Urteil des OLG Hamm vom 18.09.2007

OLG Hamm: treu und glauben, vergleich, rückerstattung, auflage, weisung, deckung, abkommen, mitverschulden, zahlungsverkehr, ausführung

Oberlandesgericht Hamm, 34 U 203/07
Datum:
18.09.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
34. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
34 U 203/07
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 1 0 278/06
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24. April 2007 verkündete
Urteil
der 1. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.127,79 € nebst Zinsen in
Höhe
von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus
4.622,52 €
seit dem 24.03.2003, aus 1.638,44 € seit dem 05.06.2003 und aus
5.866,83 €
seit dem 10.07.2003 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen; die
weiter-
gehende Klage der Klägerin wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer beider Parteien übersteigt nicht 20.000,00 €.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
1
Die Klägerin verlangt von der beklagten Bank unter dem Gesichtspunkt einer wei-
2
sungswidrigen Ausführung von Überweisungsaufträgen aus eigenem und abgetrete-
3
nem Recht die Rückerstattung der Beträge von insgesamt drei Überweisungen. We-
4
gen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf
5
den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezuggenommen.
6
Das Landgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Zur Begründung hat es
7
im wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe aus abgetretenem Recht ihrer Haus-
8
bank - der G eG - aus den §§ 667, 675, 398 BGB ein Anspruch auf
9
Rückerstattung der drei überwiesenen Beträge zu. Die Beklagte habe bei Ausführung
10
der Überweisungsaufträge gegen das Prinzip der formalen Auftragsstrenge versto-
11
ßen. Die jeweils zugunsten eines Empfängers "T/
12
X GmbH" bestimmten Überweisungsbeträge hätten von der Beklagten nicht
13
dem bei ihr geführten Konto des Herrn T gutgeschrieben werden dürfen. Die
14
Klägerin habe nämlich in den Überweisungsformularen zum Ausdruck gebracht, daß
15
die Beträge nicht lediglich einem Herrn T hätten zugute kommen sollen,
16
sondern daß es sich zumindest auch um die Erfüllung einer Forderung der GmbH
17
handele.
18
Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der
19
Beklagten. Die Beklagte ist der Auffassung, Ansprüche der Klägerin aus abgetrete-
20
nem Recht, insbesondere aber Schadensersatzansprüche, bestünden nicht.
21
Es ermangele bereits einer pflichtwidrigen Handlung der Beklagten. Das Landgericht
22
habe verkannt, daß der Überweisungsauftrag nicht im beleggebundenen, sondern
23
vielmehr - was zwischen den Parteien unstreitig ist - im beleglosen Zahlungsverkehr
24
durchgeführt worden sei. Die Beklagte habe daher die Beträge auf dem angegebe-
25
nen Konto gutschreiben dürfen, zumal der erste, primär zu beachtende Empfänger-
26
name identisch mit dem Kontoinhaber gewesen sei. Die Verbuchung der Beträge sei
27
auch angesichts der zusätzlichen Angabe des Fuhrbetriebs nicht pflichtwidrig gewe-
28
sen. Es gebe zahlreiche Möglichkeiten, bei denen der Kontoinhaber T - etwa
29
im Falle einer Gesamtgläubigerschaft - auf völlig legale Art und Weise Gelder gleich-
30
zeitig für sich und für den zusätzlich angegebenen Fuhrbetrieb habe entgegenneh-
31
men können.
32
Die Klägerin habe zudem auch einen Schaden nicht schlüssig dargelegt und über-
33
dies verschwiegen, daß die Überweisungen von ihrer ehemaligen - mittlerweile
34
arbeits-, zivil- und strafrechtlich zur Rechenschaft gezogenen - ungetreuen Mitarbei-
35
terin I veranlaßt worden seien, die den veruntreuten Gesamtbetrag be-
36
reits zu einem großen Teil zurückerstattet habe. Die Klägerin sei daher für die an-
37
geblichen Fehlüberweisungen selbst verantwortlich.
38
Die Beklagte beantragt,
39
die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.
40
Die Klägerin beantragt,
41
die Berufung zurückzuweisen.
42
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung
43
ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Die Beklagte habe den ihr bei Überweisungen
44
im EZÜ-Verfahren obliegenden Kontonummer-Namens-Vergleich pflichtwidrig unter-
45
lassen. Da sie sich nicht strikt an die ihr seitens der Hausbank der Klägerin erteilte
46
Weisung gehalten habe, stehe ihr kein Vergütungsanspruch nach den §§ 670, 675
47
BGB zu. Die dennoch erlangte Deckung müsse sie - und zwar unabhängig davon,
48
ob ein Verschulden vorliege oder ein Schaden eingetreten sei - nach den §§ 667,
49
675 BGB wieder herausgeben. Dabei spiele es auch keine Rolle, daß die Klägerin
50
von ihrer früheren Mitarbeiterin I Schadensersatzleistungen erhalten habe und
51
lediglich noch ein Betrag von 14.035,92 € "offen" sei. Auch auf ein etwaiges Mitver-
52
schulden der Klägerin könne die Beklagte sich nicht berufen, da die abgetretenen
53
Herausgabeansprüche ihrer Hausbank davon nicht berührt würden.
