Urteil des OLG Hamm vom 03.12.2003

OLG Hamm: zustellung, einzahlung, vorschuss, datum, rückwirkung, zahlungsaufforderung, anforderung, muttergesellschaft, stammkapital, vollstreckbarkeit

Oberlandesgericht Hamm, 20 U 147/03
Datum:
03.12.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 U 147/03
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 15 O 602/02
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 05.06.2003 verkündete Urteil
der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil
vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
1
I.
2
Der 1953 geborene Kläger, seit 1975 bis zum Eintritt seiner Arbeitslosigkeit als
Ausbeiner im Schlachthof tätig, macht Ansprüche aus einer seit 1992 bei der Beklagten
bestehenden Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ-Versicherung) geltend
(Vers.-Nr. ######################). Versichert ist eine jährliche Barrente in Höhe
von 21.021,77 EUR (41.115,--DM).
3
Der Kläger stellte erstmals im Mai 2001 den Antrag auf Zahlung von
Berufsunfähigkeitsrente wegen Verletzungen an der Hand. Die Beklagte lehnte
Leistungen aus der BUZ-Versicherung mit Schreiben vom 06.06.2002, dem Kl. am
13.06.2002 zugegangen, endgültig ab. In dem Schreiben belehrte sie ihn darüber, dass
er seine vermeintlichen Ansprüche binnen einer Frist von 6 Monaten gerichtlich geltend
zu machen habe, anderenfalls sie von ihrer Leistungsverpflichtung frei sei.
4
Der Kläger hat behauptet, beim Anheben eines schweren Gegenstandes am 04.08.2000
einen Daumengrundgelenkkapselschaden erlitten zu haben. Die Tätigkeit als Ausbeiner
könne er nicht mehr ausüben. Aufgrund einer Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit
5
beider Hände könne er, wie sich aus einem im sozialgerichtlichen Verfahren
eingeholten Gutachten ergebe, lediglich noch leichte und mittelschwere Tätigkeiten
vollschichtig leisten. Bei der Tätigkeit als Ausbeiner, die ohnehin nur im Akkord geleistet
werde, handele es sich aber um eine körperlich schwere Arbeit.
Der Kläger hat am 06.12.2002 Klage auf Zahlung einer monatlichen
Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.751,81 EUR beginnend mit dem Monat
September 2000 eingereicht. Am Montag, dem 23.12.2002, erhielt der
Prozessbevollmächtigte des Klägers die Vorschussanforderung des Landgerichts nach
einem Streitwert von 73.576,-- EUR. Die Rechtsschutzversicherung des Klägers setzte
er mit Schreiben vom 27.12.2002 davon in Kenntnis und bat um Überweisung des
Vorschusses auf sein Konto. Dort ging das Geld am 16.01.2003 ein. Am Montag, dem
20.01.2003, erfuhr der Prozessbevollmächtigte vom Geldeingang auf seinem Konto. Er
veranlasste daraufhin am 23.01.2003 die Überweisung an die Gerichtskasse. Daraufhin
wurde die Klage am 06.02.2003 zugestellt.
6
Die Beklagte hat sich auf Leistungsfreiheit gem. § 12 Abs. 3 VVG berufen und die
Auffassung vertreten, der Kläger habe nach Eingang der Kostenrechnung nicht alles
ihm Zumutbare für eine "demnächstige" Zustellung der Klage im Sinne von § 167 ZPO
getan. Die zögerliche Bereitstellung des Vorschusses durch den
Rechtsschutzversicherer habe sich der Kläger zurechnen zu lassen; überdies hätte die
Zahlung direkt an die Gerichtskasse erfolgen können.
7
Im übrigen hat die Beklagte unter Berufung auf zwei von ihr eingeholte ärztliche
Stellungnahmen bestritten, dass der Kläger berufsunfähig sei. Auch ein Unfall vom
04.08.2000 habe keine Berufsunfähigkeit bewirkt. Die Beklagte hat im übrigen die
Auffassung vertreten, der Klager könne im Hinblick auf die Anspruchstellung im Mai
2001 ohnehin frühestens ab dem 01.05.2001 eine Rente beanspruchen.
