Urteil des OLG Hamm vom 02.11.2010
OLG Hamm (stpo, anordnung, blutentnahme, einwilligung, blutprobe, erklärung, polizei, tragweite, verletzung, trunkenheit)
Oberlandesgericht Hamm, III-3 RVs 93/10
Datum:
02.11.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
3. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
III-3 RVs 93/10
Vorinstanz:
Amtsgericht Detmold, 2 Ds 37 Js 296/10 – 330/10
Schlagworte:
Einwilligung Blutentnahme Richtervorbehalt Trunkenheit im
Straßenverkehr
Normen:
StPO § 81 a Abs. 2
Leitsätze:
1. Willigt der Beschuldigte in die Blutentnahme ein, bedarf es keiner
Anordnung nach § 81 a Abs. 2 StPO (durch den Richter).
2. Zum Inhalt einer solchen Einwilligungserklärung des Beschuldigten.
3. Bei einem BAK von 1,23 Promille ist ohne Hinzutreten deutlicher
Ausfallerscheinungen von der Einwilligungsfähigkeit des Beschuldigten
auszugehen.
Tenor:
Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten (§ 473 Abs. 1 StPO) als
unbe-gründet verworfen.
G r ü n d e :
1
I.
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Das Amtsgericht Detmold hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im
Straßenverkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen in Höhe von jeweils 20,- €
verurteilt. Weiter hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein
eingezogen und eine Sperrfrist von noch sechs Monaten für die Neuerteilung einer
Fahrerlaubnis verhängt.
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Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils befuhr der Angeklagte am
13.01.2010 gegen 18.35 Uhr mit einem PKW Opel Kadett E mit dem Kennzeichen ####
in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand u.a. die M-Straße. Zuvor hatte er eine
Tankstelle an dieser Straße aufgesucht und dort eine Flasche Bier getrunken. Als er
dann trotz seines schwankenden Ganges seinen PKW bestieg und damit davonfuhr,
wurde die Polizei informiert, die ihn kurz darauf anhielt. Die dem Angeklagten um 13.20
Uhr (hierbei handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler des
amtsgerichtlichen Urteils) entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration
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von 1,23 Promille. Bei Aufwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte der Angeklagte – so
das Amtsgericht im Rahmen der rechtlichen Bewertung des Tatgeschehens – zumindest
erkennen können, dass er fahruntauglich war.
Die Blutentnahme war nicht gemäß § 81 a Abs. 2 StPO von einem Richter angeordnet
worden. Die einschreitenden Polizeibeamten hatten vielmehr von der Einholung einer
richterlichen Anordnung abgesehen, nachdem der Angeklagte folgende Erklärung
unterschrieben hatte:
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"1. Erklärung
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Ich wurde darüber aufgeklärt, warum mir ein/zwei Blutprobe(n) entnommen werden
soll(en). Mir wurde erläutert, dass ohne meine Einwilligung die Anordnung der
Blutprobe(n) grundsätzlich durch einen Richter erfolgen muss, dieses aber in den
Fällen, wo ein Richter nicht rechtzeitig erreicht werden kann, auch durch die
Staatsanwaltschaft oder einen Polizeivollzugsbeamten erteilt werden darf.
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(x) Ich bin mit einer/zwei Blutentnahme(n) einverstanden."
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Diese Erklärung schließt mit der Unterschrift des Angeklagten.
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In einer weiteren mit "Dokumentation der Polizei" überschriebenen und von dem
einschreitenden Polizeibeamten unterzeichneten Erklärung heißt es wie folgt:
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"Die Einwilligung wurde erteilt; es bestehen keine Bedenken im Hinblick auf die
Einwilligungsfähigkeit des Beschuldigten/Betroffenen."
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Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Revision erhebt der
Angeklagte die allgemeine Sachrüge und mehrere Verfahrensrügen. So rügt der
Angeklagte die Unvollständigkeit des Protokolls der Hauptverhandlung als Verstoß
gegen § 274 StPO. Zur Begründung führt er aus, der Verteidiger habe noch vor
Verlesung des Blutalkoholgutachtens Widerspruch gegen die Verwertung des
Gutachtens erhoben, der sich im Protokoll nicht hinreichend wiederfinde. Weiter wird die
"Verletzung des § 81 a StPO" gerügt. Es werde in Abrede gestellt, dass der Angeklagte
angesichts seiner Alkoholsierung die Belehrungen der Polizeibeamten bezüglich der
Frage, ob der Angeklagte bereit sei, einer Blutentnahme zuzustimmen, überhaupt
verstanden habe. Der Angeklagte habe nämlich laut medizinischem Bericht "deutlich
unter Alkoholeinfluss" gestanden.
