Urteil des OLG Hamm vom 21.02.2008
OLG Hamm: arglistige täuschung, wohnung, treu und glauben, kaufvertrag, sachmangel, verjährungsfrist, vermietung, aufklärungspflicht, wahlrecht, vollstreckung
Oberlandesgericht Hamm, 22 U 145/07
Datum:
21.02.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
22. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 U 145/07
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 19 O 316/06
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung
im übrigen das am 3. August 2007 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer
des Landgerichts Essen teilweise abgeändert und im Ausspruch unter
Ziffer 2) des Tenors wie folgt gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern 2/3
des weiteren Zinsschadens ab dem Kalenderjahr 2007 aus der
Inanspruchnahme des Darlehens bei der C AG (Kto.-Nr. #####/####) zu
ersetzen.
Im übrigen verbleibt es beim landgerichtlichen Tenor zu Ziffer 1) und 3)
und der Kostenentscheidung der ersten Instanz.
Die Kosten der Berufungsinstanz trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die
Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu
vollstreckenden Betrages leistet.
G r ü n d e
1
A.
2
Die Kläger begehren von der Beklagten im Wege des Schadensersatzes die
Rückabwicklung eines Grundstückskaufvertrages nebst Ersatz weiterer Aufwendungen.
Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien sowie der erstinstanzlichen
Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
3
Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Den Klägern stehe ein Anspruch
aus § 463 BGB a. F. zu. Die Beklagte habe den Klägern einen Mangel der Kaufsache
arglistig verschwiegen. Es könne offen bleibe, ob den Klägern verschwiegen worden
4
sei, dass keine Baugenehmigung vorgelegen habe. Eine Kenntnis der Kläger hiervon
ergebe sich jedenfalls nicht aus der Teilungserklärung. Diese sei beim Verkauf fünf
Jahre alt gewesen und im Kaufvertrag sei ausdrücklich auf eine Vermietung
hingewiesen worden. Vor diesem Hintergrund hätten die Kläger davon ausgehen
können, dass die Festsetzungen der Teilungserklärung überholt gewesen seien. Ob der
Zeuge C1 den Klägern die erforderliche Kenntnis vermittelt habe, könne dahinstehen.
Die Kläger seien jedenfalls nicht darüber informiert worden, dass eine Baugenehmigung
nur mit erheblichen Kosten einholbar gewesen sei. Die Beweisaufnahme habe erhebe,
dass die Genehmigungsfähigkeit nur mit größeren Investitionen erreichbar sei. Es sei
zumindest ein weiterer Rettungsweg erforderlich, der nach der äußerst vorsichtigen
Schätzung des Zeugen X2 3.500,00 € koste. Hierauf habe die Beklagte hinweisen
müssen, der das Verhalten des Zeugen C1 zuzurechen und die als Verkäuferin
aufgetreten sei. Aus diesem Grund seien der Gewährleistungsausschluss unwirksam
und keine Verjährung nach § 477 BGB a. F. eingetreten.
Die Kläger könnten indes nur Schadensersatz bezüglich der Wohnung verlangen, da
die mit veräußerten Garagen mangelfrei seien. Von einem zusammengehörenden
Verkauf könne nicht ausgegangen werden. Die Parteien hätten sich auf ein Verhältnis
2/3 zu 1/3 geeinigt. Die Zahlen der Kläger seien zugrunde gelegt worden, da sie durch
entsprechende Unterlagen untermauert worden seien und die Beklagte keine
substantiierten Einwendungen erhoben habe.
5
Dagegen wendet sich die Beklagte mit der rechtzeitig eingelegten und rechtzeitig
begründeten Berufung, mit der sie ihr gesamtes erstinstanzliches Vorbringen wiederholt
und ergänzend vorträgt: Das Landgericht habe den Begriff der Arglist verkannt und die
erstinstanzliche Beweisaufnahme unrichtig gewürdigt.
