Urteil des OLG Hamm vom 18.10.2005

OLG Hamm: rechtliches gehör, aufrechnung, materielle rechtskraft, neues vorbringen, einlage, zwangsvollstreckung, wiedereröffnung, teilklage, gegenforderung, abweisung

Oberlandesgericht Hamm, 4 U 92/05
Datum:
18.10.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 U 92/05
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 18 O 315/04
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 24. Mai 2005 verkündete Urteil
der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
beizutreibenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
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Der Kläger verlangte in einem früheren Rechtsstreit von der Beklagten Schadensersatz
wegen der vermeintlichen Verletzung von Pflichten aus einem Anlageberatungsvertrag,
zumindest aus einem Anlagevermittlungsvertrag, hilfsweise aus einem
Vermögensverwaltungsvertrag. Der Kläger begehrte damals die Rückzahlung der von
ihm geleisteten Einlage nebst Agio abzüglich der in der Zeit vom April 1992 bis Mai
1998 erhaltenen Liquiditätsausschüttungen in Höhe von insgesamt 63.400,00 DM Zug
um Zug gegen Übertragung der Anlage auf die Beklagte.
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Der Senat wies durch Urteil vom 23. März 2004 die Berufung des Klägers gegen das
Urteil des Landgerichts Essen zurück, durch das die Klage abgewiesen worden war; der
Bundesgerichtshof wies die Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss vom
22. Dezember 2004 zurück (18 O 37/02 LG Essen = 4 U 19/04 OLG Hamm =
III ZR 235/04).
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Über eine Verfassungsbeschwerde des Klägers gegen das Urteil dieses Senats
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gestützt auf die Verletzung rechtlichen Gehörs ist noch nicht entschieden.
Die Beklagte erwirkte am 9. September 2002 und am 21. Juni 2004
Kostenfestsetzungsbeschlüsse über insgesamt 6.758,53 € (2.571,82 € und 4.186,71 €).
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Der Kläger hält die Vollstreckung aus diesen Kostenfestsetzungsbeschlüssen wegen
des Einwands der Aufrechnung für unzulässig.
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Er hat dazu in erster Instanz ausgeführt, die Beklagte habe ihm wegen pflichtwidriger
Vermittlungstätigkeit die entgangenen Zinsen aus anderweitigen Anlagemöglichkeiten
hinsichtlich der Einlage als Schaden zu ersetzen, den er zwar vorprozessual, nicht aber
in dem Rechtsstreit geltend gemacht habe. Der Schaden belaufe sich bei einer
angenommenen Verzinsung von 6 % pro Jahr auf 76.447,34 €. Diesem zur Aufrechnung
gestellten Anspruch stehe die Rechtskraft des Urteils dieses Senats nicht entgegen.
Dort habe der Senat seinen Schadensersatzanspruch nicht grundsätzlich abgelehnt,
sondern nur erkannt, er habe nicht dargelegt, dass der Prospektfehler die fehlende
Angabe der Innenprovision für seine Anlage ursächlich gewesen sei. Diesen Vortrag
hole er nach. Insoweit hat der Kläger behauptet, er hätte die Anlage nicht gewählt, wenn
er gewusst hätte, dass 27 % des eingezahlten Kapitals im Strukturvertrieb versickerten.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Zwangsvollstreckung aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen des
Landgerichts Essen (18 O 37/02) vom 9. September 2002 und 21. Juni 2004 für
unzulässig zu erklären.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat u.a. ausgeführt, dem Begehren des Klägers stehe die materielle Rechtskraft des
genannten Senatsurteils entgegen, da dort dessen Schadensersatzanspruch
schlechterdings abgewiesen worden sei. Im Übrigen bestehe die Forderung des
Klägers nicht. Insoweit hat sie bestritten, dass ihm überhaupt ein Schaden entstanden
ist und er den geltend gemachten Zins bei einer anderen Anlage erzielt hätte.
