Urteil des OLG Hamm vom 23.11.2010

OLG Hamm (uwg, treu und glauben, entgelt, anlage, verhältnis zwischen, einstweilige verfügung, rechtsmissbrauch, negative feststellungsklage, abmahnung, widerklage)

Oberlandesgericht Hamm, I-4 U 136/10
Datum:
23.11.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-4 U 136/10
Vorinstanz:
Landgericht Bielefeld, 12 O 43/10
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15. Juni 2010 verkündete
Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld
teilweise abgeändert.
Die Klägerin wird verurteilt, bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall
der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,
EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu
vollstrecken an ihrem Geschäftsführer , es zu unterlassen, im Rahmen
geschäftlicher Handlungen bei Fernabsatzverträgen über
Druckerzubehör ihren Kunden ein Entgelt für die Abgabe einer
Bewertung auf dem Meinungsportal D in Aussicht zu stellen, so wie in
ihrem Newsletter vom 15.03.2010 gemäß Anlage B 9 geschehen, wenn
bei D nicht darauf hingewiesen wird, dass die entsprechenden
Bewertungen und Erfahrungsberichte gegen Entgelt erfolgt sind.
Die Klägerin wird verurteilt, der Beklagten Auskunft über den bisherigen
Umfang der im Unterlassungsantrag beschriebenen Handlungen zu
erteilen.
Es wird festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten
sämtliche Schäden zu ersetzen, welche dieser aus den im
Unterlassungsantrag beschriebenen Handlungen bereits entstanden
sind oder noch entstehen werden.
Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagte 1.379,80 EUR nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
hieraus seit dem 08. Mai 2010 zu zahlen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 2/3 und die
Beklag-te 1/3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der
Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 75.000,- EUR
abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit
in gleicher Höhe leistet.
Gründe:
1
A.
2
Sowohl die Klägerin als auch die Beklagte vertreiben über das Internet u.a.
Druckerzubehör. Die Klägerin übersandte an ihre Kunden am 03.11.2009 einen
Newsletter, in dem es u.a. wie folgt heißt:
3
a. Zwangsräumung! 95 % sparen
b. …
c. 33 x Testsieger
d. …
e. 25 % zusätzlicher Sonderrabatt
4
5
Im Folgenden erläuterte die Klägerin die Gliederungspunkte a. – e. Der erläuternde Text
zu dem Gliederungspunkt e. lautet wie folgt:
6
e. 25 % zusätzlicher Sonderrabatt
7
Sie sind von uns begeistert oder wollen einfach Ihre Meinung über uns mit anderen
teilen? Wenn Sie innerhalb von 90 Tagen nach Erhalt unserer Waren eine Bewertung
auf dem folgenden Meinungsportal abgeben
8
"internetadresse"
9
und uns eine Kopie der Bewertung per Email an "internetadresse" senden, erhalten
Sie von uns nachträglich einmalig einen Preisrabatt von 10 % auf den Warenwert
Ihrer letzten Bestellung (Überweisung auf Ihr Konto).
10
25 % extra Sonderrabatt: Sollte Ihr Bericht von der D Gemeinde als mindestens
durchschnittlich "hilfreich" bewertet werden, erhalten Sie sogar 25 % Rabatt auf den
Warenwert Ihrer letzten Bestellung (Überweisung auf Ihr Konto).
11
Die Klägerin übersandte ihren Kunden am 04.11.2009 einen weiteren Newsletter, der –
soweit es um die Aussage zum Testsieger sowie zum zusätzlichen Sonderrabatt geht –
einen gleichlautenden Inhalt hat wie der Newsletter vom 03.11.2009. Die Beklagte ließ
die Klägerin mit Blick auf die Testsiegerwerbung am 09.11.2009 abmahnen und zur
Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auffordern.