8
Die Kammer hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Frist des § 12 Abs. 3
VVG sei nicht eingehalten. Zwar sei § 167 ZPO für die Einhaltung dieser Frist
entsprechend anwendbar, doch könne von einer demnächstigen Zustellung keine Rede
sein, denn der Kläger hätte bei gewissenhafter Prozessführung eine frühere Einzahlung
der Gerichtskosten veranlassen können und müssen.
9
Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien und der gestellten Anträge wird auf
das Urteil Bezug genommen.
10
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen Antrag (angepasst an die
Fälligkeitsregelung in § 1 Nr. 1. b) BUZ-Bedingungen) weiter. Er meint, die Frist von 14
Tagen, die die Kammer als geringfügige Verzögerungszeit gemäß der obergerichtlichen
Rechtsprechung akzeptiere, müsse ihm zusätzlich zu der regulären Bearbeitungszeit
betreffend die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses zugebilligt werden. Bei
optimalem Ablauf hätte der Vorschuss allenfalls am Donnerstag, dem 09.01.2003, bei
der Gerichtskasse sein können. Die bis zur tatsächlichen Einzahlung am 23.01.2003
verstrichene Frist von genau 2 Wochen stehe also der Annahme einer noch
demnächstigen Zustellung im Sinne des § 167 ZPO nicht entgegen. Die Berufung auf
die Fristversäumung sei im übrigen treuwidrig, denn die späte Überweisung des
Vorschusses habe der Rechtsschutzversicherer zu verantworten, dessen
"Großaktionärin" die Beklagte sei und dessen Vertrieb sie in Westfalen übernommen
habe.
11
Die Beklagte verteidigt das Urteil und meint, der Kläger bzw. sein Anwalt hätte nach
Eingang der Vorschussrechnung am 23.12.2002 sofort zahlen müssen. Soweit die
Rechtsprechung dem Kläger eine "geringfügige" Verzögerung zubillige, beginne diese
am Tag des Eingangs der Vorschussrechnung. Die Einschaltung eines
Rechtsschutzversicherers bzw. dessen zögerliches Verhalten entlaste den Kläger nicht.
12
Auch ein treuwidriges Verhalten liege nicht vor; allerdings sei, wie unbestritten blieb, die
alleinige Aktionärin der Beklagten, die Q, mit etwas unter 12 % am Grundkapital des
Rechtsschutzversicherers (P) beteiligt; in (der ehemaligen Provinz) Westfalen gebe es
auch einen gemeinsamen Vertrieb über die Agenten der Beklagten bzw. ihrer
Schwestergesellschaften, doch finde die rechtsschutzversicherungsrechtliche Vertrags-
und Schadenbearbeitung ausschließlich im Hause der P statt.
13
II.
14
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
15
Dem Kläger stehen aus seiner Berufsunfähigkeitsversicherung keine Ansprüche zu. Ob
und gegebenenfalls seit wann der Kläger berufsunfähig ist, bedarf keiner Klärung. Denn
die Beklagte ist gem. § 12 Abs. 3 VVG leistungsfrei. Die Voraussetzungen dieser
Vorschrift sind erfüllt:
16
Nachdem der Kläger Anspruch auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente erhoben
hatte, lehnte die Beklagte ihre Leistungspflicht schriftlich unter Hinweis auf die Folgen
einer nicht rechtzeitigen gerichtlichen Geltendmachung ab. Die Ablehnung nebst
Belehrung ging dem Kläger am 13.06.2002 zu. Damit wurde die sechsmonatige Frist
des § 12 Abs. 3 VVG zur gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs in Lauf gesetzt.
17
Ein Fall, in dem die Belehrung namentlich wegen einer vermeintlichen Verweisung des
Versicherten auf das "Klageverfahren" unwirksam ist (BGH, Urt. v. 5.2.2003 - IV ZR
44/02 - VersR 2003, S. 489), liegt hier nicht vor, denn die Beklagte informierte richtig in
der gebotenen allgemeinen Formulierung über die Notwendigkeit "gerichtlicher
Geltendmachung". Unschädlich blieb, dass die Beklagte in der Belehrung versehentlich
auf Absatz 2 des § 12 VVG anstelle des richtigen Absatzes 3 Bezug nahm. Da der Inhalt
des § 12 Abs. 3 VVG in der Belehrung richtig wiedergegeben wurde, war die
Entstehung von Fehlvorstellungen des Klägers über die zur Rechtswahrung
erforderlichen Schritte nicht zu besorgen.
