Urteil des OLG Hamm vom 15.03.2017

OLG Hamm (eheliche wohnung, getrennt leben, härte, fortsetzung, beschwerde, meinung, bande, lebensgemeinschaft, wohnung, zpo)

Oberlandesgericht Hamm, 4 WF 73/78
Datum:
13.02.1978
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 WF 73/78
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des
Amtsgerichts Lünen vom 3. Januar 1978 wird zurückgewiesen.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kasten findet nicht statt.
Gründe
1
Durch den angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht der Antragstellerin das
Armenrecht für ihr Scheidungsbegehren versagt, weil die Parteien noch nicht ein Jahr
getrennt leben und die Fortsetzung der Ehe für die Antragstellerin keine unzumutbare
Härte darstelle.
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Die dagegen gerichtete Beschwerde ist gemäß § 127 ZPO zulässig. Sie ist jedoch nicht
begründet.
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Die Antragstellerin hat auch mit der Beschwerde nicht hinreichend dargetan, daß die
Fortsetzung der Ehe für sie eine unzumutbare Härte im Sinne des § 1565 Abs. 2 BGB
darstellen würde. Die Beschwerdebegründung deutet darauf hin, daß die Antragstellerin
den Zweck des § 1565 Abs. 2 BGB verkennt. Dieser ist nämlich nicht nur als
Härteklausel zum Schutz des nicht scheidungswilligen Teils gedacht sondern er soll im
Sinne eines "Trennungsjahres" verfrühte Scheidungen verhindern. Auf ein derartiges
Trennungsjahr soll nur verzichtet werden, wenn der Fortbestand der Ehe durch nur dem
Bande nach für den die Scheidung begehrenden Teil eine unzumutbare Härte
darstellen würde. Dies ist zwar nicht unbestritten. Der Senat ist jedoch in
Übereinstimmung mit der sich bereits abzeichnenden überwiegenden Meinung der
Rechtsprechung der Auffassung, daß es lediglich auf den formellen Fortbestand der
Ehe, nicht auf die Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft ankommt (anderer
Meinung Wolf in Münchener Kommentar, § 1565, Bemerkung 94, Schwab FamRZ 1976,
491, 504). Für die Meinung der Rechtsprechung spricht, daß § 1565 Abs. 2 BGB gerade
die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft voraussetzt weil erst dann ein
Trennungsjahr Zustandekommen kann.
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Die Antragstellerin irrt, wenn sie in der Beschwerdebegründung die Auffassung vertritt,
die Zumutung, am Bande der Ehe festzuhalten, würde zur Konsequenz haben, dass sie
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auf Grund einer willkürlichen Laune des Antragsgegners dessen Verlangen nach
Fortsetzung der Ehe mit allen daraus resultierenden Pflichten nachkommen müsse". Sie
kann vielmehr sehr wohl für sich das Recht auf ein getrenntes Leben in Anspruch
nehmen. Die formelle Auflösung der Ehe kann sie jedoch nur bei gravierenden
Verhaltensweisen des anderen Ehegatten, die in erheblichem Maße gegen die Ehe und
die sich aus der ehelichen Lebensgemeinschaft ergebenden Pflichten verstoßen,
verlangen. An diese Verstöße sind, wie sich aus dem Gesetzeswortlaut "unzumutbare
Härte" ergibt, erhebliche Anforderungen zu stellen.
Derartig schwerwiegende Fehlverhalten sind hier aber nicht hinreichend substantiiert
vorgetragen worden. Zwar behauptet die Antragstellerin - ohne jeden Beweisantritt -,
daß der xxx Antragsgegner mit wechselnden weiblichen Personen außereheliche
Beziehungen unterhalte. Dieser Vortrag, der mit keinerlei weiteren Tatsachen belegt ist,
ist in dieser Form so unsubstantiiert, daß er sich einer Nachprüfung entzieht. Selbst
wenn er zutreffen sollte, ist aber zu berücksichtigen, daß die Antragstellerin selbst sich
auch einem anderen Partner zugewandt hat. In einem solchen Fall liegt in der Regel
keine Härte vor, die das Festhalten an der Ehe dem Bande nach unzumutbar macht.
Das eigene Fehlverhalten der Antragstellerin relativiert nämlich die Bedeutung des
Verhaltens des Antragsgegners so, daß eine unzumutbare Härte, die in der Person des
anderen Ehegatten ihre Ursache haben müßte, nicht mehr bejaht werden kann
(vergleiche auch den Beschluß des 2. Senats des OLG Hamm vom 24.11.1977, FamRZ
1978, 28 f.).
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Etwas anderes würde möglicherweise gelten, wenn der in der Klageschrift erhobene
Vorwurf zuträfe, dass der Antragsgegner andere Frauen in die eheliche Wohnung
mitbringt und die Antragstellerin sich der Konfrontation mit ihnen nicht entziehen kann.
Insoweit fehlt aber jeder substantiierende Tatsachenvortrag. Es wird lediglich behauptet,
der Antragsgegner habe im Keller der Wohnung ein rauschendes Fest gefeiert, von dem
er die Antragstellerin ausgeschlossen habe. Daß es bei diesem Fest zu einem Brand
gekommen ist, ist keine gerade gegen die Antragstellerin gerichtete Eheverfehlung.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 118 a Abs. 4 ZPO.
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