Urteil des OLG Hamm vom 15.03.2017

OLG Hamm (treu und glauben, kläger, geschäftsbedingungen, zpo, angestellter, start, einverständnis, wette, eintragung, essen)

Oberlandesgericht Hamm, 11 U 15/79
Datum:
08.06.1979
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 U 15/79
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 3 O 252/77
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des
Landgerichts Essen vom 23. Oktober 1978 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger war Rennwettkunde des Beklagten. Am 8.5.1977 schloß er zwei
Pferdewetten ab. Am 9. 5. verweigerte der Beklagte dem Kläger die Auszahlung des
Gewinns. Er verwies ihn darauf, daß auf den Wettscheinen als Abgabezeit 16.11 Uhr
eingetragen sei, während das Rennen - unstreitig - schon 16.07 Uhr gestartet sei, sowie
auf eine seit März 1977 neue Nr. 11 seiner Geschäftsbedingungen, welche lautet:
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"Wenn auf dem Wettschein die Uhrzeit der Annahme vermerkt ist und die Annahmezeit
nach der Startzeit liegt, so wird die Wette wie ein Nichtläufer behandelt."
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Der Kläger hat den Gewinn von 8.000 DM eingeklagt und dazu behauptet: Auf seinen
Wettscheinen sei keine Uhrzeit eingetragen gewesen; die Eintragung habe der Beklagte
oder sein Angestellter nachträglich vorgenommen, als ihnen die Scheine zur
Gewinnauszahlung vorlagen. Die neue Geschäftsbedingung habe auch noch gar nicht
ausgehangen.
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Der Beklagte hat behauptet: Sein Angestellter habe über Fernschreiber den Start des
Rennens erfahren. Dann erst sei der Kläger erschienen und habe trotz Hinweises auf
den erfolgten Start die Wette noch abschließen wollen. Der Angestellte habe noch vor
Wettscheinaushändigung die Uhrzeit eingetragen, allerdings nicht hierauf hingewiesen.
Die Geschäftsbedingungen hätten in der geänderten Fassung ausgehangen.
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Das Landgericht hat nach Vernehmung von 6 Zeugen der Klage mit 4 % Zinsen seit
dem 15.7.1977 stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Der Beklagte könne sich
auf Nr. 11 der AGB nicht berufen, da er auf die Neufassung nicht beaonders
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hingewiesen habe. Ferner könne er sich auch nicht auf die Uhrzeiteintragung berufen,
da diese nicht genügend deutlich erkennbar sei. Außerdem habe der Beklagte die
Rechtzeitigkeit der Uhrzeiteintragung nicht bewiesen.
Gegen dieses Urteil, auf welches verwiesen wird, wendet sich der Beklagte mit der
Berufung. Er meint, der erfolgte Aushang genüge zur Anwendbarkeit der
Geschäftsbedingungen Nr. 11. Ferner wendet er sich gegen die landgerichtliche
Beweiswürdigung. Er beantragt,
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abändernd die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Entscheidungsgründe
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Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Der Beklagte kann sich nicht auf Nr. 11
seiner Geschäftsbedingungen berufen.
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Gem. § 2 AGBG werden Geschäftsbedingungen nur dann Bestandteil eines Vertrages,
wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist. Nun muß allerdings
in der Regel von einem Einverständnis ausgegangen werden, wenn die
Geschäftsbedingungen im Geschäftslokal deutlich sichtbar ausgehängt sind und der
Kunde nicht widerspricht. Hier ist aber eine Besonderheit zu berücksichtigen. Hat der
Verwender - wie hier - seine Geschäftsbedingungen seit langem aushängen, so muß er
dann, wenn er sie in einem Punkt ändert, durch einen besonders auffälligen Hinweis auf
die Änderung aufmerksam machen. Anderenfalls werden Stammkunden, die an den
Aushang gewohnt sind, in dem Glauben belassen, es habe sich nichts geändert.
Zumindest ihnen gegenüber ist nach Treu und Glauben ein besonderer Hinweis auf die
Änderung erforderlich. Anderenfalls kann nicht von ihrem nach § 2 AGBG erforderlichen
Einverständnis ausgegangen werden. Der Beklagte behauptet nicht, dem Kläger, einem
Stammkunden, gegenüber auf die Änderung hingewiesen zu haben.
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Es ist aber auch nicht bewiesen, daß die Uhrzeit der Annahme auf den Wettscheinen
vermerkt war. Zu Unrecht macht der beklagte geltend, er habe nicht die Beweislast für
den Zeitpunkt, in welchem die Uhrzeit eingetragen wurde. Nur eine Eintragung bei
Wettabschluß kann zur Anwendung der Nr. 11 der Bedingungen führen. Da sich der
Beklagte, nicht der Kläger, auf diese Nr. 11 beruft, muß er auch diese Voraussetzung
beweisen. Die Wettscheinurkunden selbst sind nach ihrem äußeren Bild so wenig
beweiskräftig (§ 419 ZPO), daß der Beklagte sich in der Berufung (III) selbst nicht mehr
auf sie beruft, sondern lediglich auf das Zeugnis .... Dieses reicht jedoch auch dem
Senat angesichts der Aussagen der Zeugen ... und ... nicht aus.
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Nach allem ist der Beklagte zur Vertragserfüllung verpflichtet.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 7+8 Nr. 10 ZPO. Die Beschwer des
Beklagten beträgt - da er trotz erstinstanzlicher Anerkennung von 200,- DM volle
Klageabweisung beantragt hat - 8.000,- DM.
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