihm entsprechend der Auffassung der Klägerin zugemutet werden können, so hätte er
91
entgegen der Auffassung der Klägerin auch die erhöhten Heizkosten selbst tragen
müssen, weil dann entgegen der Darstellung der Klägerin (Bl. 480 d.A.) kein Verzug
vorgelegen hätte. Der Auffassung der Klägerin, dass sich der Verzug dann nur noch auf
die Anbringung des Wärmedämmputzes beschränkt hätte, kann nicht gefolgt werden.
Der Beklagte weist insoweit zudem zutreffend darauf hin, dass in dem Bauzeitenplan
vom 29.04.1996, der eine Gesamtfertigstellung des Objekts für den 7.02.1997 vorsah,
nicht vorgesehen war, dass der Wärmedämmputz erst zu einem späteren Zeitpunkt
angebracht wird.
Aufgrund dieser an der Verkehrsauffassung orientierten Auslegung der Bezugsfertigkeit
verbietet sich die Auslegung, dass der der Wärmedämmputz gem. § 3 Nr. 6 des
notariellen Vertrags ggf. erst nach der Frostperiode aufgebracht werden musste. Die
Klausel kann nur auf solche Außenarbeiten bezogen werden, die keinen Einfluss auf
die Bezugsfertigkeit haben, da sie den Fall regelt, dass Außenarbeiten jahreszeitlich
bedingt nicht bis zur Bezugsfertigkeit ausgeführt werden können. Die Bezugsfertigkeit
wird als solche in der Klausel vorausgesetzt und weder eingeschränkt noch soll sie
jahreszeitlich bedingt verschoben werden.
92
Eine vertragsgemäße Bezugsfertigkeit konnte erst Anfang Juni 1997 geschaffen
werden. Die Aufbringung des Wärmedämmputzes war, worauf die Klägerin zutreffend
hingewiesen hat, erst im Frühjahr, etwa ab April 1997, möglich. Diese Arbeiten konnten
nicht vor dem Mai 1997 abgeschlossen werden. Die Sachverständigen haben die Dauer
dieser Arbeiten auf etwa 6 Wochen geschätzt.
93
Außerdem konnten vor dem Aufbringen des Putzes die Fenster- und
Balkontüranschlüsse zur Abwehr von Außennässe und Windeinflüssen nicht endgültig
hergestellt und die Außenjalousien nicht eingebaut werden. Weiterhin konnten auch die
Balkonanschlüsse und die Bodenbeläge der Balkone nicht fertig gestellt werden, so
dass diese nicht benutzbar waren, was infolge ihrer nicht unerheblichen Größe nicht
unbedeutend ist.
94
Für die Außenputzarbeiten musste das Gebäude erneut eingerüstet werden. Die vom
Beklagten erworbene Wohnung wies große Fensterflächen insbesondere zur Elbe hin
auf, die teilweise als Glasfassade bezeichnet werden können. Sie sollten lediglich durch
Außenjalousien geschützt werden, die vor der Fertigstellung des Außenputzes nicht
installiert werden konnten. Vor der Anbringung der Außenjalousien war die Wohnung
mangels eines anderen Sichtschutzes für die Bauarbeiter von dem Gerüst aus
einsehbar. Die Gestaltung der Fensterflächen hätte es sehr schwer gemacht, einen
vorübergehenden Sichtschutz von innen anzubringen, der dem Nutzungsniveau der
Wohnung entsprochen hätte, wie der Senat bei dem Ortstermin festgestellt hat. Der
Sachverständige Prof. Dipl.-Ing. I hat in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen
Dipl.-Ing. X auch aus diesem Grund die Anbringung des Außenputzes und die Montage
der Außenjalousien zu Recht als für die Bezugsfertigkeit erforderlich angesehen.
95
Das Gerüst an dem im Übrigen noch unbewohnten Gebäude hätte zudem nach der
Meinung des Sachverständigen Dipl.-Ing. X eine erhöhte Einbruchsgefahr begründet.