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Das Landgericht hat mit Beschluss vom 5. April 2005 das schriftliche Verfahren
angeordnet, den Parteien Vorbringungsfristen bis zum 8. Mai 2005 gesetzt und den
Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 24. Mai 2005 bestimmt.
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Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 20. Mai 2005 mitgeteilt, er wolle "in der
anzuberaumenden mündlichen Verhandlung" weiter beantragen, die
Zwangsvollstreckung aus zwei weiteren Kostenfestsetzungsbeschlüssen in Höhe von
2.215,66 € und 6.760,00 € des Landgerichts Essen vom 24. März 2005 für unzulässig zu
erklären. Hilfsweise wolle er sämtliche Anträge auf eine weitere Aufrechnung stützen.
Insoweit macht der Kläger aus abgetretenem Recht eines weiteren von der Beklagten
vermittelten Anlegers namens V Schadensersatzansprüche ebenfalls wegen
entgangener Zinsen in Höhe von 15.997,20 € geltend. Nach der Anzeige vom 18. Mai
2005 ist die Abtretung an diesem Tag erfolgt.
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Das Landgericht hat diesen Schriftsatz der Beklagten nicht zugestellt.
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Es hat sodann die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung sein Begehren, die Unzulässigkeit der
Zwangsvollstreckung aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen festzustellen, weiter,
erweitert um die beiden Kostenfestsetzungsbeschlüsse vom 24. März 2005. Hilfsweise
regt er an, das Verfahren und das Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das
Landgericht Essen zurückzuverweisen.
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Er führt dazu aus, sein Vorbringen in dem Schriftsatz vom 20. Mai 2005 sei gem. § 531
Abs. 2 Nr. 3 ZPO zuzulassen, da das Landgericht verfahrensfehlerhaft die mündliche
Verhandlung nicht wiedereröffnet habe. Dabei habe es die Voraussetzungen des § 156
Abs. 1 ZPO im Hinblick darauf verkannt, dass es sich um neue Tatsachen handele. Das
Landgericht habe des weiteren verkannt, dass ein Anlass zu einer weiteren mündlichen
Verhandlung nach den §§ 128 Abs. 1 und 2, 301 Abs. 1 ZPO bestanden habe. Dabei sei
von dem Landgericht übersehen worden, dass die Gefahr widersprüchlicher
Entscheidungen bei seinem Vorgehen drohe, so dass es nicht durch Teilurteil über den
ursprünglichen Klageantrag habe entscheiden dürfen. Außerdem habe das neue
Angriffsmittel wegen besonderer Eigenheiten nur in einer mündlichen Verhandlung
erörtert werden können.
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Soweit das Landgericht die ursprünglich erhobene Klage abgewiesen habe, habe es
sich zu Unrecht gem. § 322 ZPO an die Entscheidung des Senats gebunden gesehen.
Die im Senatsurteil entschiedene Rechtsfolge sei keine Vorfrage dafür, ob ihm
Anlagezinsen entgangen seien. Die entgangenen Anlagezinsen könnten neben dem
Ersatz der verlorenen Einlage geltend gemacht werden. Das Senatsurteil habe über
eine offene Teilklage entschieden, da er ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass er
den entgangenen Gewinn noch nicht geltend mache. Die rechtskräftige Entscheidung
über eine Teilklage entfalte aber keine Bindungswirkung für den anderen Teil. Die
Feststellung, dass die Beklagte ihre Vertragspflichten ihm gegenüber nicht verletzt
habe, sei kein präjudizieller Streitgegenstand, sondern lediglich eine gemeinsame
Vorfrage, die nicht mit Bindungswirkung entschieden sei.
