Urteil des OLG Hamm vom 30.03.2007
OLG Hamm: gesellschafter, ohg, komplementär, inventar, handelsregister, staub, kino, verwalter, prozessführungsbefugnis, mietvertrag
Oberlandesgericht Hamm, 30 U 13/06
Datum:
30.03.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
30. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
30 U 13/06
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 16 O 259/04
Tenor:
Die Berufung des Beklagten zu 1) gegen das am 23. November 2005
verkündete Teil-Urteil des Einzelrichters der 16. Zivilkammer des
Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Der Beklagte zu 1) trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Der
Streithelfer trägt seine Auslagen selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte zu 1) darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn
nicht der Kläger zuvor in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
1
I.
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Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der P GmbH & Co. KG. Er macht,
soweit die Klage in der Berufungsinstanz anhängig ist, Ansprüche einer
Insolvenzgläubigerin (N KG) aus dem Mietverhältnis über ein Multiplex-Kino ("L" in E)
gegen den Beklagten zu 1) persönlich als ehemaligen Gesellschafter der
Insolvenzschuldnerin geltend.
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Der Beklagte zu 1) und seine Mutter, die Beklagte zu 2), waren an einer Vielzahl von
Unternehmen beteiligt, die herkömmliche Filmtheater und sog. Multiplex-Kinos
betrieben. Mitte 1998 gehörten zur P/S-Gruppe über 40 Gesellschaften, die mit dem
Betrieb der Kinos, der Kinowerbung und der Verwaltung des Immobilienbesitzes befasst
waren. Die Unternehmensgruppe sollte zu diesem Zeitpunkt schrittweise neu strukturiert
werden. Ziel der Umgestaltung war neben der Vereinfachung der
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gesellschaftsrechtlichen Struktur die Trennung des Immobilienbesitzes von den
Bereichen Kinobetrieb und Kinowerbung, für die über Investoren neues Kapital
gewonnen werden sollte.
Nach einer Eingangsbesprechung mit dem Finanzamt X vom 10.09.1998 beantragten
die Streithelfer zu 1) (Wirtschaftsprüfer und Steuerberater I pp.) unter dem 11.09.1998
eine verbindliche steuerliche Auskunft des Finanzamtes zu der geplanten Neuordnung.
Danach sollten die Bereiche Kinobetrieb und Kinowerbung unter dem Dach einer
einzigen Gesellschaft zusammengefasst werden, die Kooperationspartner aufnimmt und
mittelfristig an der Börse eingeführt werden könnte. In einem ersten Schritt sollte dazu
eine OHG gegründet werden, auf die alles, was zum Betrieb der beiden vorgenannten
Kernbereiche notwendig ist (Kino-Mietverträge; Kino-Betriebsrechte; Verträge über
Kino-Werbung; kinotechnische Einrichtungen), teils durch Veräußerung und teils durch
Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten übertragen werden sollte.
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Mit Gesellschaftsvertrag vom 18.09.1998 (Anl. K 6) gründeten der Beklagte zu 1) und die
P2 AG, vertreten durch deren alleinvertretungsberechtigten Vorstand Dr. I2, die P3 OHG
(im Folgenden: P3 OHG). An dem Ergebnis und Vermögen der OHG waren der
Beklagte zu 1) mit 60 % und die P2 AG mit 40 % beteiligt. Die Gesellschaft wurde,
nachdem ein entsprechender Antrag bereits am 10.09.1998 beurkundet worden war
(Anl. K 3), am 14.10.1998 im Handelsregister des Amtsgerichts Warendorf (HRA ####)
eingetragen (Anl. K 4).
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Am 30.09.1998 schlossen der Beklagte zu 1), die P2 AG, deren Vorstand Dr. I2 sowie
die als Kooperationspartner gewonnenen Investorengruppen ("B"; "B2"; "Q") vor dem
Notar Dr. H aus C einen Beteiligungsvertrag, der die Verpflichtung der P und anderer
Gesellschaften der P/S-Gruppe zur Einbringung von rechtlich unselbständigen Kinos,
Beteiligungen an Kinobetriebsgesellschaften und Beteiligungen an
Werbegesellschaften per 01.01.1999 in die P3 OHG sowie die nachfolgende
Einbringung der OHG-Anteile zum 01.02.1999 in die P GmbH gegen Gewährung von
GmbH-Anteilen regelt. Dazu sollten die Kinobetriebe schrittweise auf die P GmbH
(Investoren-Holding mit 75 % Beteiligung S-Gruppe) übertragen werden. In einem ersten
Schritt sollte die B GmbH, die später als P4 GmbH firmierte, in die OHG eintreten und
deren Geschäfte führen. In Ziffer 4 ("Beteiligung der P GmbH an der P3 OHG") heißt es:
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"Nach Beitritt der B GmbH wird die P3 OHG bis zum 01.01.1999 in eine
Kommanditgesellschaft umgewandelt, deren alleiniger Komplementär die B
GmbH ist."
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In einem Schreiben des Zeugen Dr. S2 vom 14.10.1998 an Rechtsanwalt Dr. S3, der die
Investorenseite vertrat, heißt es u.a., dass ein neuer Gesellschaftsvertrag für die P3
OHG derzeit verzichtbar erscheine. Die Umwandlung der OHG in eine GmbH & Co.
unter Beitritt der B GmbH könne nach Paraphierung des Einbringungsvertrages
vollzogen werden. In diesem Zusammenhang sollten dann auch modifizierte
Gesellschaftsverträge der KG und der Komplementär-GmbH beschlossen werden.
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Mit notariellem Vertrag vom 28.10.1998 (Urk.-Nr. ####/98 des Notars M in E2) verkaufte
die P2 AG das mit einem nahezu vollständig fertiggestellten Multiplex-Kino mit 8 Sälen
und 2.600 Sitzplätzen bebaute Grundstück Q.-Str. in E im sog. "sale and lease back"-
Verfahren zum Kaufpreis von 48,6 Mio. € an die "N-Fonds Nr. ## Objekt E, N KG" (im
Folgenden: N KG). In der Vorbemerkung zum Kaufvertrag ist aufgeführt, dass die P3
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OHG zum 01.01.1999 den Betrieb aller P-Kinos übernehmen werde und die
Gesellschafter ihre Anteile voraussichtlich zum 01.02.1999 auf die neu zu gründende P2
GmbH übertragen würden. Später würden GmbH und OHG "verschmolzen", um damit
den Börsengang zu ermöglichen. Fälligkeitsvoraussetzung für die Zahlung des
Kaufpreises ist nach 3.5.82 des Vertrages u.a., dass die P2 GmbH alle Anteile an der P3
OHG, die in einem möglichen Zwischenschritt noch in eine KG umgewandelt werde,
übernommen hat und daneben nur noch eine Geschäftsführungs-GmbH beteiligt ist und
dass die P2 GmbH dem Generalmietvertrag zwischen der P3 OHG und der N KG
beigetreten ist. Beides ist durch Testat eines Wirtschaftprüfers oder Rechtsanwalts
nachzuweisen.
Mit Generalmietvertrag vom gleichen Tage vermietete die N KG das Multiplex-Kino für
20 Jahre mit zweimaliger Option für jeweils weitere 5 Jahre zu einem monatlichen
Mietzins in Höhe von 248.495,83 DM zzgl. Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von
5.000,- DM und USt. an die P3 OHG.
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In einem Fonds-Prospekt der H2 AG, die Initiatorin des N Fonds Nr. ## war und den
Vertrieb des Fonds übernommen hatte, heißt es zum streitgegenständlichen Objekt in E:
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"Alleinige Gesellschafter der im September 1998 gegründeten P3 oHG sind derzeit
Herr S sowie die P2 AG. Bei der P3 oHG, die derzeit noch keine Geschäftstätigkeit
ausübt, soll ab dem 01.01.1999 das gesamte Kino- und Kinowerbegeschäft der
P/S-Gruppe konzentriert werden. Es ist außerdem geplant, die P3 oHG bis zum
31.12.1998 in eine GmbH und Co. KG umzuwandeln."
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Mit Gesellschafterbeschluss vom 27.11.1998 erhöhte die P3 OHG unter Bezugnahme
auf die im Beteiligungsvertrag vom 30.09.1998 übernommenen Verpflichtungen ihr
Festkapital auf 15 Mio. DM. Die Kapitalerhöhung sollte zum Einen durch Abtretung von
Gesellschaftsanteilen an Kinobetriebs- und Kinowerbegesellschaften der P-
Unternehmensgruppe und zum Anderen durch den Erwerb von Wirtschaftsgütern
(kinotechnische Einrichtung) im Umfang von 60 Mio. DM erfolgen. Zur Kapitalerhöhung
zugelassen wurden die P2 AG mit einem Nennwert von ca. 6,9 Mio. DM, der Beklagte
zu 1) (3,7 Mio. DM), die Beklagte zu 3) (670.442 DM), die Beklagte zu 4) (2,3 Mio. DM)
sowie 4 weitere Gesellschaften aus der P/S-Gruppe.
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Am 04.12.1998 vollzog die P3 OHG die Einbringung der vorgenannten Sacheinlagen
durch notariellen Einbringungs- und Übertragungsvertrag (####/154 Notar Dr. H, C) mit
den Beklagten zu 1), 3) und 4) sowie den weiteren zur Kapitalerhöhung zugelassenen
Gesellschaften der P/S-Gruppe. Nach der Präambel des 59seitigen Vertrages soll die
Übertragung der Gesellschaftsanteile sowie der Kinobetriebe jeweils gegen die
Gewährung neuer Gesellschaftsrechte an der P3 OHG erfolgen. Nach Abschluss des
Vertrages sei geplant, die P3 OHG in eine GmbH & Co. KG umzuwandeln.
Dementsprechend war für die einzelnen eintretenden Gesellschaften die Übertragung
der Kinobetriebe auf die OHG gegen die Gewährung neuer Gesellschaftsrechte mit
Wirkung zum 31.12.1998; 23:59 Uhr geregelt. Für die eingebrachten Sacheinlagen
sollten gem. § 50 des Vertrages u.a. Anteile der P2 AG zum Nennbetrag von ca. 6,9 Mio.
DM, des Beklagten zu 1) zum Nennbetrag von ca. 3,7 Mio. DM, der Beklagten zu 3) zum
Nennbetrag von 670.422 DM und der Beklagten zu 4) zum Nennbetrag von ca. 2,3 Mio.
DM am erhöhten Festkapital der P3 OHG bestehen.
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Mit einer auf den 14.12.1998 datierten Urkunde, von der der Kläger bestreitet, dass es
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ein Original zu der vorgelegten Kopie (Anl. K 8) gebe, vereinbarten der Beklagte zu 1),
die P2 AG und die B mbH, die später als P4 mbH firmierte, den Eintritt der B GmbH als
persönlich haftende Gesellschafterin mit Wirkung zum 15.12.1998. Gleichzeitig
scheiden der Beklagte zu 1) und die P2 AG danach als persönlich haftende
Gesellschafter aus und treten der Gesellschaft als Komanditisten mit einem Anteil von
600,- DM bzw. 400 DM bei. Die Firma der Gesellschaft laute jetzt "P GmbH & Co. KG".
Die vorgenannten Änderungen sind auch in einer auf den 10.12.1998 datierten
Handelsregisteranmeldung durch den Notar Dr. H3 aus E2, enthalten. Der Wechsel des
Beklagten zu 1) in die Kommanditistenstellung sowie die weiteren vorgenannten
Änderungen sind am 04.03.1999 in das Handelsregister bei dem Amtsgericht Warendorf
eingetragen worden.
In einer weiteren, auf den 21.12.1998 datierten Anmeldung zum Handelsregister des
Amtsgerichts Warendorf, deren Eingangszeitpunkt wiederum streitig ist, werden die
durch den Einbringungs- und Beteiligungsvertrag vorgenommenen Kapitalerhöhungen
sowie der Eintritt der Beklagten zu 3) und 4) und der weiteren Gesellschaften der P/S-
Gruppe als Kommanditisten mitgeteilt. Die Anmeldung wurde dem Amtsgericht
Warendorf mit Schreiben vom 23.12.1998 durch den Notar L2 aus X übersandt. Es trägt
den Eingangsstempel "28.12.1998". Der Notar teilt darin mit, dass die noch fehlenden
Unterschriftsbeglaubigungen hinsichtlich der weiteren Kommanditisten noch von
anderen Notaren gefertigt und direkt zum Handelsregister eingereicht würden. Die
Beklagten zu 3) und 4) sind nie als Kommanditisten in das Handelsregister eingetragen
worden.
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Die P2 AG teilte, auch im Namen der weiteren P-Gesellschaften, zumindest einem Teil
der Geschäftspartner mit Schreiben vom 21.12.1998 (Anl. B 26) mit, dass ihr neuer
Vertragspartner für Leistungen und Lieferungen ab dem 01.01.1999 die P GmbH & Co.
KG sei. Sofern sie keine andere Nachricht erhalte, gehe sie vom Einverständnis der
Lieferanten damit aus, dass die P GmbH & Co. KG ab dem 01.01.1999 in die
bestehenden Verträge eintrete. Die formale Änderung habe weder hinsichtlich der
Leistungen noch hinsichtlich der Ansprechpartner auf P-Seite Auswirkungen.
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Am 18.01.1999 erklärte die P2 GmbH der Vermieterin gegenüber ihren Beitritt zum
Generalmietvertrag.
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Alleinige Gesellschafter der zwischenzeitlich aus der "I3" hervorgegangenen und in "P5
GmbH" umfirmierten Gesellschaft, auf die die Kinobetriebe letztlich übertragen werden
sollten, waren zu diesem Zeitpunkt die Investorengesellschaften (B; B2; Q), die P2 AG
und der Beklagte zu 1). Diese beschlossen am 25.02.1999 eine Kapitalerhöhung auf
über 10 Mio. DM, die durch Sacheinlagen geleistet werden sollte. Zu diesem Zweck
sollten die Investoren Stammeinlagen in bar leisten, der Beklagte zu 1) und die P2 AG
sollten demgegenüber im Wesentlichen ihre Kommanditanteile an der P GmbH & Co.
KG auf die Gesellschaft (P5 GmbH) übertragen. Zu den von der P2 AG einzubringenden
Kommanditanteilen gehörten auch die von den Beklagten zu 3) und 4) sowie den
weiteren Gesellschaften der P/S-Gruppe gehaltenen Anteile, so dass im Ergebnis 100
% der Kommanditanteile der P GmbH und Co. KG auf die P5 GmbH, die seitdem
einzige Komanditstin war, übertragen wurden.
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Die P GmbH & Co KG verlegte ihren Sitz im März 1999 nach I4 (HRA #### AG
Hamburg). Am 02.09.1999 wurde das Ausscheiden des Beklagten zu 1) und der P2 AG
aus der P GmbH & Co. KG in das Handelsregister eingetragen.
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Von August 2001 an minderte die P GmbH & Co. KG die Miete für das Multiplex-Kino
"L" in E unter Berufung auf diverse Mängel um monatlich 29.446,51 €. Mit Urteil des
Landgerichts Dresden (14 O 3561/01) vom 30.08.2002 wurde sie gesamtschuldnerisch
mit der P2 GmbH zur Zahlung der rückständigen Miete für den Zeitraum von August
2001 bis Februar 2002 in Höhe von insgesamt 206.335,56 € verurteilt. Die Berufung der
Schuldnerin ist nach Insolvenzeröffnung durch Urteil des OLG Dresden vom 29.06.2004
mit der Maßgabe zurückgewiesen worden, dass die titulierte Forderung der dortigen
Klägerin (N KG) in Höhe des Ausfalls zur Insolvenztabelle festgestellt wird. Die weiteren
Rückstände für März bis September 2002 wurden mit rechtskräftigem
Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hagen vom 15.11.2002 tituliert. Darauf zahlte
die P2 GmbH in der Zwangsvollstreckung 65.000,- €. Für Oktober 2002 zahlte die P
GmbH & Co. KG den Mietzins in Höhe von 153.313,51 € nicht.
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Mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 27.12.2002 wurde das
Insolvenzverfahren über das Vermögen der P GmbH & Co. KG eröffnet und der Kläger
zum Insolvenzverwalter bestellt (67g IN 419/02). Die Fa. S2 GmbH bewertete das
bewegliche Anlagevermögen in Bezug auf den L E als Subunternehmer der vom
Insolvenzverwalter beauftragten Fa. J GmbH mit Gutachten vom 17.01.2003 mit einem
Wiederbeschaffungswert von insgesamt 1,8 Mio. €. In einem weiteren Gutachten der Fa.
J GmbH zur Bewertung des beweglichen Anlagevermögens werden für das Kino
Liquidationswerte in Höhe von insgesamt 89.975,- € zzgl. USt. festgestellt.
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In Bezug auf die Komplementär-GmbH der Schuldnerin, die P4-GmbH, lehnte das
Amtsgericht Hamburg die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit Beschluss vom
21.02.2003 mangels Masse ab. Am 13.11.2003 wurde die Löschung der P4-GmbH im
Handelsregister eingetragen.
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In der Folgezeit wurden die Kinos der P/S-Gruppe zunächst durch die "L3"-Gruppe
fortgeführt. In einer Abwicklungsvereinbarung vom 24.06.2003 trat der Beklagte zu 1)
mögliche Schadensersatzansprüche gegen seine Berater, die Streitverkündeten, an den
Kläger ab.
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Die N KG meldete am 14.03.2003 folgende Forderungen zur Insolventtabelle an:
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restliche Miete Urteil LG Dresden (08/01 bis 02/02) 206.355,56 €
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restliche Miete Vollstreckungsbescheid AG Hagen
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(03/02 bis 09/92) 141.335,57 €
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vollständige Miete Oktober 2002 153.313,51 €
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Kosten 15.552,75 €
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Zinsen bis Verfahrenseröffnung (27.12.02) 33.639,70 €
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550.177,10 €
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Im April 2004 erklärte der Kläger die Kündigung des Mietvertrages hinsichtlich des L E
zum 30.09.2004. In der Folgezeit sprach er Kündigungen gegenüber den Arbeitnehmern
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aus und verabschiedete einen Sozialplan.
Mit Schriftsatz vom 18.11.2004 reichte der Kläger bei dem Landgericht Hamburg Klage
gegen die Investorengesellschaften (B, B2, Q, G) mit einem Gesamtvolumen von über
20 Mio. € ein. Zur Begründung stützt er sich auf Insolvenzanfechtungen sowie darauf,
dass kapitalersetzende Darlehen in der Krise der Gesellschaft zurück gefordert worden
seien. Die Investorengesellschaften seien über die "Zwischenholding" P2 GmbH an der
Insolvenzschuldnerin beteiligt gewesen und wie deren Gesellschafter zu behandeln.