96
In dem Ortstermin konnte die Frage des Zeitpunktes der Benutzbarkeit des Fahrstuhls,
der Fertigstellung des Treppenhauses und der Tiefgarage, dort der Doppelstockgaragen
und der Abfahrt zu der Tiefgarage, sowie der Zeitpunkt der Benutzbarkeit der
Kellerräume nicht geklärt werden. Briefkasten und Klingel sollten bis Mitte Januar 1997
97
provisorisch hergestellt werden. Unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin in
dem Schriftsatz vom 19.04.2007 spricht viel dafür, dass auch diese Arbeiten erst im
Frühjahr 1997 fertig gestellt worden sind.
5. Selbst wenn man entgegen der Auffassung des Senats nicht auf den Zeitraum
abstellt, der für die Herstellung der vertraggerechten Bezugsfertigkeit der Wohnung
erforderlich war, sondern auf die Dauer, die von der Klägerin benötigt wurde, um die
frühestmögliche Beziehbarkeit der Wohnung als solcher herzustellen, und den
Beklagten wegen der nicht unerheblichen Nutzungsbeeinträchtigungen auf
Schadensersatzansprüche verwiesen hätte, was die Konsequenz der Entscheidung des
OLG Stuttgart wäre, ist der Vorwurf nicht gerechtfertigt, dass der Beklagte sich durch die
Schreiben vom 5.12.1996 und 6.01.1997 vertragswidrig von dem mit der Klägerin
geschlossen Vertrag losgesagt habe.
98
Bezüglich des Schreibens vom 6.01.1997, durch das der Beklagte die Kreissparkasse S
aufgefordert hat, den Betrag in Höhe von 1,3 Mio. DM, für den sie sich verbürgt hatte, bis
zum 21.01.1997 an ihn zu zahlen, kommt das schon deshalb nicht in Betracht, weil nicht
auf den Zeitpunkt der Abfassung dieses Schreibens abzustellen ist, sondern auf den
Zeitpunkt, zu dem die Klägerin von ihm Kenntnis erlangt hat; das war der 15.01.1997.
Frühestens von diesem Zeitpunkt an konnte für die Klägerin keine Veranlassung mehr
bestehen, sich um die Erfüllung ihrer Leistungspflicht zu bemühen.
99
Nach der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme hätte die Klägerin bis zu diesem
Zeitpunkt die Beziehbarkeit der Wohnung ermöglichen können. Die abweichende
Feststellung des OLG Stuttgart beruht darauf, dass dieses die Entscheidung der
Rechtsfrage, zu welchen größtmöglichen Anstrengungen die Klägerin verpflichtet war,
in unzulässiger Weise dem Sachverständigen übertragen hat.
100
Unter Berücksichtigung der bereits erörterten Anforderungen, die an die
"größtmöglichen Anstrengungen" zu stellen sind, hat der Sachverständige Prof. Dipl.-
Ing. I sein im Vorprozess erstattetes Gutachten dahingehend korrigiert, dass eine
Beziehbarkeit der vom Beklagten erworbenen Wohnung bei einer achtstündigen Schicht
bis zum 21.01.1997 und bei einer zehnstündigen Schicht schon bis zum 10.01.1997 zu
erreichen gewesen wäre, wobei er entsprechend der Vorgabe des Senats Arbeiten am
Samstag berücksichtigt und angenommen hat, dass bei einer entsprechenden
Koordinierung gleichzeitig in den unterschiedlichen Stockwerken hätte gearbeitet
werden können. Er hat überzeugend ausgeführt, dass gewisse Arbeiten wie
Fliesenlegen wegen des optischen Eindrucks nicht von unterschiedlichen Arbeitern
erbracht werden können, weil das die Gleichmäßigkeit der Arbeiten beeinträchtigen
würde. Er hat tägliche Arbeitszeiten von 10 Stunden unterstellt, weil nicht geklärt ist, ob
das Gewerbeaufsichtsamt Doppelschichten wegen des Baumaschinenlärms außerhalb
der regulären Arbeitszeit erlaubt hätte. Zugleich hat er auf die Schwierigkeiten
hingewiesen, solch einen engen Zeitplan einzuhalten. Der Sachverständige Dipl.-Ing. X
hat dagegen unter Zugrundelegung von Doppelschichten und Samstagsarbeit die
erforderliche Zeit auf 30 Werktage geschätzt, so dass die Arbeiten vor Weihnachten
hätten fertig gestellt werden können. Nach der Überzeugung des Senats hätte die
Beziehbarkeit der Wohnung bis Mitte Januar hergestellt werden können, wobei es auf
einige Tage sicher nicht ankommt.
