Urteil des OLG Hamm vom 15.03.2017

OLG Hamm (einstellung des verfahrens, nutzungsänderung, halle, genehmigung, betrag, umgestaltung, sache, verurteilung, verbotsirrtum, verfolgungsverjährung)

Oberlandesgericht Hamm, 6 Ss OWi 2478/78
Datum:
04.01.1979
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
6. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 Ss OWi 2478/78
Vorinstanz:
Amtsgericht Soest, 8 b OWi 28 Js 3196/77 (994/77)
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über
die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Soest
zurückverwiesen.
Gründe:
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Durch das angefochtene Urteil sind gegen den Betroffenen wegen Zuwiderhandlungen
gegen §§ 80 Abs. 1, 101 Abs. 1 Nr. 3 BauO NW in zwei Fällen Geldbußen in Höhe von
2.750,- DM und 1.000,- DM verhängt worden.
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Das Amtsgericht hat im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
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Der Betroffene ist Inhaber einer Schreinerei. Er baute im Jahre 1973 seinen Betrieb um.
Hierfür holte er eine Genehmigung ein, in der ausdrücklich vermerkt war, daß
Abweichungen von der Baugenehmigung ihrerseits einer Genehmigung bedürfen.
Trotzdem baute der Betroffene - wie am 1. Dezember 1976 festgestellt wurde - die Halle,
die als Lagerhalle genehmigt war, durch Grundrißänderungen zu einer 110 qm großen
Werkshalle um.
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Ferner errichtete der Betroffene an der östlichen Grundstücksgrenze zum Flurstück ...
hin ohne Genehmigung einen Holzschuppen und Überdachungen.
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Weiterhin hat der Betroffene mehr als drei Jahre vor der Einleitung des hier anhängigen
Bußgeldverfahrens einen befestigten Holzlagerplatz in Beton errichtet.
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Der Betroffene wußte nicht, daß er zu den genannten Maßnahmen eine
Baugenehmigung bedurfte. Teilweise sah er sich zu den Grundrißänderungen bei der
Halle infolge statischer Schwierigkeiten gezwungen.
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Der Betroffene hat sich darüber hinaus dahin eingelassen, daß die Grundrißänderungen
unerheblich seien, im übrigen brauche er für seinen Betrieb überdachte Lagerflächen,
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um Holz zu lagern und zu trocknen; auch seien diese Schuppen derart leicht gebaut,
daß er nicht geglaubt habe, eine Baugenehmigung hierfür einholen zu müssen.
Das Amtsgericht hat aufgrund der getroffenen Feststellungen angenommen, daß der
Betroffene zweimal vorsätzlich gegen die Bauordnung des Landes Nordrhein-Westfalen
verstoßen hat, und insoweit ausgeführt, daß "sowohl die Nutzungsänderung mit den
Grundrißänderungen, als auch der Anbau der Holzschuppen mit Überdachungen" nach
§ 80 Abs. 1 BauO NW genehmigungspflichtig und im Sinne von § 101 Abs. 1 Nr. 3
BauO NW ordnungswidrig gewesen sei. Der Irrtum des Betroffenen, keine
Baugenehmigung zu bedürfen, stelle einen vermeidbaren Verbotsirrtum dar und
beseitige die Vorsätzlichkeit seines Tuns nicht.
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Soweit dem Betroffenen im Bußgeldbescheid vorgeworfen worden ist, einen befestigten
Holzlagerplatz in Beton errichtet zu haben, hat das Amtsgericht diese
Ordnungswidrigkeit als verjährt angesehen.
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Die mit näheren Ausführungen auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte
Rechtsbeschwerde des Betroffenen führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und
zur Zurückverweisung der Sache.
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Die Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen den Schuldspruch nicht, sind
unvollständig und lassen deshalb eine rechtliche Überprüfung durch das
Rechtsbeschwerdegericht nicht in der gebotenen Weise zu.
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Das Urteil läßt zunächst nicht erkennen, wann der Betroffene die ihm noch zur Last
gelegten Zuwiderhandlungen gegen die Bauordnung NW begangen hat. Es sind
Feststellungen weder dazu getroffen worden, wann der Betroffene den Umbau der
Lagerhalle vorgenommen hat, noch dazu, wann er den Holzschuppen und die
Überdachungen errichtet hat. In beiden Fällen ist daher weder zu beurteilen, ob
bezüglich dieser Zuwiderhandlungen nicht bereits die Verfolgungsverjährung gemäß §
31 Abs. 2 Ziff. 1 OWiG eingetreten ist, noch kann abschließend gewürdigt werden, ob
diese beiden Zuwiderhandlungen zueinander in Tatmehrheit oder in einem
Fortsetzungszusammenhang stehen.