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Nachdem der N KG die Weitervermietung des Multiplex-Kinos "L" E zum 01.10.2004
doch noch an die Fa. G2 GmbH & Co. KG, deren Komplementär-GmbH durch die
Ehefrau des Beklagten zu 1) geleitet wird, gelungen war, schloss der Kläger mit der N
KG am 16./17.12.2004 eine Mietabwicklungsvereinbarung. Danach wird das dem
Vermieterpfandrecht unterliegende Inventar gemäß dem Gutachten der Fa. J GmbH zum
Preis von 104.371, € (89.975,- € zzgl. USt.) an die N KG veräußert. Nach Abzug der
Feststellungskosten gem. § 171 Abs. 1 InsO verbleibt danach ein Absonderungsbetrag
von 85.800,16 €. Dazu ist in Ziffer 1 vereinbart, dass "der Absonderungsbetrag gegen
die älteste zur lfd. Nr. 1025 der Insolvenztabelle festgestellten Insolvenzforderung
verrechnet wird." In Ziffer 2 ist festgehalten, dass für die Vermieterin 550.177,1 € für den
Ausfall zur lfd. Nr. 1025 der Insolvenztabelle festgestellt sind. In Ziffer 3 werden die Miet-
und Betriebskosten für die Zeit ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens geregelt, zu deren
Abgeltung der Kläger 492.225,16 € zahlt. Nach Zifffer 6 besteht zwischen den
Vertragsparteien Einigkeit, dass die Vermieterin gem. § 109 InsO wegen der vorzeitigen
Beendigung des Mietverhältnisses den sog. Differenzschaden beanspruchen kann. Im
Hinblick auf die vorhandene Mietbürgschaft hafte die Masse allerdings nur beschränkt
auf den Ausfall. Da der Differenzschaden zudem weder bezifferbar noch fällig sei, sieht
die Vermieterin derzeit von einer Anmeldung ab. In Ziffer 7 ist vereinbart, dass die
Betriebskosten 2004 noch abgerechnet werden. Ziffer 8 lautet:
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"Mit Ausnahme der Themen gemäß Ziff. 6 und 7 (möglicher Differenzschaden und
BK-Abrechnung 2004) sind mit Erfüllung der vorliegenden Vereinbarung alle
sonstigen Ansprüche aus dem Mietvertrag erledigt."
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Nachdem es in vorliegendem Rechtsstreit zwischen den Parteien zum Streit um die
Bedeutung der vorgenannten Erledigungsklausel gekommen war, unterzeichneten der
Kläger und die N KG, vertreten durch den Zeugen K, unter dem 03.03./07.03.2005 einen
Nachtrag zur Mietabwicklungsvereinbarung. Danach wird vorsorglich klar gestellt, dass
von den Vertragsschließenden stets gewollt gewesen sei, dass die zur Insolvenztabelle
angemeldete und festgestellte Forderung des N-Fonds Nr. ## gem. Ziffer 2 der
Vereinbarung - abzüglich der in Ziffer 1 genannten Verrechnung - als
Insolvenzforderung bestehen bleibe. Die Forderungen gem. Ziffer 1 und 2 der
Vereinbarung fielen mithin nicht unter die Generalquittung der Ziffer 8.
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Das Amtsgerichts Düsseldorf eröffnete mit Beschluss vom 30.12.2004 das
Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten zu 4) (505 IN 94/04). Mit weiterem
Beschluss vom 02.09.2005 ist auch über das Vermögen der Beklagten zu 3) das
Insolvenzverfahren eröffnet worden (505 IN 92/04 AG Düsseldorf).
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass der Beklagte zu 1) nach §§ 128, 160 HGB
für die streitgegenständlichen Insolvenzforderungen der N KG aus dem Zeitraum bis zur
Eröffnung des Insolvenzverfahrens persönlich hafte. Seine Haftung betreffe alle
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Ansprüche, die bis zur Eintragung des Wechsels in die Kommanditistenstellung oder
zumindest bis zu seinem Austritt aus der Gesellschaft (25.02.1999) entstanden seien.
Bei einem Dauerschuldverhältnis wie der Miete werde der Rechtsgrund für alle später
daraus fällig werdenden Einzelansprüche bereits mit dem Vertragsschabschluss gelegt.
Für eine analoge Anwendung des § 176 Abs. 2 HGB, auf die sich der Beklagte berufe,
sei kein Raum. Der Wortlaut des § 160 Abs. 3 HGB, der alle bis zur Eintragung des
Wechsels in die Kommanditistenstellung im Handelsregister entstandenen
Verbindlichkeiten erfasse, sei eindeutig. Auf die Frage, ob diese Norm lediglich eine
Begrenzung der Nachhaftung bezwecke, komme es daher nicht an. Bezeichnend sei
insoweit, dass die seitens des Beklagten befürwortete Einschränkung der Haftung
gegenüber Gläubigern, die vom Wechsel des Vollhafters in einen beschränkt haftenden
Status gewusst hätten, in der gesamten Literatur seit Inkrafttreten des § 160 HGB n.F.
abgesehen von dem jetzt von den Beklagten vorgelegten Auftragsgutachten nicht
vertreten worden sei. Dass die Schuldnerin durch die in Kopie vorgelegte
"Vereinbarung" vom 14.12.1998 überhaupt wirksam in eine KG umgewandelt worden
sei, werde vorsorglich bestritten. Trotz intensiver Suche habe das Original eines solchen
Dokuments bei der Schuldnerin nicht aufgefunden werden können. Zudem wäre die
Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung – so die Rechtsansicht des Klägers –
zweifelhaft, da die bereits mit Vertrag vom 04.12.1998 in die Gesellschaft eingetretenen
weiteren Gesellschafter nicht beteiligt worden seien. Eine evtl. – rein vorsorglich
bestrittene – Kenntnis der N KG von einer geplanten Umwandlung der Schuldnerin in
eine GmbH & Co. KG hätte im Übrigen allenfalls zur Folge haben können, dass die N
KG der Überleitung des Mietverhältnisses auf die KG nicht hätte widersprechen können.
Darin einen Verzicht zu sehen, sei reine Fiktion. Ein konkreter Verzichtstatbestand sei
seitens der Beklagten auch nicht substanziert dargelegt.
Hinsichtlich der Beklagten zu 3) und 4) hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass
diese als Komplementäre in die Schuldnerin eingetreten seien. Wegen des dazu im
Einzelnen erfolgten Vortrags wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils
verwiesen.
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Zu Ziffer 8 der streitigen Mietabwicklungsvereinbarung vom 16./17.12.2004 hat der
Kläger behauptet, dass die Vertragsparteien sich stets darüber einig gewesen seien,
dass die streitgegenständlichen Mietforderungen nicht erlöschen sollten. Es handele
sich entgegen dem insoweit missverständlichen Wortlaut nicht um eine Generalquittung.
Ansonsten hätte es auch der in Ziffer 1 enthaltenen Verrechnungsabrede nicht bedurft.
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Der Verkauf des Kinoinventars an die N KG habe lediglich zu den gutachterlich
ermittelten Liquidationswerten erfolgen könne. Da der Kläger das Mietverhältnis sowie
alle Arbeits- und sonstigen Dauerschuldverhältnisse zum 30.09.2004 gekündigt habe,
sei zunächst von einer Betriebsstillegung auszugehen gewesen. Bereits Ende
September 2004 habe der Kläger mündlich mit der N KG vereinbart, ihr das Inventar zu
Liquidationswerten zu überlassen. Die Möglichkeit einer Fortführung des Betriebes mit
der Fa. G2 GmbH & Co. KG habe sich erst "in letzter Sekunde" ergeben. Im Übrigen
beinhalte das Gutachten der J GmbH Wiederbeschaffungswerte, die reine Buchwerte
nach einer betriebswirtschaftlichen Bewertungsmethode darstellten und lediglich eine
günstige Verhandlungsposition des Klägers gegenüber potentiellen Investoren hätten
aufbauen sollen. Das Gutachten habe demgegenüber nicht den Zweck verfolgt, den
tatsächlichen Wert des Kinoinventars zur Ermittlung eines etwaigen
Kaufpreisanspruches zu bestimmen.
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Die Mietsicherheitsbürgschaft in Höhe von über 2,5 Mio. € sei nicht zu berücksichtigen,
weil sie weiterhin als Sicherheit für Ansprüche der N KG, insbesondere wegen eines
eventuellen Mietdifferenzschadens, diene. Das folge bereits daraus, dass die Fa. G2 der
N KG – was zwischen den Parteien unstreitig ist – statt der mit der Schuldnerin
vereinbarten Miete lediglich das "Betriebsergebnis" überlässt.
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Die Klage sei auch nicht im Hinblick auf die vor dem Landgericht Hamburg anhängige
Klage gegen die Privatinvestoren nach § 148 ZPO auszusetzen. Dem
Insolvenzverwalter sei bei der Bewertung der Aktiva und Passiva ein großzügiger
Bewertungsspielraum einzuräumen. Einwände könne der in Anspruch genommene
persönlich haftende Gesellschafter erst erheben, wenn definitiv feststehe, dass die
angeforderten Beträge zur Gläubigerbefriedigung gar nicht benötigt würden. Die
fortgeschriebene aktuelle Vermögensübersicht gem. § 153 InsO ergebe indes eine
Unterdeckung in Höhe von 9,6 Mio. €. Die Klageforderung gegen die Finanzinvestoren
sei dabei mit 25 % zutreffend und angemessen berücksichtigt. Der Rechtsstreit
beinhalte einen komplexen Sachverhalt, der sowohl tatsächlich als auch rechtlich hoch
streitig verhandelt werde. Zudem seien vollstreckungsrechtliche Schwierigkeiten
vorprogrammiert, da die verklagten Investorengruppen zum Teil zahlungsschwach (G,
B2) und zum Teil im Ausland ansässig seien (Cayman Islands, Deleware/USA,
Edinburgh und London). Vor diesem Hintergrund habe der achtköpfige
Gläubigerausschuss den jeweiligen Finanzinvestoren Vergleichsangebote auf der
Basis einer Zahlung von 25 % der Klageforderung unterbreitet. Darin komme die
derzeitige Bewertung durch den Gläubigerausschuss zum Ausdruck.
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Der Kläger hat zunächst gegen insgesamt 7 Beklagte Klage beim Landgericht Dresden
eingereicht. Mit Beschluss vom 06.05.2004 ist das Verfahren in Bezug auf 4 Beklagte an
das Landgericht Münster verwiesen worden. Der Kläger hat von den Beklagten als
Gesamtschuldner – neben den vor dem Landgericht Düsseldorf gesondert in Anspruch
genommenen Kinobetriebsgesellschaften P2 AG, M2 GmbH und H4 GmbH zunächst
Zahlung in Höhe von 550.177,10 € nebst Zinsen begehrt, und zwar Zug um Zug gegen
Rückabtretung sämtlicher möglicher Schadensersatzansprüche und sonstiger
Ansprüche (z.B. auf Honorarrückzahlung) der Beklagten zu 1) und 4) gegen deren
Berater, insbesondere die Streithelfer zu 1) und 2) sowie den Notar Dr. H aus C, wegen
fehlerhafter Beratung, Bewertung und sonstiger Mitwirkung bei der Gründung der P3
OHG und deren Umwandlung in eine GmbH & Co. KG. Nach Abschluss der
Mietabwicklungsvereinbarung hat der Kläger sich den aus dem Verkauf des Inventars
resultierenden Erlös anrechnen lassen und in Höhe von 85.800,16 € einseitig die
Erledigung des Rechtsstreits erklärt.
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Die Beklagten und die Streithelfer haben beantragt, die Klage abzuweisen.
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Sie haben darüber hinaus unter Berufung auf § 246 ZPO die Aussetzung des
Rechtsstreits begehrt und dazu die Ansicht vertreten, dass die Voraussetzungen einer
Verfahrensunterbrechung analog § 239 ZPO vorlägen. Da die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Komplementär-GmbH der
Insolvenzschuldnerin mangels Masse abgelehnt worden sei, sei diese nach § 131 Abs.
3 Nr. 2 HGB aus der Schuldnerin ausgeschieden, was wiederum, da lediglich eine
Gesellschafterin (P5 GmbH als Kommanditistin) verbleibe, den liquidationslosen
Untergang der Schuldnerin zur Folge habe.
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Des weiteren haben die Beklagten beantragt, das Verfahren nach § 148 ZPO bis zur
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Entscheidung des vor dem Landgericht Hamburg anhängigen Rechtsstreits über ca.
23,5 Mio. € auszusetzen. Wenn die dortige Klage gegen die Investorengesellschaften,
was zu erwarten sei, Erfolg habe, könnten sämtliche Gläubiger befriedigt werden, so
dass eine – aus diesen Gründen zudem rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme der
Beklagten entbehrlich werde.
Der Beklagte zu 1) hat unter Bezugnahme auf ein von ihm eingeholtes Rechtsgutachten
der Professoren I5 und T (Anl. B 13) die Auffassung vertreten, dass er nicht persönlich
nach §§ 128, 160 HGB hafte, weil auf den hier vorliegenden Wechsel von der
Komplementär- in die Kommanditistenstellung § 176 Abs. 2 HGB analog anzuwenden
sei. Eine Haftung scheide danach aus, weil die N KG bereits vor Abschluss des
Mietvertrages so die Behauptung des Beklagten über den bevorstehenden Wechsel in
den nur beschränkt haftenden Status sowie überhaupt in Bezug auf alle Einzelheiten
der geplanten Umstrukturierung informiert gewesen sei. Sie sei fortlaufend über alle
Schritte unterrichtet worden. Insbesondere habe sie gewusst, dass die P3 OHG lediglich
als "Vorratsgesellschaft" gegründet worden sei und bei Beginn des Geschäftsbetriebs
zum 01.01.1999 bereits in eine GmbH & Co. KG ohne natürliche Peron als Vollhafter
umgewandelt sein würde. Gerade deshalb habe die Vermieterin auf einen Beitritt der P2
GmbH zum Mietvertrag und eine Mietsicherheitsbürgschaft bestanden. Mit dem Zeugen
M3, der für die N KG aufgetreten sei, seien die künftigen Haftungsverhältnisse der
Schuldnerin ab Mietbeginn (01.01.1999) eingehend erörtert worden. Er habe diese
gebilligt und ausdrücklich ausreichen lassen, dass neben der P GmbH & Co. KG noch
deren Kommanditistin, die mit dem institutionellen Kapital der Anleger ausgestattete P2
GmbH, mit für die Mietzinsverbindlichkeiten einstehe. Vor diesem Hintergrund habe die
N KG auf die persönliche Haftung des Beklagten zu 1) und der P2 AG verzichtet. Es
könne darüber hinaus auch unter dem Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens
(§ 242 BGB) nicht angehen, dass die Vermieterin – für die der Kläger in
Prozessstandschaft klage – in Kenntnis all der vorgenannten Umstände zunächst
weitere Sicherheiten fordere und dann doch noch die angeblichen damaligen
Komplementäre nachhaftend in Anspruch nehme. Hilfsweise werde daran festgehalten,
dass sich § 160 Abs. 3 HGB entgegen seinem Wortlaut von vornherein nur auf
Verbindlichkeiten beziehe, die bis zum tatsächlichen Wechsel in die
Kommanditistenstellung entstanden seien.
50
Hinsichtlich der Beklagten zu 3) und 4) haben die Beklagten und Streithelfer die
Auffassung vertreten, dass diese von vornherein lediglich als Kommanditisten
beigetreten seien und daher nicht nach § 128 HGB haften würden. Wegen der weiteren
Einzelheiten wird insoweit auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug
genommen.
51
Im Zusammenhang mit der Mietabwicklungsvereinbarung vom 16./17.12.2004 haben
die Beklagten und die Streithelfer behauptet, dass sämtliche streitgegenständlichen
Forderungen bereits erloschen seien. Der Zeuge K (N KG) habe dem Beklagten zu 1)
gegenüber erklärt, dass durch die Veräußerung des Inventars und Verrechnung des
Kaufpreises alles aus der Vergangenheit, insbesondere sämtliche Mietzinsrückstände
der Schuldnerin gegenüber der N KG, erledigt seien. Das folge auch aus dem
eindeutigen Wortlaut der Generalquittung in Ziffer 8 der Vereinbarung. Diese nehme
nämlich lediglich die Forderungen gem. Ziffern 6 und 7, nicht aber die hier
streitgegenständlichen Forderungen (Ziffern 1 und 2) aus. Zudem sei in Ziffer 3 geregelt,
dass auf "sämtliche Mietzinsrückstände bis 30.09.2004" 492.225,16 € gezahlt werden
sollten. Da die streitgegenständlichen Mietzinsforderungen auch "bis zum 30.09.2004"
52
entstanden seien, würden sie notwendigerweise mit abgegolten.
Zur Veräußerung des Inventars zu Liquidationswerten haben die Beklagten die
Auffassung vertreten, dass sie nach §§ 826, 242 BGB so zu stellen seien, als sei
zumindest ein Erlös in Höhe der Klageforderung erzielt worden. Der Kläger habe die
Einrichtung, die nach dem von ihm selbst vorgelegten Gutachten einen Fortführungswert
von 1,8 Mio. € gehabt habe, vorsätzlich "verschleudert".
53
Die Beklagten verweisen darüber hinaus auf die noch vorhandene
Mietsicherheitsbürgschaft. Diese müsse von der N KG vorrangig in Anspruch
genommen werden. Der in der Mietabwicklungsvereinbarung erwähnte
Mietdifferenzschaden könne gar nicht eintreten, weil ein neuer Mietvertrag mit der G2
GmbH & Co. KG abgeschlossen worden sei.
54
Der Einzelrichter der 16. Zivilkammer des Landgerichts Münster hat Beweis durch
Vernehmung der Zeugen M4, Dr. S2, G3 und Dr. D erhoben und der Klage gegen den
Beklagten zu 1) durch Teil-Urteil vom 23.11.2005 im Wesentlichen stattgegeben. Er hat
den Beklagten zu 1) neben weiteren Gesamtschuldnern verurteilt, an den Kläger
430.071,27 € und gestaffelte Zinsen zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückabtretung näher
bezeichneter Schadensersatzansprüche und festgestellt, dass die Klage gegen den
Beklagten zu 1) sich in Höhe von 85.800,16 € erledigt hat. Gegenüber der Beklagten zu
4) und der Beklagten zu 2) sei das Verfahren gemäss § 240 ZPO bei der Beklagten zu
2) in Verbindung mit § 17 Abs. 1 AnfG analog unterbrochen. Die
Unterbrechungswirkung gelte im Ergebnis auch für das Prozessrechtsverhältnis zur
Beklagten zu 3). Über deren Vermögen sei das Insolvenzverfahren zwar erst nach
Schluss der letzten mündlichen Verhandlung eröffnet worden. Die Klage sei gegenüber
der Beklagten zu 3) aber nicht entscheidungsreif (§ 249 Abs. 3 ZPO), weil sie nach dem
Ergebnis der Beweisaufnahme lediglich als Kommanditistin beigetreten sei und über die
Frage der Kenntnis der Vermieterin von der Kommanditisteneigenschaft (§ 176 Abs. 2
HGB) noch weiter Beweis zu erheben sei.
55
Im Rechtsverhältnis zum Beklagten zu 1) sei das Verfahren nicht im Hinblick auf die
vom Kläger gegenüber den Investoren vor dem Landgericht Hamburg geltend
gemachten Ansprüche nach § 148 ZPO auszusetzen. Der Kläger handele insoweit nicht
rechtsmissbräuchlich, weil die Bewertung der Forderung mit 25 % innerhalb der
vorgelegten Vermögensübersicht, die dann zur Unterdeckung in Höhe von 9,6 Mio. €
führe, nicht zu beanstanden sei.
56
Der Beklagte zu 1) hafte nach § 93 InsO i.V.m. §§ 128, 160 HGB persönlich für die
angefallenen Mietzinsforderungen. Ob er aufgrund des streitigen Vertrages vom
14.12.1998 in die Kommanditistenstellung gewechselt sei, könne dahin stehen, weil
dies jedenfalls erst am 04.03.2003 im Handelsregister eingetragen worden sei, was
nach § 160 Abs. 3 HGB für seine Haftung maßgeblich sei. Für eine analoge Anwendung
des § 176 Abs. 2 HGB sehe das Gericht keine Basis. Die Haftung des Komplementäres,
der in die Kommanditistenstellung wechsele, sei in §§ 128, 160 HGB abschließend
geregelt, so dass es an einer ungeplanten Regelungslücke fehle. Zudem würde es
ansonsten zu einer ungerechtfertigten Besserstellung gegenüber dem ausscheidenden
Komplementär kommen.