101
6. Dem Beklagten kann entgegen der Annahme des OLG Stuttgart auch nicht
vorgeworfen werden, dass er mit seinem Schreiben vom 5.12.1996 zu erkennen
102
gegeben habe, die Leistungen auch dann nicht annehmen zu wollen, wenn sie in
objektiv angemessener Zeit erbracht werden würden, weil die Klägerin in ihrem
Schreiben vom 2.12.1996 ihre Bereitschaft, die Beziehbarkeit der Wohnung innerhalb
der nach den Feststellungen des Senats objektiv angemessenen Nachfrist bis Mitte
Januar 1997 herzustellen, ernsthaft und endgültig verweigert hat. Das OLG Stuttgart hat
entscheidungserhebliche Passagen in dem Anwaltsschreiben der Klägerin vom
2.12.1996, auf das der Beklagte mit seinem Anwaltsschreiben vom 5.12.1996 reagiert
hat, ausgeblendet. Die Klägerin hat nämlich in jenem Anwaltsschreiben ihren Verzug zu
Unrecht geleugnet. Durch ihr nachhaltiges Bestreiten des Verzugs während des knapp
4 Jahre dauernden Vorprozesses - das erfolglose Bestreiten hat
Sachverständigenkosten in Höhe von mehr als 15.000 DM verursacht, die das OLG
Stuttgart unter Verstoß gegen § 96 ZPO nicht der Klägerin auferlegt hat - hat sie
verdeutlicht, dass das Leugnen des Verzugs in dem Schreiben vom 2.12.1996 als
ernsthafte Weigerung zu verstehen war, von der ihr gemäß § 326 BGB a.F. allein noch
einzuräumenden letzten Chance Gebrauch zu machen, die Herstellung der
Beziehbarkeit unter größten Anstrengungen innerhalb der objektiv angemessenen Frist
bis Mitte Januar 1997 zu vollenden, was sie dann anschließend auch tatsächlich nicht
getan hat. Ergibt sich aus einer Erklärung des Schuldners mit der erforderlichen
Ernsthaftigkeit und Endgültigkeit, dass mit seiner Leistung auch während einer
angemessenen Nachfrist nicht zu rechnen ist, dann erübrigt sich für den Gläubiger die
Setzung einer derartigen Frist (BGH NJW 1984, 48, 49). Das gilt entsprechend für die
Verlängerung einer Nachfrist.
Die Klägerin hat in dem Anwaltsschreiben vom 2.12.1996 eingehend ihre
(unzutreffende) Auffassung begründet, dass sie eine bis zum 31.01.1997 dauernde
Bauzeitverzögerung nicht zu vertreten habe und ihr erst anschließend eine Nachfrist
hätte gesetzt werden dürfen. Unter Berücksichtigung des Schreibens des Architekten F
vom 31.10.1996, in dem dieser eine Herstellung der Bezugsfertigkeit bis zum Februar
1997 in Aussicht gestellt hatte, musste der Beklagte das Schreiben so verstehen, dass
die Fertigstellung der Wohnung unter Berücksichtigung der von der Klägerin nach dem
31.01.1997 eingeplanten Nachfrist frühestens für Ende Februar 1997 in Betracht kam,
was die Klägerin aber nicht zuverlässig zusagen wollte.
103
Die "angemessene Nachfrist", die der Klägerin nach ihrer Auffassung erstmals am
31.01.1997 hätte gesetzt werden dürfen, hätte durchaus auch einen noch längeren
Zeitraum ergeben können. Darauf deutet das Anwaltsschreiben der Klägerin vom
16.01.1997 (Bl. 26 ff Anl. K8 d. BA.) hin, in dem sie geltend macht, dass sich die
Fertigstellungsfrist bis zum 28.02.1997 verlängert habe. Diese Schreiben und der
tatsächliche Bauablauf deuten darauf hin, dass die Klägerin zunächst ohne größte
Anstrengungen versuchen wollte, das Bauvorhaben im "wesentlichen fertig zu stellen",
so dass der Beklagte anschließend nicht umhin gekommen wäre, ihr eine Nachfrist zu
setzen.