Mit an das Landgericht G gerichtetem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
vom 24.11.2009 nahm sie die Kägerin in Anspruch, es im Rahmen geschäftlicher
12
Handlungen bei Fernabsatzverträgen über Druckerzubehör zu unterlassen, die
angebotenen Produkte mit der Aussage "33 x Testsieger …" zu bewerben. Das
Landgericht G erließ am 01.12.2009 antragsgemäß die Beschlussverfügung. Am
15.03.2010 richtete die Klägerin an 6.000.000 Empfänger einen Newsletter, in dem
unter Punkt e. wiederum der wortgleiche Text wie in den Newslettern vom 03. und
04.11.2009 zu lesen war. Da die Nutzer des Bewertungsportals D keinen Hinweis auf
das Versprechen der Klägerin, ihren Kunden für eine Bewertung einen Rabatt von 10 %
einzuräumen, erhielten, beanstandete die Beklagte mit an die Klägerin gerichtetem
Abmahnschreiben vom 17.03.2010 die Werbung als irreführend. Die Klägerin gab die
beanspruchte strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht ab.
Die Klägerin hat beantragt,
13
1.
14
festzustellen, dass die Beklagte keinen Anspruch gegenüber der Klägerin hat,
dass es diese zu unterlassen habe, im geschäftlichen Verkehr im Rahmen
geschäftlicher Handlungen bei Fernabsatzverträgen über Druckerzubehör ihren
Kunden ein Entgelt für die Abgabe einer Bewertung auf dem Meinungsportal D
in Aussicht zu stellen, wenn bei D nicht darauf hingewiesen wird, dass die
entsprechenden Bewertungen und Erfahrungsberichte gegen Entgelt erfolgt
sind,
15
2.
16
festzustellen, dass die Beklagte keinen Anspruch gegenüber der Klägerin hat,
dass diese sämtliche Erfahrungsberichte bei D, für die ein Entgelt gezahlt
wurde, ohne dass dort auf die Entgeltlichkeit hingewiesen wird, unverzüglich zu
entfernen,
17
3.
18
festzustellen, dass die Beklagte keinen Anspruch gegenüber der Klägerin hat,
dass diese einen Schaden zu ersetzen hat, welcher der Beklagten aus dem im
Klageantrag zu 1. beschriebenen Handlung bereits entstanden ist oder
zukünftig noch entstehen wird,
19
4.
20
festzustellen, dass die Beklagte keinen Anspruch gegenüber der Klägerin hat,
dass diese Auskunft über die Art und den Umfang der bisherigen Benutzung der
im Klageantrag zu 1. beschriebenen Handlung zu erteilen hat,
21
5.
22
festzustellen, dass die Beklagte keinen Anspruch gegenüber der Klägerin hat,
dass diese die Kosten, die durch die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts
entstanden sind, nach Maßgabe einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr gemäß Nr.
2300 VV RVG zzgl. Auslagenpauschale aus einem Streitwert von 50.000,- € zu
tragen hat.
23
Die Beklagte hat beantragt,
24
die Klage abzuweisen.
25
Widerklagend hat sie beantragt,
26
1.
27
die Klägerin zu verurteilen, bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000, €,
ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten – zu
vollstrecken an ihrem Geschäftsführer -, es zu unterlassen, im Rahmen
geschäftlicher Handlungen bei Fernabsatzverträgen über Druckerzubehör ihren
Kunden ein Entgelt für die Abgabe einer Bewertung auf dem Meinungsportal D
in Aussicht zu stellen, so wie in ihrem Newsletter vom 15.03.2010 gemäß
Anlage B9 geschehen, wenn bei D nicht darauf hingewiesen wird, dass die
entsprechenden Bewertungen und Erfahrungsberichte gegen Entgelt erfolgt
sind,
28
2.
29
die Klägerin zu verurteilen, den von ihr durch die im Unterlassungsantrag
beschriebenen Handlungen bereits geschaffenen Zustand, nämlich dass
gegenwärtig Bewertungen und Erfahrungsberichte bei D veröffentlicht sind, für
die von ihr ein Entgelt gezahlt wurde ohne dass hierauf bei D hingewiesen
wurde, zu beseitigen,
30
3.
31
die Klägerin zu verurteilen, der Beklagten Auskunft über den bisherigen Umfang
der im Unterlassungsantrag beschriebenen Handlungen zu erteilen,
32
4.
33
festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten sämtliche
Schäden zu ersetzen, welche dieser aus den im Unterlassungsantrag
beschriebenen Handlungen bereits entstanden sind oder noch entstehen
werden,
34
5.
35
Die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 1.379,80 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit
Rechtshängigkeit der Widerklage zu zahlen.