6
Die Beklagte habe zu Recht die Einrede der Verjährung erhoben. Die
Eigentumsumschreibung sei am 7. September 1994 erfolgt. Bei Erhebung der Klage sei
die gesetzliche Verjährungsfrist daher abgelaufen gewesen. Die Voraussetzungen des
§ 463 BGB a. F. hätten nicht vorgelegen. Es fehle an der Arglist der Beklagten und ihres
Ehemannes, des Zeugen C1. Dieser habe bekundet, dass ausdrücklich von der
fehlenden Baugenehmigung die Rede gewesen sei, die Kläger hätten daraufhin die mit
der Einholung einer Baugenehmigung verbundenen Kosten angesprochen und zum
Ausdruck gebracht, dass ihnen wegen dieser Kosten an der der Einholung nichts liege.
Damit sei die Einwendung der Kläger widerlegt, sie hätten von dem Fehlen der
Baugenehmigung und den damit verbundenen Kosten nichts gewusst. Die Höhe der
Kosten sei nicht erörtert worden. Die Kläger seien dem auch nicht nachgegangen, weil
es ihnen nicht wichtig gewesen sei. Aus diesem Grund fehle es an einer Kausalität einer
etwaigen unvollständigen Aufklärung für die Kaufentscheidung der Kläger. Eine etwaige
einfache vorvertragliche Pflichtverletzung begründe keine Arglist und durchbreche die
Verjährungsregeln nicht.
7
Die Beklagte beantragt,
8
in teilweise Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
9
Die Kläger beantragen,
10
die Berufung zurückzuweisen.
11
Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil und führen unter Bezugnahme auf ihr
erstinstanzliches Vorbringen aus, das Landgericht habe weder den Begriff der Arglist
verkannt noch die erstinstanzliche Beweisaufnahme falsch gewürdigt.
12
Eine erforderliche Aufklärung über das Fehlen der notwendigen Baugenehmigung sei
nicht erfolgt. Es beständen Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen C1.
Es sei dessen Eigeninteresse als Ehemann der Beklagten zu beachten. Dieser habe die
Vertragsverhandlungen geführt, sodass die Beklagte bei ihm bzw. der von ihm geführten
Firma S nehmen könnte.
13
Die Kläger hätten nicht erklärt, dass eine Baugenehmigung nicht unbedingt erforderlich
gewesen sei und sie die Wohnung auf jeden Fall erwerben würden. Vielmehr hätten die
Kläger die Wohnung nie erworben, wenn sie von der fehlenden Genehmigung gewusst
hätten. Dies könne indes wegen des unterbliebenen Hinweises auf die Kosten der
Genehmigungserlangung dahinstehen. Hierbei handele es sich um einen
aufklärungsbedürftigen Umstand, da dies für die Wirtschaftlichkeit von besonderer
Bedeutung sei. Es sei beiden Vertragsparteien bekannt gewesen, dass die Kläger die
Wohnung zum Zwecke der Vermietung hätten erwerben wollen. Dieser Vertragszweck
sei nicht erreichbar gewesen, wenn die Wohnung wegen fehlender Baugenehmigung
nicht habe vermietet werden können. Daher seien die Aufwendungen zur
Genehmigungsfähigkeit der Wohnung für die Kläger von zentraler Bedeutung gewesen.
Die Kläger hätten einen Gewinn erzielen wollen, sodass hohe Aufwendungen den
Vertragszweck gefährdet hätten. Dies sei der Beklagten bzw. dem sie vertretenden
Zeugen C1 bekannt gewesen. Die Kläger hätten die Aussage des Zeugen C1 nur so
verstehen können, dass die Genehmigung ohne besonderen Aufwand zu erlangen sei.
Der Zeuge habe zudem erklärt, die Wohnung sei genehmigungsfähig, was nach der
erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht der Fall sei.
14
Die Beklagte könne sich auf eine fehlende Kenntnis nicht berufen. Der Zeuge C1, der
für die Beklagte die Verhandlungen geführt habe, habe die erforderlichen Kenntnisse
und Erfahrungen besessen. Zudem habe eine Erkundigungspflicht der Beklagten
bestanden. Diese habe aber stets den Eindruck erweckt, es sei kein Problem, die
erforderliche Baugenehmigung zu erlangen. Diese Aussage habe sie ersichtlich ohne
vorherige Erkundigungen aufgestellt. Die Beklagte habe selbst vorgetragen, dass weder
sie noch der Zeuge C1 Kenntnis davon gehabt hätten, was zur Erlangung einer
Baugenehmigung erforderlich gewesen sei. Der Zeuge C1 und die Beklagte hätten die
Kläger nicht auf die Begrenztheit ihres Kenntnisstandes hingewiesen.