57
Die N KG habe auch nicht auf Ansprüche gegen den Beklagten zu 1) verzichtet. Dass
sie über den geplanten Wechsel in die Kommanditistenstellung unterrichtet gewesen
58
sein soll und zusätzliche Sicherheiten gefordert habe, reiche dafür nicht aus.
Die Klageforderung sei nicht durch die Mietabwicklungsvereinbarung vom
16./17.12.2004 erloschen. Das Gericht sei nach der plausiblen, schlüssigen und
nachvollziehbaren Aussage des Zeugen M4 davon überzeugt, dass die
Erledigungsklausel in Ziffer 8 der Vereinbarung die vor der Insolvenzeröffnung
entstandenen Forderungen der N KG nicht habe erfassen sollen. Der Zeuge K, der nach
Behauptung des Beklagten zu 1) geäußert haben solle, dass alles aus der
Vergangenheit erledigt wäre, sei nicht mehr zu hören gewesen. Denn diese Behauptung
sei bereits nach der unstreitigen Mietabwicklungsvereinbarung vom 16./17.12.2004
unzutreffend, weil danach jedenfalls die Verpflichtungen aus Ziffern 6 und 7 noch offen
gewesen seien und außerdem eine Zahlungsverpflichtung von 492.225,16 €
vorgesehen sei.
59
Dem Klageanspruch stünden auch keine Gegenansprüche aus § 826 BGB oder einer
anderen Anspruchsgrundlage wegen der Veräußerung des Inventars zum
Liquidationswert von 85.800,16 € zu. Angesichts der vom Zeugen M4 nachvollziehbar
und plausibel geschilderten Verhandlungssituation sei die Veräußerung nicht zu
beanstanden. Das Vermieterpfandrecht habe die Position des Klägers wesentlich
geschwächt. Hätte er das Inventar unter Ablösung des Pfandrechts entfernt und
freihändig veräußert, hätte er keinen höheren Wert erzielt.
60
Die Klage sei auf der vorgenannten Grundlage ursprünglich in Höhe von 515.851,43 €
zzgl. Zinsen begründet gewesen. Die Mietzinsansprüche der N KG seien durch das
rechtskräftige Urteil des Oberlandesgerichts Dresden (5 U 1818/02) für den Zeitraum
von August 2001 bis Februar 2002 in Höhe von insgesamt 206.355,56 € tituliert. Aus
dem für die Mieten von März 2002 bis September 2002 durch Vollstreckungsbescheid
des Amtsgerichts Hagen titulierten 206.355.56 € seien nach einer Teilzahlung von
65.000,- € noch 141.355,57 € offen. Hinzu kämen 153.313,51 € für die nicht mehr
gezahlte Miete für Oktober 2002. Verfahrenskosten seien allerdings nur in Höhe von
14.886,79 € zu erstatten. Neben den im Vollstreckungsbescheid mittitulierten 4.191,36 €
seien für die Kosten der ersten Instanz vor dem LG Dresden (14 O 3561/01) lediglich
10.695,43 € anzusetzen. Eine 5/10-Verhandlungsgebühr in Höhe von 665,96 € für ein
Versäumnisurteil sei von den geltend gemachten Kosten abzuziehen, weil insoweit
gemäß § 33 Abs. 2 BRAGO eine Anrechnung stattfinde. Soweit der Kläger sich
hilfsweise auf die in zweiter Instanz entstandenen Kosten stütze, fehle ausreichend
konkretisierter Vortrag. Die in der Mietabwicklungsvereinbarung enthaltene Vergütung
für das Inventar in Höhe von 85.800,16 € sei auf die Mieten für August und September
2001 (jeweils in Höhe von 29.476,51 €) sowie in Höhe eines Teilbetrags von 26.847,14
€ auf die Miete für Oktober 2001 zu verrechnen. In dieser Höhe sei die Erledigung des
Rechtsstreits festzustellen gewesen. Der Zinsanspruch bestehe nicht, wie geltend
gemacht, durchgängig in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz, sondern für
die Zeit bis Ende 2001 lediglich in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz.
61
Der Beklagte wendet sich mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten
Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil und macht geltend:
62
Der Rechtsstreit sei antragsgemäß nach §§ 246, 239 ZPO wegen des Erlöschens der
Komplementär-GmbH der durch den Kläger repräsentierten Insolvenzschuldnerin
auszusetzen. Die P4 GmbH sei mit Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
mangels Masse am 21.02.2003 aufgelöst (§ 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG) und später nach
63
§ 141a FGG gelöscht worden. Das habe für die zweigliedrige GmbH & Co. KG nach
zutreffender Ansicht zur Folge, dass die Komplementär-GmbH analog § 131 Abs. 3 Nr. 2
HGB aus der KG ausscheide und die KG dadurch liquidationslos beendet werde, also
auch nicht mehr insolvenzfähig sei. Das Gesellschaftsvermögen falle dem letzten
verbleibenden Kommanditisten, hier der P5 GmbH, zu. Die Zuordnung des Vermögens
zum Alleinkommanditisten nehme dem Beschluss über die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens der KG die Grundlage. Zumindest bedürfe es eines neuen
Beschlusses des Insolvenzgerichts, der diese neue Zuordnung nach Anhörung der P5
GmbH berücksichtige. Wenn überhaupt, so sei nun bezogen auf deren Vermögen ein
Insolvenzverfahren durchzuführen. Verbindlichkeiten der KG, die der Kläger über § 93
InsO geltend machen könne, existierten nicht mehr. Die Vorschrift des § 91 InsO stehe
dem Anwachsungsvorgang nicht entgegen, weil es dabei nur um den
rechtgeschäftlichen, nicht um den gesetzlichen Erwerb im Wege der Anwachsung gehe.
Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung könne auch keine teleologische
Reduktion des § 131 Abs. 3 S.1 Nr. 2 HGB in der Weise vorgenommen werden, dass
die GmbH weiter Komplementärin bleibe und im Auflösungszustand bis zur Beendigung
des Insolvenzverfahrens über die KG am Leben erhalten werde. Das folge hier
zusätzlich aus § 13 des Gesellschaftsvertrages der KG, nach dem das Ausscheiden des
einzigen Komplementärs zur Auflösung führe. Die Doppelinsolvenz der zweigliedrigen
GmbH & Co. KG sei vielmehr so zu lösen, dass das auf den Kommanditisten
angewachsene Vermögen der KG als Sondervermögen in Rechtsträgerschaft des
Kommanditisten begriffen und analog den Regeln über die Nachlassinsolvenz
behandelt werde. Für den vorliegenden Rechtsstreit müsse das zur Folge haben, dass
das Verfahren in entsprechender Anwendung der §§ 239, 246 ZPO antragsgemäß
ausgesetzt werde. Die Kommanditistin habe dann die Möglichkeit, ein – neues -
Insolvenzverfahren über das jetzt bestehende Sondervermögen einzuleiten. Dass die
relevanten Auflösungstatbestände hier bereits vor Klageerhebung verwirklicht gewesen
seien, stehe einer Aussetzung nicht entgegen. An sich sei die Klage, weil die KG bereits
liquidationslos beendet gewesen sei, bei ihrer Erhebung zwar sogar unzulässig
gewesen. Die bloße Aussetzung, die dem Kläger Gelegenheit gebe, beim
Insolvenzgericht eine Anpassung der Beschlusslage zu erreichen, sei demgegenüber
aber der mildere Eingriff in die klägerische Position.
Das Verfahren sei zudem im Hinblick auf den Rechtsstreit, den der Kläger vor dem
Landgericht Hamburg gegen die Finanzinvestoren führe, antragsgemäß nach § 148
ZPO auszusetzen. Die Klage, die inklusive Zinsen Forderungen in Höhe von knapp 24
Mio. € umfasse, sei schlüssig und aussichtsreich. Die Vermögensübersicht nach § 153
InsO, in die der Kläger insoweit – unstreitig lediglich 5,1 Mio. € auf der Aktivseite
eingestellt habe, sei deshalb grob falsch. Tatsächlich könnten alle Gläubiger, sobald der
Kläger die Forderungen zur Masse ziehe, zu 100 % befriedigt werden. Der Beklagte zu
1) beantragt insoweit zum Beweis der Tatsache, dass der Prozess gegen die Investoren
überragende Aussicht auf Erfolg habe, dem Kläger nach § 424 ZPO aufzugeben, die
Handakten jenes Prozesses vorzulegen, hilfsweise, ein Rechtsgutachten einzuholen.
Dass die verklagten Investorengesellschaften hinreichend finanziell ausgestattet seien,
um die gegen sie verfolgten Ansprüche zu befriedigen, wird durch das Zeugnis der
jeweiligen organschaftlichen Vertreter unter Beweis gestellt.
64
Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei die Haftung des Beklagten zu 1) analog
§ 176 Abs. 2 HGB beschränkt. Aus den im Einzelnen im dazu vorgelegten
Rechtsgutachten der Professoren I5 und T aufgeführten Gründen sei diese Vorschrift auf
den Wechsel des Komplementärs in die Kommanditistenstellung anzuwenden. Eine
65
Haftung scheide danach aus, weil die Vermieterin (N KG) sich die Kenntnis der für sie
bei der Anbahnung des Mietvertrages aufgetretenen H2 AG gem. § 166 Abs. 1 BGB
zurechnen lassen müsse. Diese sei bereits vor Vertragsschluss über alle Einzelheiten,
wie es mit der Mieterin "weiter gehe", informiert gewesen. Insbesondere habe sie
Kenntnis davon gehabt, dass aus der Mieterin noch 1998 eine GmbH & Co. KG werde,
in die dann 1999 die Private-Equity-Fonds B2 und Q einträten. Sobald der Gläubiger
den beabsichtigten Wechsel in die Kommanditistenstellung aber kenne, könne analog §
176 Abs. 2 HGB kein schutzwürdiges Vertrauen auf die unbeschränkte Haftung als
Gesellschafter mehr begründet werden. Der Beklagte zu 1) behauptet, der Zeuge Dr. I2
habe darüber aufgeklärt, dass in der neuen Kinobetriebsgesellschaft selbstverständlich
niemand außer der GmbH persönlich haften werde. Damit sei die Vermieterin
einverstanden gewesen. Er meint weiter, der analogen Anwendung des § 176 Abs. 2
HGB stehe auch nicht entgegen, dass der Wechsel in die Kommanditistenstellung zum
Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses noch nicht vollzogen gewesen sei. Da die
Vermieterin den Vertrag in der sicheren Erkenntnis geschlossen habe, dass mit
Aufnahme des Kinobetriebs nur noch eine GmbH & Co. KG bestehe, in der keine
natürliche Person persönlich hafte, sei jedenfalls der hier vorliegende Sonderfall einem
Vertragsabschluss nach dem Rollenwechsel gleichzusetzen. Eine Anknüpfung an
streng formale Haftungsregeln verbiete sich dabei und stelle zudem einen Verstoß
gegen Treu und Glauben dar. Die N KG habe gerade weil sie damit einverstanden
gewesen sei, dass der Beklagte zu 1) in der P GmbH & Co. KG nicht mehr voll hafte,
den Beitritt der P5 GmbH zum Mietvertrag verlangt. All dies habe das Landgericht in
seiner dürftigen Begründung zu § 176 HGB nicht gewürdigt. Hilfsweise werde daran
festgehalten, dass die Enthaftung des § 160 Abs. 3 HGB bereits mit dem Wechsel in die
Kommanditistenstellung und nicht erst mit dessen Eintragung beginne.
Die Klageforderung sei zudem durch die klare und nicht mehr auslegungsfähige
Generalquittung in Ziffer 8 der Mietabwicklungsvereinbarung des Klägers mit der N KG
vom 16./17.2004 erloschen. Erst als die Beklagten darauf hingewiesen hätten, sei – wie
sie behauptet – zur "Reparatur" – rückdatiert - der Nachtrag zur
Mietabwicklungsvereinbarung vom 03.02./07.03.2005 geschlossen worden. Damit habe
der Kläger gem. §§ 826, 242 BGB kollusiv mit der N KG zu Lasten der Masse und der
Beklagten zusammengewirkt. Der Kläger habe den Fehler des Vertreters des N-Fonds,
der die Mietabwicklungsvereinbarung formuliert habe, unbedingt für die Masse
ausnutzen müssen. Stattdessen habe er den Anwaltsfehler der Gegenseite pflichtwidrig
aus der Welt geschafft und die bereits "wegverglichene" Insolvenzforderung dadurch
wieder aufleben lassen. Keinesfalls hätte das Landgericht den Beweisantritt zur
Vernehmung des Zeugen K dazu, dass bei Unterzeichnung der Urkunde sehr wohl ein
Verzicht auf die streitgegenständlichen Ansprüche gewollt gewesen sei, übergehen
dürfen.
66
Der Beklagte zu 1) sei im Verhältnis zum Kläger so zu stellen, als habe dieser das
Inventar des Kristallpalastes in Dresden nicht für lediglich 85.800,16 € "verschleudert",
sondern zumindest einen Verkaufspreis erzielt, der der Klageforderung nahezu
entspreche. Der Kläger habe genau gewusst, dass das Kino durch die Fa. G2 GmbH &
Co. KG fortgeführt werden würde und die Vermieterin dazu dringend auf den Erwerb des
Kinoinventars angewiesen gewesen sei. Da ihr mit jeder Verzögerung oder einem
Ausbau und einer Versteigerung durch den Kläger immense Ertragsausfälle gedroht
hätten, habe sie keine andere Wahl gehabt, als nahezu jeden Kaufpreis zu akzeptieren.
Dies habe der Kläger entweder nicht erkannt oder aber erkannt und deswegen nicht
ausgenutzt, weil er mit der N KG in der Hoffnung auf Regressmöglichkeiten bei den
67
Beklagten "gedealt" habe. Im Hinblick auf seine Verpflichtung zur bestmöglichen
Verwertung des Massevermögens hätte der Kläger in den Verhandlungen aber ein
Optimum herausholen müssen. Das habe er auch nicht ansatzweise dargelegt. Die
Vernehmung des Zeugen M4 zu diesem Komplex sei verfahrensfehlerhaft gewesen,
weil er nach § 273 ZPO lediglich vorbereitend zu einem ganz anderen Beweisthema
geladen gewesen sei. Sie sei im Übrigen unergiebig, weil der Zeuge an den
Verhandlungen nicht persönlich beteiligt gewesen sei und seine Aussage deshalb
keine eigenen Wahrnehmungen, sondern lediglich unlogische und naive Wertungen
beinhalte.
Der Beklagte zu 1) beantragt,
68
1. das Verfahren als unterbrochen festzustellen,
69
70
2. hilfsweise: das Urteil des Landgerichts Münster vom 23.11.2005 (16 O 259/04)
abzuändern und die Klage gegen den Beklagten zu 1) abzuweisen.
71
72
Der Kläger beantragt,
73
die Berufung zurückzuweisen.
74
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil gegen die Angriffe der Berufung im Einzelnen
wie folgt:
75
Das Verfahren sei nicht nach §§ 239, 246 ZPO auszusetzen, wobei zur Begründung auf
die dementsprechenden Beschlüsse des OLG Düsseldorf (Anl. BB 1, Bl. 1727), des LG
Düsseldorf (Anl. BB 2, Bl. 1732 und BB 3, Bl. 1737) und des Arbeitsgerichts Münster
(Anl. BB 4, Bl. 1738) in den Parallelverfahren Bezug genommen werde. Danach scheide
eine Aussetzung bereits deshalb aus, weil §§ 239, 246 ZPO (analog) ein bereits
bestehendes Prozessrechtsverhältnis voraussetze, das durch ein erst nach
Klageerhebung eintretendes Ereignis wegfalle. Hier habe der Rechtsträgerwechsel, auf
den der Beklagte sich berufe, aber bereits vor Klageerhebung stattgefunden. Dasselbe
prozessuale Ergebnis leite sich – so die ergänzende Auffassung des Klägers - daraus
ab, dass der Kläger nicht etwa Vertreterin der Schuldnerin sei, sondern den Rechtsstreit
als Partei kraft Amtes im eigenen Namen führe, so dass ein – eventueller –
Rechtsträgerwechsel die vermögensbezogene Rolle des klagenden
Insolvenzverwalters unberührt lasse.
76
Genauso wenig komme eine Aussetzung nach § 148 ZPO im Hinblick auf den vor dem
Landgericht Hamburg geführten Rechtsstreit gegen die Investoren in Betracht. Der
Kläger habe den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Die
77
Berücksichtigung der dortigen Klageforderung mit 25 % der Klagesumme innerhalb der
Vermögensübersicht nach § 153 InsO rechtfertige sich daraus, dass es sich um einen
äußerst komplexen Sachverhalt handele, für den der Kläger die volle Darlegungs- und
Beweislast trage. Zudem seien höchstrichterlich nicht geklärte Rechtsfragen betroffen.
Bei der Erfolgsprognose seien darüber hinaus die Unwägbarkeiten einer eventuellen
Zwangsvollstreckung im Ausland zu berücksichtigen. Insoweit komme es im Übrigen
nicht auf die derzeitige wirtschaftliche Situation der Investorengesellschaften, sondern
die völlig ungewisse Lage nach rechtskräftigem Abschluss des sicher 5 bis 10 Jahre
dauernden Rechtsstreits an.
Eine analoge Anwendung des § 176 Abs. 2 HGB zugunsten des Beklagten komme aus
den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht in Betracht. Insoweit
sei es unerheblich, ob § 160 HGB eine eigene Anspruchsgrundlage bilde oder lediglich
die aus § 128 HGB folgende Haftung zeitlich begrenze. Die Regelung der §§ 128, 160
Abs. 3 HGB, nach der die Nachhaftung alle bis zur Eintragung des Wechsels in die
Kommanditistenstellung entstandenen Forderungen betreffe, sei jedenfalls
abschließend. Vor diesem Hintergrund komme einer etwaigen Kenntnis der Fa. H2 AG
bzw. der Vermieterin (N KG) von den Umwandlungsplänen in eine GmbH & Co. KG
keine Bedeutung zu. Der pauschale Vortrag der Beklagten dazu, der teilweise neu und
daher nach § 531 Ans. 2 ZPO ausgeschlossen sei, werde vorsorglich bestritten. Soweit
der Beklagte sich auf einen daraus folgenden Haftungsverzicht der Vermieterin berufe,
stelle dies eine reine Willensfiktion dar, für die es keine tatsächlichen Anhaltspunkte
gebe.
78
Ziffer 8 der Mietabwicklungsvereinbarung vom 16./17.12.2004 enthalte bei
sachgerechter Auslegung keine Generalquittung und schließe die
streitgegenständlichen Ansprüche deshalb nicht aus. An diese Vereinbarung habe der
Kläger sich halten müssen, was in der Nachtragsvereinbarung vom 03./07.03.2005
lediglich klargestellt worden sei.