18
Indes machte der Kläger daraufhin seine Ansprüche nicht rechtzeitig gerichtlich geltend.
Zwar ging die von ihm erhobene Klage innerhalb der am 13.12.2002 endenden Sechs-
Monats-Frist bei Gericht ein, doch wurde sie der Beklagten erst am 06.02.2003
zugestellt, ohne dass die Zustellung auf den Eingang der Klage zurückwirkte.
19
Eine Klageerhebung ist auch dann noch rechtzeitig, wenn die Klage vor Fristablauf bei
Gericht eingeht und "demnächst" zugestellt wird, denn in diesem Fall wirkt die
außerhalb der Frist erfolgte Klagezustellung auf den Zeitpunkt des Klageeingangs
zurück (§ 167 ZPO entsprechend §§ 270 Abs. 3, 693 Abs.2 ZPO a.F.). Diese Regelung
findet auch auf die Frist des § 12 Abs. 3 VVG Anwendung. An einer solchen noch als
demnächst im Sinne von § 167 ZPO zu bezeichnenden Zustellung fehlt es hier.
20
1.)
21
Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass der Begriff "demnächst" nicht rein
zeitlich zu verstehen ist. Er meint eine Zustellung innerhalb einer nach den Umständen
angemessenen, selbst längeren Frist, sofern die Partei alles ihr Zumutbare für eine
alsbaldige Zustellung getan hat und schutzwürdige Belange der Gegenseite nicht
entgegenstehen. Demgegenüber sind der Partei Verzögerungen zuzurechnen, die sie
bei gewissenhafter Prozessführung hätte vermeiden können. Von der Partei zu
vertretende geringfügige Verzögerungen bis zu 14 Tagen sind regelmäßig unschädlich;
eine Zeitspanne von 18 oder 19 Tagen wird dagegen nicht mehr als geringfügig und
damit als schädlich angesehen (BGH, Urt. v. 27.5.1999 - VII ZR 24/98 - NJW 1999, S.
3125; Urt. v. 1.12.1993 - XII ZR 177/92 - NJW 1994, S. 1073; Urt. v. 9.11.1994 - VIII ZR
327/93 - VersR 1995, S. 361, 362).
22
Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass sich aus der Regelung des §
691 Abs. 2 ZPO jedenfalls für die hier interessierende Frage, binnen welcher Frist ein
Kläger nach Vorschussanforderung tätig werden muss, nichts anderes ergibt. Ihrem
Wortlaut und ihrer Stellung innerhalb der ZPO nach ist die Vorschrift außerhalb des
Mahnverfahrens ohnehin nicht anwendbar. Auch aus der Entscheidung des BGH vom
21.03.2002 (VII ZR 230/01 - NJW 2002, S. 2794) lässt sich lediglich entnehmen, dass
die Monatsfrist des § 691 Abs. 2 ZPO nunmehr allgemein für die Beurteilung der
rechtzeitigen Zustellung eines Mahnbescheides im Rahmen des § 693 Abs. 2 ZPO a.F.
maßgeblich sein soll, wenn es um die Folgen eines Mangels dieses Mahnantrages
geht. Erörtert wird des weiteren, ob diese Regelung auch auf das Klageverfahren zu
übertragen ist (Zöller-Greger, ZPO, 23. Aufl., § 167 Rz. 11).
23
Im Falle des Klägers stehen aber keine Mängel eines Mahnantrages bzw. einer
Klageschrift, die zu einer Verzögerung der Zustellung führen, in Rede. Die Normierung
der Monatsfrist in § 691 Abs. 2 ZPO hat deshalb für die Auslegung dessen, was unter
einer demnächstigen Zustellung zu verstehen ist, keine generelle, auch die vorliegende
Fallgestaltung erfassende Bedeutung.
24
2.)