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In einer Hilfserwägung hält der Kläger eine Rechtskrafterstreckung auch deshalb nicht
für möglich, weil der Senat in dem genannten Urteil mit seiner Hilfsbegründung zur
Ursächlichkeit des Prospektmangels für seine Anlageentscheidung sein Recht auf
rechtliches Gehör verletzt habe, wie er in seiner Verfassungsbeschwerde im einzelnen
ausgeführt habe. Mangels eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises sei es ihm
nicht möglich gewesen klarzustellen, dass und warum er seine Anlageentscheidung von
dem Prospektmangel abhängig gemacht hätte. Dieser Verfahrensverstoß sei entgegen
der Ansicht des Landgerichts nicht geheilt worden, da er mit der
Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr durch Tatsachenvortrag und Rechtsansichten
auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs habe Einfluss nehmen können, da dieser
die Frage der Kausalität nicht als revisibel angesehen habe.
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Der Kläger begründet des weiteren seinen Schadensersatzanspruch, indem er von
einem Auskunftsvertrag zwischen den Parteien ausgeht und an Prospektmängeln
herausstellt, dass die Innenprovision von 27 % nicht offengelegt und keine Klarheit über
die sog. weichen Kosten geschaffen worden sei, die insoweit unzureichend nur in einer
Gesamtsumme von 11.116.500,00 DM dargestellt worden seien. Er bestreitet, einen
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Prospektprüfungsbericht erhalten zu haben, in dem die Innenprovision offengelegt
worden sei. Er behauptet, er hätte die Anlage nicht gezeichnet, wenn er die exorbitant
hohe Innenprovision gekannt hätte. Dem stehe, wie er näher ausführt, seine Kenntnis
von der Gesamtsumme der sog. weichen Kosten nicht entgegen. Er könne sich auf die
in ständiger Rechtsprechung bestätigte Vermutung aufklärungsgerechten Verhaltens
berufen. Die Beklagte habe nicht dargetan, dass die tatsächliche Vermutung hier
widerlegt sei. Er habe im Erstprozess von der Beklagten unbestritten ausgeführt, dass
für seine Anlageentscheidung die Lage der Immobilie und keinesfalls der Aspekt der
Steuerersparnis relevant gewesen sei. Die Behauptung der Beklagten, es sei ihm in
erster Linie auf die Steuerersparnis angekommen, sei frei erfunden, da er weder vorher
noch nachher eine Beteiligung mit Verlustzuweisung gezeichnet habe, obwohl er in den
Folgejahren zum Teil ein wesentlich höheres Einkommen erzielt habe (Beweis: Zeugnis
der S).
Mit näheren Ausführungen vertieft er sein Vorbringen zu seiner Schadensberechnung
und dem abgetretenen Anspruch des Zedenten V.
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Der Kläger beantragt,
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das angefochtene Urteil abzuändern und die Zwangsvollstreckung aus den
Kostenfestsetzungsbeschlüssen des Landgerichts Essen 18 O 37/02 vom
9. September 2002, vom 21. Juni 2004 und aus zwei weiteren vom 24. März 2005
für unzulässig zu erklären;
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hilfsweise, das Verfahren und das angefochtene Urteil aufzuheben und den
Rechtsstreit an das Landgericht Essen zurückzuverweisen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie führt u.a. aus, das Landgericht habe sich zu Recht an das genannte Senatsurteil
gebunden gesehen. In jenem Rechtsstreit sei es um die Rückgabe einer
Kommanditbeteiligung gegen Ersatz des Vertrauensschadens gegangen. Der Anspruch
auf Schadensersatz lasse sich nicht von dem Anspruch auf Rücknahme der Beteiligung
trennen. Er sei nicht teilbar, da es um die Rückabwicklung eines Geschäftsverhältnisses
gehe. Der Kläger sei weiterhin Kommanditist. Nur wenn er nicht Kommanditist
geworden wäre, hätte er sein Geld anderweitig anlegen können. Selbst wenn man dem
nicht folge, erstrecke sich die Rechtskraft des die Klageabweisung bestätigenden
Senatsurteils auf den vom Kläger geltend gemachten Anspruch, da hier ein einheitliches
Rechtsverhältnis vorliege.