36
Die Klägerin hat beantragt,
37
die Widerklage abzuweisen.
38
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils
verwiesen.
39
Das Landgericht hat sowohl die Klage als auch die Widerklage abgewiesen. Die
negative Feststellungsklage sei unzulässig, weil sie sich auf ein Negieren der mit der
Widerklage verfolgten Ansprüche beschränke. Die Widerklage sei unbegründet. Die
Beklagte habe gegen die Klägerin keinen Unterlassungsanspruch. Es spreche zwar
Vieles dafür, dass die Klägerin mit dem Rabattversprechen eine irreführende
geschäftliche Handlung vorgenommen habe. Einer abschließenden Beurteilung bedürfe
dies aber nicht, weil die Verfolgung des Anspruchs rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 8 Abs.
4 UWG sei. Ohne sachlichen Grund habe die Beklagte Werbeaussagen eines
einheitlichen Werbetextes in getrennten Verfahren beanstandet. Die gesamten
Umstände sprächen dafür, dass das getrennte Verfolgen wettbewerbsrechtlicher
Unterlassungsansprüche vorliegend dazu gedient habe, Aufwendungsersatzansprüche
entstehen zu lassen. Die Missbräuchlichkeit stehe auch einem Beseitigungsanspruch
der Beklagten entgegen. Dementsprechend kämen auch Schadensersatzansprüche,
Auskunftsansprüche und Ansprüche auf Ersatz der Abmahnkosten nicht in Betracht.
40
Gegen dieses Urteil richtet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie sich gegen
die Abweisung der Widerklage richtet. Zur Begründung führt sie aus, das Landgericht
habe sich bei Beurteilung der Frage des Rechtsmissbrauchs nicht hinreichend mit der
Erläuterung für die getrennte Vorgehensweise auseinandergesetzt.
41
Sie - die Beklagte - habe insbesondere unwidersprochen darauf hingewiesen, dass im
Gegensatz zur Testsiegerwerbung die Werbung bei D bereits seit geraumer Zeit
stattfinde, so dass die Eilbedürftigkeit in beiden Fällen unterschiedlich habe beurteilt
werden müssen. Es sei also sachbezogen und sogar geboten gewesen, nicht beide
Verstöße in einem gemeinsamen Eilverfahren geltend zu machen, sondern die
einstweilige Verfügung nur auf den wirklich neuen und damit dringlichen Fall zu
beschränken.
42
Außerdem müsse es der freien Entscheidung des Anspruchsberechtigten überlassen
bleiben, ob er einen Wettbewerbsverstoß zunächst im Eilverfahren verfolge, einen
anderen Wettbewerbsverstoß hingegen sogleich im Hauptsacheverfahren. Da es sich
vorliegend auch um die Beseitigung einer bereits eingetretenen Beeinträchtigung
handele, sei hier ein Eilverfahren von vornherein ausgeschlossen gewesen.
43
Im Übrigen fehle es an der zeitlichen Nähe, die typischerweise eine
rechtsmissbräuchliche Aufspaltung kennzeichne. Während die Abmahnung mit Blick auf
die Testsiegerwerbung am 09.11.2009 erfolgt sei, sei die Abmahnung für die
streitgegenständliche Beanstandung erst vier Monate später, nämlich am 17.03.2010
verschickt worden, nachdem die Beklagte sich abschließend entschlossen hätte, die
besagte Wettbewerbsverletzung nicht länger hinzunehmen, sondern umfassend zu
bekämpfen.
44
Auch nach dem Urteil des Senats vom 21.01.2010 (4 U 168/09) solle es nicht
rechtsmissbräuchlich sein, wenn sich ein Anspruchssteller zunächst auf einen
vordringlich festgestellten Wettbewerbsverstoß konzentriere, ohne die Seiten des
Konkurrenten auf jeden denkbaren weiteren Verstoß hin zu überprüfen, um diesen
sogleich mit geltend machen zu können.
45
Die Kostenentscheidung in dem angefochtenen Urteil sei auf jeden Fall fehlerhaft. Es
hätte zumindest eine Quotierung erfolgen müssen.
46
Nach Rücknahme des Berufungsantrages zu 2. (ursprünglicher Widerklageantrag zu 2.)
beantragt die Beklagte nunmehr,
47
in teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils
48
1.
