Urteil des OLG Hamm vom 14.09.2000
OLG Hamm: grobe fahrlässigkeit, besucher, haftpflichtversicherung, haftungsbeschränkung, terrasse, versicherungsnehmer, mietzins, vermieter, mietwohnung, prämie
Oberlandesgericht Hamm, 6 U 87/00
Datum:
14.09.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 87/00
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 2 O 531/99
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 15.3.2000 verkündete Urteil
der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsmittels.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschwer des Beklagten: unter 30.000,00 DM.
Entscheidungsgründe:
1
I.
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Nach einem am 22.04.1998 entdeckten Wasserschaden erbrachte die Klägerin
Versicherungsleistungen an ihren Versicherungsnehmer T, der bei ihr eine
Gebäudeversicherung abgeschlossen hatte, welche auch Leitungswasserrisiken
umfaßte. Sie nimmt aus übergegangenem Recht den Beklagten auf Ersatz der Schäden
in Anspruch mit der Behauptung, er habe den Wasserschaden schuldhaft verursacht.
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Der Beklagte hielt sich am 19.04.1998 als Besucher in der Wohnung des Mieters U im
Erdgeschoß des versicherten Gebäudes auf. Nach einem Waldlauf reinigte er seine
Schuhe auf der zur Mietwohnung gehörenden Terrasse. Dort ist an einer
Außenzapfstelle neben der Terrassentür ein Gartenschlauch angeschlossen.
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Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe nach dem Reinigen seiner Schuhe nicht den
Wasserhahn an der Wand zugesperrt, sondern nur die Spritzdüse an der
Schlauchspitze; die Düse habe sich später aufgrund des Wasserdrucks vom Schlauch
gelöst; infolge dessen sei Wasser ausgetreten, habe sich auf der Terrasse gestaut und
sei von da aus in die Wohnung des Mieters U eingedrungen und dann in die darunter
liegenden Räumlichkeiten im Souterrain.
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Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme der Klage stattgegeben mit der
Begründung, der Beklagte stehe als Schadensverursacher fest; seine Haftung sei nicht
ausgeschlossen aufgrund der vom BGH im Urteil vom 13.12.1995 (NJW 96, 715 = r+s
96, 98 = VersR 96, 320 = BGHZ 131, 288) aufgestellten Grundsätze, wonach in der
mietvertraglichen Verpflichtung des Wohnungsmieters, die anteiligen Kosten der
Gebäudefeuerversicherung des Wohnungseigentümers zu zahlen, die stillschweigende
Beschränkung seiner Haftung für die Verursachung von Brandschäden auf Vorsatz und
grobe Fahrlässigkeit liegt; denn so das Landgericht nach der versicherungsrechtlichen
Rechtsprechung zu Leitungswasserschäden (BGH VersR 91, 462) sei der Mietzins auf
die Deckung der fixen Kosten und der für das Gebäude zu entrichtenden
Versicherungsprämien ausgelegt, so daß aufgrund dessen eine Haftungsbegrenzung
für den Mieter nicht herzuleiten sei.
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Mit der Berufung verfolgt der Beklagte weiterhin sein Ziel der Klageabweisung.
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Er bestreitet, den Wasserhahn an der Terrassenwand, an welchem der Schlauch
angeschlossen war, offengelassen zu haben. Er vertritt die Auffassung, das Schließen
der Düse an der Spitze des Schlauchs sei ausreichend, da moderne
Gartenschlauchsysteme so beschaffen seien, daß sie auch für lange Zeit dem normalen
Leitungswasserdruck standhalten könnten; jedenfalls sei es nicht grob fahrlässig, den
Schlauch nur am Schlauchende mit dem Mundstück zu verschließen. Er weist ferner
darauf hin, daß unstreitig im Vertrag zwischen dem Mieter U und dem
Versicherungsnehmer der Klägerin vereinbart ist, daß die Betriebskosten gemäß der
Anlage 3 zu § 27 der II. Berechnungsverordnung, u.a. die Kosten der Sach- und
Haftpflichtversicherung, vom Mieter zu tragen sind, und leitet daraus her, daß deswegen
die Haftung des Mieters und auch diejenige der Besucher des Mieters, also auch seine
eigene, auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt sei.