15
Die unterlassene Aufklärung sei kausal für die Kaufentscheidung geworden. Wegen der
erheblichen Aufwendungen sei das Objekt für die Kläger nicht mehr wirtschaftlich
rentabel gewesen. Die Aufwendungen seien mit etwa 100.000,00 € zu beziffern.
16
Die Beklagte hat der Firma J mbH, vertreten durch den Geschäftsführer Helmut C1, X-
Straße, XXX29 I, mit einem am 23.01.2007 zugestellten Schriftsatz den Streit verkündet.
17
B.
18
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet, nachdem die Kläger den
erstinstanzlich verfolgten Freistellungsantrag zu 2. in einen Antrag auf Feststellung
abgeändert haben. Den Klägern stehen die zuletzt geltend gemachten Ansprüche
gegen die Beklagte aus § 463 BGB a. F. zu. Auf das vorliegende Rechtsverhältnis findet
19
gemäß Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB das Schuldrecht in der vor dem Inkrafttreten des
Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes gültigen Fassung Anwendung. Der den
Ansprüchen zugrunde liegende notarielle Kaufvertrag ist unstreitig am 27. Mai 1994
geschlossen worden.
I.
20
Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 55.032,81 €.
21
1.
22
Die Beklagte hat einen Sachmangel arglistig verschwiegen, § 463 Satz 2 BGB a. F.
23
a)
24
Das Landgericht hat zurecht darauf abgestellt, dass sowohl die fehlende
Baugenehmigung als auch die sich aus erforderlichen Umbauarbeiten ergebende
Bauordnungsrechtswidrigkeit Sachmängel des veräußerten Teileigentums darstellen,
da diese den Wert und die Tauglichkeit zu dem vertraglich vorausgesetzten Gebrauch
aufheben. Das Fehlen einer notwendigen Baugenehmigung stellt grundsätzlich einen
Fehler im Sinne des § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F. dar. Dies gilt unabhängig von der
Frage, ob die Einrichtung genehmigungsfähig ist, weil die Baubehörde die Nutzung bis
zur Erteilung der Genehmigung untersagen kann. Der Sachmangel liegt bereits darin,
dass es der Anlage an der baurechtlich gesicherten Befugnis fehlt, das Objekt auf Dauer
für den vertraglich vorausgesetzten Zweck nutzen zu können. Ein Fehler ist nur dann zu
verneinen, wenn eine rechtsverbindliche behördliche Zusage zur Duldung der Nutzung
oder Erteilung der Genehmigung vorliegt (BGH, MDR 1991, S. 967; BGH, NJW 2003, S.
2380, 2381). Ein darüber hinaus gehender Mangel ist darin zu sehen, wenn nicht
lediglich die gesicherte Befugnis zur Nutzung fehlt, sondern diese auch nicht ohne
weiteres erlangt werden kann (vgl. Urteil des Senats, MDR 2004, S. 28).
25
Die Nutzung als (vermieteter) Wohnraum ist zwischen den Parteien unabhängig davon
vereinbart worden, dass nach dem Kaufvertrag Teileigentum verkauft worden ist,
welches nach § 1 Abs. 3 WEG das Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken
dienenden Räumen eines Gebäudes in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem
gemeinschaftlichen Eigentum darstellt. Insoweit kommt es nicht auf die in der
Vertragsurkunde enthaltene Bezeichnung der Dachgeschossräume an, da diese
unstreitig als Wohnung ausgebaut und zu Wohnzwecken vermietet waren (vgl. BGH,
NJW 1987, S. 2511, 2511 f.). Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass es den
Klägern erkennbar darauf ankam, eine vermietbare Wohnung zu bekommen. Dies wird
von der Beklagten in der Berufungsbegründung ausdrücklich eingeräumt.