49
die Klägerin zu verurteilen, bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000, €,
ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten – zu
vollstrecken an ihrem Geschäftsführer -, es zu unterlassen, im Rahmen
geschäftlicher Handlungen bei Fernabsatzverträgen über Druckerzubehör ihren
Kunden ein Entgelt für die Abgabe einer Bewertung auf dem Meinungsportal D
in Aussicht zu stellen, so wie in ihrem Newsletter vom 15.03.2010 gemäß
Anlage B9 geschehen, wenn bei D nicht darauf hingewiesen wird, dass die
entsprechenden Bewertungen und Erfahrungsberichte gegen Entgelt erfolgt
sind,
50
2.
51
52
3.
53
die Klägerin zu verurteilen, der Beklagten Auskunft über den bisherigen Umfang
der im Unterlassungsantrag beschriebenen Handlungen zu erteilen,
54
4.
55
festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten sämtliche
Schäden zu ersetzen, welche dieser aus den im Unterlassungsantrag
beschriebenen Handlungen bereits entstanden sind oder noch entstehen
werden,
56
5.
57
Die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 1.379,80 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit
Rechtshängigkeit der Widerklage zu zahlen.
58
Die Klägerin beantragt,
59
die Berufung zurückzuweisen.
60
Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und verteidigt das
angefochtene Urteil. Sie ist der Ansicht, das Landgericht habe zu Recht ein
rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten bejaht. Die Frage der Eilbedürftigkeit
könne für die Beurteilung, ob eine Aufspaltung einer einheitlichen geschäftlichen
Handlung in mehrere gerichtliche und außergerichtliche Verfahren ohne Sachgrund
erfolgt sei, keine Rolle spielen. Kein vernünftig denkender Kaufmann strenge zwei
61
getrennte Verfahren aus einer einheitlichen Wettbewerbshandlung an. Durch die
Aufspaltung in zwei Abmahnungen und zwei getrennte gerichtliche Verfahren komme es
zu einer Verdoppelung der Kosten. Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg darauf
berufen, von den verschiedenen geltend gemachten Wettbewerbsverstößen zu deutlich
verschiedenen Zeitpunkten Kenntnis erlangt zu haben. Dazu verweist die Klägerin auf
die vor dem Landgericht G gewechselten Schriftsätze. Ferner tritt die Klägerin der
Behauptung der Beklagten entgegen, die Testsiegerwerbung in den Newsletter-
Werbungen vom 03. und 04.11.2009 sei neu gewesen. Tatsächlich sei die
Testsiegerwerbung ausweislich der Anlage K 17 bereits früher erschienen.
Die Klägerin ist ferner der Auffassung, dass es für die Aufspaltung in zwei
Verfahrensarten keinen sachlichen Grund gegeben habe. Die Abmahnung vom
17.03.2010 stelle sich vielmehr als Retourkutsche für ein von der Beklagten verlorenes
Verfahren vor dem Landgericht Bielefeld dar. Eine Parallele zum Rechtsstreit vor dem
hiesigen Senat, Az.: 4 U 168/09, vermag die Klägerin nicht zu erkennen. Zu
unterschiedlich seien die jeweiligen Sachverhalte.
62
Die Klägerin wiederholt die schon erstinstanzlich angesprochenen Umstände, die nach
ihrer Meinung für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten streiten.
Ergänzend weist sie auf den Jahresabschluss der Beklagten für das Jahr 2009 hin, der
einen Jahresüberschuss von 17.785,41 € ausweist. Dazu stünden die Risiken der
Abmahntätigkeit der Beklagten in keinem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis. Am
30.09.2010 habe die Beklagte sie, die Klägerin, erneut abmahnen lassen und zwar
wegen einer Handlung, die ihr mehr als drei Jahre bekannt gewesen sei. Wiederum sei
eine Handlung der K in zwei Abmahnungen aufgespalten worden.
63
Hinsichtlich des angeblichen Wettbewerbsverstoßes nimmt die Klägerin auf ihren
erstinstanzlichen Vortrag Bezug. Im Übrigen verteidigt sie die vom Landgericht
getroffene Kostenentscheidung. Letztlich regt sie die Zulassung der Revision an.
