Urteil des OLG Hamm vom 31.07.2002
OLG Hamm: traktor, versicherungsschutz, unfall, graben, haftpflichtversicherung, asphalt, beschädigung, fahrbahn, eisen, versicherungsnehmer
Oberlandesgericht Hamm, 20 U 10/01
Datum:
31.07.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 U 10/01
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 15 O 220/00
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 16. November 2000
verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird mit
der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Beklagte verurteilt bleibt, wegen
des Unfalles vom 07.07.1999 bedingungsgemäßen
Versicherungsschutz bis zu einer Höhe von 15.338,76 € zu gewähren.
Die Kosten der Berufung trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger nimmt den Beklagten aus einer landwirtschaftlichen Versicherung in
Anspruch. Diese deckt als Haftpflichtversicherung auch Gewahrsamsschäden an
fremden Fahrzeugen ab. Versichert sind Schäden bis maximal 30.000,- DM (15.338,76
€); dem Vertrag liegen neben den AHB die Besonderen Bedingungen für die
Haftpflichtversicherung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe zugrunde.
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Der Kläger behauptet, er habe sich am 7.7.1999 den Traktor John Deere, Typ 2650 AS,
seines Schwagers X ausgeliehen. Bei der Fahrt auf einem Wirtschaftsweg habe er ein
Schlagloch überfahren, sich daraufhin umgedreht, sei vom Weg abgekommen und mit
dem Traktor in den Graben gestürzt.
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Unstreitig entstand an dem Traktor Totalschaden; der Wiederbeschaffungswert beträgt
37.500,- DM.
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Der Beklagte hat Versicherungsschutz verweigert. Er hat den Eintritt eines
Versicherungsfalles bestritten und seinerseits behauptet, am Frontlader des Traktors sei
zum Unfallzeitpunkt die Schaufel angebracht gewesen. Diese Ladeschaufel sei nicht
ordnungsgemäß festgestellt gewesen, habe sich gelöst und sei vor den Traktor auf den
Weg gestürzt. Durch die vom Sachbearbeiter des Beklagten, dem Zeugen L, am
23.8.1999 fotographisch festgehaltenen Spuren auf dem Asphalt werde belegt, dass die
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klägerische Schilderung des Geschehens unzutreffend sei. Die von ihm angenommene
Schadensverursachung – so hat der Beklagte gemeint – stelle jedoch kein versichertes
Unfallereignis, sondern einen nicht versicherten Betriebsschaden dar.
Darüber hinaus hat der Beklagte sich auf Obliegenheitsverletzungen im Hinblick darauf
berufen, dass in der Schadensanzeige vom 8.7.1999 die Frage nach der
Verwandtschaft mit dem Geschädigten verneint, und als Unfallort statt des
Wirtschaftsweges eine Kreisstrasse angegeben wurde.
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Durch Urteil vom 16.11.2000 hat das Landgericht nach Beweisaufnahme der Klage
stattgegeben. Zur Begründung hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt, zur
Überzeugung der Kammer habe sich der Unfall so wie vom Kläger geschildert,
zugetragen. Damit bestehe Versicherungsschutz. Obliegenheitsverletzungen des
Klägers seien nicht ersichtlich; die Verwandtschaftsfrage sei im Hinblick auf eine
lediglich bestehende Schwägerschaft zutreffend beantwortet; bei der Angabe
"Kreisstrasse" handle es sich um ein Versehen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird
auf das Urteil vom 16.11.2000 Bezug genommen.
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Mit der Berufung verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter. Er vertritt
weiterhin die Ansicht, es liege lediglich ein Betriebsschaden vor und behauptet dazu
unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages, die Darstellung
des Klägers zum Schadenshergang sei unzutreffend. Wegen der behaupteten
Falschangaben zum Schadenshergang beruft sich der Beklagte ferner auf
Leistungsfreiheit unter dem Gesichtspunkt einer Obliegenheitsverletzung.