26
b)
27
Die Beklagte hat den sich aus der Bauordnungsrechtswidrigkeit ergebenden
Sachmangel arglistig verschwiegen. Ein arglistiges Verschweigen im Sinne des § 463
BGB a. F. liegt vor, wenn hinsichtlich verschwiegener Sachmängel eine
Aufklärungspflicht bestand. Entscheidend ist, ob der andere Teil nach Treu und Glauben
unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicher Weise Aufklärung erwarten
durfte. Allerdings besteht keine allgemeine Pflicht, alle Umstände zu offenbaren, die für
28
die Entschließung des anderen Teils von Bedeutung sein könnten. Eine
Aufklärungspflicht besteht aber insbesondere bei Umständen, die für die Willensbildung
des anderen Teils offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind. Für den Kauf
eines Hausgrundstücks bedeutet dies, dass eine Pflicht zur Offenbarung regelmäßig nur
wegen verborgener, nicht unerheblicher Mängel oder solcher nicht erkennbarer
Umstände anzunehmen ist, die nach der Erfahrung auf das Entstehen bestimmter
Mängel schließen lassen (BGH, NJW-RR 1990, S. 847). Dagegen kann ein Käufer
Aufklärung über solche Mängel, die einer Besichtigung zugänglich oder ohne weiteres
erkennbar sind, nicht erwarten, weil er solche Mängel bei der im eigenen Interesse
gebotenen Sorgfalt selbst wahrnehmen kann (BGH-Report 2001, S. 326; BGH, NJW-RR
1994, S. 907; Senat, MDR 2005, S. 621).
Danach bestand grundsätzlich eine Aufklärungsverpflichtung der Beklagten, da die
Vermietbarkeit nach dem Erwerbszweck für die Kläger von besonderer Bedeutung war.
Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass ein Hinweis der Beklagten oder des
Zeugen C1 in Bezug auf die Genehmigungsfähigkeit bzw. die zur Herstellung
erforderlichen Kosten nicht erfolgt ist. Ein solcher Hinweis wäre auch dann erforderlich
gewesen, wenn die Kläger - wie der Zeuge C1 vor dem Landgericht ausgesagt hat - auf
dessen Hinweis zur fehlenden, aber einholbaren Baugenehmigung erklärt hätten, dies
sei wegen der damit verbundenen Kosten nicht nötig. Denn damit hätten die Kläger
gegenüber dem Zeugen C1 nicht deutlich gemacht, dass die Kosten für die
Herbeiführung der Genehmigung ihnen grundsätzlich bekannt und für sie ohne Belang
waren. Vielmehr könnte einer möglichen Äußerung der Kläger lediglich entnommen
werden, dass sie die Kosten der behördlichen Genehmigung einsparen und insoweit
das Risiko übernehmen wollten, eine nicht genehmigte, aber genehmigungsfähige
Wohnung zu erwerben und nach dem Erwerb zu vermieten.
29
Es ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass das Landgericht nach Durchführung einer
Beweisaufnahme festgestellt hat, dass jedenfalls 3.500,00 € an Kosten anfallen, um die
Genehmigungsfähigkeit herbeizuführen. Zwar haben die Zeugen C2 und T vom
zuständigen Bauordnungsamt keine sicheren Aussagen dazu treffen können, ob eine
Genehmigungsfähigkeit vorliegt oder Arbeiten zu deren Herbeiführung erforderlich sind.
Die Zeugen C2 hat indes bekundet, dass im Genehmigungsverfahren geprüft würde, ob
ein zweiter Rettungsweg vorhanden sei. Der Zeuge X hat bekundet, dass ein solcher
geschaffen werden müsse, diese Anforderungen an die Genehmigungsfähigkeit bereits
beim Umbau bestanden habe und der zweite Rettungsweg etwa 3.500,00 € kosten
würde. Zudem war es erstinstanzlich unstreitig, dass für die Herbeiführung der
Genehmigungsfähigkeit zumindest ein Aufwand von 15.000,00 € erforderlich ist. Dies
hat die Beklagte im Schriftsatz vom 17. November 2006 selbst vorgetragen und unter
Sachverständigenbeweis gestellt.
