Urteil des OLG Hamm vom 17.10.2003

OLG Hamm (kläger, fonds, steuerberater, höhe, zpo, schaden, immobilienfonds, rücklage, hauptsache, betriebsübertragung)

Oberlandesgericht Hamm, 25 U 48/03
Datum:
17.10.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
25. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
25 U 48/03
Vorinstanz:
Landgericht Hagen, 2 O 313/01
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird – unter Zurückweisung des
weitergehenden Rechtsmittels - das am 20.12.2002 verkündete Urteil
der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hagen nach Erledigung der
Hauptsache im übrigen teilweise so abgeändert.
Der Beklagte bleibt verurteilt, an die Kläger 66.242,77 € nebst 5 %
Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.09.01 zu zahlen.
Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger 26
% und der Beklagte 74 %.
Von den zweitinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger
13 % und der Beklagte 87 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann Vollstreckungsmaßnahmen der Kläger abwenden
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden
Betrages, falls nicht die Kläger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe
leisten.
G r ü n d e
1
( gemäß § 540 ZPO )
2
I.
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Die Kläger begehren vom Beklagten, ihrem ehemaligen Steuerberater, Schadensersatz.
Zur Begründung werfen die Kläger dem Beklagten Pflichtverletzungen im
Zusammenhang mit nicht vollständiger Übertragung von § 6 b – EStG-Rücklagen auf
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vom klagenden Ehemann (im folgenden: der Kläger) auf Anraten des Beklagten
erworbene Fondsanteile der Immobilienfonds C1 und C2 vor. Das Landgericht hat der
Klage vollumfänglich in Höhe von 89.532,41 € nebst Zinsen stattgegeben. Auf die
hierzu in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird Bezug
genommen. Im Laufe des Berufungsverfahrens ist den Klägern betreffend den
Immobilienfonds C2 die höchstmögliche Übertragung gelungen, woraufhin die Parteien
den Rechtsstreit in Höhe von 23.289,64 € nebst Zinsen übereinstimmend in der
Hauptsache für erledigt erklärt haben. Sie streiten weiterhin um den von den Klägern
behaupteten Schadensersatzanspruch aus der nicht vollständigen
Rücklagenübertragung bezüglich des Fonds C1 sowie bezüglich des erledigten Teils
(C2) um die darauf entfallende Kostentragung. Nur bezüglich dieser Kostentragung hat
die Berufung Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet.
II.
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1. C1
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Den Klägern steht gegen den Beklagten ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung
des Steuerberatervertrages zu.
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a)
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Der Beklagte hat seine aus dem Steuerberatervertrag mit den Klägern folgenden
Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt, indem er es unterließ, die nur fristgebunden bis
zum 31.12.99 bestehende Möglichkeit einer steuerneutralen Auflösung der § 6b-
Rücklage zu überwachen.
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Dies folgt allerdings noch nicht daraus, daß den Beklagten aus der – wie die Kläger
meinen – insgesamt "verunglückten" Konzeption der Betriebsübertragung auf die Kinder
der Kläger "gesteigerte" Sorgfaltspflichten getroffen hätten. Denn die Berechtigung
dieses Vorwurfs ist streitig und vom Senat schon deswegen nicht zu überprüfen ist, weil
er von den Klägern – ausdrücklich – nicht zur Begründung ihres
Schadensersatzanspruches im vorliegenden Verfahren herangezogen wird.
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Darauf kommt es indes aber auch nicht an, da den Beklagten bereits aus dem
Sachverhalt, der dem Steuerberatungsmandat zugrundelag, die Pflicht traf, die
Umsetzung der höchstmöglichen Übertragung der § 6 b-Rücklage auf den Fonds C1 zu
überwachen. Denn der Fondsanteil des C1 ist von dem Kläger auf ausdrückliches
Anraten des Beklagten gezeichnet worden. Dieser Rat war Teil des vom Beklagten als
Steuerberater entwickelten Konzepts der Betriebsübertragung von dem Kläger auf
dessen Kinder. Insbesondere die Idee, die beim Kläger im Zuge der
Betriebsübertragung angefallenen Veräußerungsgewinne steuerlich dadurch zu
neutralisieren, daß man sie zunächst in eine § 6 b-Rücklage einstellte und sodann auf
einen Fondsanteil übertrug, der auf Grund der damals geltenden Rechtslage es zuließ,
ein Vielfaches der Zeichnungssumme als Übertragungsvolumen aufzunehmen, stammte
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vom Beklagten. Der Kläger hat widerspruchslos diese steuerlich komplizierten
Überlegungen des Fachmannes übernommen und den steuerlichen Rat des Beklagten
in jeder Hinsicht befolgt. Vor diesem Hintergrund kommt es bereits nicht mehr darauf an,
daß es sich zudem auch noch um ein langjähriges Mandatsverhältnis gehandelt hat und
– dies hat der Beklagte im Senatstermin selbst bestätigt – die Parteien sich auch
persönlich recht nahe standen. Damit der steuerrechtliche "Plan" des Beklagten
funktionierte, d.h. für seine Mandanten, die Kläger, auch aufging, war der Beklagte
jedenfalls spätestens im Rahmen der Erstellung der Jahressteuererklärung der Kläger
für 1999 verpflichtet zu kontrollieren, ob die gebildete § 6 b-Rücklage insgesamt
steuerneutral aufgelöst worden war oder ob und ggf. in welchem Umfang sie im Jahre
1999 gewinnerhöhend aufzulösen war. Hierzu bestand insbesondere auch deswegen
Veranlassung, weil es –wie der Beklagte bei seiner Anhörung vor dem Landgericht
selbst angegeben hat- zumindest ungewöhnlich war, daß der Steuerberater N als
Bevollmächtigter des Fonds C1 keine Mitteilungen über die gegenüber der
Fondsgesellschaft ergangenen Steuerbescheide des Betriebsstättenfinanzamts an den
Kläger als Gesellschafter versandt hat, er, der Beklagte, derartige Mitteilungen – wie er
im Senatstermin angegeben hat – jedenfalls nicht erhalten haben will. Wäre der
Beklagte dieser Verpflichtung nachgekommen, hätte sich herausgestellt, daß seine
Übertragungsmitteilung vom 14.12.98 von dem Steuerberater N des Fonds C1 nicht
umgesetzt worden war.
