Urteil des OLG Hamm vom 30.04.1998
OLG Hamm (bedingte entlassung, entlassung, beschwerdeführer, beschwerde, rechtsmittel, strafe, freiheitsstrafe, verfahrensablauf, 1995, begründung)
Oberlandesgericht Hamm, 2 Ws 189/98
Datum:
30.04.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ws 189/98
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 10 StVK 10/98 UN
Tenor:
Die sofortige Beschwerde ist gegenstandslos.
Gründe:
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I.
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Mit dem angefochtenen Beschluß vom 16. März 1998 hat die
Strafvollstreckungskammer die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers nach
Verbüßung von 2/3 der dreimonatigen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts
Aachen vom 27. März 1997 (45 Ds 50 Js 1585/96 - 982/96) abgelehnt. 2/3 der erkannten
Strafe waren am 3. März 1998 vollstreckt, mit Ablauf des 3. April 1998 ist die Strafe
vollständig verbüßt. Seit dem 4. April 1998 wird gegen den Beschwerdeführer aufgrund
des Haftbefehls des Amtsgerichts Aachen vom 4. Dezember 1997 (41 Gs 3874/97)
Untersuchungshaft vollstreckt. Insoweit wird der Beschwerdeführer beschuldigt,
unerlaubt Betäubungsmittel in nicht geringer Menge aus den Niederlanden nach
Deutschland eingeführt zu haben, um damit Handel zu treiben.
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Die angefochtene Entscheidung, die mit einer fehlenden positiven Sozialprognose
begründet worden ist, ist dem Beschwerdeführer am 23. März 1998 in der
Justizvollzugsanstalt ... zugestellt worden, wo er sich nach seiner Entlassung aus dem ...
Krankenhaus in ... seit dem 19. März 1998 wieder aufhielt. Gegen diesen Beschluß hat
der Verteidiger des Beschwerdeführers mit Telefaxschreiben vom 30. März 1998
sofortige Beschwerde beim Landgericht Dortmund eingelegt, ohne diese näher zu
begründen.
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Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Akten dem Senat mit dem Antrag vorgelegt, die
sofortige Beschwerde zu verwerfen.
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II.
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Das. Rechtsmittel ist gegenstandslos.
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Die Freiheitsstrafe war mit Ablauf des 3. April 1998 vollständig vollstreckt, so daß der
Beschwerdeführer sein Ziel, die Strafe nicht vollständig verbüßen zu müssen, nicht
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mehr erreichen kann. Sein Rechtsmittel ist damit prozessual überholt und
gegenstandslos, weil die vollständige Verbüßung aus tatsächlichen Gründen nicht mehr
ungeschehen gemacht werden kann. Da die prozessuale Überholung auch erst nach
der Einlegung des Rechtsmittels eingetreten ist, kam eine Verwerfung der Beschwerde
als unzulässig nicht in Betracht (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., §296
Rdnr. 17). An dieser bislang in Fällen wie dem vorliegenden allgemein vertretenen
Auffassung (vgl. Beschlüsse des OLG Hamm vom 6. April 1995 - 2 Ws 171/95 - und vom
28. März 1995 - 4 Ws 127 - 129/95 -) wird auch weiterhin festgehalten.
Auch der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 1997 (NJW 1997,
2163 ff.) zum Rechtsschutz gegen erledigte richterliche Durchsuchungsanordnungen
gibt - jedenfalls in den Fällen der vollständigen Vollstreckung von Freiheitsstrafen -
keine Veranlassung, von dieser bisherigen Rechtsprechung abzurücken. In dem
genannten Beschluß hat das Bundesverfassungsgericht in Abweichung zu seiner
bisherigen Rechtsprechung entschieden, daß das Erfordernis eines effektiven
Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) dem Betroffenen das Recht gebe, in Fällen
tiefgreifender, tatsächlich jedoch nicht mehr fortwirkender Grundrechtseingriffe auch
dann die Berechtigung des Eingriffs gerichtlich klären zu lassen, wenn die direkte
Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen
Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die
gerichtliche Entscheidung in der von der Prozeßordnung gegebenen Instanz kaum
erlangen kann. Zwar kann es keinem Zweifel unterliegen, daß ein Verurteilter auch
durch die eine bedingte Entlassung ablehnende Entscheidung in seinem Freiheitsrecht
beeinträchtigt wird. Vor dem Hintergrund allerdings, daß Grundlage der letztlich auch
vollständigen Strafvollstreckung immer das zugrundeliegende Urteil ist, das durch die
angegriffene Entscheidung hinsichtlich eines Strafrestes nur nicht suspendiert wird,
erscheint es aber schon zweifelhaft, ob die eine bedingte Entlassung ablehnende
Entscheidung selbst einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff darstellen kann. Im
Gegensatz zu der Durchführung von Hausdurchsuchungen steht dem Betroffenen bei
einer die bedingte Entlassung ablehnenden Entscheidung aber jedenfalls üblicherweise
ein ausreichender Zeitraum zur Verfügung, in dem er die gerichtliche Überprüfung der
Entscheidung erreichen kann. Der Umstand, daß eine derartige Überprüfung dem
Beschwerdeführer im vorliegenden Fall ausnahmsweise nicht möglich war, weil nur
noch eine sehr kurze restliche Freiheitsstrafe von nicht einmal einem Monat zu
vollstrecken war, führt zu keiner anderen Beurteilung, weil nach der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts in derartigen Fällen auf den typischen Verfahrensablauf
abzustellen ist. Mit dieser Begründung hat auch der 3. Strafsenat des
Oberlandesgerichts Hamm in einem gleichgelagerten Fall ein Rechtsschutzinteresse für
eine gerichtliche Überprüfung verneint und das dort eingelegte Rechtsmittel für
gegenstandslos erklärt (vgl. Beschluß vom 15. Januar 1998 - 3 Ws 11/98 -). Dieser
Argumentation schließt sich der erkennende Senat ohne Einschränkung an und
verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die umfangreiche Begründung in
dem genannten Beschluß.
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