25
Bei der Frage, ob die Zustellung der Klage am 06.02.2003 noch demnächst im Sinne
von § 167 ZPO erfolgte, muss allerdings die Zeit bis zum 23.12.2002, dem Datum des
Zugangs der gerichtlichen Vorschussanforderung, außer Betracht bleiben. Denn der
Kläger durfte die Klagefrist ausnutzen und die Vorschussanforderung, jedenfalls wenn
es wie hier um einen kurzen Zeitraum geht, abwarten (BGH, Urt. v. 29.6.1993 - X ZR
6/93 - NJW 1993, S. 2811, 2812). Auf Seiten des Klägers besteht nämlich keine
Verpflichtung, den Streitwert zu berechnen bzw. anzugeben und einen entsprechenden
Vorschuss von sich aus einzuzahlen (BGH, Urt. v. 15.1.1992 - IV ZR 13/91 - VersR
1992, S. 433). Unerheblich ist des weiteren die nach Eingang des Vorschusses am
23.01.2003 verstrichene Zeit bis zur Bewirkung der Klagezustellung am 06.02.2003,
weil es dabei um Vorgänge geht, auf die der Kläger nicht einwirken konnte.
26
3.)
27
Die Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze führt hier zu der entscheidenden
Frage, ob eine demnächstige Zustellung - und somit Rückwirkung gem. § 167 ZPO -
noch anzunehmen ist, wenn die Vorschusseinzahlung auf die bereits am 23.12.2002
28
eingehende Anforderung erst am 23.01.2003 erfolgte. Dies ist im Ergebnis nicht der Fall.
a.)
29
Was die Anforderungen an ein angemessenes bzw. "noch hinzunehmendes" Verhalten
des Klägers nach Eingang der Vorschussanforderung angeht, so werden - soweit
ersichtlich - zwei Auffassungen vertreten:
30
Nach der einen Auffassung hat ein Kläger den Vorschuss nach Kostenanforderung stets
unverzüglich, d.h. binnen 2 Wochen, einzuzahlen (Musielak- Wolst ZPO, 3. Aufl. § 167
Rz. 10 und Zöller-Greger, ZPO, 23. Aufl., § 167 Rz. 15 jeweils unter Berufung auf BGH
NJW 1986, S. 1347, wo es allerdings nur heißt, in der Rechtsprechung würden Fristen
für die Vorschusszahlung in der Regel noch als hinnehmbar behandelt, die sich um
zwei Wochen bewegten oder geringfügig darüber lägen; so auch
Baumbach/Lauterbach-Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 167 Rz. 24, Stichwort
"Vorschusszahlung"; Prölss/Martin-Prölss, Versicherungsvertragsgesetz, 26. Aufl., § 12
Rz. 60; s.a. KG, Entsch. v. 12.10.1993 - 6 U 3704/92 - VersR 1994, S. 922).
31
Nach der anderen Auffassung ist einem Kläger, wenn er schon die
Vorschussanforderung abwarten darf, nunmehr auch ein gewisser Zeitraum zur
Bearbeitung der Kostenanforderung zuzubilligen. Ein zögerliches Verhalten, das der
Annahme einer demnächstigen Zustellung entgegenstehen und sich in diesem Sinne
schädlich auswirken kann (,sofern es alsdann eine Dauer von zwei Wochen
überschreitet), ist demzufolge erst nach Ablauf eines "Mindest- Bearbeitungszeitraumes"
anzunehmen, der dem Kläger für die Bewirkung der Einzahlung des Vorschusses
zuzubilligen ist (OLG Köln, Urt. v. 22.12.1999 - 5 U 106/99 - VersR 2000, S. 1485).
32
Dieser letztgenannten Auffassung folgt der Senat. Die Gewährung einer gewissen
Reaktionsfrist, binnen derer sich der Kläger noch nicht dem Vorwurf verzögerlichen
Verhaltens aussetzt, ist die notwendige Folge des Grundsatzes, wonach der Kläger die
Vorschussanforderung abwarten darf. Zu Recht verweist das OLG Köln auf die
Entscheidung des BGH vom 1.12.1993 (a.a.O., NJW 1994, S. 1073, 1074; so wohl auch
BGH, Urt. v. 9.11.1994, a.a.O., VersR 1995, S. 361, 362), in der er ausführt, dass die
Zeit, die eine Partei zur Beantwortung einer Streitwertanfrage "auch bei zügiger
Bearbeitung benötige", (noch) nicht als zuzurechnende schuldhafte Verzögerung
anzusehen sei.
33
b.)