b)
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Der Beklagte kann sich nicht damit entlasten, daß der Immobilienfonds C1 mit dem
Steuerberater N selbst einen Fachmann mit der steuerlichen Wahrnehmung der
Interessen des Fonds beauftragt hatte, und daß auf Grund des
Geschäftsbesorgungsvertrages die C GmbH eine umfassende, auch steuerliche
Angelegenheiten des Fonds betreffende Geschäftsbesorgung für den Kläger
übernommen hat. Zwar hat unstreitig der Steuerberater N die Umsetzung der Mitteilung
des Beklagten vom 14.12.98 über die höchstmögliche Inanspruchnahme des
Übertragungsvolumens für den Fonds C1 unterlassen. Jedoch entlastet der Fehler des
einen Steuerberaters nicht den Fehler des jeweils anderen. Wie oben dargestellt, traf
den Beklagten insoweit eine eigenständige Überprüfungspflicht aus dem zwischen dem
Beklagten und den Klägern bestehenden Steuerberatervertrag.
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c)
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Diese Pflichtverletzung des Beklagten ist auch kausal für den bei den Klägern
eingetretenen Schaden geworden:
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Zwar hatte der Beklagte nicht die Möglichkeit, selbst durch eine entsprechende
Nachfrage und anschließende Antragstellung beim für den Fonds zuständigen
Betriebsstättenfinanzamt die höchstmögliche Berücksichtigung des für den Kläger zur
Verfügung stehenden Übertragungsvolumens zu erreichen. Denn – auch dies ist
zwischen den Parteien außer Streit – der Beklagte besaß jedenfalls insoweit keine
eigene Antragsberechtigung gegenüber dem Betriebsstättenfinanzamt. Insoweit war nur
der Steuerberater N durch den Fonds C1 bevollmächtigt.
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Allerdings ist mit einer für die Überzeugungsbildung des Senats ausreichenden
Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, daß der Steuerberater N auf eine
entsprechende Nachfrage des Beklagten die bis dahin unterlassene Umsetzung der
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Mitteilung des Beklagten vom 14.12.98 noch, und auch noch rechtzeitig, vorgenommen
hätte. Dies war gerade deswegen zu erwarten, weil der Steuerberater N dies bis dahin
"vergessen" hatte. Die Übertragung von § 6b-Rücklagen auf den Fonds war, wie sich
aus dem Fondsprospekt ergibt, eines der zentralen Werbeargumente dieses Fonds. Sie
stellte für den Steuerberater des Fonds daher auch keine besondere, sondern eine
regelmäßige Tätigkeit dar, die zur Konzeption dieses Fonds gehörte. Von daher war zu
erwarten, daß der Steuerberater N -gerade wegen der "Peinlichkeit", vor dem genannten
Hintergrund ausgerechnet eine Mitteilung über eine Übertragung von Rücklagen nicht
umgesetzt zu haben- dies dann auf entsprechenden Hinweis des Beklagten -sogar
besonders- gewissenhaft erledigt hätte.
d)
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Durch die Nichtausnutzung des maximalen Übertragungsvolumens des Fonds C1 ist
dem Kläger ein Steuernachteil (Schaden) in Höhe in zweiter Instanz noch geltend
gemachter 66.242,77 € entstanden.
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e)
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Dieser Betrag vermindert sich auch nicht durch ein Mitverschulden der Kläger. Für ein
eigenes Mitverschulden des Klägers fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten. Ein
Verschulden des Steuerberaters N müssen sich die Kläger nicht anrechnen lassen, weil
dieser nicht als Erfüllungsgehilfe im Rahmen ihres Mandatsverhältnisses zum
Beklagten tätig war.