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Darüber hinaus sei die dem Angeklagten vorgelegte Einwilligungserklärung
widersprüchlich. Dementsprechend habe der Angeklagte die Einwilligungserklärung
auch nur in dem Glauben unterzeichnet, dass der richterliche Eildienst nicht rechtzeitig
zu erreichen war und – so die Revision – "um Zeit zu sparen".
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II.
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Die zulässige Revision des Angeklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Sie ist
offensichtlich unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO. Anlass zu näheren Ausführungen
gibt nur Folgendes:
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Die Rüge der Verletzung des § 81 a Abs. 2 StPO hat keinen Erfolg. Der Angeklagte hat
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wirksam in die Entnahme der Blutprobe eingewilligt. Einer Anordnung nach
§ 81 a Abs. 2 StPO bedurfte es in diesem Fall für die Durchführung der Blutprobe nicht.
Deshalb ist es hier bedeutungslos, dass die Polizeibeamten nicht versucht haben, eine
richterliche Anordnung für die Blutprobenentnahme zu erwirken.
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Für die Anordnung der Entnahme einer Blutprobe durch den Richter gemäß § 81 a Abs.
2 StPO ist gemäß § 81 a Abs. 1 StPO überhaupt nur dann Raum, wenn der körperliche
Eingriff ohne Einwilligung des Beschuldigten durchgeführt werden soll. Willigt der
Beschuldigte dagegen in die Blutentnahme ein, so bedarf es keiner Anordnung nach §
81 a Abs. 2 StPO (Senat, NZV 2009, 90, 91; OLG Hamburg, NJW 2008, 2597, 2598;
Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 81 a Rdnr. 3 m.w.N.).
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Der Beschuldigte muss die Sachlage und sein Weigerungsrecht kennen und muss die
Einwilligung ausdrücklich und eindeutig und aus freiem Entschluss erklären (Meyer-
Goßner, a.a.O., § 81 a Rdnr. 4 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der
Angeklagte hat nach entsprechender Belehrung durch die Polizei eine eindeutige
Einverständniserklärung ausdrücklich und aus freiem Entschluss abgegeben. Die
Ansicht der Revision, dass die der Einverständniserklärung vorangegangene schriftliche
Belehrung des Angeklagten missverständlich sei, kann der Senat nicht teilen. Aus der
Belehrung ergibt sich eindeutig, dass die Anordnung der Blutentnahme überhaupt nur
dann in Betracht kommt, wenn der Beschuldigte nicht von vornherein in die
Durchführung der Blutprobe einwilligt.
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Allerdings muss der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Abgabe der Einwilligung in die
Blutentnahme genügend verstandesreif sein, um die Tragweite seiner
Einwilligungserklärung zu erkennen (Senat, a.a.O., S. 91; OLG Hamm, 2 Ss 117/09 vom
28.04.2009, beckRS 2009, 21051; Heinrich, NZV 2010, 278, 279, je m.w.N.).
Erforderlich ist, dass der Betroffene nach seiner Verstandesreife den Sinn und die
Tragweite der Einwilligung erkennt (OLG Hamm, 2 Ss 117/09 vom 28.04.2009,
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beckRS 2009, 21051; LG Saarbrücken, Beschluss vom 13.11.2008 – 2 Qs 53/08,
beckRS 2008, 23730). Zwar kann die Einwilligungsfähigkeit eines Beschuldigten
aufgrund der Stärke des Alkoholeinflusses im Einzelfall zweifelhaft sein. Hierfür genügt
aber nicht bereits jede alkoholische Beeinflussung (LG Saarbrücken, a.a.O., m.w.N.).
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Der Angeklagte war hier mit 1,23 Promille Blutalkohol nur mittelmäßig alkoholisiert. Die
Grenze, bei der deutliche Beeinträchtigungen in der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit
angenommen werden, liegt bei etwa 2 Promille Blutalkohol. Von diesem Wert war der
Angeklagte sehr weit entfernt. Er zeigte zwar Ausfallerscheinungen, insbesondere den
vom Amtsgericht festgestellten schwankenden Gang, war aber durchaus in der Lage, mit
seinem PKW unfallfrei zumindest noch für einen kurzen Zeitraum am öffentlichen
Straßenverkehr teilzunehmen. Soweit die Revision auf den ärztlichen Befundbericht
verweist, nach dem der Angeklagte nach außen hin deutlich unter Alkoholeinfluss
gestanden haben soll, ist dieser Vortrag urteilsfremd. Insgesamt ergeben sich keine
genügenden greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte trotz der im Hinblick
auf eine Beeinträchtigung seiner kognitiven Fähigkeiten eher geringgradigen
Alkoholisierung nicht in der Lage gewesen sein sollte, die Belehrung zu verstehen und
die Tragweite seiner Einwilligung zu erkennen, zumal es sich um einen völlig einfach
gelagerten Sachverhalt gehandelt hat.
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