Urteil des OLG Hamm vom 22.03.1999
OLG Hamm (kläger, eintritt des versicherungsfalles, kaufpreis, kaufvertrag, zeuge, schriftstück, betrag, vvg, vertrag, gegenleistung)
Oberlandesgericht Hamm, 6 U 191/98
Datum:
22.03.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 191/98
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 15 O 159/98
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 8. September 1998 verkündete
Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird
zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsmittels.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschwer des Klägers: unter 20.000,00 DM.
Entscheidungsgründe:
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I.
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Der Kläger verlangt Diebstahlsentschädigung aus einer Teilkaskoversicherung für einen
Pkw Audi, den er gemäß ausschließlich mündlich geschlossenem Kaufvertrag am
08.11.1996 gebraucht von dem Zeugen C erworben hat und der am 07.05.1997 in
W/Mentwendet worden ist.
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In der von dem Zeugen T als Agenten der Beklagten am 14.05.1997 nach den Angaben
des Klägers ausgefüllten Kaskoschadenanzeige ist u.a. als gezahlter Kaufpreis der
Betrag von 30.000,00 DM genannt. Der Kläger erklärte bei Ausfüllung der
Schadenanzeige, eine Kopie des Kaufvertrages könne er zuschicken. Mit Schreiben
vom 21.05.1997 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie benötige u.a. noch den
Kaufvertrag und fügte dem Schreiben eine Scheckliste bei. Mit dieser Scheckliste
suchte der Kläger den Zeugen T auf, der sie gemäß den Informationen des Klägers und
des Zeugen L am 16.06.1997 ausfüllte und vom Kläger unterschreiben ließ. Bei dieser
Gelegenheit überreichte der Kläger dem Zeugen T ein als "Vertrag über den
Kauf/Verkauf eines Gebrauchtwagens von Privat" bezeichnetes Schriftstück, in dem ein
Kaufpreis von 32.500,00 DM genannt war. Auf dieses Schriftstück wurde in der
Checkliste durch den Zusatz "siehe Kaufvertrag" Bezug genommen und unmittelbar
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dahinter die Frage, ob das Fahrzeug bezahlt sei, bejaht.
Der Kläger hat vorgetragen, bei dem als Kaufvertrag bezeichneten Schriftstück habe es
sich um einen nachträglich für seine Buchhaltung gefertigten Beleg gehandelt, in dem
der gezahlte Kaufpreis jedoch zutreffend angegeben sei. 25.000,00 DM habe er per
Scheck und 1.000,00 DM bar an den Zeugen C geleistet. Darüber hinaus habe er dem
Zeugen C im Werte von 6.500,00 DM geliefert und eingebaut.
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Die Beklagte hat sich auf Leistungsfreiheit wegen falscher Angaben des Klägers
berufen. Der Kläger habe sie durch Vorlage eines falschen Kaufvertrages zu täuschen
versucht und u.a. einen falschen Kaufpreis angegeben. Tatsächlich habe es die
angebliche Holzlieferung nicht gegeben.
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Das Landgericht hat die Klage nach Anhörung des Klägers und Vernehmung des
Zeugen C abgewiesen. Die Beklagte sei leistungsfrei, weil der Kläger wahrheitswidrig
den Abschluß eines schriftlichen Kaufvertrages behauptet habe und einen zu hohen
Kaufpreis genannt habe. Nach Aussage des Zeugen C sei es zwar, allerdings erst 6
Monate nach Ausfüllung der Kaskoschadenanzeige, noch zu einer Holzlieferung des
Klägers gekommen. Diese habe aber nur einen Gegenwert von 2.000,00 DM gehabt, so
daß sich als Kaufpreis des Gebrauchtwagens allenfalls 28.000,00 DM ergäben.
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Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines
erstinstanzlichen Vortrags.
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Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.
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II.
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Die Berufung ist unbegründet.
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Zu Recht hat das Landgericht die Beklagte wegen der Verletzung von
Aufklärungsobliegenheiten des Klägers als gem. §§ 7 AKB, 6 Abs. 3 VVG leistungsfrei
angesehen, so daß dem Kläger ein Zahlungsanspruch gem. §§ 1, 49 VVG, 12, 13 AKB
nicht zusteht.
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Es kann dahinstehen, ob der Kläger dem Zeugen T bei Ausfüllung der
Kaskoschadenanzeige am 14.05.1997 als Kaufpreis den exakten Betrag von
30.000,00 DM genannt hat oder ob er lediglich von ca. 30.000,00 DM gesprochen hat
und der Zeuge T den Zusatz "ca." versehentlich nicht in das Formular eingetragen hat.