30
Eine Aufklärung war nicht deshalb entbehrlich, weil die Kläger die Baurechtswidrigkeit
bei der Besichtigung der Wohnung hätten erkennen können. Dass sich den Klägern
angesichts der objektiven Gegebenheiten zwingend der Schluss aufdrängen musste,
dass die Dachgeschosswohnung im besichtigten Zustand nicht genehmigungsfähig
war, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
31
c)
32
Der Beklagten fällt ein arglistiges Verhalten zur Last. Bei der Täuschung durch
Verschweigen eines offenbarungspflichtigen Mangels handelt arglistig, wer einen
33
Fehler der Kaufsache kennt oder zumindest für möglich hält, gleichzeitig weiß oder
damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragspartner den Fehler nicht
kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt
geschlossen hätte (vgl. BGH NJW 1990, S. 42; BGH NJW-RR 1992, S. 333, 334).
Eine Kenntnis der Beklagten oder des Zeugen C1 von der fehlenden
Genehmigungsfähigkeit bzw. den für deren Herbeiführung erforderlichen Kosten hat das
Landgericht nicht festgestellt. Indes ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass dem
Zeugen C1 der Umfang der zur Herbeiführung der Genehmigungsfähigkeit
erforderlichen Arbeiten bzw. deren Kosten bewusst gewesen sind, aus dessen Aussage
vor dem Landgericht. Nach den Bekundungen des Zeugen C1 soll sich die fehlende
Baugenehmigung in erheblicher Weise im Kaufpreis niedergeschlagen haben. Zwar
konnte der Zeuge eine genaue Preisminderung nicht beziffern; er hat aber die Differenz
auf 20 bis 30 % des Kaufpreises geschätzt. Bei einem übereinstimmend von den
Parteien angegebenen Kaufpreisanteil der Wohnung von 2/3 (= 113.333,33 DM)
ergeben sich hieraus Kosten in einem Bereich von 23.000,00 DM bis 34.000,00 DM.
34
Dies kann indes dahinstehen, da sich eine arglistige Täuschung selbst bei fehlendem
Bewusstsein des Zeugen C1 daraus ergibt, dass dieser gegenüber den Klägern ohne
tatsächliche Anhaltspunkte, mithin "ins Blaue hinein" erklärt hätte, die Genehmigung sei
einzuholen. Bei einer "ins Blaue hinein" abgegebenen objektiv unrichtigen Erklärung
liegt auch bei gutem Glauben des Erklärenden Arglist vor, wenn der Handelnde das
Fehlen einer zuverlässigen Beurteilungsgrundlage nicht offenlegt. Die Arglist liegt dann
gerade darin, dass dem Erklärenden, was ihm auch bewusst ist, jegliche zur
sachgemäßen Erklärung erforderliche Kenntnis fehlt und er gleichwohl diesen Umstand,
die fehlende Sachkenntnis, dem anderen Teil verschweigt. (OLG Celle, NJWRR 1987,
S. 744; Heinrichs in: Palandt, BGB, 66. Auflage, § 123 Rn. 11)
35
Vorliegend hat der Zeuge C1 zumindest ohne zuverlässige Beurteilungsgrundlage die
Erklärung zur objektiv unstreitig nicht gegebenen Genehmigungsfähigkeit abgegeben
und damit die zur Herbeiführung der Genehmigung erforderlichen Kosten bagatellisiert,
ohne dies gegenüber den Klägern offenzulegen. Dass der Zeuge vor Abgabe der
Erklärung entsprechende Auskünfte eingeholt oder aufgrund eigener Sachkenntnis von
einer Genehmigungsfähigkeit ausgehen durfte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Vielmehr hat die Beklagte sich und den Zeugen C1 im Schriftsatz vom 29. März 2007
sogar als "baurechtliche Laien" bezeichnet.
36
Der Beklagten sind die Erklärungen des Zeugen C1 nach § 164 Abs. 1 BGB sowie
dessen Kenntnisnahmen nach § 164 Abs. 3 BGB zuzurechnen, da dieser unstreitig die
Kaufvertragsverhandlungen im Wesentlichen für sie geführt hat.
37
2.
38
Die arglistige Täuschung war für den Kaufentschluss der Kläger ursächlich, da diese
den Kaufvertrag ohne die Täuschung jedenfalls mit einem anderen Inhalt oder zu einem
anderen Kaufpreis abgeschlossen hätten. Dies ist grundsätzlich zu vermuten, da die
festgestellte Täuschung nach der Lebenserfahrung geeignet gewesen ist, die Kläger zu
beeinflussen. Zwar gilt diese Vermutung nur in den Fällen, in denen es für den
Vertragspartner bei zutreffender Aufklärung vernünftigerweise nur eine Reaktion
gegeben hätte, ein Entscheidungskonflikt also nicht eingetreten wäre. Für die
Möglichkeit eines solchen Konflikts müssen indes Anhaltspunkte gegeben sein (vgl.
