Urteil des OLG Hamm vom 19.06.2008
OLG Hamm: bedingte entlassung, pflichtverteidiger, vollstreckungsverfahren, aussetzung, meinung, rücknahme, datum, anhörung
Oberlandesgericht Hamm, 2 Ws 162 u.163/08
Datum:
19.06.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ws 162 u.163/08
Vorinstanz:
Landgericht Bochum, StVK L 272/08
Tenor:
Die Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten (§ 473 Abs. 1 StPO)
zurückgewiesen.
Gründe:
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I.
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Der Verurteilte verbüßt derzeit verschiedene Freiheitsstrafen. Im Verfahren ist zunächst
von der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum mit Beschluss vom 30.
Oktober 2007 die bedingte Entlassung des Verurteilten nach Verbüßung von 2/3 der
erkannten Strafen abgelehnt worden. Inzwischen hat der Verurteilte erneut seine
bedingte Entlassung beantragt. Am 22. April 2008 hat in diesem Verfahren die
mündliche Anhörung des Verurteilten stattgefunden. In diesem Termin hat der
Verurteilte seinen Antrag auf bedingte Entlassung zurückgenommen. Sein Verteidiger
hat im Termin beantragt, als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden. Dies hat die
Strafvollstreckungskammer mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt, weil die
Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO nach Auffassung der
Strafvollstreckungskammer nicht vorgelegen haben. Dagegen richtet sich nunmehr das
Rechtsmittel des Verurteilten, dem die Strafvollstreckungskammer nicht abgeholfen hat.
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II.
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Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg. Die Beschwerde des Verurteilten konnte schon
deshalb keinen Erfolg mehr haben, weil eine Beiordnung des Verteidigers als
Pflichtverteidiger nicht mehr in Betracht kommt. Das Strafvollstreckungsverfahren ist
nach Rücknahme des Antrags auf bedingte Entlassung im Termin vom 22. April 2008
erledigt. Nach allgemeiner Meinung (vgl. Meyer-Goßner, 50. Aufl., 2007, § 141 Am. 8 m.
w. N. aus der Rechtsprechung) kommt eine rückwirkende Bestellung des Rechtsanwalts
als Pflichtverteidiger nicht in Betracht. Inwieweit dem für das Erkenntnisverfahren
zuzustimmen ist, kann dahin stehen. Jedenfalls scheidet nach Überzeugung des Senats
im Strafvollstreckungsverfahren eine rückwirkende Bestellung schon deshalb aus, weil
im Strafvollstreckungsverfahren die Bestellung des Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger
schon nur ausnahmsweise in Betracht kommt. Hinzu kommt, dass der Rechtsanwalt in
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einem neuen Verfahren hinsichtlich der bedingten Entlassung seine Beiordnung erneut
beantragen kann.
Die Strafvollstreckungskammer hat im Übrigen aber auch die Beiordnung von
Rechtsanwalt F als Pflichtverteidiger rechtsfehlerfrei zurückgewiesen. Dazu hat die
Generalstaatsanwaltschaft wie folgt Stellung genommen:
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"Zwar ist in Rechtsprechung und Schrifttum allgemein anerkannt, dass die Vorschrift
des § 140 Abs. 2 StPO, die die Bestellung eines Pflichtverteidigers im
Erkenntnisverfahren regelt, auch im Strafvollstreckungs- bzw. Bewährungsverfahren
entsprechende Anwendung findet (zu vgl. BVerfG, NJW 1992, 2974 (Aussetzung
einer lebenslangen Strafe); 2002, 2773; OLG Hamm, NStZ 1983, 189; NStZ-RR
1999, 319, NStZ-RR 2000, 113, StrafFo 2000, 32; 2001, 394; 2002, 29; OLG
Stuttgart, StV 1993, 378; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 140 Rdnr. 33, 33 a m. w.
N.). Danach muss im Vollstreckungsverfahren in entsprechender Anwendung von §
140 Abs. 2 StPO ein Verteidiger bestellt werden, wenn die Schwierigkeit der Sach-
oder Rechtslage oder die Unfähigkeit des Verurteilten, seine Rechte sachgemäß
wahrzunehmen, dies gebietet. Allerdings müssen die Voraussetzungen des § 140
Abs. 2 StPO im Licht der Besonderheiten des Vollstreckungsverfahrens gesehen
werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. April 2001 in 2 Ws 85/01, vom 04. Februar
2002 in 2 Ws 12/02 und vom 10. Mai 2002 in 2 Ws 99/02). Es ist insoweit nicht auf
die Schwere oder die Schwierigkeit im Erkenntnisverfahren, sondern auf die
Schwere des Vollstreckungsfalles für den Verurteilten oder auf besondere
Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage im Vollstreckungsverfahren abzustellen
(KG, StrafFo 2002, 244; Meyer-Goßner, a.a.O.).
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Die Entscheidung der Frage, ob vorliegend eine Strafaussetzung abzulehnen bzw.
zu gewähren ist, ist weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht schwierig
gelagert. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Verurteilte unfähig wäre, sich
selbst zu verteidigen. Eine abweichende Beurteilung ist auch nicht deshalb
veranlasst, weil er sich bereits seit geraumer Zeit in Strafhaft befindet und die
Bewertung seiner Therapiebemühungen für die Legalprognose von erheblicher
Bedeutung ist."
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Dem tritt der Senat bei.
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