54
II.
55
Die Berufung ist teilweise begründet. Die Klage hat lediglich in dem aus dem Tenor
56
ersichtlichen Umfang Erfolg.
57
1).
58
Zwar sind Ansprüche der Klägerin aus eigenem Recht weder schlüssig vorgetragen
59
noch sonst ersichtlich, da anerkannt ist, daß bei institutsfremden Überweisungen
60
zwischen dem Überweisenden und dem Kreditinstitut des Begünstigten keine Ver-
61
tragsbeziehungen bestehen (BGH WM 2003, 430; BGHZ 108, 386, 388; BGHZ 103,
62
143, 145; Palandt/Sprau, BGB, 66. Auflage 2007, § 676 a, Rn. 8).
63
2) .
64
Der Klägerin steht jedoch aus abgetretenem Recht ihrer Hausbank dem Grunde
65
nach ein Anspruch auf Rückerstattung der drei überwiesenen Beträge zu. Die Be-
66
klagte hat gegen den Grundsatz der formalen Auftragsstrenge verstoßen und damit
67
weisungswidrig gehandelt. Die von ihr erlangte Deckung hat sie somit nach näherer
68
Maßgabe des Urteilstenors gemäß §§ 667, 675 BGB herauszugeben.
69
a)
70
Im mehrgliedrigen Überweisungsverkehr bestimmen sich die Pflichten der beteiligten
71
Banken zueinander nach den einschlägigen - von den dazu durch die einzelnen
72
Kreditinstitute bevollmächtigten Verbänden sowie der Deutschen Bundesbank ver-
73
einbarten-Abkommen und Richtlinien, deren Inhalt auch die Auslegung der dem
74
endbegünstigten Kreditinstituterteilten Weisungen beeinflußt (BGH WM 2003, 430;
75
BGHZ108,386,389).
76
b)
77
Die den drei Buchungen zugrundeliegenden Überweisungsaufträge sind zwischen
78
der Hausbank der Klägerin und der Beklagten unstreitig nicht im beleggebundenen,
79
sondern im beleglosen Zahlungsverkehr durchgeführt worden. Maßgeblich für den
80
Pflichtenumfang der Beklagten sind somit im vorliegenden Fall die Regeln des Ab-
81
kommens zum Überweisungsverkehr vom 16. April 1996 über die - im sogenannten
82
EZÜ-Verfahren erfolgte - beleglose Weiterleitung in Belegform eingereichter Über-
83
weisungsaufträge (abgedruckt bei Gößmann in Schimanski/Bunte/Lwowski,
84
Bankrechts-Handbuch, 2. Auflage, Anhang 3 zu §§ 52-55).
85
c)
86
Die sich aus dem vorstehend näher bezeichneten Abkommen zum Überweisungs-
87
verkehr ergebenden Pflichten hat die Beklagte vorliegend auch zur Überzeugung des
88
erkennenden Senats verletzt. Die Beklagte hat gegen den Grundsatz der formalen
89
Auftragsstrenge verstoßen.
90
Die Empfängerbank hat bei Überweisungen im EZÜ-Verfahren - anders als bei im
91
Verfahren des beleglosen Datenaustausches (sogenanntes DTA-Verfahren) erteilten
92
Überweisungsaufträgen, bei denen der Überweisungsbetrag ohne weitere Prüfung
93
dem Konto mit der bezeichneten Kontonummer gutgeschrieben werden darf (vgl.
94
OLG Dresden, WM 2007, 1023, 1024 sowie OLG Karlsruhe, ZIP 2004, 1900 und
95
OLG Hamm, WM 1979, 339) - einen Kontonummer-Namens-Vergleich durchzufüh-
96
ren. Dies hat sie bezüglich der drei hier erfolgten Überweisungen entweder gar nicht
97
oder jedenfalls nicht ordnungsgemäß getan.
98
aa)
99
Die in den Überweisungsaufträgen vom 23. März und vom 04. Juni 2003 angegebe-
100
nen Beträge sollten nach den der Beklagten seitens der Hausbank der Klägerin
101
übermittelten Daten dem bei der Beklagten geführten Konto mit der Nr. #####/####
102
gutgeschrieben werden.
103
Kontoinhaber war zwar der in den Überweisungsaufträgen namentlich benannte Herr
104
T. Als Begünstigte war jedoch in den der Beklagten übermittelten Datensät-
105
zen neben Herrn T- wenn auch zum Teil nur fragmentarisch - ausdrücklich
106
auch die X GmbH erwähnt.