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Darüber hinaus enthält das angefochtene Urteil auch keinerlei nähere Feststellungen, in
welcher Weise die Lagerhalle zu einer Werkhalle umgebaut worden ist. Hierzu hätte es
einmal der Angabe bedurft, ob und inwieweit bereits bei der ursprünglichen
Bauausführung von der erteilten Baugenehmigung abgewichen worden ist, oder aber,
ob der Bau zunächst einmal entsprechend der Baugenehmigung erstellt worden ist und
es erst später zu nicht genehmigten Änderungen gekommen ist. Zum anderen hätte
auch dargetan werden müssen, worin im einzelnen die baulichen Änderungen bzw.
Abweichungen von der erteilten Baugenehmigung gelegen haben. Abgesehen davon,
daß auch nur so das Ausmaß des Schuldvorwurfs als Grundlage für die
Bußgeldbemessung erkennbar wird, sind diese Feststellungen im vorliegenden Fall
schon deshalb unerläßlich, um hinreichend sicher beurteilen zu können, ob im Sinne
von § 80 Abs. 1 BauO NW tatsächlich eine Änderung baulicher Anlagen oder nur eine
Nutzungsänderung hinsichtlich der Halle vom Betroffenen vorgenommen worden ist. Auf
diese Unterscheidung kommt es schon deshalb wesentlich an, weil eine bloße
Nutzungsänderung zwar gemäß § 80 Abs. 1 BauO NW genehmigungspflichtig, ein
Verstoß hiergegen jedoch nicht bußgeldbewehrt ist. § 101 Abs. 1 Ziff. 3 BauO NW
bedroht zwar die Errichtung, Änderung und den Abbruch baulicher Maßnahmen, nicht
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aber die bloße Nutzungsänderung mit einem Bußgeld. Sofern also hinsichtlich der
Lagerhalle nur eine Nutzungsänderung vorgenommen worden sein sollte, müßte der
Betroffene daher diesbezüglich freigesprochen werden (vgl. Senatsbeschluß vom 13.
Juni 1978 - 6 Ss OWi 646/78 - sowie die Beschlüsse des OLG Hamm vom 29.8.1978 - 3
Ss OWi 815/78 u. 3 Ss OWi 417/78).
Es ist nicht auszuschließen, daß das Amtsgericht das verkannt hat, zumal in dem
angefochtenen Urteil mehrfach von einer "Nutzungsänderung" die Rede ist.
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Das angefochtene Urteil konnte somit keinen Bestand haben.
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Für die neue Hauptverhandlung wird auf folgendes hingewiesen:
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Soweit eine Verurteilung wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung nicht erfolgen kann
- bezüglich des Vorwurfs, daß der Betroffene einen befestigten Lagerplatz in Beton
errichtet hat, ist das bereits rechtskräftig festgestellt - ist insoweit gemäß § 46 Abs. 1
OWiG, § 260 Abs. 3 StPO die Einstellung des Verfahrens im Urteil auszusprechen und
auch im Urteilstenor kenntlich zu machen.
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Bei einer erneuten Verurteilung des Betroffenen wird das Amtsgericht bei der
Bußgeldzumessung ferner zu beachten haben, daß nach Ziff. 2 der Vorbemerkung des
Bußgeldkatalogs des Regierungspräsidenten in ... auf dessen Regelsätzen der Betrag
von 25,- DM Buße je qm überbauter Fläche offensichtlich beruht, bei geminderter
Schuld (z.B. leicht fahrlässigem Verbotsirrtum) der festzusetzende Betrag angemessen -
in der Regel um 1/4 - vermindert werden soll. Im übrigen wird das Amtsgericht darüber
hinaus zu erwägen haben, inwieweit es sich bei der Bemessung der zu verhängenden
Geldbuße überhaupt nach den im vorgenannten Bußgeldkatalog enthaltenen
Regelsätzen richten soll. Die Orientierung an einem solchen Bußgeldkatalog dient zwar
grundsätzlich einer gerechten Entscheidung, damit ähnlich gelagerte Sachverhalte
zumindest innerhalb eines Regierungsbezirks möglichst gleichmäßig behandelt werden
können. Regelmäßig ist die Flächengröße der baulichen Maßnahme auch ein
wesentliches Kriterium für die Bemessung der Geldbuße. Andererseits können dabei in
geeigneten Fällen aber auch andere Umstände - im vorliegenden Fall könnte dies
hinsichtlich der Umgestaltung der Lagerhalle insbesondere das Ausmaß der
Abweichungen von der Baugenehmigung sein - von maßgeblicher Bedeutung für die
Bußgeldzumessung sein und müssen dann Berücksichtigung finden. Dieses hat das
Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil zwar bezüglich der Errichtung des
Holzschuppens mit den Überdachungen, nicht aber auch hinsichtlich der Umgestaltung
der Lagerhalle hinreichend bedacht.
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