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Der Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens sowie
Vernehmung der Zeugen Heinz U, Josef H, X und E. In der mündlichen Verhandlung
vom 31.7.2002 hat der Sachverständige sein Gutachten erläutert; ferner ist der Kläger
persönlich angehört worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der
Anhörung wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen T vom 21.1.2002
sowie auf den Berichterstattervermerk vom 31.7.2002 Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung ist unbegründet.
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Der Beklagte ist gemäß § 1 AHB, Ziffer I, IV Nr. 5 § 1 (2) und § 3 (1) der Besonderen
Bedingungen für die Haftpflichtversicherung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe (im
folgenden BB) verpflichtet, dem Kläger bedingungsgemäßen Versicherungsschutz zu
gewähren.
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I.
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Gemäß Ziffer IV Nr. 5 § 1 (2) der BB besteht Haftpflichtversicherungsschutz für die
Beschädigung von fremden Sachen, so auch für die dort genannten landwirtschaftlichen
Maschinen, die der Versicherungsnehmer entliehen hat. Während des Fahrbetriebes ist
dieser Versicherungsschutz nach Ziffer IV Nr. 5 § 3 (1) der BB beschränkt auf solche
Schäden, die auf ein Unfallereignis zurückzuführen sind.
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1.
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Dass der Kläger sich den beschädigten Traktor von seinem Schwager ausgeliehen hat
und als Fahrer desselben mit diesem am 7.7.1999 verunglückt ist, steht aufgrund der
erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme fest und wird in der Berufungsinstanz
von dem Beklagten auch nicht mehr in Abrede gestellt.
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2.
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Bei dem Schaden vom 7.7.1999 handelt es sich um ein versichertes Unfallereignis im
Sinne der Ziffer IV Nr. 5 § 3 (1) der BB. Dabei kann an dieser Stelle zunächst
dahinstehen, ob von der Darstellung des Schadensherganges durch den Kläger, er sei
über ein Schlagloch gefahren, vom Weg abgekommen und in den Graben gestürzt, oder
derjenigen des Beklagten, die am Traktor angebrachte Ladeschaufel sei nicht
hinreichend gesichert gewesen, habe sich gelöst und dadurch den Sturz des Traktors in
den Graben verursacht, auszugehen ist. Denn auch dann, wenn die Darstellung des
Beklagten zuträfe, läge ein versichertes Unfallereignis im Sinne der Ziffer IV Nr. 5 § 3 (1)
, nicht aber ein gemäß Ziffer IV Nr. 5 § 3 ( 2) der BB vom Versicherungsschutz
ausgeschlossener Betriebsschaden vor.
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Die Regelung der Ziffer IV Nr. 5 § 3 (1) und (2) der BB entspricht derjenigen des § 12 (1)
II e) der AKB. Danach sind Betriebsschäden Schäden, die allein durch
Bedienungsfehler entstanden sind, jedoch nur, soweit diese nicht ihrerseits zu einem
Unfall führen (BGH VersR 69, 940; Senat, VersR 95, 1345). Selbst wenn also vorliegend
die Schaufel am Frontlader des Traktors ungesichert gewesen, aufgrund von
Erschütterungen herabgefallen wäre und dadurch letztlich den Sturz des Traktors in den
Graben verursacht haben sollte, läge allenfalls ein Bedienungsfehler vor, der seinerseits
aber zu einem den Schaden erst verursachenden Unfall geführt hätte. Dass der Traktor
im Sinne eines unmittelbar von außen einwirkenden plötzlichen Ereignisses im
Grabenbereich des Wirtschaftsweges aufgeschlagen und erst dabei beschädigt worden
ist, steht zwischen den Parteien außer Streit und beweist daher einen
entschädigungspflichtigen Unfall selbst.
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II.
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Besteht daher unabhängig von der Darstellung des Schadensherganges
Versicherungsschutz, hätte die Berufung nur dann Erfolg, wenn der Beklagte unter dem
Gesichtspunkt einer Obliegenheitsverletzung des Klägers leistungsfrei geworden wäre.
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Dies ist indessen nicht der Fall.
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1.