34
Selbst wenn sich damit die Auffassung des Klägers als zutreffend erweist, dass ihm die
Zwei-Wochen-Frist zusätzlich zu einer gewissen "Mindest-Bearbeitungszeit" der
Vorschussanforderung zugute kommen muss, so führt dies im Ergebnis gleichwohl nicht
zur Annahme einer demnächstigen Zustellung im Sinne des § 167 ZPO, denn der
Kläger hat die ihm zuzubilligende Bearbeitungsfrist letztlich um einen ihm als
schuldhafte Verzögerung zuzurechnenden Zeitraum von mehr als zwei Wochen
überschritten.
35
aa.)
36
Der Senat ist der Auffassung, dass dem Kläger für die Überweisung des Vorschusses
lediglich eine Frist bis zum Freitag, dem 03.01.2003, einzuräumen war, binnen derer er
37
sich noch nicht dem Vorwurf auch nur leicht schuldhaften verzögerlichen Verhaltens
aussetzte.
(1)
38
Welche "Mindest-Bearbeitungsfrist" einem Kläger einzuräumen ist, beurteilt sich nach
den Anforderungen, die man an sein Verhalten in dieser Situation stellt. Diese
Anforderungen werden unterschiedlich formuliert: Nach BGH (Urt. v. 1.12.1993, a.a.O.,
NJW 1994, S. 1073) und OLG Köln (a.a.O.) ist ein Kläger lediglich zur "zügigen"
Bearbeitung verpflichtet, wobei ihm das OLG Köln etwa eine Woche nach Zugang der
Zahlungsaufforderung einräumt, um "für die Einzahlung des Vorschusses zu sorgen".
39
Nach anderer Auffassung kommt es darauf an, bis wann eine Partei, die "alles ihr
Zumutbare" für eine alsbaldige Zustellung tut, die Einzahlung bewirkt hätte (so BGH,
Urt. v. 29.6.1993, a.a.O., NJW 1993, S. 1812; Urt. v. 27.5.1999, a.a.O., NJW 1999, S.
3125; OLG Frankfurt, Urt. v. 8.8.2001 - 7 U 74/00 - VersR 2002, S. 599).
40
Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an, wonach der Kläger alles ihm
Zumutbare für eine alsbaldige Zustellung unternehmen muss. Denn wenn er schon die
Frist zur Einreichung der Klage bis zum letzten Tag ausnutzen darf, erfordert es
nunmehr das berechtigte Interessen der Gegenseite an einer alsbaldigen Klärung der
Rechtslage, ihm gesteigerte Bemühungen abzuverlangen, um die Voraussetzungen für
eine alsbaldige Zustellung der Klage zu schaffen (Römer/Langheid, VVG, 3. Aufl., § 12
Rz. 60). Dies gilt erst recht in Anbetracht des Umstandes, dass der Kläger ohnehin noch
eine Frist von 2 Wochen in Anspruch nehmen kann, die nicht zu Rechtsnachteilen führt.
41
(2)
42
Auch angesichts der besonderen Feiertagssituation (Dienstag, 24.12.2002:
Heiligabend; Mittwoch, 25.12.2002: Erster Weihnachtsfeiertag; Donnerstag, 26.12.2002:
Zweiter Weihnachtsfeiertag; Dienstag, 31.12.2002: Silvester; Mittwoch, 01.01.2003:
Neujahr) war dem Kläger anzusinnen, die Überweisung in der Zeit zwischen Montag,
dem 23.12.2002, und Freitag, dem 03.01.2003, zu bewirken. Immerhin standen ihm
dazu wenigstens vier volle Werktage zur Verfügung, an denen auch Banken geöffnet
hatten. Eine zumal mehrtätige Banklaufzeit war bei der Bemessung dieser Frist hier
nicht in Rechnung zu stellen, da der Giroverkehr Möglichkeiten einer Überweisung auch
binnen ein und desselben Tages zulässt und der Prozessbevollmächtigte davon
schließlich auch - indes zu spät - Gebrauch gemacht hat.
43
Was die Bemessung dieser "Mindest-Bearbeitungsfrist" betrifft, so kann sich der Kläger
nicht darauf berufen, das von ihm bzw. von seinem Prozessbevollmächtigten
eingeschlagene Prozedere (schriftliche Aufforderung des Rechtsschutzversicherers zur
Zahlung des Vorschusses auf das Anwaltskonto; Abwarten des Geldeingangs und -
nach Feststellung desselben - Überweisung von dort auf ein Konto der Gerichtskasse)
habe mehr Zeit in Anspruch nehmen dürfen.