39
BGH, Urteil vom 20. Juli 2007, Az.: V ZR 227/06, Rn. 18 f., Urteil vom 9. November
2007, Az. V ZR 281/06, Rn. 11). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Insbesondere ergibt
sich bereits aus dem Vortrag der Beklagten, dass es den Klägern auf eine Vermietung
der Wohnung, also auf die Erzielung von Mieteinnahmen angekommen ist. Vor diesem
Hintergrund kann nicht angenommen werden, dass die Kläger den Kaufvertrag bei
Kenntnis der nicht vorliegenden Genehmigungsfähigkeit zu den gleichen Bedingungen
abgeschlossen hätten. Dagegen spricht jedenfalls nicht, dass sie die fehlende
Genehmigung hingenommen haben, da es sich insoweit um ein kalkulierbares Risiko
gehandelt hat.
3.
40
Der Anspruch der Kläger ist nicht nach § 460 BGB a. F. ausgeschlossen. Eine Kenntnis
der Kläger von der fehlenden Genehmigungsfähigkeit wird seitens der Beklagten nicht
substantiiert behauptet. Insbesondere ist weder vorgetragen noch ergibt sich dies aus
der Aussage des Zeugen C1, dass dieser den Klägern eine Reduzierung des
Kaufpreises im Hinblick auf die Kosten des Genehmigungsverfahrens mitgeteilt hat.
Eine grob fahrlässige Unkenntnis der Kläger stände einer Haftung der Beklagte aus
arglistiger Täuschung nicht entgegen, § 460 Satz 2 BGB a. F.
41
4.
42
Der Schadensersatzanspruch ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Kläger
zunächst mit der Klage die Wandlung des Kaufvertrages begehrt haben. Mangels
Einverständniserklärung der Beklagten mit der Wandlung (§ 465 BGB a. F.) konnten die
Kläger auf einen Schadensersatzanspruch übergehen. Dem Käufer steht nach § 463
a. F. BGB ein Wahlrecht zwischen Wandlung, Minderung und Schadensersatz zu.
Dieses Wahlrecht erlischt erst durch Vollzug (§ 465 BGB a. F.) oder Erfüllung des
geltend gemachten Anspruch. Bis zu diesem Zeitpunkt kann der Käufer von einem zum
anderen Recht übergehen, eine getroffene Wahl frei widerrufen.
43
5.
44
Ansprüchen der Kläger aus § 463 BGB a. F steht die seitens der Beklagten erhobene
Verjährungseinrede nicht entgegen. Diese waren bei Klageerhebung, die zu einer
Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 2 BGB führte, nicht verjährt. § 477 Abs. 1 Satz 1 BGB
a. F. findet auf Ansprüche aus arglistiger Täuschung keine Anwendung. Die Ansprüche
unterliegen vielmehr nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in seiner vor dem Inkrafttreten
des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes gültigen Fassung der 30jährigen
Verjährungsfrist des § 195 BGB und waren damit im Zeitpunkt des Inkrafttretens des
Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes nicht verjährt. Für sie gelten gemäß Art. 229 § 6
Abs. 1 Satz 1 EGBGB die Verjährungsfristen des
Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes und damit die 3-jährige Verjährungsfrist des
§ 195 BGB n. F. Von einem Ablauf dieser Frist vor Klageerhebung am 5. Oktober 2006
ist nicht auszugehen, da die für die Voraussetzungen der Verjährung darlegungs- und
beweisbelastete Beklagte den Vortrag der Kläger, sie hätten von der fehlenden
Genehmigung und den erforderlichen Arbeiten erst 2006 erfahren, nicht widerlegt
haben.
45
6.