79
Auf die Klageforderung sei kein höherer Inventarwert als die durch Veräußerung
erzielten 85.800,16 € anzurechnen. Die im Gutachten der J GmbH aufgeführten Werte
hätten lediglich den Übernahmeinteressenten vor Augen führen sollen, welche Beträge
sie aufwenden müssten, wenn sie den Inventarbestand des Kinos neu hätten aufbauen
müssten. Die darin liegenden Wiederbeschaffungswerte hätten mit Fortführungswerten
im Sinne des § 151 InsO nichts zu tun. Vielmehr habe der Kläger wegen der aus dem
Vermieterpfandrecht folgenden Absonderungsrechte eine äußerst eingeschränkte
Verhandlungsposition gehabt, so dass der Kläger auch als Fortführungswert im Rahmen
des Masseverzeichnisses nach § 153 InsO lediglich 89.975,- € habe zugrunde legen
können. Die Vermieterin sei nicht bereit gewesen, einen höheren Betrag für das Inventar
zu zahlen. Einen weiteren Interessenten habe es auf dem Markt nicht gegeben. Der
Kläger habe das Inventar insbesondere auch nicht entfernen und veräußern dürfen.
Selbst wenn es einen Interessenten gegeben hätte, wäre nicht mehr als der mit der
Vermieterin ausgehandelte Verrechnungspreis zu erzielen gewesen. Entgegen dem
Beklagtenvortrag sei der Kontakt zur späteren Betreibergesellschaft G2 GmbH & Co. KG
im Übrigen erst im Laufe des September 2004 hergestellt worden.
80
Die Abweisung des Insolvenzantrages über das Vermögen der Komplementär-GmbH
der Schuldnerin lasse die Aktivlegitimation und die Prozessführungsbefugnis des
Klägers wie auch überhaupt das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH &
Co. KG unberührt. Eine Überleitung des Vermögens der Schuldnerin auf deren
81
Kommanditistin (P5 GmbH) nach Erlöschen der Komplementär-GmbH scheitere bereits
an § 91 InsO. Selbst wenn man das nicht anerkenne, führe das Erlöschen der
Komplementär-GmbH in teleologischer Reduktion des § 131 Abs. 3 Nr. 2 HGB
vorliegend nicht zur liquidationslosen Vollbeendigung der Schuldnerin. Zumindest
müsse ein bereits eröffnetes Insolvenzverfahren bei einer erst danach eintretenden
liquidationslosen Vollbeendigung der KG als Sonderinsolvenzverfahren analog den
Regelungen des Nachlassinsolvenzverfahrens gemäß §§ 315 f. InsO fortgesetzt
werden. Es komme dann – bei unterstellter Vollbeendigung der KG und Übergang deren
Vermögens auf die verbleibende Kommanditistin – lediglich zu einem Wechsel des
Rechtsträgers, der die vermögensbezogenen Verwaltungsaufgaben des
Insolvenzverwalters der GmbH & Co. KG unberührt lasse. Ergänzend sei auf den
Rechtsgedanken des § 779 Abs. 1 ZPO zu verweisen, der über § 4 InsO anwendbar sei
und für den Fall des Todes des Schuldners – vergleichbar der liquidationslosen
Vollbeendigung – für eine Verfahrenskontinuität sorge.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen M3 und Dr. I2. Wegen
des Ergebnissen der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk vom
30.03.2007 verwiesen. Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle vom 12.01.2007
und 30.03.2007 Bezug genommen.
82
II.
83
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Verfahren ist nicht den Anträgen des
Beklagten zu 1) entsprechend auszusetzen (A). Die Klage ist zulässig, insbesondere ist
der Kläger weiterhin gemäß § 93 InsO prozessführungsbefugt (B). Im zugesprochenen
Umfang ist die Klage auch in der Sache begründet (C).
84
A)
85
Das Verfahren ist weder analog §§ 239, 246 ZPO (I) noch gemäß § 148 ZPO (II)
auszusetzen.
86
I)
87
Die Voraussetzungen für eine Aussetzung in entsprechender Anwendung der §§ 239,
246 ZPO liegen nicht vor.
88
Zur Begründung des Aussetzungsantrags verweist der Beklagte darauf, dass die
Schuldnerin (P GmbH & Co. KG) durch das insolvenzbedingte Ausscheiden ihrer
Komplementär-GmbH (P4) liquidationslos beendet worden sei und ihr Vermögen im
Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die letzte verbleibende Komplementärin (P5
GmbH) übergegangen sei. Ob das so zutrifft, bedarf im Zusammenhang mit dem
Aussetzungsantrag des Beklagten indes keiner Entscheidung.
89
Zwar ist § 239 ZPO, der den Tod einer natürlichen Peron betrifft, nach nahezu
einhelliger Auffassung auf den Untergang juristischer Personen und
Personenhandelsgesellschaften übertragbar (BGH NJW 1971, 1844, Musielak/Stadler,
5. Aufl. 2007, § 239, Rn. 5; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 239, Rn. 6; a.A.
MünchKomm/Feiber, ZPO, 2. Aufl., § 239, Rn. 17). Das gilt insbesondere auch im hier
relevanten Fall des Ausscheidens des vorletzten Gesellschafters einer
90
Personengesellschaft (BGH NJW 2002, 1207; ZIP 2004, 1047, 1048; NZG 2005, 481,
482). Die weiteren Voraussetzungen des § 239 ZPO liegen aber nicht vor:
§ 239 ZPO bezweckt, einen erneuten Prozess mit dem Rechtsnachfolger zu vermeiden,
und führt daher einen gesetzlichen Parteiwechsel herbei. Der Rechtsnachfolger tritt in
das laufende Verfahren, dessen bisherigen Ergebnisse so weitgehend gesichert
werden, ein (vgl. Musielak/Stadler, a.a.O., § 239, Rn. 2). Sowohl diesem Zweck als auch
seinem eindeutigen Wortlaut nach ("Partei"; "Unterbrechung des Verfahrens") setzt §
239 ZPO deshalb voraus, dass ein Rechtsstreit bereits anhängig ist (vgl.
Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 239, Rn. 1; so auch OLG Düsseldorf, 10 W 132/05,
Beschl. v. 28.02.2006 im Parallelverfahren 16 O 152/04 LG Düsseldorf, Bl. 1727 f. d.A.),
und zwar unter Beteiligung des Rechtsvorgängers auf Aktiv- oder Passivseite. Beides ist
hier nicht der Fall. Die Tatbestände, an die der Beklagte zur Begründung des
Ausscheidens der P4-GmbH und damit der liquidationslosen Vollbeendigung der
Schuldnerin anknüpft, waren bei Eingang der Klageschrift (20.02.2004) längst
abgeschlossen (Ablehnung der Insolvenzeröffnung mangels Masse am 21.02.2003;
Eintragung der Löschung am 31.11.2003). Falls diese Tatbestände, wie der Beklagte
meint, eine materielle Änderung des Rechtsträgers bewirkt haben sollten, könnten sich
daraus in Bezug auf den erst danach angestrengten Rechtsstreit allenfalls Folgen für die
Aktivlegitimation oder die Prozessführungsbefugnis des Klägers ergeben. Diese hätten
dann von Beginn an, also bereits bei Klageerhebung bestanden. Eine Änderung der
Rechtsträgerschaft während des laufenden Verfahrens liegt demgegenüber ersichtlich
nicht vor. Mangels Vollbeendigung der Schuldnerin nach Anhängigkeit der vorliegenden
Klage ist ein aus einer Gesamtrechtsnachfolge resultierender Verfahrensstillstand, den
§ 239 ZPO behandelt (vgl. Musielak/Stadler, a.a.O., § 239, Rn. 1), von vornherein
ausgeschlossen.
91
Hinzu kommt, dass das Rechtssubjekt, dessen Untergang nach Auffassung des
Beklagten die Folgen des § 239 ZPO auslösen soll, gar nicht Partei des vorliegenden
Rechtsstreits ist. Kläger ist nicht die P GmbH & Co. KG (Schuldnerin), sondern der
Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes. Dieser macht gem. § 93 InsO im Wege der
Prozessstandschaft Ansprüche der N KG gegen den Beklagten persönlich geltend.
92
II)
93
Das Verfahren kann auch nicht im Hinblick auf das vor dem Landgericht Hamburg
anhängige Verfahren des Klägers gegen die Privatinvestoren nach § 148 ZPO
ausgesetzt werden. Falls nach Abschluss dieses Verfahrens – worauf der Beklagte sich
stützt – mehr als 20 Mio. € zur Insolvenzmasse gezogen werden können, so dass alle
Gläubiger befriedigt werden können und der Überschuss verteilt wird, können sich
daraus derzeit keine verfahrensrechtlichen Folgen ergeben.
94
1) Der Insolvenzverwalter ist nach § 93 InsO einerseits gehalten, Ansprüche der
Gläubiger aus der persönlichen Gesellschafterhaftung möglichst zeitnah geltend zu
machen. Andererseits hat er den eingezogenen Betrag, falls nach Abschluss des
Verfahrens ein ausreichender Überschuss verbleibt, nach § 199 S. 2 InsO an den
Gesellschafter zurück zu gewähren (vgl. Kübler/Prütting/Lüke, InsO, Stand August 2006,
§ 93, Rn. 21 f.; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 93, Rn. 25). Das kann unter Umständen den
Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) begründen, soweit der Verwalter von
vornherein mehr einfordert als für die Gläubigerbefriedung erforderlich wäre
(MünchKomm/Brandes, InsO, § 93, Rn. 25; s. im Einzelnen u.).
95
2) Eine "Vorgreiflichkeit" im Sinne des § 148 ZPO lässt sich darauf indes nicht stützen.
Sie ist (nur) gegeben, wenn die Entscheidung im ausgesetzten Verfahren mindestens
zum Teil vom (Nicht-)Bestehen eines anderes Rechtsverhältnisses abhängt
(Musielak/Stadler, a.a.O., § 148, Rn. 5; Zöller/Greger, a.a.O., § 148, Rn. 5). Eine solche
Verknüpfung mit dem Verfahren vor dem Landgericht Hamburg lässt sich über die
Einrede des § 242 BGB nicht herleiten, weil der Erfolg der Einrede in diesem Verfahren
nicht vom – tatsächlichen - Erfolg der dortigen Klage abhängt. Für die Beurteilung der
Frage, welcher Betrag ohne Verstoß gegen § 242 BGB eingefordert werden darf, ist
nach allgemeiner Auffassung der Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung maßgeblich
(Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 93, Rn. 25; Kübler/Prütting/Lüke, InsO, Stand August 2006,
§ 93, Rn. 23; K. Schmidt/Bittner ZIP 2000, 1077, 1087), gegebenenfalls ergänzt um
seitdem hinzugetretene Erkenntnisse. Insoweit sind Prognosen über den Erfolg noch zu
führender Klagen gegen Dritte zu treffen, bei denen dem Insolvenzverwalter ein
Einschätzungsermessen zuzubilligen ist (Uhlenbruck/Hirte, a.a.O.; Fuchs ZIP 2000,
1089, 190, 1095). Wenn über den Einwand des Rechtsmissbrauchs aber auf Grundlage
des aktuellen Kenntnisstandes durch Prognosen zu befinden ist, ist der tatsächliche,
voraussichtlich erst in vielen Jahren feststehende Erfolg der Klage vor dem LG Hamburg
für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht maßgeblich. Das Gesetz löst
den o.g. Interessenkonflikt vielmehr wie folgt: Das Auseinanderfallen der im
pflichtgemäßen Ermessen des Insolvenzverwalters getroffenen Prognose vom später
tatsächlich in die Insolvenzmasse fließenden Betrages regelt § 199 S. 2 InsO. Nur wenn
der Verwalter das ihm zustehende Ermessen überschreitet hat und bereits ohne
weiteres absehbar "zu viel" einfordert, kann der materiell-rechtliche Einwand des § 242
BGB eingreifen.
96
3) Das für den auszusetzenden Rechtsstreit präjudizielle Rechtsverhältnis muss zudem
regelmäßig selbst Gegenstand des anderen Verfahrens sein (Zöller/Greger, a.a.O.,
§ 148, Rn. 5). Es genügt nicht, wenn die in dem anderen Verfahren zu erwartende
Entscheidung lediglich geeignet ist, Einfluss auf die im auszusetzenden Verfahren zu
treffende Entscheidung auszuüben (Musielak/Stadler, a.a.O., § 148, Rn. 5;
Zöller/Greger, a.a.O.). Ein solcher - unmittelbarerer, nicht nur mittelbarer –
Zusammenhang besteht hier nicht, weil die Frage, welche Beträge zur Befriedigung der
Gläubiger vorhanden sein werden, von einer Vielzahl weiterer Faktoren, beispielsweise
der vom Kläger angesprochenen Klagen weiterer Vermieter gegen die Insolvenzmasse
auf Ersatz des Differenzschadens, abhängen wird.
97
4) Des weiteren käme eine Aussetzung auch auf der Rechtsfolgenseite nicht in Betracht.
Das durch § 148 ZPO eröffnete Ermessen wäre insoweit auf "Null" reduziert. Denn der
Insolvenzverwalter soll die persönliche Haftung nach der oben dargestellten
gesetzlichen Konzeption der §§ 93, 199 S. 2 InsO umgehend nach Verfahrenseröffnung
geltend machen, allerdings begrenzt auf den angesichts des vorhandenen
Liquidationswertes erforderlichen Betrag (§ 242 BGB). Falls bei Abschluss des
Insolvenzverfahrens dennoch ein Überschuss verbleibt, sieht § 199 S.2 InsO die
nachträgliche – Rückgewähr vor. Diese gesetzlich vorgesehene Abfolge würde in ihr
Gegenteil verkehrt, wenn Verfahren nach § 93 InsO im Hinblick auf andere
Aktivprozesse des Insolvenzverwalters ausgesetzt werden müssten und die persönliche
Haftung erst nach Abschluss des gesamten Verfahrens geltend gemacht werden könnte.
Insbesondere würde die aus §§ 93, 199 S. 2 InsO folgende gläubigerschützende
Wirkung so unterlaufen. Ohne eine zeitnahe Inanspruchnahme der Gesellschafter – mit
lediglich nachträglichem Ausgleich über § 199 S. 2 InsO – besteht nämlich regelmäßig
98
das Risiko, dass die persönliche Haftung nicht mehr vor einer möglichen eigenen
Insolvenz des Gesellschafters realisiert werden kann (vgl. Kübler/Prütting/Lüke, InsO,
Stand August 2006, § 93, Rn. 21). Denn die Sperrwirkung des § 93 InsO gilt nur für
Gesellschaftsgläubiger. Die persönlichen Gläubiger des Gesellschafters haben
weiterhin ungehinderten Zugriff auf dessen Vermögen (vgl. Fuchs ZIP 2000, 1089; K.
Schmidt ZGR 1996, 209, 217).
B)
99
Die Klage ist zulässig. Die aus § 93 InsO folgende Prozessführungsbefugnis des
Klägers ist nicht aufgrund einer liquidationslosen Vollbeendigung der
Insolvenzschuldnerin (P GmbH & Co. KG) entfallen. Die Ablehnung der
Verfahrenseröffnung und Löschung der Komplementär-GmbH der Insolvenzschuldnerin
(P4 GmbH) hat der Prozessführungsbefugnis des Klägers entgegen der Auffassung des
Beklagten nicht die Grundlage entzogen.
100
I)
101
In der Simultaninsolvenz von Komplementär-GmbH und KG scheidet die GmbH
regelmäßig nach § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 HGB aus der Gesellschaft (KG) aus. Das
Ausscheiden der Komplementär-GmbH führt bei einer zweigliedrigen Gesellschaft, die –
wie hier – lediglich einen weiteren Kommanditisten als Gesellschafter hat, zur
liquidationslosen Vollbeendigung der KG unter Gesamtrechtsnachfolge ihres
verbliebenen Kommanditisten (BGH, II ZR 247/01, Urt. v. 15.03.2004; ZIP 2004, 1047 =
NZG 2004, 611 = WM 2004, 1138; BGH NZG 2005 482, 482 = DStR 2005 750, 751;
BGHZ 113, 132, 133; Baumbach/Hopt, a.a.O., § 131, Rn. 35; Ebenroth/Boujong/Joost,
a.a.O., Anh § 177a, Rn. 220), weil der numerus clausus der Gesellschaftsformen eine
Personengesellschaft mit lediglich einem Gesellschafter nicht zulässt (vgl. BGHZ 48,
203 206; 71, 296, 300; 113, 132; OLG Düsseldorf GmbHR 1997, 903; NJW-RR 1999,
619; BayObLG GmbHR 2001, 776; Staub/Schäfer, § 131, Rn. 107; Liebs ZIP 2002,
1716; K. Schmidt GmbHR 2003, 1404, 1405). Dem verbleibenden Kommanditisten
wächst der Anteil der ausgeschiedenen Komplementär-GmbH an der KG nach §§ 161
Abs. 2, 105 Abs. 2, 738 BGB an (BGH a.a.O.; BGHZ 32, 307, 315; MünchKomm/Ulmer,
BGB, 4. Aufl. 2004, § 738, Rn. 11), so dass er alleiniger Inhaber des Unternehmens
wird. Die KG ist ohne den sonst erforderlichen "Zwischenschritt" der Auflösung und
Liquidation unmittelbar (voll)beendet.
102
Das hat entgegen dem Einwand des Beklagten aber nicht zur Folge, dass dem
Insolvenzverfahren damit jegliche Grundlage entzogen und es automatisch – beendet
worden ist. In der Literatur ist eine solche Folge mehrfach als "Horrorvision" bezeichnet
worden (Liebs ZIP 2004, 1716, K. Schmidt GmbHR 2002, 1209, 1214; Bork/Jakoby ZGR
2005, 611, 631; Albertus/Fischer ZinsO 2005, 246, 247), was zu verschiedenen
Lösungsvorschlägen geführt hat. Teilweise wird eine teleologische Reduktion des § 131
Abs. 3 S. 1 Nr. 2 HGB mit der Folge, dass die Komplementär-GmbH in der vorgenannten
Konstellation der Simultaninsolvenz nicht aus der KG ausscheidet befürwortet (K.
Schmidt GmbHR 2002, 1209; GmbHR 2003, 1404; MünchKomm/K. Schmidt, HGB, §
131, Rn. 76; Staub/Schäfer, HGB, § 131, Rn. 88a). Andere Autoren verneinen die
Gesamtrechtsnachfolge des KG-Anteils auf den verbleibenden Kommanditisten aus
Gründen des Insolvenzbeschlags (Liebs ZIP 2004, 1716; Gundlach, Frenzel, Schmidt
DStR 2004, 1658). Ein dritter Lösungsweg geht davon aus, das sich das Verfahren als
Partikularinsolvenzverfahren über das auf den Kommanditisten als Rechtsnachfolger
103
übergegangene Sondervermögen fortsetzt (Albertus/Fischer ZInsO 2005, 246;
Bork/Jakoby ZGR 2005, 611, 630; im Ansatz auch LG Dresden ZIP 2005, 955).
Nach Auffassung des Senats kann die dargestellte und schriftsätzlich intensiv
diskutierte Problematik der Doppelinsolvenz der Befugnis des Klägers aus § 93 InsO im
zu entscheidenden Verfahren bereits deshalb nicht entgegen stehen, weil der Senat an
den rechtskräftigen und nicht nachträglich aufgehobenen Eröffnungsbeschluss des
Amtsgerichts Hamburg vom 21.12.2002, der dem Kläger die aus § 93 InsO folgende
Rechtsmacht verliehen hat, gebunden ist (II). Aber auch unabhängig von einer solchen
Bindung bliebe die Prozessführungsbefugnis des Klägers unangetastet, weil das
Insolvenzverfahren jedenfalls nicht kraft Gesetztes beendet ist, sondern zumindest
nahtlos mit dem eventuell gewechselten Rechtsträger fortlaufen würde (III).