44
Schon die Einschaltung des Rechtsschutzversicherers berührt grundsätzlich die an den
Kläger zu stellenden Anforderungen, alles ihm Zumutbare für die alsbaldige Zustellung
der Klage zu tun, nicht (OLG Frankfurt, a.a.O.; BGH, Urt. v. 4.7.1968 - III ZR 17/68 -
VersR 1968, S. 1062). Denn anderenfalls träte eine nicht zu rechtfertigende
Besserstellung der rechtsschutzversicherten Partei ein.
45
Mit dem vom Kläger vorgegebenen Weg einer Überweisung des Vorschusses vom
Rechtsschutzversicherer auf das Konto des Prozessbevollmächtigten und von dort an
die Gerichtskasse wurde überdies eine weitere Verzögerung vorprogrammiert, zu der es
bei einem nicht rechtsschutzversicherten Kläger nicht hätte kommen können. Im
Ergebnis bedeutet dies, dass weder die Postlaufzeit betreffend die
Zahlungsaufforderung an den Rechtsschutzversicherer noch die für den
anschließenden "Überweisungsumweg" erforderliche Zeit im Rahmen der "Mindest-
Bearbeitungszeit" mitzurechnen ist. Damit erweist sich, dass die Auffassung des
Klägers, er habe die Überweisung des Vorschusses ohne den Vorwurf schuldhaft
zögerlichen Verhaltens noch am 09.01.2003 bewirken können, der Grundlage entbehrt.
46
Davon abgesehen hätte der Kläger nach aller Erfahrung den Rechtsschutzversicherer
bei entsprechender Information durchaus zur Überweisung des Vorschusses bis zum
03.01.2003 veranlassen können.
47
bb.)
48
Hätte der Vorschuss bis zum Freitag, dem 03.01.2003, eingezahlt sein müssen, dann
begann am 04.01.2003 die Zwei-Wochen-Frist, binnen derer der Kläger die
Überweisung auch noch hätte bewirken können, ohne den Verlust der Rückwirkung der
Zustellung zu riskieren. Diese Frist hat der Kläger mit der erst am 23.01.2003
vorgenommenen Überweisung jedoch um 6 Tage überschritten.
49
Eine dem Kläger zuzurechnende Verzögerung von somit insgesamt 20 Tagen ist nach
der Rechtsprechung des BGH, der sich der Senat anschließt, indes nicht mehr als
geringfügig anzusehen (s.o.). Veranlassung, im vorliegenden Fall von der klaren,
ständiger Rechtsprechung des BGH entsprechenden Zwei-Wochen-Frist zur
Bestimmung der Geringfügigkeitsgrenze abzuweichen, besteht nicht.
50
4.)
51
Anhaltspunkte dafür, dass die Berufung der Beklagten auf § 12 Abs. 3 VVG in
Anbetracht des Verhaltens des Rechtsschutzversicherers treuwidrig ist, finden sich
nicht. Die Beklagte hat keinen Vertrauenstatbestand dahin gesetzt, dem Kläger ein
etwaiges zögerliches Verhalten des Rechtsschutzversicherers (P) nicht anlasten zu
wollen. Der dominierende Schriftzug "Q" auf den Briefbögen der P genügte dazu nicht.
Er informierte lediglich über eine Geschäftsbeziehung zwischen beiden Gesellschaften,
ohne einen Hinweis darauf zu geben, wie in einem Fall gegenläufiger Interessen beider
Gesellschaften entschieden wird. Schließlich führt auch die Beteiligung der
Muttergesellschaft der Beklagten am Stammkapital der P in einer Größenordnung von
unter 12 % nicht dazu, ein etwaiges zögerliches Verhalten des
Rechtsschutzversicherers nunmehr der Beklagten als gleichsam eigenes Verhalten
zurechnen zu können.
52
5.)
53
Die nicht nachgelassenen Schriftsätze beider Parteien ändern nichts.
54
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
55
Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst (§ 543 Abs. 2 ZPO).
56