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Das Senatsurteil entfalte auch nicht nur eine eingeschränkte Rechtskraft, da dort der
Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht verletzt worden sei.
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Mit näheren Ausführungen stellt sie einen Prospektmangel auch im Hinblick auf die
Frage nach der Innenprovision in Abrede. Dazu behauptet sie, ihr sei lediglich eine
Innenprovision von 12 % zugeflossen (Beweis: Zeugnis des Geschäftsführers der
Beklagten N; Sachverständigengutachten).
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Selbst wenn ein Prospektmangel unterstellt werde, so sei ein solcher für die
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Anlageentscheidung des Klägers nicht kausal gewesen. Zudem sei dem Kläger kein
Schaden entstanden. So habe er nicht plausibel machen können, dass er die Einlage
anderweitig fest verzinslich angelegt hätte, da er sich ausdrücklich an einem
Bauherrenmodell habe beteiligen wollen. Im Übrigen bestreitet die Beklagte die vom
Kläger angeführte Höhe der Zinsen. Dieser habe sich auch die erhaltenen Beträge und
Steuervorteile anrechnen lassen müssen.
Schließlich sei ein unterstellter Anspruch des Klägers verwirkt, da er von 1986 bis 1999
geschwiegen habe.
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Das Landgericht habe sein Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt, indem es sich gegen
eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung entschieden habe. Ein Fall einer
notwendigen Wiedereröffnung habe nicht vorgelegen. Die Erwägungen des
Landgerichts zur Prozessökonomie seien zutreffend. Die Klage bezüglich der
Kostenfestsetzungsbeschlüsse vom 24. März 2005 sei vor Schluss der Verhandlung
nicht rechtshängig geworden. Das Vorbringen sei auch nicht zuzulassen, wobei sie rein
vorsorglich zu dem Anspruch des Zedenten V im einzelnen Stellung nimmt.
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Der Kläger hat u.a. erwidert, hinsichtlich des entgangenen Gewinns komme eine
Vorteilsausgleichung nicht in Betracht.
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Der Hinweis der Beklagten auf den Prospektprüfungsbericht gehe schon deshalb fehl,
weil der vom 12. Dezember 1986 datiere, also nach der Zeichnung der Anlage durch
ihn. Seinen Anteil an dem Bauherrenmodell habe er bei Freistellung von
Rückzahlungsansprüchen an den Mitgesellschafter U verkauft. Die Ausschüttungen
seien ebenso wie die erzielten Steuerersparnisse aus tatsächlichen und rechtlichen
Gründen nicht auf die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung anzurechnen. Anfang
2004 sei er zur Rückzahlung der Ausschüttungen in Anspruch genommen worden.
Steuervorteile seien bei der Ermittlung des Schadens nicht zu berücksichtigen, da der
Kommanditist den erlangten Schaden wieder versteuern müsse und er durch den
Verkauf der Beteiligung die erlangten Steuervorteile wieder versteuert habe (Beweis:
Zeugnis S).
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Dem Senat haben die Akten 18 O 37/02 LG Essen = 4 U 19/04 OLG Hamm zur
Information vorgelegen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung des Klägers ist unbegründet.
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Entgegen der Auffassung des Klägers kommt eine Zurückverweisung der Sache an das
Landgericht schon deshalb nicht in Betracht, weil das Verfahren im ersten Rechtszug
nicht an einem wesentlichen Mangel leidet (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
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Soweit das Landgericht die angefochtene Entscheidung von den Parteien
unbeanstandet ohne mündliche Verhandlung gem. § 128 Abs. 2 ZPO getroffen hat, liegt
darin kein wesentlicher Verfahrensmangel. Zwar haben die Parteien die Zustimmung zu
dem schriftlichen Verfahren weder in der mündlichen Verhandlung noch schriftlich erteilt
(vgl. dazu Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 128 Rdn. 4; Baumbach/Lauterbach/
Hefermehl, ZPO, 60. Aufl., § 128 Rdn. 18 - 21). Gleichwohl erweist sich die Anordnung
des Landgerichts aber nicht als fehlerhaft.