104
II)
105
Die durch § 93 InsO verliehene Prozessführungsbefugnis besteht "während der Dauer
des Insolvenzverfahrens". Sie ist dem Kläger durch den Eröffnungsbeschluss des
Amtsgerichts Hamburg vom 27.12.2002 verliehen worden. Dieser Beschluss ist in
Rechtskraft erwachsen. Er ist weder nichtig noch aufgehoben. Deshalb bindet er den
Senat unabhängig davon, ob er (weiter) zutrifft oder (jetzt) an Mängeln leidet. Der Senat
kann dem Kläger – wie jedes andere Prozessgericht, das mit Verfahren im
Zusammenhang mit der Insolvenz der P GmbH & Co. KG befasst ist – die durch das
Amtsgericht Hamburg verliehene Rechtsmacht nicht entziehen.
106
1) Der rechtskräftige Eröffnungsbeschluss entfaltet Bindungswirkung für die Beteiligten
und die Prozessgerichte. Er kann in der Regel nur im Insolvenzverfahren selbst in
Zweifel gezogen werden (vgl. MünchKomm/Schmahl, InsO, § 34, Rn. 108;
Jaeger/Schilken, InsO, § 34, Rn. 39). Sämtliche Mängel der Eröffnung werden durch die
rechtsgestaltende Wirkung des Eröffnungsbeschlusses geheilt (Kuhn/Uhlenbruck, KO,
11. Aufl., § 109, Rdnr. 11, § 74, Rn. 3; MünchKomm/Schmahl, a.a.O.). Etwas anderes
(Nichtigkeit) gilt nur bei offensichtlichen und schwerwiegenden Mängeln des
Eröffnungsbeschlusses (MünchKomm/Schmahl, InsO, § 34, Rn. 111). Solche lagen hier
ersichtlich nicht vor. Zum Zeitpunkt der Eröffnung war die P4-GmbH noch nicht
erloschen, so dass die o.g. Problematik nicht bestand.
107
2) Für den nachträglichen Wegfall von Eröffnungsvoraussetzungen ist anerkannt, dass
die Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses durch sie grundsätzlich nicht berührt wird
(MünchKomm/Schmahl, InsO, § 34, Rn. 123; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl., § 109, Rn.
11). Dem Insolvenzgericht stehen dann nur die gesetzlich eröffneten Möglichkeiten zur
Beendigung des Verfahrens zur Verfügung. Für den nachträglichen Wegfall des
Eröffnungsgrundes ist die Einstellungsmöglichkeit auf Antrag des Schuldners
ausdrücklich in § 212 InsO normiert.
108
3) Für eine Bindungswirkung bei nachträglichen Änderungen, die den
Eröffnungsbeschluss in Frage stellen könnten, spricht auch der Rechtsgedanke des §
34 Abs. 3 S. 3 InsO. Danach sind Rechtshandlungen des Verwalters sogar dann
weiterhin wirksam, wenn der Eröffnungsbeschluss im Beschwerdeverfahren
aufgehoben wird. Die Vorschrift soll das Vertrauen des Rechtsverkehrs in den Bestand
der gerichtlichen Bestellung des Verwalters schützen (vgl. MünchKomm/Schmahl, InsO,
§ 34, Rn. 92; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 34, Rn. 33). Ihr liegt der Gedanke
zugrunde, dass die Rechtsstellung der Person, die im gerichtlich angeordneten
109
Verfahren zum Verwalter berufen ist, von der nachträglichen Aufhebung des Verfahrens
nicht berührt werden darf (vgl. BGHZ 30, 173, 176; Uhlenbruck/Uhlenbruck a.a.O.).
Genau darum geht es auch hier: Wenn bereits ein nicht rechtskräftiger Beschluss, der
mit Wirkung ex tunc aufgehoben wird, die Rechtsstellung des Insolvenzverwalters im
Zeitraum bis zu der förmlichen Verfahrensaufhebung nicht schmälern soll, so muss das
Vertrauen des Rechtsverkehrs erst recht geschützt werden, solange ein rechtskräftiger
Eröffnungsbeschluss vorliegt, der (noch) nicht durch das Insolvenzgericht – was wohl
ohnehin nur mit Wirkung ex nunc möglich wäre - aufgehoben worden ist.
III)
110
Die Prozessführungsbefugnis des Klägers besteht nach § 93 InsO allerdings auch
unabhängig von der Bindungswirkung des rechtskräftigen und nicht nachträglich
aufgehobenen Eröffnungsbeschlusses.
111
In der hier vorliegenden besonderen Konstellation ist die P4-GmbH zwar – entgegen der
Auffassung des Beklagten nicht aufgrund der Ablehnung der Eröffnung eines
Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen mangels Masse aus der Insolvenzschuldnerin
ausgeschieden, wohl aber durch die auf Grundlage einer tatsächlich gegebenen
Vermögenslosigkeit erfolgten Löschung (1). Da dies zur Vollbeendigung der
Komplementär-GmbH geführt und ihre Existenz beendet hat, kann ihr Ausscheiden – im
zu entscheidenden Einzelfall nicht durch teleologische Reduktion des § 131 Abs. 3
HGB vermieden werden (2). Der durch das Ausscheiden der Komplementär-GmbH
bedingten liquidationslosen Vollbeendigung der KG (Insolvenzchuldnerin) steht auch
nicht der Insolvenzbeschlag entgegen (3). Das Insolvenzverfahren wird aber analog §§
315 f. InsO nahtlos mit dem gewechselten Rechtsträger (P5 GmbH), dem das Vermögen
der KG als beschränkt haftendes Sondervermögen zugefallen ist, fortgesetzt (4).
112
1)
113
Die P4 GmbH ist zwar nicht entsprechend § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 HGB aus der P GmbH
& Co. KG (Insolvenzschuldnerin) ausgeschieden. Die Abweisung des Insolvenzantrags
mangels Masse ist der Verfahrenseröffnung nach ganz überwiegender Auffassung, der
sich der Senat anschließt, nicht gleichzustellen (Staub/Schäfer, HGB, § 131, Rn. 88;
Ebenroth/Boujong/Joost, a.a.O., § 131, Rn. 48; Baumbach/Hopt, a.a.O., § 131, Rn. 22;
zu § 131 HGB a.F. auch: BGHZ 75, 178, 179; 96, 151, 154; a.A. K. Schmidt BB 1980,
1497; MünchKomm/K. Schmidt, HGB, § 131, Rn. 74; vgl. demgegenüber für den Fall der
Doppelinsolvenz K. Schmidt GmbHR 2002, 1209, 1213, FN 43), führt also nicht zum
Ausscheiden des Gesellschafters. Das Ausscheiden der Komplementär-GmbH aus der
P GmbH & Co. KG folgt vorliegend aber nach ihrer Löschung im Handelsregister aus
einer entsprechenden Anwendung des § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 HGB. Diese Vorschrift,
die das Ausscheiden im Todesfall regelt, ist analog auf den Fall der Vollbeendigung
einer Gesellschaft anzuwenden, die ihrerseits als Gesellschafterin an einer
Personenhandelsgesellschaft beteiligt ist ("Gesellschafter-Gesellschaft"; vgl.
Ebenroth/Boujong/Joost, a.a.O., § 131, Rn. 45, Hopt, in: Baumbach/Hopt, a.a.O., § 131,
Rn. 20; zu § 131 HGB a.F. BGHZ 75, 178, 182; OLG Hamburg NJW 1987, 1896; vgl.
auch BT-Drs. 13/18444, S. 66; a.A. mit gleichem Ergebnis aufgrund eines
Ausscheidens kraft Gesetzes MünchKomm/K. Schmidt, HGB, § 131, Rn. 47, 67 f.;
Staub/Schäfer, HGB, § 131, Rn. 77 f.). Die P4 GmbH ist vollbeendet. Die dazu neben
der Eintragung der Löschung nach § 141a FGG kumulativ erforderliche
Vermögenslosigkeit ("Lehre vom Doppeltatbestand", vgl. OLG Düsseldorf NZG 2004,
114
916, 917; BAG GmbHR 2003, 1009, 1010; OLG Stuttgart ZIP 1998, 1880, 1882;
Roth/Atmeppen, GmbHG, 5. Aufl. 2005, § 65, Rn. 19 f.; Vallender NZG 1998, 249, 250;
K. Schmidt, a.a.O.) kann unterstellt werden. Eine "Gesellschafter-Gesellschaft", wie hier
die P4-GmbH, hält als "Vermögenswert" zwar immer noch den Gesellschaftsanteil (hier:
an der P GmbH & Co. KG), was ihrer Vermögenslosigkeit regelmäßig entgegensteht
(vgl. MünchKomm/K. Schmidt, a.a.O., § 131, Rn. 68, Fußn. 168). Die P4 GmbH war
vorliegend aber – was ausnahmsweise möglich ist (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, § 120,
Rn. 23; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 47 III 1 b) Gesellschafterin ohne
Kapitalanteil (§ 4 Abs. 1 S. 2 und 3 des KG-Gesellschaftsvertrages, Anlage B 19). Eine
zur Gläubigerbefriedigung dienende Vermögensposition lässt sich aus der Beteiligung
deshalb bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung (vgl. BayObLG NJW-RR 1999,
1054; Bumiller/Winkler, FGG, 8. Aufl. 2006, § 141a, Rn. 4) nicht mehr herleiten.
2)
115
Die von einigen Autoren (s. Nachw. o.) befürwortete teleologische Reduktion des § 131
Abs. 3 HGB, die ein Ausscheiden der Komplementär-GmbH in der Doppelinsolvenz von
GmbH und KG ausnahmsweise verhindern soll, ist nur für Fälle darstellbar, in denen
noch ein Rechtssubjekt vorhanden ist, dem die Gesellschafterstellung zugeordnet
werden kann. Das ist in den in der Literatur zu § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 HGB diskutierten
Konstellationen der Fall, weil die Gesellschafter-Gesellschaft (Komplementär-GmbH)
durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen lediglich aufgelöst wird,
rechtlich aber unverändert fortexistiert. In Fällen der Vollbeendigung ist die
Komplementär-GmbH dagegen nicht mehr existent und kann dementsprechend auch
nicht mehr als Gesellschafterin fungieren. Die teleologische Reduktion wird, soweit
ersichtlich, deshalb auch lediglich für Fälle des Ausscheidens nach § 131 Abs. 3 S. 1
Nr. 2 HGB (Eröffnung Insolvenzverfahren über das Vermögen des Gesellschafters)
vertreten (vgl. K. Schmidt GmbHR 2002, 1209, 1214; Staub/Schäfer, § 131, Rn. 87).
116
3)
117
Das Ausscheiden der Komplementär-GmbH aus der zweigliedrigen
Insolvenzschuldnerin führt grundsätzlich zur liquidationslosen Vollbeendigung der KG
unter Gesamtrechtsnachfolge ihres verbliebenen Kommanditisten (BGH, II ZR 247/01,
Urt. v. 15.03.2004; ZIP 2004, 1047 = NZG 2004, 611 = WM 2004, 1138; BGH NZG 2005
482, 482 = DStR 2005 750, 751; BGHZ 113, 132, 133; Baumbach/Hopt, a.a.O., § 131,
Rn. 35; Ebenroth/Boujong/Joost, a.a.O., Anh § 177a, Rn. 220). Die
Gesamtrechtsnachfolge lässt sich nicht zum Zwecke der weiteren Durchführung des
Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KG aus insolvenzrechtlichen Gründen
negieren.
118
a) Aus § 11 Abs. 3 InsO ist nicht herzuleiten, dass es – zunächst, bis zur Beendigung
des Insolvenzverfahrens über die KG – beim "status quo" verbleiben müsse, so dass
das Insolvenzverfahren zuende geführt werden könne (so Gundlach/Frenzel/Schmidt
DStR 2004, 1658). § 11 Abs. 3 InsO verhält sich lediglich zur Insolvenzfähigkeit, die
danach nicht bereits mit der Auflösung, also dem Stadium der Liquidationsgesellschaft,
sondern erst mit der Vollbeendigung entfällt. Die Vollbeendigung wird vorliegend aber
nicht erst mit der Verteilung der Insolvenzmasse, sondern bereits durch das
Ausscheiden der Komplementär-GmbH herbei geführt. Eine davon abweichende
Regelung trifft § 11 Abs. 3 InsO nicht.
119
b) Dem Rechtsübergang auf den verbleibenden Kommanditisten – und damit der
Vollbeendigung der KG – steht im Ergebnis auch der "Insolvenzbeschlag" nicht
entgegen (so aber Liebs ZIP 2004, 1716, 1718). § 91 InsO betrifft den Rechtserwerb in
Bezug auf einzelne Gegenstände aus der Insolvenzmasse, nicht aber den Übergang der
Gesamtheit der zur Insolvenzmasse zugehörigen Gegenstände auf einen
Gesamtrechtsnachfolger (vgl. Bork/Jakoby ZGR 2005, 611, 630). Der Schutzzweck der
Norm, eine Schmälerung der Masse zu verhindern, ist nicht betroffen, wenn die
Massezugehörigkeit gewahrt bleibt und lediglich die Person des Insolvenzschuldners
wechselt. Für den Fall des Todes einer natürlichen Person nach Eröffnung des
Insolvenzverfahrens ist das allgemein anerkannt (vgl. MünchKomm/Siegmann, InsO, vor
§ 315, Rn. 3; Gottwald/Döbereiner, Insolvenzrechtshandbuch, 3. Aufl. 2006, § 112,
Rn. 25, jeweils m.w.N.). Für die hier eingetretene Gesamtrechtsnachfolge kann nicht
anderes gelten (Bork/Jakoby, a.a.O.). Das muss jedenfalls dann gelten, wenn das
Insolvenzverfahren – wie zu zeigen sein wird – auch in diesem Fall ohne Unterbrechung
fortgesetzt und die Masse somit "zusammengehalten" wird.
120
4)
121
Die Vollbeendigung der Kommanditgesellschaft, über deren Vermögen das
Insolvenzverfahren geführt wird, unter Gesamtrechtsnachfolge des verbliebenen
Kommanditisten (P5 GmbH) hat indes nicht zur Folge, dass das Insolvenzverfahren
"automatisch" endet und erst ein neues Verfahren – jetzt über das Vermögen des
Rechtsnachfolgers – eingeleitet werden müsste. Das Verfahren läuft vielmehr analog
den Regeln zur Nachlassinsolvenz (§§ 315 f. InsO) als Partikularinsolvenzverfahren
also beschränkt auf das [ehemalige] KG-Vermögen fort.
122
a) Die aus der Vollbeendigung von Personengesellschaften durch das Ausscheiden des
vorletzten Gesellschafters bedingten Probleme hat der Gesetzgeber nicht geregelt,
sondern – wie bereits die bisherigen Erörterungen zeigen – Rechtsprechung und Lehre
überlassen, so dass insoweit eine planwidrige Lücke besteht. Es ist auch nicht
ersichtlich, dass die in der Insolvenzordnung nach §§ 11 Abs. 2 Nr. 2, 315 f. und 354 zur
Verfügung gestellten Partikularinsolvenzverfahren abschließenden Charakter haben
sollten und auf weitere, vergleichbare Fälle, in denen - wie hier – eine
Sonderhaftungsmasse entstanden ist, nicht übertragbar wären. In § 11 Abs. 2 Nr. 2 InsO
kommt vielmehr zum Ausdruck, dass der Insolvenzbeschlag in solchen Fällen
grundsätzlich auf ein Sondervermögen beschränkt werden kann.
123
b) Die Sach- und Interessenlage ist vergleichbar. Wie der Erbe hat der letzte
verbleibende Kommanditist die Möglichkeit, seine Haftung auf das im Rahmen der
Gesamtrechtsnachfolge übergegangene (ehemalige) KG-Vermögen zu beschränken
(BGH, II ZR 247/01, NZG 2004, 611 = ZIP 2004, 1047 = NZI 2005, 288 = MDR 2004,
950). Den Gläubigern des Rechtsvorgängers steht eine auf dieses Sondervermögen
beschränkte Haftungsmasse zur Verfügung. Das so entstandene Sondervermögen
erfordert im Rahmen der Insolvenz ein darauf beschränktes Verfahren, das das übrige
Vermögen des Gesamtrechtsnachfolgers (Erbe, Kommanditist) unberührt lässt (vgl. auch
LG Dresden ZIP 2005, 384; Albertus/Fischer ZinsO 2005, 246, 249; Bork/Jakoby ZGR
2005, 311, 330).
124
c) Findet die Gesamtrechtsnachfolge – wie hier – während des bereits eröffneten und
laufenden Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Rechtsvorgängers statt, so geht
das Regelinsolvenzverfahren ohne weiteres in das Sonderinsolvenzverfahren über den
125
Nachlass bzw. hier über das Vermögen der KG jetzt in Rechtsträgerschaft des
Gesamtrechtsnachfolgers – über. Das ist zwar gesetzlich nicht geregelt, für den Erbfall
aber allgemein anerkannt (vgl. MünchKomm/Siegmann, InsO, vor § 315, Rn. 3;
Gottwald/Döbereiner, Insolvenzrechtshandbuch, 3. Aufl. 2006, § 112, Rn. 25 m.w.N.).
Bei entsprechender Anwendung der Regeln über die Nachlassinsolvenz kann nichts
anderes gelten. Dem Wesen der Gesamtrechtsnachfolge entspricht es allein, dass der
Rechtsnachfolger – auch insoweit – in die Position des Rechtsvorgängers eintritt. Wie
auch sonst bei der Gesamtrechtsnachfolge entsteht kein "Stillstand" oder
"Schwebezustand". Das ist im Insolvenzverfahren gegebenenfalls durch einen lediglich
deklaratorischen – Beschluss klarzustellen (vgl. Herchen EwiR 2005, 809, 810;
Albertus/Fischer ZinsO 2005, 246, 250). Eine "automatische" Beendigung des
Insolvenzverfahrens über das Vermögen der – beendeten KG, das dann – wie der
Beklagte meint – erst neu durch den Rechtsnachfolger eingeleitet werden müsste,
kommt demgegenüber genauso wenig wie beim Tod einer natürlichen Person in
Betracht. Dadurch würde der Insolvenzbeschlag zunächst verloren gehen. Bezogen auf
die hier relevante Prozessführungsbefugnis nach § 93 InsO würde ein
zwischenzeitliches Erlöschen der durch diese Norm herbeigeführten Sperrwirkung
erneut einen "Wettlauf der Gläubiger", den § 93 InsO gerade ausschließen will,
bewirken.