Denn jedenfalls als am 16.06.1997 die Fragen aus der Checkliste beantwortet wurden,
hat der Kläger der Beklagten über den Zeugen T die Information zugeleitet, daß als
Kaufpreis 32.500,00 DM vereinbart worden und an den Zeugen C auch schon gezahlt
worden seien. Diese Auskunft war in doppelter Hinsicht falsch.
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Zunächst einmal hatte der Kläger schon nach dem im Berufungsverfahren unstreitigen
Sachverhalt bei Ausfüllung der Checkliste als Gegenleistung für den Gebraucht-Pkw
nicht mehr als 26.000,00 DM an den Zeugen C erbracht. Die in der Holzlieferung zu
sehende weitere Gegenleistung des Klägers war noch nicht erfolgt, so daß der Kläger
die ausdrückliche Frage in der Checkliste, ob das Fahrzeug bezahlt sei, unter keinen
Umständen mit "ja" beantworten durfte. Der Kläger selbst hat zwar bei seiner
erstinstanzlichen Anhörung zu Protokoll gegeben, das Holz schon im Januar 1997
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geliefert und eingebaut zu haben. Der Zeuge C hat aber eindeutig bekundet, das
Holzgeschäft sei erst im Dezember 1997 durchgeführt worden, zumal auch der
Bauantrag erst im Oktober 1997 gestellt worden sei. Der Kläger hat sich in der
Berufungsbegründung zwar eine nochmalige Überprüfung der Zeitangaben des Zeugen
C vorbehalten. Hierauf ist er jedoch später nicht noch einmal eingegangen, so daß von
der diesbezüglichen Richtigkeit der Aussage des Zeugen C ausgegangen werden muß.
Falsch war darüber hinaus der Betrag von 32.500,00 DM, den der Kläger als
Gebrauchtwagenkaufpreis angegeben hat. Daß dies der zwischen ihm und dem Zeugen
C vereinbarte Gebrauchtwagenpreis gewesen sei, hat der Kläger durch Überreichung
des als "Vertrag über den Kauf/Verkauf eines Gebrauchtwagens" überreichten
Schriftstückes klar zu verstehen gegeben. Eine Einigung über einen solchen Gegenwert
für den gebrauchten Pkw hat es zwischen den Zeugen C und dem Kläger aber nie
gegeben. Der Kläger will den Wert des gelieferten Holzes intern mit 6.500,00 DM
kalkuliert haben. Auf diese interne Kalkulation des Klägers kommt es jedoch nicht an.
Maßgeblich kann vielmehr nur sein, auf welchen Betrag sich der Kläger und der Zeuge
C als Vertragsparteien des Gebrauchtwagenkaufvertrages übereinstimmend verständigt
haben. Als solcher Betrag kommen aber lediglich 28.000,00 DM in Betracht, weil der
Zeuge C neben der Scheckzahlung von 25.000,00 DM und der Barzahlung von
1.000,00 DM lediglich eine Holzlieferung des Klägers als Gegenleistung für den
Gebrauchtwagen gefordert hat, deren Wert er auf 2.000,00 DM veranschlagte.
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Daß die somit festzustellenden Falschangaben des Klägers in einer zur
Leistungsfreiheit der Beklagten führenden Weise vorsätzlich erfolgt sind, wird gem. § 6
Abs. 3 VVG vermutet. Diese Vermutung hat der Kläger nicht zu widerlegen vermocht.
Eine plausible Erklärung dafür, daß er den Gebrauchtwagenkaufpreis in
Kaskoschadenanzeige und Checkliste wahrheitswidrig als bereits bezahlt bezeichnet
hat, läßt sich dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen. Die entsprechenden Fragen
der Beklagten sind auch so präzise formuliert, daß ein Mißverständnis ausgeschlossen
erscheint. Im übrigen spricht gegen unvorsätzliches Verhalten des Klägers die
Tatsache, daß er der Beklagten eine schriftlicht Unterlage überreicht hat, die der
Beklagten suggerierte, es handele sich dabei um einen mit dem Verkäufer C
abgeschlossenen schriftlichen Gebrauchtwagenkaufvertrag, obwohl ein solcher
schriftlicher Vertrag niemals existiert hat. Auf dem Schriftstück fehlte zwar die
Unterschrift des Verkäufers und auch ein Vertragsdatum. Es war aber ausdrücklich als
"Vertrag über den Kauf/Verkauf eines Gebrauchtwagens" und nicht etwa als Eigenbeleg
des Klägers für seine Buchhaltung bezeichnet. Darüber hinaus enthält es u.a. eine
angebliche Zusicherung des Verkäufers, wie sie für einen regulären
Gebrauchtwagenkaufvertrag, nicht aber für einen reinen Buchhaltungsbeleg Bedeutung
haben konnte. Abgesehen davon hatte der Kläger dem Zeugen T schon am 14.05.1997
erklärt, ihm eine Kopie des Kaufvertrages zuschicken zu können. Er hat das Schriftstück
dann überreicht, nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 21.05.1997 den schriftlichen
Kaufvertrag angefordert hatte. In der Scheckliste ist mit dem Vermerk "siehe
Kaufvertrag" auf das überreichte Schriftstück verwiesen worden. Im übrigen hat der
Zeuge T bei seiner Vernehmung durch den Senat bekundet, ihm sei bei Übergabe des
Schriftstückes nicht gesagt worden, daß es sich dabei lediglich um einen internen Beleg
gehandelt habe. Der Senat hat keinen Zweifel an der Richtigkeit dieser Aussage des
Zeugen T, zumal der Kläger noch in der Berufungsbegründung selbst vorgetragen hat,
den Beleg irrtümlich als Kaufvertrag eingereicht zu haben.