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Hinsichtlich der Angaben in der Schadensanzeige vom 8.7.1999 – Verneinung eines
Verwandtschaftsverhältnisses und Bezeichnung der Unfallstelle als Kreisstrasse – wird
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auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen;
entsprechende Obliegenheitsverletzungen werden von dem Beklagten in der
Berufungsinstanz auch nicht mehr gerügt.
2.
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Aber auch der Gesichtspunkt einer falschen Darstellung des Schadensherganges
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führt vorliegend nicht zur Leistungsfreiheit des Beklagten, da nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme bereits der objektive Tatbestand einer derartigen
Obliegenheitsverletzung nicht feststeht.
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Zwar hat der Sachverständige T nachvollziehbar ausgeführt, dass die Auswertung der
Beschädigungen am Traktor sowie der fotografierten Spuren auf dem Asphalt aus
technischer Sicht eine geschlossene Lösung dahingehend ergeben, dass dann, wenn
zum Unfallzeitpunkt am Frontlader eine Ladeschaufel in ungesicherter Position
vorhanden war, diese sich durch Erschütterungen habe lösen können. In diesem Fall
wäre die Vorderachse des Traktors gegen die auf der Fahrbahn liegende Schaufel
geprallt und der Traktor von dem Weg abgekommen. Ein derartiger Geschehensablauf –
so der Sachverständige weiter – lasse sich sowohl mit den Beschädigungen des
Traktors als auch mit dem Spurenbild auf dem Asphalt in Einklang bringen. Auch der
Umstand, dass – wie die Zeugen H und X bekundet haben – die Schaufel nach dem
Unfall vom 7.7.1999 keine Beschädigungen aufgewiesen habe, stehe einem derartigen
Ablauf nicht entgegen, da die Schaufel durch den Aufprall auf der Fahrbahn nicht
großflächig beschädigt worden sein müsste.
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Dass der vorgenannte Schadenshergang der einzig denkbare ist, hat der
Sachverständige T indessen nicht bestätigt. Zwar seien die fotografierten Spuren nach
der Schilderung der Art und Weise der Bergung durch den Zeugen U nicht dem
Bergungsgeschehen zuzuordnen; ebenso gut könne die Beschädigung des Asphaltes
aber auch beispielsweise durch ein auf dem Weg liegendes Stück Eisen verursacht
worden sein.
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Darüber hinaus steht die vom Sachverständigen T geschilderte sogenannte
"geschlossene Lösung" unter der Prämisse, dass das fotografierte Spurenbild
tatsächlich dem Unfallgeschehen vom 7.7.1999 zuzuordnen ist. Diese Feststellung lässt
sich indessen nicht treffen: Das Spurenbild selbst ist vom Zeugen L am 23.8.1999 –
mithin circa sechs Wochen nach dem Unfallgeschehen – dokumentiert worden. Ob das
zu diesem Zeitpunkt vorgefundene Spurenbild allein auf den Unfall vom 7.7.1999
zurückzuführen ist und während des zwischenzeitlich verstrichenen Zeitraumes
unverändert geblieben ist oder ob es vorher schon vorhanden war, ist offen. Der Kläger
hat – zuletzt ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung vom 31.7.2002 – bestritten,
dass die am 23.8.1999 vorgefundenen Spuren zu dem Unfall vom 7.7.1999 gehören.
Zweifel bestehen jedenfalls deshalb, weil der Zeuge U, der die Bergung der Traktorreste
durchgeführt hat, eine Schaufel an der Unfallstelle nicht vorgefunden hat. Ein Beweis
hinsichtlich der Zuordnung des Spurenbildes ist unter diesen Umständen, da lediglich
die zeitlich späteren Fotografien vorliegen, nicht zu erbringen. Dies geht zu Lasten des
für die behauptete Obliegenheitsverletzung beweisbelasteten Beklagten.
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Lässt sich mithin der Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung nicht feststellen, ist dem
Kläger bedingungsgemäßer Versicherungsschutz zu gewähren; die Schadenshöhe
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selbst ist zwischen den Parteien unstreitig.
III.
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Die Berufung war daher mit den Nebenentscheidungen aus §§ 97 I, 708 Nr. 10, 711,
713 ZPO zurückzuweisen.
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Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst; § 543 I ZPO n.F..
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