104
Dem Anwaltsschreiben des Beklagten vom 5.12.1996 ist dagegen keine endgültige
Erfüllungsverweigerung zu entnehmen. Er hat eingehend dazu Stellung genommen,
warum die Klägerin nach seiner Auffassung die Bauzeitverzögerung zu vertreten habe
und es für den Beklagten nicht erkennbar sei, warum sich eine Verlängerung bis zum
31.01.1997 ergeben solle. Er verwies darauf, dass er die Frist für angemessen halte und
gab der Klägerin eine letzte Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 15.12.1996. Davon
hat sie keinen Gebrauch gemacht. Im Vorprozess hat die Klägerin aber im Schriftsatz
vom 23.04.2001 (Bl. 557 d.BA.) vorgetragen, dass noch am 22.01. und 27.01.1997
105
Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien stattgefunden hätten. Darauf deutet
auch das Anwaltsschreiben der Klägerin vom 27.01.1997 (Bl. 26 ff Anl. K9 d. BA.) hin, in
welchem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin von andauernden
Vergleichsverhandlungen der Parteien ausgegangen ist. Unter Würdigung aller
Umstände kann nicht festgestellt werden, dass das Schreiben des Beklagten vom
5.12.1996 aus der Sicht der Klägerin dessen "letztes Wort" war.
Das OLG Stuttgart hat unter Verletzung des Beibringungsgrundsatzes nicht
berücksichtigt, dass die Klägerin, die als nicht unbedeutende Bauträgerin die
Bauabläufe und die (unterlassenen) größten Anstrengungen zur fristgerechten
Herbeiführung der Beziehbarkeit kannte und zudem von einem auf dem Gebiet des
Baurechts offensichtlich versierten Anwalt vertreten wird, sich während eines gut 3 ½
Jahre dauernden Prozesses nicht darauf berufen hat, dass das Schreiben des
Beklagten vom 5.12.1996 die Ursache für ihre nicht fristgerechte Erfüllung gewesen sei.
106
Im vorliegenden Rechtsstreit beruft sich die Klägerin dementsprechend im Anschluss an
den umfassenden Auflagen- und Hinweisbeschluss des Senats vom 6.06.2006 darauf,
dass sie die gesteigerten Anstrengungen unabhängig von dem Schreiben des
Beklagten vom 5.12.1996 bereits seit dem 30.11.1996 reduziert habe. Die vom Senat
durchgeführte Beweisaufnahme hat aber ergeben, dass die Klägerin auch schon zuvor
keine erhöhten Anstrengungen zur Herstellung der Beziehbarkeit der vom Beklagten
erworbenen Wohnung unternommen hat, wie bereits ausgeführt wurde.
107
Es ist weder aus den Akten des Vorprozesses noch denjenigen des vorliegenden
Rechtsstreits mit der erforderlichen Klarheit ersichtlich, dass die Klägerin sich
abweichend von dem Inhalt ihres Anwaltschreibens vom 2.12.1996 ernsthaft und für den
Beklagten in einer verlässlichen und nachprüfbaren Weise bereit erklärt hätte, die
Beziehbarkeit der Wohnung innerhalb einer angemessenen Frist bis Mitte Januar 1997
zu bewirken. Die Klägerin hat sich deshalb in dem Vorprozess zu Recht nicht darauf
berufen, dass die ihr gesetzte Frist zu kurz gewesen sei. Einen entsprechenden Vorwurf
hat sie ausschließlich mit den Anfang November 1996 von den Vertretern des Beklagten
geäußerten Sonderwünschen begründet, die jedoch nach dem Gutachten des
Sachverständigen Prof. I unter Berücksichtigung der übrigen noch ausstehenden
Arbeiten keine entscheidende Bedeutung hatten.
108
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs.1, 101 Abs.1, 708 Nr.10, 711
ZPO.
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