Urteil des OLG Hamm vom 13.11.1984

OLG Hamm (antragsteller, negative feststellungsklage, zpo, geschiedener ehegatte, einkommen, tätigkeit, höhe, beschwerde, anordnung, sicherheitsleistung)

Oberlandesgericht Hamm, 2 WF 359/84
Datum:
13.11.1984
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 WF 359/84
Vorinstanz:
Amtsgericht Bad Oeynhausen, 17 a F 317/84
Tenor:
1. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben, soweit dem
Antragsteller Prozeßkostenhilfe versagt worden ist. Die Sache wird
insoweit zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das
Amtsgericht zurückverwiesen, das angewiesen wird-, von den Bedenken
der mangelnden Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Klage abzusehen,
2. Der angefochtene Beschluß wird, soweit der Antrag des Antragstellers
auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung zurückgewiesen
worden ist, wie folgt abgeändert:
Die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluß des Amtsgerichts -
Familiengerichts - Halle/Westf• vom 28. Dezember 1933 (5a F 177/81
UE) wird für die Zeit ab 1. Mai 1984 einstweilen eingestellt, und zwar
gegen Sicherheitsleistung in Höhe der jeweils beizutreibenden fälligen
Beträge.
Die Sicherheitsleistung kann durch Beibringung einer
selbstschuldnerischen, unwiderruflichen und unbefristeten Bürgschaft
der Volksbank Schildesche erbracht werden.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragsgegnerin
auferlegt; jedoch werden außergerichtliche Kosten nur nach einem
Streitwert von 1.500,-.DM erstattet.
4. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird wie folgt festgesetzt:
für die Beschwerde gegen die Versagung der Prozeßkostenhilfe auf
1.500,- DM,
für die Beschwerde gegen die Versagung der einstweiligen Einstellung
ebenfalls auf 1.500,- DM,
5. Das Prozeßkostenhilfegesuch der Antragsgegnerin vom 5« November
1984 wird zurückgewiesen.
Gründe
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Die Beschwerde ist zulässig, gegen die Versagung der Prozeßkostenhilfe gemäß § 127
II ZPO, gegen die Zurückweisung des Antrags auf einstweilige Einstellung der
Zwangsvollstreckung als sofortige Beschwerde gemäß § 795 ZPO. Das Rechtsmittel ist
auch begründet,
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1. Nach Auffassung des Senats kann dem Antragsteller die begehrte Prozeßkostenhilfe
nicht mit der Begründung versagt werden, die beabsichtigte Peststellungsklage biete
keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. § 114 ZPO).
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Darauf, ob sich wesentliche Veränderungen gegenüber dem Erlaß der einstweiligen
Anordnung vom 28.12.1983 (5a F 177/81 UE AG Halle/Westf.) ergeben haben - nach
der der Antragsteller monatlich 355,60 DM an die Antragsgegnerin zu zahlen hat -,
kommt es nicht an. Eine Bindung an diese Entscheidung besteht nicht; denn eine
einstweilige Anordnung stellt keine rechtskräftige Entscheidung über den
Unterhaltsanspruch dar (vgl. BGH, FamRZ 1983, 355 NJW 1983,1330). § 323 ZPO ist
hier nicht anwendbar.
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Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand läßt sich ein Unterhaltsanspruch der
Antragsgegnerin allenfalls aus § 1573 BGB herleiten. Ein Unterhaltsanspruch wegen
Alters (§ 1571 BGB) scheidet bei dem Alter der Antragsgegnerin von 50 Jahren noch
aus. Ein Anspruch wegen Krankheit (§ 1572 BGB) kommt ebenfalls nicht in Betracht, da
keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorgetragen sind, daß die Antragsgegnerin
aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten kann.
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Nach § 1573 BGB kann ein geschiedener Ehegatte Unterhalt verlangen, solange und
soweit er nach der Scheidung keine angemessen Erwerbstätigkeit zu finden vermag.
