Urteil des OLG Hamm vom 29.07.2003

OLG Hamm: allgemeine abteilung, gemeinsamer haushalt, begriff, drucksache, schranke, form, scheidungsverfahren, gesetzesentwurf, datum

Oberlandesgericht Hamm, 2 Sdb (FamS) Zust. 20/03
Datum:
29.07.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Sdb (FamS) Zust. 20/03
Vorinstanz:
Amtsgericht Lüdenscheid, 5 F 432/03
Tenor:
Das Amtsgericht – Prozessgericht – Lüdenscheid ist funktionell für das
vorlie-gende Prozesskostenhilfeverfahren zuständig.
Gründe
1
I
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Die Antragstellerin begehrt mit ihrem Antrag vom 01.07.2003 Prozesskostenhilfe für
einen Antrag nach § 1 Gewaltschutzgesetz gegenüber ihrem Ehemann, von dem sie seit
dem 21.12.2001 getrennt lebt. Das Scheidungsverfahren ist beim Amtsgericht
Familiengericht- Lüdenscheid rechtshängig.
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Die Familienabteilung wie auch die allgemeine Abteilung des Amtsgerichts
Lüdenscheid halten sich jeweils für funktionell unzuständig. Das Familiengericht hat die
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Sache durch Beschluss vom 17.07.2003 dem Oberlandesgericht zur Bestimmung der
zuständigen Abteilung vorgelegt.
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II
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Das Familiengericht hat mit zutreffender Begründung – auf die Bezug genommen wird –
seine Zuständigkeit verneint.
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Nach dem gleichlautenden Wortlaut der § 23b I Nr. 8a GVG, §§ 620 Nr. 9, 621 I Nr. 13
ZPO ist das Familiengericht für Maßnahmen nach den §§ 1 und 2 des
Gewaltschutzgesetzes nur zuständig, wenn die Beteiligten einen auf Dauer angelegten
gemeinsamen Haushalt führen oder innerhalb von sechs Monaten vor Antragstellung
geführt haben.
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Diese Voraussetzung für die Zuständigkeit des Familiengerichts ist hier nicht mehr
gegeben, da sich Antragstellerin und Antragsgegner bereits vor mehr als 1 ½ Jahren
getrennt haben.
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Eine Anwendung des § 620 Nr. 9 ZPO auch über die zeitliche Schranke hinaus kann
entgegen der Auffassung des AG Biedenkopf (FamRZ 2003, 546) nicht mit einem
"Redaktionsversehen" des Gesetzgebers begründet werden. Wie sich aus der
Begründung zum Gesetzesentwurf ergibt, ist die zeitliche Schranke bewusst gesetzt
worden. Nach der Intention des Gesetzgebers sollte die Zuständigkeit der
Familiengerichte und damit verbunden die Anwendung des flexibleren FGG-Verfahrens
nicht für alle Fälle des Gewaltschutzgesetzes begründet werden. Sie soll vielmehr auf
die Fälle beschränkt werden, in denen der "soziale Nahbereich" betroffen ist (vgl. BT
Drucksache 14/5429 S. 22 und 34). Der "soziale Nahbereich" sollte ursprünglich bereits
dann tangiert sein, wenn die Beteiligten in häuslicher Gemeinschaft leben oder gelebt
haben. Diese Zuständigkeitsregelung ist in der gerichtlichen Praxis als zu weitreichend
kritisiert worden mit der Folge, dass der Gesetzgeber den Begriff der "häuslichen
Gemeinschaft" durch den Begriff "auf Dauer angelegter gemeinsamer Haushalt"
einschränkend konkretisiert und weiterhin eine zeitliche Grenze für die Berücksichtigung
des früheren Zusammenlebens eingeführt hat (vgl. BT Drucksache 14/5429 S. 26).
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Es kann auf dem Hintergrund einer solchen Diskussion nicht angenommen werden,
dass es sich bei der Aufnahme der zeitlichen Einschränkung in § 620 Nr. 9 ZPO um ein
"Redaktionsversehen" handelt. In der Regelung ist vielmehr die bewusste Entscheidung
des Gesetzgebers zu sehen, unabhängig von der rechtlichen Form des früheren
Zusammenlebens die Zuständigkeit des Familiengerichts in gleicher Weise zu regeln
und zu beschränken.
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Demgemäß war in entsprechender Anwendung des § 36 I Nr. 6 ZPO das Amtsgericht –
Prozessgericht – Lüdenscheid als funktionell zuständiges Gericht zu bestimmen.
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