22
f)
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Schließlich steht dem Beklagten auch kein Zurückbehaltungsrecht bis zur Abtretung
eines evtl. Schadensersatzanspruchs des Klägers gegen die Geschäftsbesorgerin des
Fonds C1 zu. Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, würde es sich in dem Fall,
in dem ein solcher Anspruch des Klägers neben dem vorgenannten Anspruch gegen
den Beklagten bestünde, um eine Gesamtschuldnerschaft handeln, da bei dem
Ausgleich von Schäden alle für den Schaden Verantwortlichen gleichstufig haften
(Palandt-Heinrichts, 61. Aufl., § 421 Rn 10). Insofern würde nach §§ 422 Abs. 1, 426
Abs. 2 BGB ggf. im Falle des alleinigen Schadensausgleichs durch den Beklagten ein
gesetzlicher Forderungsübergang stattfinden.
24
g)
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Aus den genannten Gründen ist der Schadensersatzanspruch der Kläger im Ergebnis -
soweit der Fonds C1 betroffen ist- begründet, so daß der Beklagte insoweit gem. § 92
ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
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2. C2
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Dagegen haben bezüglich des erledigten Teils der Hauptsache die Kläger gemäß § 91
a ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da dies unter Berücksichtigung des
bisherigen Sach- und Streitstandes billigem Ermessen entspricht. Denn
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insoweit stand den Klägern von Anfang an kein Anspruch aus positiver
Vertragsverletzung des Steuerberatungsvertrages gegen den Beklagten zu.
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a)
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Es ist bei dem Fonds C2 – anders als oben unter 1.a) zu dem Fonds C1 ausgeführt-
bereits zweifelhaft, ob die Pflichten des Steuerberaters aus dem Mandatsverhältnis
überhaupt soweit gehen, die prospektgemäße Entwicklung eines Immobilienfonds in
steuerlicher Hinsicht zu überwachen.
32
b)
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Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, da der zunächst geltend gemachte Anspruch
bzgl. des Fonds C2 an fehlender Kausalität gescheitert wäre. Es steht nicht fest und ist
im übrigen auch nicht dargelegt, zu welchem Zeitpunkt eine etwaige Nachfrage des
Beklagten zu welchem Ergebnis bezüglich der bis dahin erfolgten Übertragung geführt
hätte. Wie sich aus dem Schreiben des Steuerberaters N vom 26.04.2002 ergibt, wurde
erst zu diesem Zeitpunkt deutlich, daß eine Übertragung von § 6 b-Rücklagen in dem
Umfang, in dem sie in dem Verkaufsprospekt des C2 ursprünglich prospektiert worden
war, überhaupt möglich sein würde. Vorher hätte also eine – gedachte – Nachfrage des
Beklagten in jedem Fall dazu führen müssen, daß er dann zwar einerseits einen
niedrigeren Übertragungsbetrag erfahren hätte, daran andererseits aber auch nichts
hätte ändern können. Selbst den zweitinstanzlichen Klägervortrag einmal als richtig
unterstellt, daß der Beklagte durch eine geschicktere Antragstellung im Rahmen des C2
von Anfang an ein höheres Übertragungsvolumen hätte erreichen können, wäre dieses,
wie sich aus dem Schreiben des Steuerberaters N vom 26.04.2002 ergibt, jedenfalls
nicht das größtmögliche Übertragungsvolumen gewesen, wie es prospektiert worden
war. D.h., der Beklagte hätte, um Steuernachteile für die Kläger zu vermeiden, auf seine
gedachte Nachfrage zu der Zeit, als er von den Klägern noch mandatiert war, allenfalls
den gedachten Rat erteilen können, durch Nachzeichnung eines weiteren Fondsanteils
weiteres Übertragungsvolumen für die noch nicht übertragene Restrücklage zu schaffen.
Abgesehen davon, daß der Erwerb eines entsprechenden Fondsanteils für den Kläger
auch nicht kostenlos gewesen wäre, ist noch nicht einmal ersichtlich oder vorgetragen,
ob und zu welchem Zeitpunkt – angesichts einer im Jahre 1999 jedenfalls zunächst
ausgelaufenen gesetzlichen Regelung- ein entsprechender Fonds überhaupt noch
aufgelegt bzw. entsprechende Anteile überhaupt noch "im Angebot" waren, bzw. mit
welchem Zeichnungsbetrag ein Wievielfaches der Zeichnungssumme als
Übertragungsvolumen zur Verfügung gestanden hätte.
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Dies sind so viele Ungewißheiten, daß nicht davon ausgegangen werden kann, daß die
etwa unterlassene Nachprüfung der prospektgemäßen Entwicklung des Fonds –wenn
man dies überhaupt als Pflichtverletzung des Beklagten ansehen würde- ursächlich den
durch die Kläger konkret geltend gemachten Schaden bezüglich des Fonds C2 hätte
begründen können.
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III.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
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