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Nach dem Vermerk des Einzelrichters vom 29. März 2005 (Bl. 85 R d.A.) regte der
Beklagtenvertreter fernmündlich an, im schriftlichen Verfahren zu entscheiden. Diesem
Verfahren stimmten die Klägervertreter lt. Vermerk vom 5. April 2005 (Bl. 89 d.A.)
aufgrund einer telefonischen Rücksprache zu.
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Dieses Vorgehen reicht aus, um von einer wirksamen Zustimmung der Parteien
auszugehen, da an dem Inhalt ihrer telefonischen Erklärungen, den die Parteien auch
nicht in Frage gestellt haben, nicht der geringste Zweifel besteht (vgl. dazu BVerwG
NJW 1981, 1853). Da die Schriftform für die Zustimmung nach § 128 Abs. 2 ZPO nicht
ausdrücklich vorgeschrieben ist, ist entscheidend für die Form der Erklärung die
allgemein an Prozesshandlungen zu stellende Anforderung, dass durch sie in einer
jeden Zweifel ausschließenden Form die Feststellung gewährleistet ist, welche Person
die Erklärung abgibt und dass sie klar und vorbehaltlos erfolgt. Das ist vorliegend
gegeben.
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Entgegen der Auffassung des Klägers liegt auch kein Verfahrensmangel darin, dass das
Landgericht auf dessen Schriftsatz vom 20. Mai 2005 hin die Verhandlung nicht gem.
§ 156 ZPO wiedereröffnet hat.
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Der Fall einer notwendigen Wiedereröffnung nach § 156 Abs. 2 ZPO hat ersichtlich nicht
vorgelegen.
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Im Rahmen seines Ermessens nach § 156 Abs. 1 ZPO ist das Landgericht zutreffend
davon ausgegangen, dass keine Veranlassung bestanden hat, die Verhandlung
wiederzueröffnen. Denn der bisherige Rechtsstreit war nach Ansicht des Landgerichts
entscheidungsreif und der Kläger war nicht gehindert, sich mit einer weiteren
Vollstreckungsgegenklage gegen die Kostenfestsetzungsbeschlüsse vom 24. März
2005 zu wehren.
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Eine Wiedereröffnung war auch nicht wegen der Gefahr widersprüchlicher
Entscheidungen geboten. Das verdeutlicht schon die Regelung in § 322 Abs. 2 ZPO,
wonach bei der Aufrechnung im Prozess nur der Teil der Gegenforderung von der
Rechtskraft erfasst wird, der bis zur Höhe des Betrages geht, für den die Aufrechnung
geltend gemacht worden ist.
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Das Landgericht hat im Hinblick auf den hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Anspruch
aus abgetretenem Recht auch zu Recht keinen Anlass zur Wiedereröffnung der
Verhandlung gesehen. Insoweit greift ebenfalls einerseits der Umstand der
Entscheidungsreife und andererseits der Umstand, dass das Landgericht sich dann,
wenn es die in erster Linie zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung verneint hätte, mit
einem gänzlich neuen Streitgegenstand hätte auseinandersetzen müssen.
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Erst recht bestand für das Landgericht keine Veranlassung, den Beschluss vom 5. April
2005 aufzuheben und Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen (§ 128
Abs. 1 ZPO), da schon die Voraussetzungen für eine Wiedereröffnung der Verhandlung
gem. § 156 ZPO nicht gegeben waren.
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Der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz steht die Regelung in § 533 Nr. 2 ZPO
entgegen, da die Tatsachen, auf die sie gestützt wird, neues Vorbringen darstellen und
daher nach § 529 ZPO nicht zugrunde zu legen sind.
