Urteil des OLG Hamm vom 20.11.2008

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Oberlandesgericht Hamm, 3 Ss 469/08
Datum:
20.11.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
3. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 Ss 469/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Detmold, 2 Ds 23 Js 970/07 – 35/08
Tenor:
Das Urteil des Amtsgerichts Detmold vom 11.07.2008 wird mit den
Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über
die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts
Detmold zurückverwiesen.
Gründe
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I.
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Das Amtsgericht Detmold hat den Angeklagten unter Freisprechung im übrigen wegen
Nachstellung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 5,- €
verurteilt.
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Zum Tatgeschehen hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:
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"Der Angeklagte und der Zeuge Q führten bis Mai 2007 eine gemeinsame
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Beziehung. Im Mai 2007 verließ der Zeuge Q den Angeklagten und zog zu dem
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Zeugen T. Der Angeklagte kam über die Trennung zu dem Zeugen Q
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nicht hinweg.
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Der Angeklagte ging dazu über, die Zeugen Q und T zu tyrannisieren.
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Der Angeklagte erschien vor der Wohnung der Zeugen. Er hinterlegte Briefe, in denen
er Drohungen aussprach.Darüber hinaus rief er die Zeugen in unregelmäßigen
Abständen an. Ferner verfolgte er die Zeugen mit seinem #######. An einem
unbestimmten Tag stieg der Angeklagte an einer roten Ampel aus und riss die Tür des
Wagens des Zeugen T auf und beschimpfte diesen. Ferner sprach er auf dem zum Haus
der Zeugen T und Q gehörenden Parkplatz in der G-Straße in E den Zeugen T häufiger
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an und drohte ihm. Wann im einzelnen diese Bedrohungen stattfanden, ließ sich nicht
mehr klären.
Ende September/ Anfang Oktober 2007 eskalierte die Situation. Am #########
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randalierte der Angeklagte zwischen ##### und ##### Uhr vor dem Haus der Zeugen,
indem er laut schrie und gegen die Tür trommelte. Er hinterließ einen Brief, in dem es
unter anderem wie folgt heißt:
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#########
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Am Abend des ###### erschien der Angeklagte erneut vor dem Haus der Zeugen und
schrie herum. Auch dort hinterließ er einen Brief in dem es heißt:
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########
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Der Zeuge T, der mit seinen Nerven aufgrund der Verhaltensweise des
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Angeklagten am Ende war, beantragte daraufhin am ###### Maßnahmen nach
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dem Gewaltschutzgesetz und fügte die Briefe vom ######## und ####### sowie
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einen weiteren, undatierten Brief der Antragsschrift bei.
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Mit Beschluss vom 02.10.2007 untersagte das Amtsgericht Detmold im Wege der
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einstweiligen Verfügung dem Angeklagten, sich auch (auf, Senat) 300 Meter dem
Zeugen T zu nähern. Ihm wurde ferner untersagt, mit dem Zeugen T Kontakt
aufzunehmen. (...)
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Auf den Widerspruch hin fand am 24.10.2007 eine mündliche Verhandlung statt, in der
der Angeklagte seinen Widerspruch zurücknahm. (...)
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Der Angeklagte hat sich daher der Nachstellung in zwei Fällen schuldig gemacht."
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II.
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Die Revision des Angeklagten hat mir der Sachrüge Erfolg. Die Feststellungen des
Amtsgerichts zum Taterfolg tragen nicht die Verurteilung des Angeklagten wegen
Nachstellung in zwei Fällen.
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Der Tatbestand der Nachstellung gem. § 238 StGB ist nur erfüllt, wenn die Tat als
Taterfolg zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers
führt, § 238 Abs. 1, 2.Hs. StGB.
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Nach den Gesetzesmaterialien ist dies dann der Fall, wenn im konkreten Kontext ins
Gewicht fallende, gravierende und ernst zu nehmende Beeinträchtigungen vorliegen,
die über durchschnittliche, regelmäßig hinzunehmende und zumutbare
Beeinträchtigugen erheblich und objektivierbar hinausgehen ( BT-Drucksache 16/3641,
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S. 14 – Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 29.11.2006).
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Vom Tatbestand erfasst werden nur schwerwiegende und unzumutbare
Beeinträchtigungen der Lebensgestaltung. Ausgeschieden werden dagegen weniger
gewichtige Maßnahmen der Eigenvorsorge , wie beispielsweisedie Benutzung eines
Anrufbeantworters und die Einrichtung einer sogenannten Fangschaltung zum Zwecke
der Beweissicherung. Weitergehende Schutzvorkehrungen des Opfers, wie etwa das
Verlassen der Wohnung nur noch in Begleitung Dritter und ein Wechsel des
Arbeitsplatzes oder der Wohnung, sind nach den Gesetzesmaterialien als
schwerwiegend anzusehen ( BT-Drucksache 16/575, S. 8 – Gesetzentwurf der
Bundesregierung vom 08.02.2006; ebenso auch AG Löbau, BeckRS 2008 21682 –
Urteil vom 17.04.2008; Mosbacher, NStZ 2007, 665, 667; Valerius, JuS 2007,319, 323).
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Eine derartig schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des
Geschädigten hat das Amtsgericht hier nicht festgestellt. Seine Feststellungen
erschöpfen sich vielmehr darin , der Geschädigte sei "mit seinen Nerven am Ende"
gewesen und habe Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz beantragt. Ersteres ist
aber eine rein subjektive Einschätzung, die nicht weiter objektiviert worden ist, und das
Beantragen von Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz berührt die
Lebensgestaltung des Geschädigten für sich genommen ebenfalls nicht.
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Hierzu wird das Amtsgericht neue und weitergehende Festtellungen treffen müssen
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