64
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
65
B.
66
Die Berufung ist begründet.
67
I.
68
Die Beklagte hat gegen die Klägerin einen Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8 Abs. 1,
3 Nr. 1; 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1; 3 Abs. 3 UWG i.V.m. Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG.
69
1.
70
Die Beklagte ist Berechtigte gemäß §§ 8 Abs. 3 Nr. 1, 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Gemäß § 8
Abs. 3 Nr. 1 UWG stehen die Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG jedem Mitbewerber zu.
Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG ist ein Mitbewerber jeder Unternehmer, der mit einem oder
mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen
in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Die für die Annahme der Berechtigung
i.S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG erforderliche Stellung als Mitbewerber i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3
UWG liegt vor, wenn die Parteien versuchen, Waren oder Dienstleistungen innerhalb
71
derselben Verkehrskreise abzusetzen mit der Folge, dass das konkret beanstandete
Wettbewerbsverhalten den anderen beeinträchtigen kann (BGH GRUR 2007, 1079).
Die Parteien des Rechtsstreits bieten beide gewerblich Druckerzubehör im Internet an.
Sie sind auf demselben relevanten Markt tätig. Die Angebote sind weltweit abrufbar und
auf das gesamte Bundesgebiet bezogen. Die Parteien bieten austauschbare oder
vergleichbare Produkte auf demselben Markt an.
72
2.
73
Die Beklagte handelt nicht rechtsmissbräuchlich nach § 8 Abs. 4 UWG.
74
a.
75
Von einem Missbrauch im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG ist auszugehen, wenn das
beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des
Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind. Als typischen Beispielsfall eines
sachfremden Motivs nennt das Gesetz das Gebührenerzielungsinteresse. Die
Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs ist unzulässig, wenn sie vorwiegend
dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von
Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.
76
aa.
77
Ein Indiz für einen Rechtsmissbrauch würde es darstellen, wenn der
Anspruchsberechtigte mehrere in einer Werbeaktion enthaltene Wettbewerbsverstöße
mit einer Klage (oder einem Verfügungsantrag) geltend machen kann, er aber ohne
sachlichen Grund eine Aufspaltung vornimmt und mehrere Klagen neben- oder
nacheinander erhebt. (Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl. 2010, 98 Rn. 4.14).
78
(1)
79
Im vorliegenden Fall könnte der Umstand, dass die Abmahnung hinsichtlich der
"Testsiegerwerbung" einerseits und die Abmahnung bezüglich der hier
streitgegenständlichen Bewertungen andererseits getrennt erfolgt sind, für einen
Rechtsmissbrauch sprechen. Die Klägerin hat nicht erstmals in dem Newsletter vom
15.03.2010, sondern bereits in den Newslettern vom 03.11. und 04.11.2009 die in
diesem Rechtsstreit beanstandeten Passagen aufgenommen. Nach eigenem Vortrag
hat die Beklagte die Newsletter vom 03.11. und 04.11.2009 schon wenige Tage nach
ihrem Erscheinen von einem enttäuschten Kunden erhalten. Dementsprechend hat die
Beklagte die hier streitgegenständlichen Werbeaussagen ebenfalls zu diesem Zeitpunkt
zur Kenntnis genommen. Aufgrund des schon seit mehreren Jahren zwischen den
Parteien bestehenden angespannten Wettbewerbsverhältnisses und der Absicht der
Beklagten, mit "Argusaugen" darüber zu wachen, ob die Klägerin die Marktregeln
einhalte, ist es nicht glaubhaft, wenn die Beklagte vorträgt, dass ihr Anfang November
2009 von den 5 Werbeaussagen in inhaltlich nahezu identischen Newslettern vom
03.11. und 04.11.2009 nur die sog. "Testsiegerwerbung" ins Auge gesprungen sei und
sie daher die hier geltend gemachten Wettbewerbsverstöße erst später verfolgt habe. Es
überzeugt nicht, dass sich der in diesem Verfahren abgemahnte Punkt der Beklagten
nicht sogleich erschlossen habe. Welche weiteren Recherchen aus Sicht der Beklagten
insoweit noch nötig gewesen seien, hat diese weder in erster noch in zweiter Instanz
80
mitgeteilt. Auch ist der vorliegende Fall nicht mit dem von der Beklagten ins Feld
geführten Fall, der dem Urteil des Senats vom 21.01.2010 (4 U 168/09) zugrunde liegt,
vergleichbar. Dort wurde folgendes ausgeführt:
"Um zu beurteilen, ob die nach den gesetzlichen Vorschriften erforderliche Angabe der
Effizienzklasse des Kühlgerätes im Rahmen des Angebots in geeigneter Weise
vorgenommen worden ist oder nicht, bedurfte es auch zwangsläufig keiner
Beschäftigung mit einer etwaigen Widerrufsbelehrung der Antragsgegnerin oder den
zum Abruf bereit gehaltenen AGB. Die Antragstellerin war auch nach Feststellung des
Verstoßes gegen das EnVKV nicht gehalten, den gesamten Internetauftritt der
Antragsgegnerin auf denkbare weitere Wettbewerbsverstöße völlig anderer Art zu
überprüfen, um diese gleich mit abzumahnen zu können. Auch insoweit gibt es keine
Beobachtungs- oder Untersuchungspflicht."