IV)
126
Die Vorschrift des § 93 InsO ist nach zutreffender, mittlerweile ganz überwiegender
Auffassung auch auf ausgeschiedene Gesellschafter anwendbar (Kübler/Prütting/Lüke,
InsO, § 93, Rn. 25; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 93, Rn. 10; MünchKomm/Brandes, InsO, §
93, Rn. 6; MünchKomm/Ulmer, BGB, 4. Aufl., § 728, Rn. 22; Gerhardt ZIP 2000, 2181,
2182f.). Darüber bestanden nach Einführung der InsO zunächst Zweifel, weil die
Vorgängervorschrift des § 212 KO nicht auf ehemalige Gesellschafter angewandt
worden ist. Für § 93 InsO muss indes etwas anderes gelten: § 93 InsO betrifft seinem
Wortlaut nach "die persönliche Haftung eines Gesellschafters". Zwar ist der bereits
Ausgeschiedene nicht mehr Gesellschafter (vgl. Gerhardt ZIP 2000, 2181, 2183). Es
geht im Zusammenhang der Norm gelesen jedoch nicht formal um die aktuelle
Mitgliedschaft, sondern – materiell – um die aus der Gesellschafterstellung resultierende
persönliche Haftung. Diese betrifft nach §§ 128, 160 HGB auch ausgeschiedene
Gesellschafter. Auch das HGB, deren Begrifflichkeiten die InsO hier ersichtlich zugrunde
legt, spricht in haftungsrechtlichen Zusammenhängen noch vom "Gesellschafter", wenn
dieser bereits ausgeschieden ist (vgl. z.B. § 160 Abs. 2 HGB). In der Begründung zum
Regierungsentwurf (BT-Drs. 12/2443, S. 39) wird auf die für Kommanditisten geltende
Parallelvorschrift des § 171 Abs. 2 HGB Bezug genommen, der nach h.M. ebenfalls auf
ausgeschiedene Kommanditisten anzuwenden ist (vgl. BGH NJW 1990, 3145;
Baumbach/Hopt, HGB, § 171, Rn. 11; Gerhardt ZIP 2000, 2181, 2183). Insbesondere
greift der Zweck des § 93 InsO, der über die Vorgängerregelung in § 212 KO hinaus
geht, auch bei ausgeschiedenen Gesellschaftern ein. Auch in Bezug auf diese führt § 93
InsO zur gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger und beugt einer Massearmut vor
(vgl. Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 93, Rn. 10; Gerhardt ZIP 2000, 2181, 2183). Der
Anwendbarkeit steht nicht entgegen, dass Rechtsträger der Insolvenzmasse nunmehr
der verbleibende Kommanditist (P5 GmbH) und nicht mehr, wie nach dem Wortlaut des
von § 93 InsO vorausgesetzt, "eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit" ist. Denn
das Verfahren wird in Gesamtrechtsnachfolge über das Sondervermögen der
erloschenen KG fortgesetzt. Da sich außer der Rechtsträgerschaft somit nichts ändert,
muss das Verfahren nach denselben Grundsätzen wie beim Fortbestand der KG zuende
127
geführt werden, so dass § 93 InsO – zumindest analog – anwendbar bleibt (ausführlich
dazu Gerhardt ZIP 2000, 2181, 2183 f.).
C)
128
Die Klage ist begründet. Der Beklagte zu 1) haftet nach § 128 S. 1 HGB persönlich für
die streitgegenständlichen Forderungen der N KG gegen die Insolvenzschuldnerin (I).
Die geltend gemachten, teilweise im Laufe des Rechtsstreits erledigten Ansprüche der
N KG gegen die Insolvenzschuldnerin (I.1) sind wirksam entstanden (I.1.a.) und nicht
nachträglich durch die Mietabwicklungsvereinbarung vom 16./17.12.2004 erloschen
(I.1.b.). Zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages war
der Beklagte zu 1) persönlich haftender Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin (I.2.).
Seine daher auch für die erst sukzessive aus dem Mietverhältnis entstehenden
Zahlungsverpflichtungen der Insolvenzschuldnerin gegebene persönliche Haftung ist
nicht aufgrund der Nachhaftungsbegrenzung gemäß § 160 Abs. 3 HGB entfallen (I.3.).
Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt auch kein Wegfall der persönlichen
Haftung im Hinblick auf seinen bei Mietvertragsabschluss bereits unmittelbar
bevorstehenden Wechsel in die Kommanditistenstellung in Analogie zu § 176 Abs. 2
HGB in Betracht (I.4.). Die Gläubigerin hat auf die persönliche Inanspruchnahme des
Beklagten zu 1) nach dem Ergebnis der vor dem Senat durchgeführten
Beweisaufnahme nicht verzichtet (I.5.). Der Beklagte kann den Kläger oder die N KG
auch nicht auf eine vorrangige Inanspruchnahme der Mietsicherheitsbürgschaft
verweisen (II). Der Klageforderung steht darüber hinaus weder der Einwand des
Rechtsmissbrauchs im Hinblick auf das vor dem Landgericht Hamburg anhängige
Verfahren gegen die Investorengesellschaften (III) noch der Einwand der
"Verschleuderung" des Inventars durch den Kläger entgegen (IV).
129
I)
130
Die über § 93 InsO geltend gemachte persönliche Haftung des Beklagen zu 1) aus
§ 128 S. 1 HGB HGB ist gegeben, weil eine entsprechende Verbindlichkeit der
Insolvenzschuldnerin (P GmbH & Co. KG) bestand und der Beklagte zu 1) im Zeitpunkt
der Entstehung des Anspruchs persönlich haftender Gesellschafter war.
131
1)
132
Aus dem Mietverhältnis der Schuldnerin mit der N KG bestehen Verbindlichkeiten in der
zugesprochenen Höhe. Nach Verwertung des Inventars ist in Höhe von 85.800,16 €
Erledigung eingetreten.
133
a)
134
Durch Urteil des OLG Dresden vom 29.06.2004 sind Mietrückstände aus dem Zeitraum
von August 2001 bis Februar 2002 in Höhe von 206.335,56 € rechtskräftig tituliert. Die
Rechtskraftwirkungen erstrecken sich zwar lediglich auf die aktuellen Gesellschafter, die
Einfluss auf den Prozess nehmen können, und nicht auf den bereits ausgeschiedenen
Gesellschafter (BGHZ 44, 229, 233 = NJW 1966, 49, 500; Ebenroth/Boujong/Joost, §
128, Rn. 62). Etwas anderes folgt auch nicht aus der Feststellung der Forderungen zur
Insolvenztabelle, weil die Rechtskraftwirkungen des § 178 Abs. 3 InsO nur das
Verhältnis zwischen Gläubigern und Verwalter/Schuldner betreffen, aber nicht
gegenüber Dritten gelten (Andres/Leithaus, InsO, 1. Aufl. 2006, § 178, Rn. 8;
135
MünchKomm/Schumacher, InsO, § 178, Rn. 72). Substanziierte Einwendungen gegen
die in den vorgelegten Urteilen zugesprochenen Mietzinsansprüche werden vom
Beklagten allerdings nicht mehr erhoben und sind auch nicht ersichtlich. Die
vorgenannten Ansprüche sind mittlerweile zudem durch die
Mietabwicklungsvereinbarung vom 16./17.12.2004 festgeschrieben.
Die restliche Miete für den Zeitraum März bis September 2002 ist mit
Vollstreckungsbescheid des AG Hagen in Höhe von 206.335,57 € gegenüber der
Schuldnerin tituliert. Auch insoweit werden Einwendungen nicht erhoben. Die
Forderung hat sich durch eine Teil-Zahlung in der Zwangsvollstreckung (65.000,- €) auf
141.335,57 € reduziert.
136
Gleichfalls unstreitig ist die gesamte Miete für den Monat Oktober 2002 i.H.v. 153.313,51
€ offen.
137
Von den darüber hinaus geltend gemachten Verfahrenskosten und Zinsen bis zur
Verfahrenseröffnung in Höhe von insgesamt 49.192,45 € hat das Landgericht lediglich
Kosten in Höhe von 14.886,79 € angerechnet und auch die beantragten Zinsen nicht
voll zugesprochenen. Gegen die darin liegende teilweise Klageabweisung wendet sich
der Kläger nicht.
138
b)
139
Die vorgenannte Gesellschaftsschuld ist nicht nach Ziffer 8 der
Mietabwicklungsvereinbarung vom 16./17.12.2004 (Bl. 613-617 d.A.) erloschen.
140
aa) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist bereits der Vertragsurkunde keine
Vereinbarung im Sinne eines Erlassvertrages (§ 397 Abs. 1 BGB) in Bezug auf die hier
relevanten, vor Verfahrenseröffnung entstandenen Forderungen der N KG aus dem
Mietverhältnis mit der Schuldnerin zu entnehmen.
141
Ein Erlass setzt den rechtsgeschäftlichen Willen voraus, auf eine bestehende Forderung
zu verzichten. An die Feststellungen eines solchen Willens sind strenge Anforderungen
zu stellen (Palandt/Heinrichs, a.a.O:, § 397, Rn. 4). Entsprechende Vereinbarungen sind
eng auszulegen (BGH NJW-RR 1996, 237; 2000; 130). Auch bei scheinbar eindeutigen
Erklärungen darf ein Erlass erst angenommen werden, wenn sämtliche relevanten
Begleitumstände berücksichtigt sind (BGH NJW 2002, 1044).
142
Nach Ziffer 8 der Abwicklungsvereinbarung sind "mit Ausnahme der Themen gem. Ziff.
6 und 7 (möglicher Differenzschaden und BK-Abrechnung 2004) [...] mit der Erfüllung
der vorliegenden Vereinbarung alle sonstigen Ansprüche aus dem Mietvertrag erledigt."
Aus der Tatsache, dass die Ziffern 1 und 2, die das Vermieterpfandrecht und die
Forderungsanmeldung der o.g. Mietforderungen bis zur Verfahrenseröffnung betreffen,
nicht ausdrücklich aus der Erledigungsklausel ausgenommen sind, folgt nicht, dass die
Gläubigerin auf diese – nach Klärung der Rechtsfragen vor dem OLG Dresden titulierten
und unstreitigen – Ansprüche verzichten wollte. Die Auslegung der
Mietabwicklungsvereinbarung in ihrer Gesamtheit ergibt vielmehr, dass die Parteien
übereinstimmend von einem Fortbestand dieser Insolvenzforderungen ausgingen.
143
(1) Der Kläger weist zunächst zutreffend darauf hin, dass die Verrechnungsabrede in
Ziffer 1 bei einem Verzicht auf die Forderung sinnlos wäre. Der aus dem
144
Vermieterpfandrecht folgende Absonderungsbetrag soll danach gegen die älteste der zu
Nr. 1025 der Insolvenztabelle festgestellten Forderung verrechnet werden. Eine solche
Verrechnungsabrede hätte sich erübrigt, wenn die zu Nr. 1025 der Tabelle
angemeldeten Forderungen ohnehin vollständig hätten erlöschen sollen. Sie macht nur
Sinn, wenn der nicht durch Verrechnung erloschene Rest der Forderung erhalten bleibt.
(2) Die Parteien der Mietabwicklungsvereinbarung haben in Nr. 2 ausdrücklich
festgehalten, dass die hier relevanten Mietforderungen in Höhe von 550.177,10 € für
den Ausfall zu Nr. 1025 der Insolvenztabelle festgestellt sind, nachdem der Kläger
seinen ursprünglich dagegen gerichteten Widerspruch bereits zurück genommen hatte.
Die Feststellung zur Tabelle wirkt nach § 178 Abs. 3 InsO wie ein rechtskräftiges Urteil.
Nach dem Willen und Bewusstsein der Vertragsparteien waren die Forderungen damit
tituliert. Wenn die Vertragsparteien auf dieser Grundlage in Nr. 8 vereinbaren, dass mit
der vorliegenden Vereinbarung – abgesehen von einem Differenzschaden und den
Betriebskosten – alle Ansprüche aus dem Mietverhältnis erledigt sind, kann das nur in
dem Sinne verstanden werden, dass über die zuvor dargestellten gegenseitigen
Ansprüche hinaus (Nr. 1-3 der Mietabwicklungsvereinbarung) keine weiteren Ansprüche
aus dem Mietverhältnis mehr bestehen. Im Wortlaut wird das klar dadurch zum Ausdruck
gebracht, dass die Erledigungswirkung lediglich "sonstige" Ansprüche betreffen soll.
Das schließt die zuvor gerade festgelegten Ansprüche ersichtlich von jedem möglichen
Verzicht aus.
145
(3) Ziffer 3 der Mietabwicklungsvereinbarung betrifft lediglich nach Verfahrenseröffnung
entstandene Forderungen, so dass die darin enthaltene Abgeltungsklausel die hier
relevanten Ansprüche – entgegen der Auffassung des Beklagten nicht berührt.
146
bb) Eine von der Vertragsurkunde, die die Vernutung der Richtigkeit und Vollständigkeit
in sich trägt, abweichende Vereinbarung der daran Beteiligten (Kläger und N KG) hat
der Beklagte nicht nachvollziehbar behauptet. Die dahin gehende Wertung in der
Berufungsbegründung beinhaltet lediglich eine – unzutreffende – Rechtsansicht. Wie
der Beklagte auf konkrete Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am
12.01.2007 klar gestellt hat, hat der Zeuge K ihm gegenüber lediglich bekundet, dass
mit der Mietabwicklungsvereinbarung "alles erledigt" sei. Diese allgemeine und aus
Sicht der N KG ersichtlich zutreffende Feststellung kann den unstreitigen Inhalt der
Vertragsurkunde nicht in Frage stellen. Das gilt um so mehr vor dem Hintergrund der
unstreitigen Klarstellung im Nachtrag, die der Zeuge K für die N KG unterzeichnet hat.
Die Auseinandersetzung um die der N KG noch zustehenden Ansprüche war durch die
Mietabwicklungsvereinbarung "erledigt". In Bezug auf die hier relevanten, vor
Insolvenzeröffnung entstandenen Mietrückstände ist aus Sicht der Gläubigerin zudem
bereits durch die Anmeldung zur Insolvenztabelle "alles erledigt". Denn ihr ist es
aufgrund der Sperrwirkung des § 93 InsO verwehrt, den Beklagten persönlich nach §
128 S. 1 HGB in Anspruch zu nehmen. Von ihrem Standpunkt aus bleibt nur noch der
Abschluss des Insolvenzverfahrens mit einer evtl. ihr zugute kommenden Quote
abzuwarten.
147
cc) Die Einwände und Vorwürfe des Beklagten, dass der Kläger durch den
klarstellenden Nachtrag vom 03./07.03.2005 in kollusivem Zusammenwirken mit der N
KG durch Rückdatierungen u.a. einen Vertrag zu Lasten Dritter geschlossen habe,
anstatt – wozu er verpflichtet gewesen sei – die durch einen Anwaltsfehler der
Gegenseite erlangte formale Rechtsposition auszunutzen, gehen ins Leere: Die
Parteien haben im Nachtrag nichts anderes als bereits im Vertrag vom 16./17.12.2004
148
vereinbart. Das ergibt sich bereits zweifelsfrei aus der oben vorgenommen Auslegung,
zudem auch aus der vor dem Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme. Einen
auszunutzenden Anwaltsfehler der Gegenseite gibt es nicht. Selbst wenn man den
Wortlaut, was der Senat nicht sieht, für unklar halten wollte, bliebe im Übrigen
selbstverständlich der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien maßgeblich ("falsa
demonstatio non nocet"; vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 133, Rn. 8 m.w.N.).
2)
149
Der Beklagte zu 1) war zum maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der
Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis Gesellschafter der Mieterin, die zu diesem
Zeitpunkt offene Handelsgesellschaft im Sinne des § 105 Abs. 1 HGB war.
150
Für die Begründung der persönlichen Haftung aus § 128 S. 1 HGB kommt es nach
allgemeiner Auffassung allein auf die Gesellschafterstellung im Zeitpunkt der
Begründung der Gesellschaftsverbindlichkeit an (BGHZ 55, 267, BGH NJW 2000, 208,
NJW 2002, 2170; Baumbach/Hopt, HGB, 32. Aufl. 2006, § 128, Rn. 29;
Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 1. Aufl. 2001, § 128, Rn. 46; Staub/Habersack, HGB,
4. Aufl. 1998-2004, § 128, Rn. 62; MünchKomm/K. Schmidt, HGB, 2. Aufl. 2006, § 128,
Rn. 50). Das ist der Zeitpunkt, in dem der Rechtsgrund des betreffenden Anspruchs
gelegt worden ist (Staub/Habersack, a.a.O.). Bei einem vertraglichen Schuldverhältnis
kommt es deshalb auf den Abschluss des Vertrages, also sein Zustandekommen durch
übereinstimmende Willenserklärungen an. Unerheblich ist dagegen, wann der Anspruch
entsteht und fällig wird (MünchKomm/K. Schmidt, a.a.O.; Staub/Habersack, a.a.O.). Auch
bei Dauerschuldverhältnissen wie der Miete ist dementsprechend allein der Zeitpunkt
des Vertragsschlusses maßgeblich. Die zu diesem Zeitpunkt der Begründung der
Gesellschaftsverbindlichkeiten vorhandenen Gesellschafter haften nach § 128 S. 1 HGB
für sämtliche daraus resultierenden und erst sukzessive fällig werdenden
Einzelschulden (BAG NJW 2004, 3287,3288; NJW 1978, 1268; BGH NJW 1978, 636;
2000, 208, 2002, 2170; Staub/Habersack, a.a.O., § 128, Rn. 65; MünchKomm/K.Schmidt
a.a.O.).
151
Der Beklagte zu 1) haftet daher nach § 128 S. 1 HGB für sämtliche aus dem Mietvertrag
der Schludnerin mit der N KG entstandenen Verbindlichkeiten. Der Mietvertrag ist
bereits am 28.10.1998 zwischen der N KG als Vermieterin und der P3 OHG als Mieterin
zustande gekommen. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte zu 1) Gesellschafter der
Mieterin (P3 OHG). Den Status des persönlich haftenden Gesellschafters hat er nach
seinem eigenen Vortrag erst mit dem Wechsel in die Kommanditistenstellung mit
Wirkung zum 15.12.1998 verloren (Vereinbarung zur Aufnahme der B mbH vom
14.12.1998; Anlage K 8).
152
3)
153
Die so begründete Haftung ist nicht nach § 160 Abs. 3 HGB entfallen.
154
§ 160 Abs. 3 HGB gewährt dem in die Kommanditistenstellung gewechselten
Komplementär eine rechtsvernichtende Einwendung, die nach Ablauf der 5jährigen Frist
eine Enthaftung herbeiführt (vgl. Staub/Habersack, a.a.O., § 160, Rn. 1; K.Schmidt,
Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 51 I 1; Reichhold NJW 1994, 1617, 1619). Die
Enthaftungsfrist beginnt mit der Eintragung des Wechsels im Handelsregister (§ 160
Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 2 HGB), die hier am 04.03.1999 erfolgt ist. Die
155
streitgegenständlichen Gesellschaftsverbindlichkeiten (Miete August 2001 bis Oktober
2002) sind durchweg vor Fristablauf (04.03.2004) fällig und mit der am 20.02.2004
eingegangenen Klage gerichtlich geltend gemacht worden. Dadurch ist der Fristablauf
entsprechend § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, der gemäss der ausdrücklichen Anordnung in §
160 Abs. 1 S. 3 HGB Anwendung findet, gehemmt. Die Zustellung ist "demnächst" (§
167 ZPO) am 26.03.2004 erfolgt. Dass zunächst das örtlich unzuständige Gericht
angerufen und der Rechtsstreit sodann an das Landgericht Münster verwiesen worden
ist, hindert die Hemmungswirkung nach allgemeiner Auffassung nicht (BGH NJW 1978,
1058; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 204, Rn. 5). § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB setzt lediglich die
wirksame Klageerhebung, nicht deren Schlüssigkeit oder Zulässigkeit voraus
(Palandt/Heinrichs a.a.O.). Die zum alten Recht – vor Einführung des § 160 HGB n.F.
durch das Nachhaftungsbegrenzungsgesetz von 1995 – vertretene sog.
"Kündigungstheorie", nach der die (Nach-)Haftung bei Dauerschuldverhältnissen
analog § 159 HGB a.F. bereits im Zeitpunkt der ersten ordentlichen
Kündigungsmöglichkeit enden sollte (vgl. BGHZ 70, 132 = NJW 1978, 636), hat der
BGH unter Geltung des Nachhaftungsbegrenzungsgesetzes ausdrücklich aufgebeben
(BGH NJW 2000, 208, 210; dem folgt das gesamte Schrifttum, vgl. nur K. Schmidt,
Gesellschaftsrecht, a.a.O., § 51 II 1; Staub/Habersack, a.a.O., § 160, Rn. 34). Eine
ordentliche Kündigungsmöglichkeit der P GmbH & Co. KG hätte zudem innerhalb der
Nachhaftungszeit des § 160 Abs. 3 HGB aufgrund der auf 20 Jahre vereinbarten
Festlaufzeit des Mietvertrages nicht bestanden.