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Somit geht es vorliegend allein um die Vollstreckungsgegenklage, mit der der Kläger die
Erklärung anstrebt, dass die Zwangsvollstreckung aus den
Kostenfestsetzungsbeschlüssen vom 9. September 2002 und 21. Juni 2004 wegen
Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch aus eigenem Recht unzulässig ist.
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Mit dieser Aufrechnung vermag der Kläger aber nicht durchzudringen, da ihm durch das
genannte Senatsurteil der hier geltend gemachte Schadensersatzanspruch Ersatz der
Vorteile, die er durch eine anderweitige Anlage der Einlage hätte erzielen können
rechtskräftig aberkannt worden ist.
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Rechtskräftig aberkannt worden ist dem Kläger der Anspruch auf Zahlung von
74.955,37 € (210.000,00 DM Einlage nebst Agio abzüglich der von April 1992 bis Mai
1998 erhaltene Ausschüttungen der Gesellschaft in der Gesamthöhe von 63.400,00 DM)
Zug um Zug gegen Übertragung seines Anteils in Höhe von 200.000,00 DM an der C
GmbH & Co. KG.
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Der nunmehr geltend gemachte Ersatz der Vorteile, die der Kläger durch eine
anderweitige Anlage der Einlage von 200.000,00 DM hätte erzielen können, wird durch
das genannte Senatsurteil nicht unmittelbar erfasst. Denn der Kläger hatte in jenem
Rechtsstreit bereits in der Klageschrift darauf hingewiesen, er mache aus
Vereinfachungsgründen mit der Klage noch nicht den entgangenen Gewinn geltend,
sondern behalte sich das vor.
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Gleichwohl schließt aber hier die Abweisung der offenen Teilklage die vom Kläger
geltend gemachte Nachforderung aus, da die Rechtskraft des genannten Senatsurteils
auch diesen Anspruch umfasst (§ 322 Abs. 1 ZPO). Dabei braucht der Senat nicht auf
den Streit einzugehen, ob bei der Abweisung einer offenen Teilklage sich die
Rechtskraft auf den nicht geltend gemachten Teil erstreckt oder nicht (vgl. dazu
Zöller/Vollkommer, a.a.O., vor § 322 Rdn. 47 m.w.N.). Denn es handelt sich hier um
einen einheitlichen Anspruch (vgl. dazu Zöller/Vollkommer, a.a.O., Rdn. 49). Der Kläger
hat verlangt, so gestellt zu werden, wie er gestanden hätte, wenn er der Gesellschaft
nicht beigetreten wäre. In dem Fall sind dem Geschädigten seine Einlage und die
Vorteile zu ersetzen, die er durch deren anderweitige Anlage hätte erzielen können,
wobei er sich ggf. erzielte Einkünfte und ihm verbleibende Steuervorteile anrechnen
lassen muss. Andererseits ist er verpflichtet, Zug um Zug gegen Ausgleich seines
Schadens dem Schädiger die Rechte zu überlassen, die er aus dem Beitritt erlangt hat.
Im Hinblick auf diese Verknüpfung der jeweiligen Vermögenspositionen miteinander
geht der Senat von einem einheitlichen Schadensersatzanspruch aus, so dass die
rechtskräftige Abweisung des einen Teils auch den anderen Teil erfasst.
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Der Rechtskraftwirkung steht die vom Kläger angeführte Verletzung rechtlichen Gehörs
nicht entgegen. Zum einen hindert ein Verfahrensverstoß grundsätzlich nicht den Eintritt
der Rechtskraft (vgl. BGH NJW 1966, 1061). Zum anderen hat der Bundesgerichtshof in
seiner oben genannten Nichtzulassungsbeschwerde trotz des dortigen Vorbringens des
Klägers einen solchen Verstoß nicht gesehen, sondern gerade auf die vom Kläger mit
dem Hinweis auf die Verletzung rechtlichen Gehörs angegriffene Hilfsbegründung des
Senats abgestellt.
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Der Senat hat die Revision im Hinblick auf § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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