107
Maßgeblich im Hinblick auf die der Beklagten übermittelte Weisung im Überwei-
108
sungsverkehr ist - wie bei jeder Willenserklärung - der objektive Erklärungswert. Da-
109
nach durfte die Beklagte unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles
110
hier nicht davon ausgehen, daß die Gutschriften zugunsten des Kontos mit der in der
111
Überweisung benannten Kontonummer, dessen Inhaber allein Herr T war,
112
erfolgen sollten. Denn die X GmbH, die ebenfalls als
113
Begünstigte ausgewiesen war, unterhielt bei der Beklagten kein Konto unter den an-
114
gegebenen Kontonummern oder den übermittelten Empfängerbezeichnungen. Diese
115
Tatsache hätte bei einem seitens der Beklagten veranlaßten Kontonummer-Namens-
116
Vergleich selbst bei nur ganz oberflächlicher Prüfung unmittelbar auffallen müssen.
117
bb)
118
Auch im Hinblick auf den Überweisungsauftrag vom 09. Juli 2003 rechtfertigt sich
119
kein anderes Ergebnis. Zwar durfte die Beklagte bei Durchführung des ihr auch die-
120
serhalb obliegenden Kontonummer-Namens-Vergleichs im Falle einer isolierten
121
Prüfung der Kontonummer davon ausgehen, bei der Tatsache, daß im Über-
122
weisungsbeleg die letzte Ziffer der neunstelligen Kontonummer des von Herrn
123
T geführten Kontos fehlte, handele es sich auch und gerade in Ansehung
124
des Umstandes, daß in den Vormonaten bereits zwei Überweisungen der Klägerin
125
auf dieses bei der Beklagten geführte Konto getätigt worden waren, um ein offen-
126
sichtliches Schreibversehen. Ein Vergleich zwischen der Kontonummer und der
127
Bezeichnung des Begünstigten hätte aber auch hier ohne weiteres zu der Erkenntnis
128
geführt, daß jedenfalls die X GmbH bei der Beklagten
129
kein Konto unter der angegebenen - hier bereits zu berichtigenden - Kontonummer
130
oder der übermittelten Empfängerbezeichnung unterhielt.
131
3)
132
Die der Klägerin aus abgetretenem Recht ihrer Hausbank somit dem Grunde nach
133
zustehenden Ansprüche sind jedoch der Höhe nach in dem aus dem Tenor des Se-
134
natsurteils ersichtlichen Umfang zu kürzen.
135
Die Überweisungsaufträge haben ihre konkrete Gestalt erst durch deliktische Hand-
136
lungen einer früheren Mitarbeiterin der Klägerin gefunden, die das bei der Beklagten
137
geführte Konto des Herrn T dazu genutzt hat, für andere Zwecke bestimmte
138
Firmengelder in rechtswidriger Weise für sich selbst zu vereinnahmen. Die dafür zu-
139
ständigen Mitarbeiter der Klägerin haben dies nicht rechtzeitig erkannt und die an die
140
Hausbank herausgereichten Überweisungsaufträge und die daraus resultierenden
141
Zahlungsströme offenbar nicht hinreichend gründlich kontrolliert. Den hinsichtlich der
142
drei weisungswidrig seitens der Beklagten ausgeführten Überweisungen bestehen-
143
den und auf einem der Klägerin zuzurechnenden Mitverschulden beruhenden Verur-
144
sachungsbeitrag bewertet der Senat bei zusammenfassender Würdigung der beson-
145
deren Umstände des vorliegenden Falles daher mit 50 Prozent.
146
Es ist dieserhalb anerkannt, daß in (entsprechender) Anwendung der §§ 254,242
147
BGB auch im Rahmen des Herausgabeanspruchs nach § 667 BGB ein Mitverschul-
148
den zu beachten ist (vgl. BGH ZIP 1991, 1413, 1415; BGH ZIP 1999, 1961, 1962;
149
OLG Düsseldorf WM 2004, 1233, Tz. 29). Dabei ist es zur Überzeugung des Senats
150
nicht entscheidungserheblich, ob der Hausbank selbst, aus deren Recht die Klägerin
151
ihre Ansprüche ableitet, ein Mitverschulden anzulasten ist. Denn es ist der Klägerin
152
jedenfalls nach Treu und Glauben verwehrt, aus abgetretenem Recht Ansprüche in
153
ungeschmälerter Höhe geltend zu machen, deren Entstehung maßgeblich auf einem
154
ihr selbst zuzurechnenden, schuldhaften Fehlverhalten beruht.
155
4)
156
Der zuerkannte Zinsanspruch beruht auf den §§ 286, 288 BGB.
157
5)
158
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92, 708 Nr. 10, 711
159
ZPO. 26 Nr 8 EGZPO.
160
6)
161
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2
162
ZPO). Die entscheidungserheblichen Fragen sind in der Rechtsprechung des Bun-
163
desgerichtshofs geklärt oder solche des Einzelfalls.
164