4)
156
Der zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses bereits "geplante" Wechsel des
Beklagten in die Kommanditistenstellung hat auf die Anwendung der §§ 128, 160 HGB
keinerlei Einfluss und kann die dadurch begründete Haftung nicht entfallen lassen.
157
a) Insbesondere kommt es entgegen der Auffassung des Beklagten unter keinem
denkbaren Gesichtspunkt in Betracht, die Haftung nach dem Maßstab des § 176 Abs. 2
HGB zu bestimmen, sie also bei Kenntnis des Vertragspartners vom zukünftigen –
Wechsel in den beschränkt haftenden Kommanditistenstatus entfallen zu lassen.
158
Die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung des § 176 Abs. 2 HGB liegen
ersichtlich nicht vor:
159
(1) Eine planwidrige Regelungslücke ist nicht gegeben. Die Haftung des – noch nicht in
die Kommanditistenstellung gewechselten – Gesellschafters einer OHG ist in § 128
HGB geregelt. Die vom Beklagten befürwortete Analogie zu § 176 Abs. 2 HGB müsste –
um eine Regelungslücke zu konstruieren – also zunächst § 128 S. 1 HGB im Wege der
teleologischen Reduktion einschränken. Das ist aber ausgeschlossen. Das
Gesellschaftsrecht stellt nur eine beschränkte Anzahl von Gesellschaftsformen zur
Verfügung ("numerus clauses" der Rechtsformen; vgl. dazu K. Schmidt,
Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 5 II 1 und 3). Zwingendes Wesensmerkmal der OHG ist die
persönliche Haftung jedes Gesellschafters nach § 128 HGB. Eine Beschränkung dieser
Haftung würde zu einem Wechsel der Gesellschaftsform (KG) führen, der aber
ausschließlich durch Änderung des Gesellschaftsvertrages herbeigeführt werden kann.
Innerhalb der gewählten Rechtsform "OHG" ist eine Haftungsbeschränkung nach § 105
Abs. 1 HGB ausgeschlossen. Die bloße "Planung" oder "Ankündigung" eines Wechsels
in die Kommanditistenstellung in naher Zukunft ändert die Gesellschaftsform nicht.
Solange eine solche Änderung gesellschaftsrechtlich nicht vollzogen ist, kann die
160
Beschränkung der Außenhaftung der Mitglieder – wie § 128 S. 2 HGB zu entnehmen ist
ausschließlich durch eine Vereinbarung mit dem jeweiligen Gesellschaftsgläubiger
erreicht werden (s. dazu u.).
(2) Die weiter zur Begründung der Analogie erforderliche Annahme einer
Vergleichbarkeit der Sach- und Interessenlage zum Regelungsgehalt des § 176 Abs. 2
HGB ist fernliegend. § 176 Abs. 2 HGB regelt einen Fall, in dem der tatsächliche
gesellschaftsrechtliche Status des Gesellschafters (Eintritt als Kommanditist) und der
Rechtsschein des Handelsregisters (kein Eintrag der Haftungsbegrenzung) voneinander
abweichen. Das Auseinanderfallen löst § 176 Abs. 2 HGB zum Schutz der Gläubiger
dahin gehend, dass – wie bei § 15 Abs. 1 HGB - die Registerlage maßgeblich und
vorrangig ist, solange dem Gläubiger die Haftungsbeschränkung nicht bekannt ist.
Stimmen tatsächlicher Status (persönlich haftender Gesellschafter) und Registerlage
(gleichfalls persönlich haftender Gesellschafter) aber – wie hier überein, fehlt von
vornherein jegliche Grundlage für die Anknüpfung an eine Regelung zum Vorrang der
Register- vor der wahren Rechtslage. Da das Handelsregister "richtig" ist, muss der
Rechtsverkehr nicht vor einem davon abweichenden Haftungsstatut geschützt werden.
Damit fehlt aber auch jede Grundlage für die Anwendung der in § 176 Abs. 2 HGB
enthaltenen Rückausnahme (Kenntnis von der wahren Lage), die der Beklagte hier für
sich in Anspruch nehmen will.
161
(3) Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass die rechtswissenschaftlichen
Stellungnahmen, auf die der Beklagte sich zur Begründung der Analogie zu § 176 Abs.
2 HGB beruft, die vorliegende Fallkonstellation – Wechsel von der Komplementär- in die
Kommanditistenstellung erst nach Begründung der Gesellschaftsschuld – nicht
betreffen. Für diesen Fall gehen sowohl I5/T in dem vom Beklagten eingeholten
Rechtsgutachten (Anlage B 13) als auch Bormann (NZG 2004, 751) davon aus, dass die
Haftung über § 128 S.1 HGB selbstverständlich – begründet wird. Etwas anderes wird
nur für die Konstellation vertreten, in der der Wechsel zwar bereits vollzogen, aber noch
nicht im Handelsregister eingetragen ist, der tatsächliche Status (Kommanditist) also
vom Rechtsschein des Handelsregisters (Komplementär) abweicht (vgl. dazu Urteil des
Senats vom heutigen Tage im Parallelverfahren 30 U 142/06).
162
b) Auch die Hilfsbegründung des Beklagten kann die nach § 128 S. 1 HGB begründete
Haftung in der vorliegenden Konstellation nicht entfallen lassen. Die insoweit vertretene
Auffassung, dass es "für die Haftungsbegrenzung nach § 160 Abs. 3 HGB nicht auf den
Zeitpunkt der Eintragung, sondern auf den Zeitpunkt des materiellen Wechsels in die
Kommanditistenstellung" ankomme, ist ohne Relevanz, weil der für die
Haftungsbegründung allein maßgebliche Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses nicht
etwa in der Zeit zwischen gesellschaftsrechtlich vollzogenem Wechsel (15.12.1998) und
Eintragung dieses Wechsels im Handelsregister (04.03.1999) lag. Der Mietvertrag war
bereits zuvor, am 28.10.1998, zustande gekommen.
163
5)
164
Die Gläubigerin (N KG) hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht auf eine
persönliche Inanspruchnahme des Beklagten verzichtet.
165
a) Den Vertragsparteien steht es nach allgemeinen Grundsätzen (§ 311 Abs. 1 BGB)
frei, eine Haftungsbeschränkung mit dem Gläubiger zu vereinbaren. Insbesondere kann
die "Entlassung" eines oder aller Gesellschafter aus der persönlichen Haftung
166
vereinbart werden (vgl. nur Baumbach/Hopt, HGB, 32. Aufl. 2006, § 128, Rn. 38;
Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 1. Aufl. 2001, § 128, Rn. 14; Staub/Habersack, HGB,
4. Aufl. 1998-2004, § 128, Rn. 53). Das folgt auch aus einem Umkehrschluss aus § 128
S. 2 HGB. Da der Verzicht auf die persönliche Haftung die äußerst ungewöhnliche
Ausnahme darstellt, ist allerdings im Zweifel nicht davon auszugehen. Der Verzicht
muss vielmehr deutlich zum Ausdruck kommen (OLG München WM 2003, 1327). Eine
Vermutung spricht dagegen (so ausdr. Baumbach/Hopt, a.a.O.).
b) Die Zeugen M3 und Dr. I2 haben die Behauptung des Beklagten, dass die
Vermieterin auf eine persönliche Inanspruchnahme des Beklagten zu 1) verzichtet hätte,
im Rahmen ihrer Vernehmung vor dem Senat nicht bestätigt.
167
Der Zeuge M3 hat im Gegenteil glaubhaft bekundet, dass keine Nebenabreden zum
Mietvertrag getroffen worden seien und er insbesondere nicht für die N KG auf die
persönliche Haftung verzichtet oder diese ausgeschlossen hätte. Wie der Zeuge im
Einzelnen schlüssig und nachvollziehbar dargestellt hat, hätte er sich strafbar gemacht,
wenn er einen solchen im Prospekt der H2 AG zum N-Fonds Nr. ## nicht erwähnten
Verzicht ausgesprochen hätte. Die persönliche Haftung war für die Vermieterseite
danach zwar nicht entscheidend. Ihr kam es vielmehr maßgeblich auf die mit dem
Investorenkapital ausgestatte P5 GmbH an. Dass dies die persönliche Haftung des
Beklagten zu 1) als Gesellschafter der bei Vertragsabschluss als OHG strukturierten
Mieterin und auch die handelsrechtlich bestehende Nachhaftung unberührt lässt,
unterlag aus Sicht des Zeugen M3 aber keinem Zweifel.
168
Auch nach der Aussage des Zeugen Dr. I2, der die Verhandlungen auf der Mieterseite
geführt hatte, ist ein Verzicht auf die persönliche Inanspruchnahme des Beklagten zu 1)
nicht ausgesprochen worden. Über die persönliche Haftung des Beklagten zu 1) ist
danach vielmehr überhaupt nicht gesprochen worden.
169
c) Soweit der Beklagte sich zur Begründung eines Verzichts darauf stützt, dass der
Vermieterin (N KG) die gesellschaftsrechtlichen Konstruktionen und Pläne,
insbesondere der geplante Wechsel des Beklagten zu 1) in die Kommanditistenstellung,
bei Abschluss des Mietvertrages bekannt gewesen seien, kann das allein zur
Begründung einer Verzichtsvereinbarung nicht ausreichen. Allein der Kenntnis von
geplanten Umstrukturierungen kann ein dementsprechender Erklärungswert keinesfalls
entnommen werden. Eine von der gesetzlichen Haftungslage abweichende Regelung
ist dadurch nicht stillschweigend vereinbart worden.
170
6)
171
Auf Grundlage des vorgenannten Ergebnisses der Beweisaufnahme scheidet auch die
Annahme eines Fehlens der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 2 BGB) wegen
gemeinsamen Irrtums der Vertragsparteien über die Haftungslage, insbesondere die
persönliche (Nach)Haftung des Beklagten zu 1), aus. Dem Zeugen M3 war bewusst,
dass der Beklagte trotz des noch für die Zeit vor Beginn der Mietvertragslaufzeit
(01.01.1999) in Aussicht genommenen Wechsels in die Kommanditistenstellung
persönlich für die Verpflichtungen aus dem Mietvertrag einstehen muss und dies auch in
einer 5jährigen Nachhaftungszeit noch so sein werde. Ein gemeinschaftlicher Irrtum
über die haftungsrechtlichen Folgen des Geschäfts (vgl. dazu BGH NJW 1978, 370,
371; MünchKomm/Roth, BGB, 4. Aufl., § 313, Rn. 253, Fußn. 514) bestand also nicht.
Auf die Frage, ob die Fehlvorstellung eine grundsätzliche Frage betraf, auf die der
172
Parteiwille für beide Seiten erkennbar aufbaute, so dass sie ausnahmsweise zur
Geschäftsgrundlage erhoben worden sein könnte, kommt es danach nicht mehr an.
III)
173
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Kläger weder verpflichtet noch rechtlich
in der Lage, die N KG anstelle einer Inanspruchnahme des persönlich für die
Gesellschaftsschuld haftenden Beklagten auf die wohl in Höhe von ca. 3 Mio. €
bestehende Mietsicherheitsbürgschaft zu verweisen.
174
1) Nach § 43 InsO ist der Gläubiger (N KG) nicht gehindert, die Forderung gegen den
(Haupt-)Schuldner im Insolvenzverfahren voll geltend zu machen, wenn gleichzeitig
eine andere Person auf die ganze Leistung haftet (vgl. Braun/Bäuerle, InsO, 2. Aufl.
2004, § 43, Rn. 8). Der Verwalter hat demnach keine Möglichkeit, den Gläubiger auf
eine vorrangige Inanspruchnahme einer Bürgschaft zu verweisen. Die hier vorliegende
Mietsicherheitsbürgschaft unterfällt dem Anwendungsbereich des § 43 InsO. Für die
Bürgschaft gilt das immer dann, wenn dem Bürgen die Einrede der Vorausklage nach §
771 BGB nicht zusteht (Braun/Bäuerle, a.a.O., § 43, Rn. 2), was in der Insolvenz nach §
773 Abs. 1 Nr. 3 BGB der Fall ist (vgl. BGHZ 117, 127, 133 = NJW 1992, 2093, 2095;
MünchKomm/Lukowski/Bitter, InsO, 1. Aufl. 2001, § 43, Rn. 8).
175
2) Selbst wenn die N KG sich in Zukunft aus der Bürgschaft befriedigen sollte, würde
das für den Beklagten im Ergebnis nichts ändern. Die von der N KG angemeldete
Forderung würde dadurch nicht erlöschen, sondern gem. § 774 BGB auf den Bürgen
übergehen. Das würde wiederum den Bürgen gem. § 44 InsO zur Anmeldung
berechtigen. Für die so im Wege der cessio legis übergegangene Forderung haftet der
Beklagte zu 1) genauso persönlich nach § 128 HGB wie vor dem Forderungsübergang
(vgl. nur BGH NJW–RR 1993, 1377, 1378; Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 1. Aufl. 2001,
§ 128, Rn. 57), so dass der Kläger weiterhin gehalten wäre, die persönliche Haftung
über § 93 InsO geltend zu machen.
176
3) Auf die Auffassung des Beklagten, dass ein Verweis auf die Bürgschaft gerechtfertigt
wäre, weil ein Mietdifferenzschaden ohnehin nicht mehr entstehen könne (Schriftsatz v.
06.04.2005, Bl. 944 d.A.), kommt es bereits aus den vorgenannten Gründen nicht mehr
entscheidend an. Ein sog. Differenzschaden ist vorliegend im Übrigen nicht nur
denkbar, sondern wahrscheinlich: Die Fa. G2 GmbH & Co. KG schuldet als Miete
lediglich das jeweilige Betriebsergebnis, dass weit unter der monatlichen Miete in Höhe
von ca. 153.000 €, welche die Insolvenzschuldnerin zu zahlen hatte, liegen wird. Denn
das Kino konnte – unstreitig – mit der vorgenannten Miete nicht mehr wirtschaftlich
betrieben werden. Zudem lebt die Differenzhaftung unmittelbar wieder auf, sobald der
"Nachmieter" nicht mehr in der Lage ist, die Miete zu zahlen (vgl. OLG Düsseldorf ZMR
2001, 528, 529; Pietz/Leo, in: Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete, 1.
Aufl. 2006, Kap. 16, Rn. 302). Die Bürgschaft in Höhe von ca. 3 Mio. € wäre dann bereits
nach 20 Monaten verbraucht. Dass sich dieser Schaden innerhalb der bis zum
31.12.2018 fest abgeschlossenen Mietzeit (§ 2 des Mietvertrages, Anl. B 2) ohne
weiteres realisieren kann, liegt auf der Hand.
177
4) Die Billigkeitserwägungen, mit denen der Beklagte seine Auffassung zu stützen sucht
(Schriftsatz v. 06.04.2005, Bl. 945 d.A.), gehen von unzutreffenden Voraussetzungen
aus. Entgegen dem Ansatz des Beklagten kommt der von ihm über § 93 InsO
eingezogene Betrag nicht der Masse, sondern ausschließlich der Gläubigerin N KG
178
zugute (s.o.), so dass deren Forderung erlischt und kein Anlass für die Befürchtung einer
"doppelten Inanspruchnahme" von Hauptschuldner und Bürgen besteht.
III)
179
Der Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) im Hinblick auf das vor dem LG
Hamburg anhängige Verfahren gegen die Privatinvestoren über mehr als 20 Mio. € steht
dem Klageanspruch nicht entgegen.
180
1) Der Verwalter ist im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer
Personengesellschaft allerdings nach § 242 BGB gehindert, die persönliche Haftung
des Gesellschafters über § 93 InsO in einer Höhe geltend zu machen, die über den zur
Gläubigerbefriedigung erforderlichen Betrag hinaus geht (MünchKomm/Brandes, InsO,
§ 93, Rn. 25; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 12. Aufl., § 93, Rn. 25; Kübler/Prütting/Lüke, InsO,
§ 93, Rn. 22; Heidelberger Kommentar (HK)/Eickmann, InsO, § 93, Rn. 7; Fuchs ZIP
2000, 1089, 1090). Da er den nach Ende der Schlussverteilung verbleibenden
Überschuss nach § 199 S. 2 InsO an die Gesellschafter auskehren muss, wobei vorab
die nach § 93 InsO in Anspruch genommenen Gesellschafter zu entschädigen sind (vgl.
Fuchs ZIP 2000, 1089, 1096), handelt er rechtsmissbräuchlich, wenn er die Summe der
Insolvenzforderungen, für die eine persönliche Haftung besteht, einfordert, ohne zuvor
den Liquidationswert der vorhandenen Masse abzuziehen (MünchKomm/Brandes
a.a.O.). Er darf nur insoweit gegen den persönlich haftenden Gesellschafter vorgehen,
als die Insolvenzmasse der Gesellschaft die Verbindlichkeiten nicht deckt
(Uhlenbruck/Hirte, a.a.O). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der voraussichtlich
zur Verfügung stehenden Insolvenzmasse ist die Verfahrenseröffnung
(K. Schmidt/Bittner ZIP 2000, 1077, 1087; Uhlenbruck/Hirte, a.a.O.; HK-Eickmann
a.a.O.), wobei die Eröffnungsbilanz ggf. im Laufe des Verfahrens anzupassen sein wird
(Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 93, Rn. 23). Bei der Frage, welche Werte zugrunde zu
legen sind, steht dem Insolvenzverwalter ein Einschätzungsermessen zu
(Uhlenbruck/Hirte, a.a.O.; Fuchs ZIP 2000, 1089, 1095). Daraus folgt, dass der Einwand
des § 242 BGB nur dann greift, wenn der Verwalter offensichtlich nicht benötigte
Beträge geltend macht (HK-Eickmann, § 93, Rn. 7) bzw. offensichtlich
rechtsmissbräuchlich handelt (Kübler/Prütting/Lüke, a.a.O., § 93, Rn. 22).
181
2) Gemessen an diesen Grundsätzen kann der Einwand des Rechtsmissbrauchs
vorliegend nicht durchgreifen:
182
a) Der Kläger hat – seiner substantiierten Behauptungslast entsprechend (vgl.
MünchKomm/Brandes, InsO, § 93, Rn. 25) – im Einzelnen vorgetragen, warum er die
gegen die Privatinvestoren eingeklagten Schadensersatzforderungen in der
Vermögensbilanz nach § 153 InsO lediglich mit 25 % der Klageforderungen bewertet
hat. Er hat dazu insbesondere darauf hingewiesen, dass es in dem angesprochenen
Rechtsstreit um eine Vielzahl höchstrichterlich nicht geklärter Fragen gehe, dass es
daneben in großem Umfang auf wirtschaftliche Würdigungen und tatsächliche
Feststellungen ankomme, wobei er die volle Darlegungs- und Beweislast trage, dass
die mögliche Vollstreckung größtenteils im Ausland stattfinden würde, was zu weiteren
Unwägbarkeiten führe, und dass der Gegenseite auf dieser Grundlage bereits ein
Vergleichsangebot auf Basis einer Zahlung von 25 % der Klagesummen unterbreitet
worden sei. Diese Erwägungen sind nicht zu beanstanden. Zumindest hat der Kläger
das ihm bei der Erfolgsprognose zustehende Ermessen (s.o.) nicht überschritten. Dass
es sich bei dem Verfahren gegen die Investoren um einen sowohl tatsächlich als auch
183
rechtlich komplexen und schwierigen Rechtsstreit handelt, erschließt sich ohne weiteres
bei Lektüre der 66seitigen Klageschrift (Bl. 797-862 d.A.). Die Annahme "überragender
Erfolgsaussichten" im Erkenntnis- wie im Vollstreckungsverfahren (Bl. 1641 d.A.) lässt
sich danach nicht auf belastbare Tatsachen stützen. Jedenfalls kann entgegen der
Auffassung des Beklagten ersichtlich nicht ohne weiteres als nahezu sicher unterstellt
werden, dass die Klage vollumfänglich zum Erfolg führen wird.
b) Der Sache nach beruht der – in der Fachliteratur von diesen Grundlagen etwas
"abgehobene" – Einwand schlicht auf der als Fallgruppe des Rechtsmissbrauchs nach
§ 242 BGB anerkannten Einrede "dolo agit, quit petit, quod statim redditurnus est".