Voraussetzung hierfür ist, daß er sich intensiv um eine solche Tätigkeit bemüht hat. Die
bloße Meldung beim Arbeitsamt reicht nicht aus. Die Antragsgegnerin, die für ihre
Bedürftigkeit beweispflichtig ist, hätte im einzelne dartun und unter Beweis stellen
müssen, was sie an Bemühungen unternommen hat. Das ist nicht geschehen. Auch im
Anordnungsverfahren 5a F 177/81 SH UE hat die Antragsgegnerin im Termin vom 29.7-
1982 lediglich zwei Stellen konkret genannt, hei denen sie sich beworben hat (XXX und
XXX). Ihre weitere Angabe, sie sei auf Zeitungsanzeigen "unterwegs" gewesen, dürfte
in dieser Form zu allgemein erscheinen. Der Senat hat sich nicht veranlaßt gesehen, die
Antragsgegnerin im vorliegenden Beschwerdeverfahren noch einmal darauf
hinzuweisen, daß ihr Vortrag unzureichend ist, nachdem bereits der Antragsteller in
seiner Beschwerdeschrift auf die mangelnden Anstrengungen der Antragsgegnerin
hingewiesen hat. Sie wird dadurch nicht gehindert, ihren Vortrag noch im
Hauptverfahren zu ergänzen.
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Der Senat ist sich darüber im klaren, daß die Chancen der Antragsgegnerin, eine
Arbeitsstelle zu finden - sei es auch nur für eine stundenweise Tätigkeit mit einem
Einkommen bis zu 390,- DM -, angesichts der derzeitigen Arbeitsmarktlage und unter
Berücksichtigung ihrer persönlichen Voraussetzungen nicht günstig sind. Das, aber
entbindet die Antragsgegnerin nicht von der Verpflichtung, sich fortlaufend um eine
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Erwerbstätigkeit zu bemühen.
Soweit die Antragsgegnerin jetzt behauptet, sie habe während der Ehezeit keine
Tätigkeit ausgeübt, ist dieser Vortrag widersprüchlich.
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Im Verfahren 5a F 177/81 SH UE hat sie selbst vortragen lassen - so in ihrer dortigen
Antragsschrift vom 19.8.1981 -, daß sie während der Ehezeit gearbeitet habe, und zwar
bis 1978. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand wird sich nicht ausschließen
lassen, daß die Antragsgegnerin, wäre sie ihrer Obliegenheit, sich intensiv um eine
Tätigkeit zu bemühen, frühzeitig genug nachgekommen, eine angemessene Stellung
gefunden hätte, die es ihr ermöglichte ein ebenso hohes Einkommen zu erzielen wie zur
Zeit der Antragsteller.
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Was die Leistungsfähigkeit des Antragstellers anlangt, der zur Zeit Arbeitslosenhilfe in
Höhe von 219,78 DM wöchentlich bzw.
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952,38 DM monatlich (219,78 DM x 52 : 12) erhält, so dürften seine bisher
vorgetragenen Bemühungen, einen neuen Arbeitsplatz
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zu erlangen, ebenfalls kaum ausreichen.
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Der Antragsteller hat allerdings durch ärztliche Bescheinigung des Internisten vom
16.10.1984 glaubhaft gemacht,
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daß er an einem cerebralen Anfallsleiden mit Petit-mal-Anfällen leidet und deshalb in
seiner Arbeitsfähigkeit beschränkt ist, insbesondere seinen Beruf als Maurer bzw.
Dachdecker nicht mehr ausüben kann. Ob und inwieweit das zutrifft, wird
erforderlichenfalls im Hauptverfahren zu klären sein. Für das vorliegende
Beschwerdeverfahren ist davon auszugehen, daß die bescheinigte Beschränkung der
Arbeitsfähigkeit vorliegt. Aber auch diese Beschränkung der Arbeitsfähigkeit entbindet
den Antragsteller nicht von der Pflicht, sich intensiv um eine andere Tätigkeit zu
bemühen. Da aber nur noch Tätigkeiten in einem ungelernten Beruf in Betracht
kommen, kann - jedenfalls für die Frage der
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Erfolgsaussichten im Rahmen des § 114 ZPO - nicht davon ausgegangen werden, daß
der Antragsteller aus einer solchen Tätigkeit
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ein höheres Einkommen erzielen könnte als die Antragsgegnerin,
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wenn sich diese rechtzeitig und mit der gebotenen Intensität um
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eine Erwerbstätigkeit bemüht hätte.
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Das Einkommen des Antragstellers ist an sich zu erhöhen um den Nutzungswert der
Wohnung - im eigenen Einfamilienhaus. Auf diesen Wert werden aber die monatlichen
Schuldraten von 470,- DM für den Kredit in Höhe von 55.000,- DM anzurechnen sein,
den der Antragsteller zur Finanzierung des Zugewinnausgleichs aufgenommen hat.