81
Vorliegend kann keine Rede davon sein, dass verschiedene Werbeaussagen an
unterschiedlichen Stellen in einem Internetauftritt platziert wären oder gar noch durch
einen weiteren Mausklick hätten abgerufen werden müssen. Vielmehr standen hier die
verschiedenen Aussagen in einem Newsletter untereinander aufgeführt, wurden sauber
gegliedert sowie anschließend erklärt.
82
(2)
83
Die Tatsache, dass die Beklagte die beiden verschiedenen beanstandeten
Wettbewerbsverstöße in zwei Verfahren geltend gemacht hat, deutet im vorliegenden
Fall aber nicht auf einen Rechtsmissbrauch hin. Denn für die Aufspaltung der
gerichtlichen Verfahren gibt es durchaus einen sachlichen Grund. Die Beklagte hat
dafür eine plausible Erklärung gegeben. Denn mit Blick auf die Beanstandungen der
hier streitgegenständlichen Rabattversprechen hat die Beklagte ursprünglich (bis zur
Rücknahme des Antrags zu 2. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat) über
einen Unterlassungsanspruch hinaus auch noch die Beseitigung der Bewertungen auf
dem Meinungsportal D verlangen wollen. Dieses Begehren konnte erfolgreich nur im
Klageverfahren und nicht im einstweiligen Rechtsschutz geltend gemacht werden.
84
bb.
85
Als ein Indiz für eine rechtsmissbräuchliche Rechtsverfolgung ist es anzusehen, dass
die Beklagte jedenfalls in zwei Rechtsstreiten (LG Hamburg, 312 O 581/08, Anlage K 9
und 10; LG Köln, 31 O 134/10, Anlage K 11) die erforderliche Vollmacht im Termin nicht
vorlegen konnte. Im erstgenannten Fall ist das zeitweilige Fehlen der Vollmacht
besonders deutlich geworden, nachdem die Vollmacht mit dem Datum des Tages nach
der mündlichen Verhandlung vorgelegt wurde. Dies spricht dafür, dass sich die
Abmahntätigkeit der Rechtsanwälte der Beklagten "verselbständigt" haben könnte.
86
cc.
87
Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass die Beklagte unabhängig von der Wertigkeit
des Wettbewerbsverstoßes stets einen Gegenstandswert von 50.000,- € ansetzt, ist
festzustellen, dass die Klägerin neun Abmahnstreitigkeiten aufgeführt hat (Anlage K 5),
wobei in lediglich einem Fall (Abmahnung vom 11.12.2007 - "über 30.000,-
verschiedene Produkte") sicher davon ausgegangen werden kann, dass der
angenommene Gegenstandswert überhöht gewesen ist. Dies stellt kein sehr
88
gewichtiges Indiz für einen Rechtsmissbrauch dar.
Die Höhe der jeweils angesetzte Vertragsstrafe von 5.100,- € ist üblich und allein kein
ausreichendes Kriterium für einen Rechtsmissbrauch.
89
dd.