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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie hält daran fest, daß der Beklagte
den Schaden verursacht habe, und ist der Auffassung, das sei in grob fahrlässiger
Weise geschehen. Sie ist ferner der Auffassung, daß selbst dann, wenn sich
entsprechend dem o.a. Urteil des BGH vom 13.12.1995 für den Mieter, der die anteiligen
Kosten der Gebäudeversicherung gemäß mietvertraglicher Verpflichtung mitgetragen
habe, auch in der Leitungswasserversicherung eine Haftungsbeschränkung ergebe,
dies doch nicht für die Besucher des Mieters gelten könne.
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Der Senat hat den Beklagten gemäß § 141 ZPO angehört. Wegen des Ergebnisses wird
auf den Berichterstattervermerk Bezug genommen.
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II.
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Die Berufung des Beklagten ist nicht begründet, denn das Landgericht hat der Klage im
Ergebnis zu Recht stattgegeben. Der Beklagte ist gemäß § 823 I BGB i.V. mit § 67 I
VVG der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet.
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1.
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Die von der Klägerin regulierten Wasserschäden im Hause ihres
Versicherungsnehmers T sind darauf zurückzuführen, daß der Beklagte nach der
Benutzung der Außenzapfstelle auf der Terrasse des Mieters U nicht den Wasserhahn
an der Terrassenwand abgesperrt hat, sondern lediglich die Spritzdüse am Ende des
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angeschlossenen Schlauches, und daß diese sich in der Folgezeit aufgrund des
Wasserdrucks möglicherweise in Verbindung mit der Erwärmung durch
Sonneneinstrahlung vom Schlauch gelöst hat. Insoweit wird auf die überzeugende
Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen.
2.
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Dem Beklagten fällt Fahrlässigkeit zur Last, denn er hat nicht die im Verkehr
erforderliche Sorgfalt beachtet, § 276 I 2 BGB. Entgegen dem Berufungsvorbringen
bieten Plastikschlauchkupplungen an Gartenschläuchen bei weitem nicht die gleiche
Sicherheit wie ein fester Wasserhahn am Rohrnetz. Das Herstellerunternehmen hat in
der von der Beklagten vorgelegten Auskunft vom 08.09.2000 dazu selbst ausgeführt,
daß die Verbindungen beim Einsatz bestimmten Zug- und Biegekräften unterliegen, und
daß sie der Witterung wie z.B. hohen Temperaturen ausgesetzt sind. Weil die
Haltekräfte der Kupplungen zudem abhängig von der Qualität des Schlauches sind
sowie von der Kraft, mit welcher die Klemmuttern vom Anwender angezogen werden,
verbietet sich eine dauerhafte Druckbeaufschlagung von Schläuchen mit derartigen
Schlauchkupplungen insbesondere bei Abwesenheit des Anwenders.
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Ob der Beklagte darüber hinaus i.S. § 61 VVG grob fahrlässig gehandelt hat, wie es in
der Rechtsprechung verschiedentlich angenommen worden ist bei fehlender
Absperrung von Zulaufschläuchen von Spül- oder Waschmaschinen ohne Wasserstopp
(vgl. OLG Oldenburg VersR 96, 1492; OLG Karlsruhe, VersR 92, 114; OLG Düsseldorf,
VersR 89, 697), bedarf nicht der Entscheidung.
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3.
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Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, er sei von der Haftung freigestellt, weil wie
unstreitig ist im Mietvertrag zwischen seinem Gastgeber, dem Mieter U, und dem
Versicherungsnehmer der Klägerin vereinbart ist, daß der Mieter neben der Miete u.a.
auch die Kosten der Sach- und Haftpflichtversicherung zu tragen hat.
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Allerdings ist es in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 13.12.1995
VIII ZR 41/95 VersR 96, 320 = NJW 96, 715 = r+s 96, 98 = BGHZ 131, 288) anerkannt,
daß in der mietvertraglichen Verpflichtung des Wohnungsmieters, die (anteiligen)
Kosten der Gebäudefeuerversicherung des Wohnungseigentümers zu zahlen, die
stillschweigende Beschränkung seiner Haftung für die Verursachung von Brandschäden
auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit liegt. Diese Entscheidung ist in der Literatur heftig
und kontrovers diskutiert worden (vgl. u.a. Prölss, r+s 97, 221; Finzel/Boin, r+s 97, 177;
Schwarzer, r+s 96, 86; Boin VersR 97, 671; Armbrüster, NJW 97, 177; ders., r+s 98, 221;
Ihne, r+s 99, 89; Huber, VersR 98, 265). Der 30. Zivilsenat des OLG Hamm hat sich der
Auffassung des BGH angeschlossen in einem Fall, der einen
Feuerversicherungsschaden betraf (r+s 98, 514), und auch nach Auffassung des
erkennenden Senats spricht vieles dafür, diese Grundsätze nicht nur bei
Feuerversicherungsschäden anzuwenden, sondern auch bei
Leitungswasserversicherungsschäden der vorliegenden Art.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Landgericht herangezogenen
Entscheidung des BGH vom 23.01.1999 IV ZR 284/89 VersR 91, 462 = ZMR 91, 168).