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Diese Schuldraten von 470,- DM wird man nicht deshalb unberücksichtigt lassen
können, weil das - wie das Amtsgericht meint - dazu führen würde, daß die
Antragsgegnerin selbst die Zugewinnzahlung finanzieren würde. Das Unterhaltsrecht
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unterliegt seinen eigenen Regeln. Wird die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners
durch Verbindlichkeiten eingeschränkt, so kann es grundsätzlich keinen Unterschied
machen, ob Gläubiger dieser Verbindlichkeiten ein Dritter ist - wie in der Regel - oder
der Unterhaltsberechtigte selbst (Göppinger/Wenz, Unterhaltsrecht, 4. Aufl.; Rdnr. 1155).
Auch Verbindlichkeiten gegenüber dem Unterhaltsberechtigten können deshalb zu
einer Verminderung des
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Unterhaltsanspruchs führen. Entsprechendes gilt, wenn ein Kredit aufgenommen
worden ist, um eine Verbindlichkeit gegenüber dem Unterhaltsberechtigten zu erfüllen-
Allerdings gilt das nicht uneingeschränkt. Etwas anderes kann sich insbesondere dann
ergeben, wenn - wie im vorliegenden Fall - ein Kredit zur Finanzierung des Zugewinns
aufgenommen wird. Denn der Zugewinnausgleich ist eine Art Vermögensausgleich und
regelmäßig aus vorhandener Vermögenssubstanz zu leisten. Durch die Aufnahme eines
Kredits wird diese vom Gesetz zugemutete Verwertung von Vermögensgegenständen
abgewendet, sie führt damit zur Erhaltung des (Aktiv-)Vermögens.
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Es erscheint nicht ohne weiteres gerechtfertigt, die Aufwendungen für diese Art der
Vermögenserhaltung von dem anrechenbaren Einkommen des Unterhaltsverpflichteten
abzusetzen. Der Unterhalt darf grundsätzlich nicht dadurch verkürzt werden, daß der
Verpflichtete einen Teil seines Einkommens der Vermögensbildung zuführt.
Andererseits wird man aber auch die Einkünfte aus den so erhaltenen
Vermögensgegenständen nicht uneingeschränkt dem Einkommen zurechnen können;
denn im Falle der Veräußerung dieser Gegenstände (zum Zwecke der Erfüllung der
Zugewinnausgleichsforderung) würden diese Einkünfte - jedenfalls in dieser Höhe -
ebenfalls nicht mehr anfallen. Es dürfte deshalb gerechtfertigt erscheinen, die
Schuldraten für einen Kredit der vorliegenden Art wie Aufwendungen für die Einkünfte
aus dem Vermögen zu behandeln und von diesen Einkünften abzusetzen.
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Für den vorliegenden Fall bedeutet das, daß der Nutzungswert des Hauses um diese
Schuldraten zu vermindern ist. Maßgebend ist der Netto-Nutzungswert. Unkosten für
das Haus einschließlich eines angemessenen Betrages für die Instandhaltung sind
vorab zu berücksichtigen. Die nähere Klärung dieser Frage hat im Hauptverfahren zu
erfolgen. Für die vorliegende Entscheidung geht der Senat davon aus, daß sich der
Nutzungswert und die Schuldraten in etwa die Waage halten.
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Die negative Feststellungsklage bietet damit hinreichende Aussicht auf Erfolg, ohne daß
es noch auf die Frage ankommt, ob auf Seiten der Antragsgegnerin der
Zugewinnausgleichsbetrag von ca. 49.000,- DM völlig unberücksichtigt bleiben kann.
Die Antragsgegnerin hat bislang weder im einzelnen dargelegt noch belegt, welche
Anschaffungen sie gemacht hat und inwieweit diese Anschaffungen unter
Berücksichtigung der beengten finanziellen Verhältnisse als erforderlich angesehen
werden können.
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Da dem Senat die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§
117 II ZPO) nicht vorliegt, hat er sich darauf beschränkt, die angefochtene Entscheidung
aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht mit der Maßgabe zurückverwiesen, daß
von den Bedenken bezüglich der mangelnden Erfolgsaussicht abzusehen ist.
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2. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen hält es der Senat für
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gerechtfertigt, entsprechend § 769 ZPO die Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen
Anordnung vom 28.12.1983 gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen. Die
Anordnung der Sicherheitsleistung, zu der der Antragsteller angesichts seines
unbelasteten Grundstücks in der Lage ist, erscheint im Interesse der Antragsgegnerin
angezeigt, da der. Ausgang des Rechtsstreits noch offen ist, mögen auch hinreichende
Erfolgsaussichten bestehen.
Die Kostenentscheidung beruht insoweit auf § 91 ZPO.
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