Diese besagt, dass der Gläubiger keine Leistung fordern darf, die alsbald
zurückzugewähren wären (vgl. BGHZ 10, 75; 79, 204, 94, 246; Palandt/Heinrichs, § 242,
Rn. 52). Der Kläger hätte dem Beklagten – bei Erfolg der Klage gegen die Investoren -
nach der Schlussverteilung gem. § 199 S. 2 InsO ggf. einen (Teil-)Betrag zurück zu
gewähren. Da ohne weiteres zu erwarten ist, dass die Klage durch alle Instanzen über
jedenfalls etliche Jahre gehen wird und sich daran eine Auslandsvollstreckung
anzuschließen hat, ist bereits die "alsbaldige" Rückgewährpflicht zu bezweifeln. Der
dolo-agit-Einwand setzt nach allgemeinen prozessrechtlichen Grundsätzen zudem
voraus, dass die Rückgewährforderung fest steht, zumindest aber so wahrscheinlich ist,
dass der Insolvenzverwalter ohne weiteres davon ausgehen kann, dass er die hier
eingeforderten Beträge zur Gläubigerbefriedigung gar nicht benötigen wird. Davon kann
hier keine Rede sein.
184
c) Der Kläger würde im Übrigen Gefahr laufen, gegen sein Pflichten als
Insolvenzverwalter zu verstoßen und sich den Gläubigern gegenüber für dadurch ggf.
entstehende Schäden ersatzpflichtig zu machen (§ 60 InsO), wenn er die
Nachhaftungsansprüche gegen den Beklagten derzeit zurück stellen würde, die Masse
zur Befriedigung aller Gläubiger aber letztlich doch nicht ausreicht, weil die Klage gegen
die Privatinvestoren aus tatsächlichen, rechtlichen oder in der Zwangsvollstreckung
liegenden Gründen nicht zum (vollen) Erfolg führt. Der Verwalter ist nämlich verpflichtet,
die Ansprüche gegen persönlich haftende Gesellschafter über § 93 InsO möglichst
frühzeitig zur Masse zu ziehen (vgl. Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 93, Rn. 20 sowie
Nachw. o.). Tut er das aufgrund einer – im Nachhinein – zu positiven Erfolgsprognose
hinsichtlich weiterer für die Masse zu realisierender Ansprüche gegen Dritte nicht, steht
zu befürchten, dass eine Beitreibung bei dem persönlichen haftenden Gesellschafter
mittlerweile weniger Erfolg verspricht, weil sämtliche Privatgläubiger, für die die
Sperrwirkung des § 93 InsO nicht gilt, in der Zwischenzeit vollstrecken konnten (vgl.
Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 93, Rn. 21; Fuchs ZIP 2000, 1089; K. Schmidt ZGR 1996,
209, 217).
185
d) Schutzwürdige Interessen des persönlich haftenden Gesellschafters werden durch
die frühzeitige Geltendmachung ihrer persönlichen Haftung über § 93 InsO nicht
beeinträchtigt. Die persönliche Haftung besteht gegenüber den Gesellschaftsgläubigern
auch außerhalb der Insolvenz unabhängig von der Leistungsfähigkeit der Gesellschaft
in voller Höhe. Der in Anspruch genommene Gesellschafter erlangt lediglich einen
Erstattungsanspruch nach § 110 HGB bzw. beim ausgeschiedenen Gesellschafter
analog § 738 Abs. 1 S. 2 BGB (vgl. Staub/Habersack, a.a.O., § 128, Rn. 45 m.w.N.), den
er nachträglich im Regress gegen die Gesellschaft durchsetzen muss. Es ist kein Grund
ersichtlich, den persönlich haftenden Gesellschafter in der Insolvenz noch weiter, als
§ 242 BGB dies nach den o.g. Kriterien ermöglicht, zu schützen. Davon ging
augenscheinlich auch die Regierungsbegründung zu § 93 InsO aus, nach der der
186
Verwalter keine Zahlungen geltend machen dürfe, die "bei Berücksichtigung des
Liquidationswertes der bereits vorhandenen Masse zur Befriedigung aller
Insolvenzgläubiger" nicht erforderlich sind (BT-Drs. 12/2443, S. 140).
3) Auch der Antrag auf Vorlegung der Handakten zum Prozess vor dem Landgericht
Hamburg (Schriftsatz v. 23.02.2006, Bl. 1641 d.A.) kann dem Beklagten nicht zum Erfolg
verhelfen. Es fehlt bereits an den Vorlegungsvoraussetzungen der §§ 421 f. ZPO, weil
es sich nicht um Urkunden handelt, auf die der Kläger sich zur Beweisführung berufen
hat (§ 423 ZPO); auch besteht kein zivilrechtlicher Anspruch des Beklagten auf
Herausgabe (§ 422 ZPO). Der Antrag geht zudem deshalb ins Leere, weil es rechtlich
nicht entscheidend auf die unter Beweis gestellte Tatsache ankommt. Die Vorlage soll
dazu dienen, dass der Senat dadurch selbst die überragenden Erfolgsaussichten
beurteilen kann. Nach der oben dargestellten Rechtslage kommt es aber zunächst auf
die Beurteilung durch den Insolvenzverwalter an, der die ihn leitenden Gesichtspunkte
substantiiert darlegen muss, dessen Beurteilung dann aber lediglich auf offensichtliche
Ermessensfehler zu überprüfen ist (s.o.). Diesen Anforderungen ist der Kläger
nachgekommen (s.o.). Beurteilungsmängel sind in keiner Weise ersichtlich.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung ist grundsätzlich die Verfahrenseröffnung
(s.o.). Zu diesem Zeitpunkt muss der Insolvenzverwalter über die Geltendmachung von
Ansprüchen nach § 93 InsO entscheiden. Keinesfalls darf die Darlegungslast so weit
überspannt werden, dass die Durchsetzung der Ansprüche gegen persönlich haftende
Gesellschafter dadurch behindert wird (so ausdr. Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 93, Rn.
24). Die vorgenannten Erwägungen gelten entsprechend für den Antrag auf Einholung
eines Rechtsgutachtens (Schriftsatz v. 23.02.2006, Bl. 1641).
187
IV)
188
Der Einwand des Beklagten, dass die kinotechnische Einrichtung zu Liquidationswerten
und damit seiner Auffassung nach weit unter Wert an die Vermieterin veräußert worden
sei, steht dem Erfolg der Klage im Ergebnis unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt
entgegen.
189
1) Die Klageforderung ist nicht durch eine konkludent erklärte Aufrechnung mit
eventuellen Schadensersatzansprüchen aus der Veräußerung des Inventars erloschen
(§§ 389, 387 BGB). Insoweit fehlt es bereits an der nach § 389 BGB erforderlichen
Gegenseitigkeit der Ansprüche. Der Vorwurf, der der Einwendung zugrunde liegt, richtet
sich unmittelbar an den Insolvenzverwalter. Das ist auch konsequent. Denn die
Verwertung und Abrechnung der dem Vermieterpfandrecht (§§ 578 Abs.1, 562 BGB)
und damit der Absonderung (§ 50 InsO) unterliegenden Gegenstände gehört zu den
ureigensten Aufgaben des Verwalters (§§ 166 f. InsO). Eine in diesem Zusammenhang
begangene Pflichtverletzung kann zur Haftung des Verwalters persönlich führen (§ 60
InsO). Haftungsrechtlich streng davon zu unterscheiden sind Ansprüche gegen die
Masse (vgl. z.B. BGH NJW-RR 2006, 694, 696; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl.
2003, § 60, Rn. 2; Smid/Smid, InsO, 2. Aufl. 2001, § 60, Rn. 28), deren Haftung in
analoger Anwendung des § 31 BGB bei unerlaubten Handlungen oder sonstigen
Pflichtverletzungen des Verwalters in Betracht (sehr str.; vgl. MünchKomm/Reuter, BGB,
5. Aufl. 2006, § 31, Rn. 18; MünchKomm/Brandes, InsO, 1. Aufl. 2001, § 60, Rn. 112;
Uhlenbruck/Uhlenbruck, a.a.O.; Palandt/Heinrichs, BGB, § 31, Rn. 3). Mit eventuellen
Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter persönlich oder die Masse könnte der
Beklagte indes nicht mit gegenüber der Klagerforderung aufrechen. Vorliegend klagt der
Insolvenzverwalter im Wege der gesetzlichen Prozessstandschaft (§ 93 InsO) ein
190
fremdes Recht in eigenem Namen ein. Dabei handelt es sich um einen Anspruch der N
KG als Insolvenzgläubigerin aus §§ 535 Abs. 2 BGB, 128 S. 1, 160 Abs. 3 HGB. Ein
Gegenanspruch gegen die N KG, auf den es im Rahmen der Prozssstandschaft
jedenfalls im Grundsatz ankommt (vgl. MünchKomm/Schlüter, BGB, 4. Aufl., § 387, Rn.
14, 23; Ausnahmen beim Kostenerstattungsanspruch, vgl. OLG Hamm r + s 1997, 527,
und nach § 242 BGB, s.u.), steht dem Beklagten aber ersichtlich nicht zu. In Betracht
käme insoweit lediglich ein Anspruch aus § 826 BGB wegen vorsätzlich sittenwidriger
Schädigung im Zusammenwirken mit dem Kläger. Die Voraussetzungen eines solchen
Anspruchs lassen sich indes nicht feststellen. Der Beklagte stützt sich zwar ausdrücklich
auf § 826 BGB. Sein Vortrag ist aber bereits deshalb unschlüssig, weil er sich selbst
darauf bezieht, dass der Kläger die für die Masse günstige Situation, in der die N KG
angeblich jeden Preis zu zahlen bereit gewesen sein müsste, "entweder nicht erkannt
oder aber erkannt und deswegen nicht ausgenutzt [hat], weil er mit der N KG dealte"
(Schriftsatz v. 23.02.2006, Bl. 1654/1655 d.A.). Bei der ersten Alternative läge aber
lediglich Fahrlässigkeit und keine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung vor. In Bezug
auf die N KG bleibt der Vorwurf kollusiven Verhaltens zum Nachteil des persönlich
haftenden Beklagten zudem ohnehin rein spekulativ. Greifbare Anhaltspunkte, die eine
derartige Feststellung rechtfertigen könnten, bestehen nicht.
2) Für ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB), das gleichfalls die Gegenseitigkeit der
Ansprüche voraussetzt (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 273, Rn. 6), gelten die
vorstehenden Erwägungen entsprechend.
191
3) Denkbar wäre allenfalls dass der Beklagte dem Kläger im Hinblick auf
Schadensersatzansprüche gegen ihn persönlich oder gegen die Masse den Einwand
des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegen halten könnte, wenn der Beklagte
zunächst einen Betrag – zugunsten der N KG zur Masse zahlen müsste, den der
Insolvenzverwalter eine persönliche Haftung nach § 60 InsO unterstellt ihm sodann
wieder zu erstatten hätte. Ob ein rechtserheblicher Einwand unter diesem Gesichtspunkt
tragfähig begründet werden könnte, bedarf letztlich keiner Entscheidung, weil
Ersatzansprüche aus § 60 InsO nicht bestehen. Eine Verletzung der ihm als
Insolvenzverwalter obliegenden Pflichten des Klägers bei Verwertung des Inventars aus
dem Multiplexkino "L" in E kann nicht festgestellt werden.
192
a) Zu den insolvenzspezifischen Pflichten des Verwalters gehört allerdings die
möglichst günstige Verwertung der Insolvenzmasse (vgl. MünchKomm/Brandes, InsO,
§ 60, Rn. 31; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 60, Rn. 12). Gegenüber dem persönlich
haftenden Gesellschafter der Schuldnerin trifft ihn dementsprechend die Verpflichtung,
so weit wie möglich für eine Reduzierung der persönlichen Einstandspflicht Sorge zu
tragen (vgl. OLG Hamm NZI 2001, 373). Der Verwalter darf insbesondere kein Angebot
ausschlagen, das der Masse einen höheren Erlös zugeführt hätte (BGH ZIP 1985, 423,
426; kritisch dazu Merz KTS 1989, 277, 285; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 60, Rn. 5).
193
b) Es lässt sich jedoch nicht objektiv feststellen, dass bei der Verwertung des
Kinoinventars ein höherer Erlös als der tatsächlich erreichte Liquidationswert zu
erzielen gewesen wäre.
194
aa) Der Beklagte weist im Ansatzpunkt nicht unzutreffend darauf hin, dass die N KG als
Eigentümerin der Kinoimmobilie ein ganz erhebliches Interesse daran hatte, den Betrieb
mit einer neuen Betreibergesellschaft fortzusetzen. Dazu benötigte sie das Inventar.
Daraus folgert der Beklagte, dass der Kläger den Preis einseitig habe diktieren können
195
und die N KG jeden Preis hätte akzeptieren müssen (vgl. z.B. Schriftsatz v. 23.02.2006,
Bl. 1643-1645 d.A.).
bb) Diese Betrachtungsweise lässt jedoch die auch auf Seiten des Klägers
vorhandenen Interessenbindungen und die rechtlichen Konsequenzen des aus dem
Vermieterpfandrecht der N KG folgenden Absonderungsrechtes unberücksichtigt. Die
Verhandlungsposition des Klägers war erheblich geschwächt, weil die N KG keinen
Konkurrenten hatte, der bereit gewesen wäre, mehr als die Liquidationswerte zu zahlen
(1). Aufgrund des Vermieterpfandrechts bestand auch nie die ernsthafte Gefahr, dass
das Inventar ohne den Willen der N KG zu Liquidationswerten an Dritte veräußert
worden wäre (2). Für die Insolvenzmasse war es zudem vorrangig und wichtig, dass das
Kino durch einen anderen Betreiber fortgeführt werden würde (3).
196
(1) Die Eigentümerin und Vermieterin (N KG) mag zwar selbst ein erhebliches Interesse
am Erwerb des Inventars zur Fortführung des Kinobetriebes gehabt haben. Sie hatte
aber andererseits – unstreitig keinen einzigen "Konkurrenten", der auch nur
ansatzweise hätte bereit sein können, mehr als die Liquidationswerte für die Einrichtung
zu zahlen. Denn für alle anderen potentiellen Interessenten wäre eine "Fortführung" und
ein Belassen des Inventars im Mietobjekt nicht in Betracht gekommen. Die allein als
Nachfolgebetreiber gewonnene Fa. G2 war unstreitig weder bereit noch in der Lage, das
Inventar zu erwerben. Der Kläger verweist daher zu Recht darauf, dass weder die N KG
zu einer höheren Zahlung bereit gewesen noch ein anderer Interessent vorhanden
gewesen sei.
197
(2) Das Inventar unterlag dem Vermieterpfandrecht, so dass der N KG ein
Absonderungsrecht nach § 50 InsO zustand. Zunächst stand das Verwertungsrecht bis
zur Beendigung des Mietverhältnisses und der Rückgabe der Mietsache zum
30.09.2004 – dem Kläger zu (§ 166 Abs. 1 InsO). Danach ist es, weil der Kläger nicht
mehr Besitzer war, nach § 173 InsO auf die N KG selbst übergegangen. In beiden Fällen
konnte die N KG sicher sein, dass das Inventar nicht ohne ihre Kenntnis an einen Dritten
veräußert werden würde. Solange der Kläger noch zur Verwertung befugt war, musste
er die N KG vor einer freihändigen Veräußerung an Dritte aufgrund des
Absonderungsrechts informieren und Gelegenheit zur Äußerung geben (§ 168 InsO). Da
ein Interessent allenfalls auf Basis der Liquidationswerte hätte gefunden werden
können, hätte die N KG immer noch über § 168 Abs. 3 InsO die faktische Möglichkeit
gehabt, auf dieses Angebot zu reagieren und das Inventar selbst – in etwa zu
Liquidationswerten – zu übernehmen. Entgegen der Auffassung des Beklagten, ist
daher nicht ersichtlich, wie der Kläger angesichts dessen hätte "Druck ausüben" sollen.
In der Zeit nach Rückgabe der Mietsache war die N KG im Besitz des Inventars. Da ihr
das Verwertungsrecht nunmehr selbst nach § 173 InsO zustand, hätte sie zudem die
Möglichkeit gehabt, das Inventar in einer öffentlichen Versteigerung selbst zu erwerben
(§ 1239 BGB). Ein höheres Entgelt hätte sie dafür nicht aufwenden müssen. Denn kein
Dritter wäre bereit gewesen, über die Liquidationswerte hinaus zu gehen. Das
"Ausnutzen" der wesentlich höheren Fortführungswerte war nämlich ausschließlich der
N KG als Eigentümerin der Kinoimmobilie möglich.
198
(3) Hinzu kommt, dass der Kläger selbst ein ganz erhebliches Interesse an der (nahezu)
unmittelbaren Fortführung des Kinobetriebs mit einem anderen Betreiber haben musste,
was eine Einigung über das Inventar voraussetze. Auf die Insolvenzmasse wären bei
einer Betriebsstillegung immense Kosten zugekommen. Diese waren bereits in einem
Sozialplan festgeschrieben. Sie würden aber entfallen, wenn eine Betriebsfortführung
199
gelingt, weil dann insbesondere § 613a BGB eingreift und die Arbeitsverhältnisse auf
den neuen Inhaber und Betreiber übergehen. § 613a BGB kann nach den Umständen
des Einzelfalls zwar auch bei einer kurzfristigen Unterbrechung des Betriebs anwendbar
sein, nicht aber bei einer zunächst erfolgten Stillegung (vgl. BAG NJW 2000, 3236;
Palandt/Weidenkaff, a.a.O., § 613a, Rn. 13).
III.
200
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Tenor war aufgrund
einer offenbaren Unrichtigkeit hinsichtlich des Datums der angefochtenen Entscheidung
zu berichtigen (§ 319 Abs. 1 ZPO).
201
IV.
202
Der Senat lässt die Revision nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, beschränkt auf die
Prozessführungsbefugnis des Klägers als Prozessvoraussetzung (vgl. Musielak/Weth,
ZPO, 5. Aufl 2007, § 51, Rn. 15), zu. Die Folgen der in der Lebenswirklichkeit vielfach
eintretenden Doppelinsolvenz der zweigliedrigen GmbH & Co. KG werden in der
Literatur streitig diskutiert (s. Nachw. o.). Die Frage, ob sich daraus Folgerungen für die
Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters nach § 93 InsO ergeben, hat
grundsätzliche, über den zu entscheidenden Fall hinaus gehende Bedeutung. Die
Zulassung der Revision wird auf diese Prozessvoraussetzung beschränkt (vgl. zu dieser
Befugnis BGH NJW 1990, 1795, 1797; 1995, 3186; Musielak/Ball, a.a.O., § 543, Rn. 12).
203