Ihr ist lediglich zu entnehmen, daß der Mieter als Schädiger nicht schon dann in den
Genuß der Haftungsbeschränkung kommt, wenn die Prämie allgemein in den Mietzins
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einkalkuliert ist. Darum geht es hier aber nicht. Vielmehr hat hier der Mieter ausdrücklich
neben der Grundmiete die anteilige Gebäudeversicherungsprämie übernommen.
Insoweit war die Frage nach der Haftungsfreistellung des Mieters vom IV. Senat des
BGH im Urteil vom 23.01.1991 ausdrücklich offengelassen worden; sie ist erst vom VIII.
Senat des BGH im Urteil vom 13.12.1995 zugunsten des Mieters entschieden worden.
4.
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Eine derartige Haftungsbefreiung, die grundsätzlich nicht nur dem Mieter, sondern auch
solchen Personen zugute kommen kann, die ihm nahe stehen, geht im vorliegenden
Fall aber nicht so weit, daß sie auch zugunsten des Beklagten wirken würde.
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Die Gedanken, die den BGH veranlaßt haben, demjenigen Mieter eine
Haftungsbeschränkung zugute kommen zu lassen, welcher sich aufgrund
ausdrücklicher Vereinbarung mit dem vermietenden Eigentümer an den Kosten der von
diesem abgeschlossenen Sachversicherung zu beteiligen hat, beruhen auf einer
Fortentwicklung der Grundsätze, die der BGH bereits im Urteil vom 29.10.1956 (BGHZ
22, 109 = VersR 56, 725) aufgestellt hat. Bereits dort ist in einem Fall, der eine
Kaskoversicherung betraf, hervorgekehrt worden, daß unter Umständen eine derartige
Haftpflichtversicherung sich auch zugunsten solcher Personen auswirken kann, die dem
Mieter nahe stehen. Daran ist in der Rechtsprechung in der Folgezeit festgehalten
worden. Daraus ergeben sich aber gleichzeitig auch die Kriterien für die Begrenzung
dieses Personenkreises. Geschützt sind nur solche dem Mieter nahe stehenden
Personen, die nach der übereinstimmenden Vorstellung der Mietvertragsparteien mit der
Mietsache in Berührung kommen sollten, und bei denen der Vermieter davon ausgehen
mußte, daß der Mieter ihnen ebenfalls den Schutz der
Haftungsfreistellungsvereinbarung zugute kommen lassen wollte. Das betrifft bei einer
Mietwohnung vor allem die Mitbewohner, in erster Linie also die Angehörigen, ferner
solche Personen, bei denen nach ihrer Inanspruchnahme durch den Vermieter oder
seinen Sachversicherer ein Rückgriffs- oder Freistellungsanspruch gegen den Mieter in
Betracht kommt, etwa aus arbeitsrechtlichen oder ähnlichen Gesichtspunkten.
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Von einem schützenswerten Interesse des Mieters U an einer Einbeziehung des
Beklagten in die Schutzwirkung der Haftungsfreistellung kann im vorliegenden Fall nicht
die Rede sein. Es handelt sich bei dem Beklagten lediglich um einen Besucher des
Mieters U. Anhaltspunkte dafür, daß U ihm in besonderer Weise Schutz und Fürsorge
schuldete, oder daß der Beklagte gegen U aus welchen Gründen auch immer einen
Freistellungs- oder Rückgriffsanspruch haben könnte, bestehen nicht. Vielmehr muß auf
der anderen Seite berücksichtigt werden, daß der Beklagte selbst
privathaftpflichtversichert ist, so daß bei Abschluß des Mietvertrages das Interesse
beider Mietvertragsparteien eher dahin ging, nicht nur auf den Gebäudeversicherer
zugreifen zu können, sondern auch auf den haftpflichtversicherten Schädiger (zu diesem
Gesichtspunkt vgl. Prölss, r+s 97, 221, 224).
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5.
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Die Schadenshöhe ist in dieser Instanz nicht mehr im Streit. Die prozessualen
Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 I, 708 Nr. 10, 713, 546 ZPO.
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