Urteil des OLG Hamm vom 06.02.1990

OLG Hamm (gegenstand des verfahrens, anwaltliche vertretung, zpo, erforderlichkeit, zuweisung, gerichtsbarkeit, essen, vertretung, beschwerde, sache)

Oberlandesgericht Hamm, 2 WF 4/90
Datum:
06.02.1990
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 WF 4/90
Vorinstanz:
Amtsgericht Essen, 110 F 253/89
Tenor:
wird der Beschluß des Amtsgerichts Essen vom 18. Dezember 1989 auf
die Beschwerde der Parteien abgeändert.
Der Antragstellerin wird im Rahmen der bewilligten Prozeßkostenhilfe
Rechtsanwalt ... in ... beigeordnet.
Dem Antragsgegner wird Rechtsanwalt ... in ... beigeordnet.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
1
Durch den angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht für das Verfahren auf
Zuweisung der Ehewohnung im Wege der einstweiligen Anordnung den Parteien
Prozeßkostenhilfe bewilligt, die Beiordnung eines Rechtsanwalts jedoch abgelehnt. Die
hiergegen gerichtete Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässig und hat in der
Sache Erfolg.
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Nach § 14 FGG, § 121 Abs. 2 ZPO ist in Verfahren, die nicht dem Anwaltszwang
unterliegen, ein Rechtsanwalt nur dann beizuordnen, wenn die anwaltliche Vertretung
erforderlich erscheint. Die Erforderlichkeit bestimmt sich nach Umfang, Schwierigkeit
und Bedeutung der Sache sowie der Fähigkeit des Hilfsbedürftigen, sich mündlich und
schriftlich auszudrücken (Thomas/Putzo, ZPO, 14. Aufl., § 121 Anm. 3 a;
Zöller/Schneider, ZPO, 15. Aufl., § 121 Rdnr. 9). In einem Verfahren der freiwilligen
Gerichtsbarkeit ist bei der Beurteilung der Erforderlichkeit zu beachten, daß das Gericht
den Sachverhalt von Amts wegen aufklärt (§ 12 FGG). Dementsprechend lehnt der
Senat insbesondere für Verfahren betreffend das Sorge- oder Umgangsrecht die
Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Prozeßkostenhilfe in der Regel ab,
und zwar auch dann, wenn die Gegenseite bereits anwaltlich vertreten ist, ihrerseits
jedoch ebenfalls die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe erfüllt.
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Diese Grundsätze können nicht in jedem Fall auf ein Verfahren betr. die Zuweisung der
Ehewohnung im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 1361 b BGB in Verbindung mit §
18 a HausrVO) übertragen werden. Zwar handelt es sich auch hier um ein Verfahren der
freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 13 Abs. 1 HausrVO). Es bestehen jedoch insoweit trotz
des Amtsaufklärungsgrundsatzes Besonderheiten, als Gegenstand des Verfahrens
anders als im Sorge- bzw. Umgangsrechtsverfahren der Disposition der Beteiligten
unterliegt. Vor allem fehlt es an der Beteiligung eines Dritten, der ähnlich wie das
Jugendamt im Sorgerechtsverfahren die Interessen eines Beteiligten wahrnimmt, so daß
das Verfahren insgesamt dem zivilprozessualen Streitverfahren angenähert ist.
Aufgrund der Bedeutung und Auswirkungen für die Eheleute, insbesondere aber auch
im Hinblick auf das im vorliegenden Fall dargelegte sofortige Handlungsbedürfnis im
Rahmen eines auf vorläufigen Rechtschutz gerichteten Verfahrens ist die Rechts- und
Sachlage hier nicht als einfach anzusehen. Aufgrund der genannten Besonderheiten
kann die Beiordnung eines Rechtsanwalts auch nicht deswegen versagt werden, weil
die Parteien nicht in besonderem Maße geschäftlich unerfahren sind.
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Insgesamt führen diese Erwägungen vorliegend zur Bejahung der Erforderlichkeit einer
anwaltlichen Vertretung der Parteien und somit zur entsprechenden Abänderung des
angefochtenen Beschlusses.
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