46
Die Kläger können - wie vorliegend mit dem Klageantrag zu 1. erfolgt - das übertragene
Grundstück zur Verfügung stellen und den durch die Nichterfüllung entstandenen
Schaden geltend machen. Die Parteien haben sich erstinstanzlich darauf verständigt,
dass das Verhältnis zwischen dem streitgegenständlichen Teileigentum und dem
gemeinsam verkauften Teileigentum an drei Garagen 2/3 zu 1/3 beträgt. Dies wird im
Berufungsverfahren ebenso wenig angegriffen, wie die Schadensberechnung des
Landgerichts.
47
II.
48
Der Zinsanspruch ab Rechtshängigkeit folgt aus § 284 Abs. 1, § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB
a. F. und §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dem steht die ihm Zug um Zug stehende
Verpflichtung zur Rückübertragung nicht entgegen. Die Verpflichtung zur Zahlung von
Prozesszinsen - gleiches gilt erst recht für Verzugszinsen - kann zwar erst mit der
Fälligkeit der Hauptforderung beginnen kann. Dementsprechend ist anerkannt, dass die
Verzinsungspflicht entfallen kann, wenn der Forderung die Einrede des
Zurückbehaltungsrechts (§§ 273, 274 BGB) entgegensteht. Im vorliegenden Fall geht es
indessen nicht um die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts, das heißt um die
Geltendmachung eines auf demselben rechtlichen Verhältnis beruhenden fälligen
Gegenanspruchs durch die Beklagte. Vielmehr ist Grundlage des hier in Rede
stehenden Zug-um-Zug-Vorbehaltes das dem allgemeinen Schadensersatzrecht
innewohnende Prinzip der Vorteilsausgleichung, welches bewirkt, dass die
Schadensersatzpflicht der Beklagten nur gegen Herausgabe der Vorteile erfüllt zu
werden braucht, die mit dem schädigenden Ereignis in adäquatem Zusammenhang
stehen. Der Schadensersatzanspruch ist von vornherein nur mit der Einschränkung
begründet, dass gleichzeitig die Vorteile herausgegeben werden.
49
Eben dieser Besonderheit des Schadensersatzanspruchs haben die Kläger mit dem
Klageantrag zu 1. Rechnung getragen. Es bestehen keine durchgreifenden Bedenken
dagegen, dass die Schadensersatzforderung mit diesem eingeschränkten Inhalt fällig
geworden ist. Daher besteht keine innere Rechtfertigung dafür, die Beklagte, die der
Klage mit sachlichen Einwendungen zu Anspruchsgrund und -höhe, nicht aber mit
einem Zurückbehaltungsrecht, entgegengetreten ist, von der Pflicht zur Zahlung von
Prozesszinsen zu befreien. Mit der Auferlegung der Prozesszinsen verwirklicht sich
nämlich lediglich das allgemeine Risiko eines jeden Schuldners, dessen
Verteidigungsvorbringen sich im Laufe eines jahrelangen Rechtsstreits als im Ergebnis
nicht durchgreifend erweist. Ebenso wenig sind sachliche Gründe dafür erkennbar, den
Klägern, die mit dem Angebot des Vorteilsausgleichs im Wesentlichen das seinerseits
Erforderliche getan hatten, die Nutzungsvorteile des ihm rechtmäßig zustehenden
Schadensersatzbetrages in Form der Prozesszinsen vorzuenthalten.
50
III.
51
Der Feststellungantrag ist zulässig und begründet. Das gemäß § 256 ZPO erforderliche
Feststellungsinteresse ergibt sich jedenfalls aus der verjährungsunterbrechenden
Wirkung eines entsprechenden Urteils und der Tatsache, dass die Kläger zu einer
abschließenden Bezifferung des ihnen entstandenen Schadens nicht in der Lage ist.
Dem steht nicht entgegen, dass die Kläger bereits eine Abrechnung für ein weiteres
Jahre vornehmen könnten (Greger in: Zöller, ZPO, 25. Auflage, § 256 Rn. 7a). Wegen
der Begründetheit des Anspruchs wird auf die Ausführungen zum Zahlungsanspruch
52
Bezug genommen.
C.
53
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Soweit die Abänderung des Klageantrag zu 2. eine teilweise Klagerücknahme enthielte,
wären durch diese keine gesonderten Kosten entstanden, die die Kläger nach § 269
Abs. 3 Satz 2 ZPO zu tragen hätten. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2 ZPO.
54