90
Auffällig ist zwar, dass zwischen den Parteien bereits zahlreiche wettbewerbsrechtliche
Streitigkeiten anhängig waren bzw. sind, in denen die Beklagte die Klägerin wegen
diverser angeblicher Wettbewerbsverstöße abgemahnt hat und sich teilweise auch ein
Gerichtsverfahren anschloss. Insoweit hat die Klägerin in der Anlage K 5 neun weitere
Abmahnungen - neben der hier streitgegenständlichen Abmahnung - in Kopie vorgelegt.
Die Häufigkeit, mit der die Beklagte die Klägerin abgemahnt hat, ist aber kein
ausreichendes Indiz für die Annahme eines missbräuchlichen Abmahnverhaltens durch
die Beklagte. Es ist zu berücksichtigen, dass die Abmahnpraxis von Mitbewerbern und
Verbänden dem Interesse der Allgemeinheit an der Bekämpfung unlauteren
Wettbewerbs dient. Deshalb können umfangreiche Abmahntätigkeiten für sich allein
noch keinen Missbrauch belegen, wenn zugleich umfangreiche Wettbewerbsverstöße in
Betracht kommen (BGH GRUR 2005, 433 - Telekanzlei; Köhler/Bornkamm, UWG,
28.Aufl., § 8 Rn 4.12). Es müssen vielmehr weitere Umstände hinzutreten, die die
Missbräuchlichkeit der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs begründen
können.
91
ee.
92
Aus diesen Gründen kann auch das Schreiben der Beklagten vom 23.02.2007(Anlage K
8), wonach diese "mit Argusaugen als Hüter eines fairen Wettbewerbs unnachgiebig
darüber wachen wolle, dass die Klägerin sich an die Marktregeln halte" nicht als
Begründung für einen Rechtsmissbrauch dienen – auch wenn dies durchaus seltsam
anmutet.
93
ff.
94
Auch das Argument der Klägerin, die Abmahntätigkeit stehe in keinem vernünftigen
Verhältnis zum Umsatz der Beklagten, kann hier nicht für einen Rechtsmissbrauch
angeführt werden. Grundsätzlich kann ein wirtschaftlich wenig vernünftiges Verhältnis
zwischen dem Umsatz des Abmahnenden und den sich als Folge seiner
Abmahntätigkeit ergebenden Kosten bzw. Kostenrisiken für einen Rechtsmissbrauch
sprechen (vgl. Senat, Urt. v. 02.03.2010, 4 U 217/09). Die Klägerin, die insoweit
darlegungs- und beweisbelastet ist, hat ein solches Missverhältnis allerdings nicht
schlüssig dargelegt. Die Klägerin hat vorgetragen, dass einerseits der Umsatz der
Beklagten bei ca. 50.000,- € monatlich liegt und andererseits die Beklagte zahlreiche
Abmahnverfahren gegen sie eingeleitet habe, wobei sie den Streitwert jeweils mit
50.000,- € angegeben habe. Ein solches Verfahren würde nach der ersten Instanz
Kosten von 14.360,- € und in zweiter Instanz Kosten von 24.640,- €, nach zwei
Instanzen also Kosten von 39.000,- € verursachen. Mit dem hiesigen Rechtsstreit gibt
bzw. gab es in der Zeit vom 30.11.2006 bis heute zehn Abmahnverfahren. Das bedeutet,
dass sich diese Verfahren über einen Zeitraum von vier Jahren verteilten, also in einer
Zeit, in der die Beklagte nach den Angaben der Klägerin einen Umsatz von ca.
2.400.000,- € gemacht hat. Diesem Umsatz steht ein höchstes Kostenrisiko von
390.000,- € gegenüber. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die Beklagte zum
95
Zeitpunkt der späteren Abmahnungen bereits darüber Bescheid wusste, ob sie in den
Fällen, in denen sie obsiegt hat, die Kosten von der Klägerin auch erstattet bekommen
hat. Im Übrigen hat die Klägerin nicht mitgeteilt, ob die Beklagte in allen zehn
Abmahnstreitigkeiten durch zwei Instanzen gegangen ist. Damit ist ein Missverhältnis
zwischen dem getätigten Umsatz der Beklagten und ihrem Kostenrisiko aufgrund der
Abmahntätigkeit nicht schlüssig dargelegt.
gg.