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Die Leistungsfreiheit der Beklagten scheitert nicht an den Anforderungen der
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Relevanzrechtsprechung. Überhöhte Angaben über den Kaufpreis für ein entwendetes
Fahrzeug wie in der vorliegenden Sache sind generell geeignet, berechtigte Interessen
eines Versicherers ernsthaft zu gefährden (vgl. OLG Köln r + s 96, 256). Hieran ändert
es nichts, daß der Wiederbeschaffungswert eines entwendeten Pkw ohnehin durch
Sachverständigengutachten ermittelt wird, weil auch ein zu einem früheren Zeitpunkt
ausgehandelter Gebrauchtwagenkaufpreis einen Hinweis auf wertbestimmende
Faktoren wie etwa den Erhaltungszustand geben kann.
Bei der überzogenen Kaufpreisangabe des Klägers handelte es sich ferner nicht um ein
geringfügiges Fehlverhalten, das auch einem ordentlichen Versicherungsnehmer
unterlaufen kann und für das ein Versicherer Verständnis aufbringen muß.
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Schließlich ist der Kläger auch über die Folgen unwahrer Angaben ordnungsgemäß
belehrt worden. Daß ihm der Zeuge T die sowohl auf der Kaskoschadenanzeige als
auch auf der Checkliste abgedruckte Belehrung nur unzureichend zur Kenntnis
gegeben hätte, behauptet der Kläger nicht. Darüber hinaus ist die Belehrung auf der
vom Kläger unterzeichneten Kaskoschadenanzeige, wie schon die bei der Akte
befindliche Kopie belegt, hinreichend drucktechnisch hervorgehoben. Einer erneuten
Belehrung des Klägers bedurfte es angesichts der nur zwei Monate nach Ausfüllung der
Kaskoschadenanzeige erfolgten Beantwortung der Fragen aus der Checkliste nicht.
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Darauf, daß die Belehrung inhaltlich den an sie zu stellenden Anforderungen nicht
gerecht werde, beruft sich der Kläger ohne Erfolg. Bei vorsätzlicher, folgenloser
Verletzung von Aufklärungs- und Auskunftsobliegenheiten nach Eintritt des
Versicherungsfalles macht die Rechtsprechung die Leistungsfreiheit des Versicherers
davon abhängig, daß der Versicherungsnehmer ausdrücklich und unmißverständlich
über den Verlust seines Leistungsanspruches auch für den Fall, daß die
Obliegenheitsverletzung keinen Nachteil für den Versicherer hatte, belehrt worden ist
(vgl. Römer/Langheid, VVG, § 6 Rn. 44 m.w.N.; BGH r + s 98, 144, 181 mit Anmerkung
Münstermann = VersR 98, 498; OLG Hamm r + s 98, 364; Senat VersR 99, 89 m.w.N.).
Die von der Beklagten verwendete Belehrung lautet: "Ausdrücklich weisen wir darauf
hin, daß vorsätzlich unwahre oder unvollständige Angaben auch dann zum Verlust des
Versicherungsschutzes führen, wenn sie für die Schadensfeststellung folgenlos
geblieben sind". Sie deckt sich somit nicht vollständig mit dem Wortlaut der in der
zitierten Rechtsprechung gebilligten Belehrungen. Inhaltlich steht sie diesen jedoch
gleich. Dementsprechend ist eine solche Belehrung auch von der Rechtsprechung des
BGH bereits als hinreichend behandelt worden (vgl. BGH VersR 93, 828).
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Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 546 ZPO.
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