96
Die Gesamtschau der vorgenannten Gesichtspunkte führt nicht zu der Annahme, dass
die Beklagte mit der Geltendmachung des Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs
sachfremde Ziele verfolgt, also rechtsmissbräuchlich handelt.
97
3.
98
Die Beklagte kann auch in der Sache Unterlassung der streitgegenständlichen Werbung
verlangen. Der Anspruch ergibt sich aus § 8 Abs. 1 i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 1, S. 2
Nr. 1 UWG, weil die Klägerin mit ihrem Newsletter vom 15.03.2010, welcher eine
geschäftliche Handlung im Sinne des §§ 3 Abs. 1 S. 1; 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist, eine
Irreführung des angesprochenen Verkehrs bewirken kann. Mit dem Newsletter vom
15.03.2010 hat die Klägerin ihre Kunden aufgefordert, gegen einen Rabatt von 10 %
und unter besonderen Voraussetzungen sogar 25 % Bewertungen über die erworbenen
Druckerzubehörprodukte abzugeben und diese Empfehlungen auf dem Meinungsportal
D einzustellen. Bei so zustande gekommenen Beurteilungen handelt es sich um
wettbewerbswidrige bezahlte Empfehlungen. Wird mit Kundenempfehlungen und
anderen Referenzschreiben geworben, darf das Urteil des Kunden grundsätzlich nicht
erkauft sein. Die Verwendung bezahlter Zuschriften ist unzulässig, wenn auf die
Bezahlung – wie hier - nicht ausdrücklich hingewiesen wird (Köhler/Bornkamm UWG,
28. Aufl., § 5 Rn 2.164). Die Kunden der Klägerin, die ihre Bewertungen auf die
dargestellte Weise auf dem Meinungsportal D abgeben, sind bei der Abgabe ihres
Urteils über die Qualität der Druckerzubehörprodukte nicht frei und unbeeinflusst
gewesen. Das erwartet der Verkehr jedoch, wenn ihm derartige Äußerungen anderer
Verbraucher in der Werbung entgegentreten. Ist die lobende Äußerung über das Produkt
dagegen "erkauft", ohne dass auf die versprochene Gegenleistung hingewiesen worden
ist, wird der Verkehr irregeführt (OLG Hamburg GRUR 1979, 246). Frei und
unbeeinflusst sind die Äußerungen der Kunden der Klägerin deshalb nicht, weil sie als
Gegenleistung für die Abgabe der Bewertungen einen Rabatt entweder von 10 % oder
sogar 25 % erhalten haben. Das Argument der Klägerin, dass es sich dabei jeweils um
eher geringe Beträge handelt, greift nicht durch. Denn die konkrete Höhe des
Rabattbetrages hängt von dem Wert des letzten Einkaufs, auf den der Rabatt gewährt
wird, ab. Es ist durchaus denkbar, dass der einzelne Kunde erhebliche Rabattbeträge
erzielt.
99
II.
100
Die Beklagte hat gegen die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung von Auskunft über
den bisherigen Umfang der im Unterlassungsantrag beschriebenen Handlungen.
Hierbei handelt es sich um einen unselbständigen Auskunftsanspruch, der der
Vorbereitung und Durchsetzung eines Hauptanspruchs gegen den Auskunftspflichtigen
hier des Schadensersatzanspruchs gemäß § 9 UWG - selbst dient. Dessen
Rechtsgrundlage liegt in dem durch den Wettbewerbsverstoß begründeten gesetzlichen
101
Schuldverhältnis i.V.m. § 242 BGB (Köhler/Bornkamm a.a.O. § 9 Rn 4.5). Nach Treu und
Glauben besteht eine Auskunftspflicht, wenn die zwischen den Parteien bestehenden
Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise
über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, er sich die zur
Vorbereitung und Durchsetzung seines Anspruchs notwendigen Auskünfte nicht auf
zumutbare Weise selbst beschaffen kann und der Verpflichtete sie unschwer, d.h. ohne
unbillig belastet zu sein, zu geben vermag (Köhler/Bornkamm a.a.O.). Diese
Voraussetzungen liegen hier vor.
III.
102
Der Anspruch auf die beantragte Feststellung der Schadensersatzverpflichtung ergibt
sich aus § 9 UWG.
103
IV.
104
Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten resultiert aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG.
105
V.
106
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.
107
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
108