Urteil des OLG Hamm vom 15.01.2007

OLG Hamm: unterdeckung, käufer, vertragsabschluss, culpa in contrahendo, eigentumswohnung, eigentümer, erwerb, erneuerung, eigenkapital, betrug

Oberlandesgericht Hamm, 22 U 125/04
Datum:
15.01.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
22. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 U 125/04
Vorinstanz:
Landgericht Bielefeld, 6 O 497/03
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 01.06.2004 verkündete Urteil
der 3. Zivilkammer des Landgerichts unter Zurückweisung des
Rechtsmittels im Übrigen abgeändert.
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu Händen eines von der
Klägerin zu beauftragenden Notars 90.146,85 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz der Europäischen
Zentralbank aus 79.618,37 € seit 02.11.2006 und aus 10.528,48 € seit
dem 27.10.2003 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, die Klägerin freizustellen von den
Verbindlichkeiten aus dem zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann
sowie der C am 22.09.1998 geschlossenen Darlehensvertrag über
146.000 DM.
Die Verurteilungen zu 1) und 2) erfolgen Zug um Zug gegen Abgabe
folgender notarieller Erklärungen der Klägerin und ihres Ehemannes vor
dem beauftragten Notar:
„Wir sind Eigentümer des im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts
Duisburg-Ruhrort von G Blatt #### eingetragenen Wohnungseigentums,
bestehend aus einem 724/100.000stel Miteigentumsanteil an dem
Grundstück im Rechtssinne G1, verbunden mit dem Sondereigentum an
der Wohnung im Gebäude M-Straße, im 2. Obergeschoss links, Nr. ###
des Aufteilungsplanes.
Wir verpflichten uns hiermit, das vorbezeichnete Wohnungseigentum auf
die L & Co KG, vertreten durch ihren Geschäftsführer, zu übertragen, frei
von der in Abteilung III des Wohnungsgrundbuches eingetragenen
Grundschuld der C AG in Höhe von 146.000 und weiterer nach
Abschluss des Kaufvertrages vom 11.9.1998 eingetragener Belastungen
in Abteilung II und III des Wohnungsgrundbuches.
Wir erteilen der Fa. L & Co KG unter Befreiung von den Beschränkungen
des § 181 BGB die unwiderrufliche Vollmacht, in unserem Namen die
Auflassung zu erklären.
Wir erteilen unser Einverständnis mit einer Weisung der L & Co KG an
den unterzeichneten Notar, den eingegangenen Zahlungsbetrag zur
Ablösung der in Abteilung III des Wohnungsgrundbuches eingetragenen
Grundschuld der C zu verwenden.
Wir bewilligen die Eintragung der L & Co KG als Eigentümerin. Der
Notar wird angewiesen, von der Bewilligung gegenüber dem
Grundbuchamt erst dann Gebrauch zu machen, wenn Zahlungseingang
in Höhe des unter Ziffern 1. zuerkannten Betrages nebst Zinsen in
zuerkannter Höhe auf dem Konto des unterzeichnenden Notars erfolgt;
ein etwaig überschießender Betrag ist an uns auszukehren.“
Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.
Die Kosten der 1. Instanz tragen die Klägerin zu 13% und die Beklagte
zu 87%.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden wie folgt verteilt: Der
Berufungskläger zu 2) trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der
Beklagten. Die Beklagte trägt 87% der außergerichtlichen Kosten der
Klägerin. Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 7%, der
Berufungskläger zu 2) zu 50% und die Beklagte zu 43%. Im Übrigen
trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selber.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die
Zwangsvollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheit in Höhe von
110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin
vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu
vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
1
(§ 540 ZPO)
2
A)
3
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von
Schadensersatz, den die Klägerin aus eigenem und abgetretenem Recht ihres
Ehemannes, des Berufungsklägers zu 2), begehrt.
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Die Beklagte kauft Altwohnbestände an, nimmt an ihnen Renovierungsmaßnahmen vor
und verkauft sie im Strukturvertrieb nach Aufteilung in Wohneigentum weiter.
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Bei einem Informationsgespräch im Haus der Klägerin warb der Zeuge D, der als
selbständiger Handelsvertreter für die Beklagte tätig ist, für den Erwerb einer in der M-
Straße in E gelegenen Eigentumswohnung. Der Preis für die 68 m² große Wohnung, die
in einem 1971 errichteten Wohnblock mit mehr als 100 Wohneinheiten liegt, sollte
einschließlich der Grunderwerbsnebenkosten 155.720 DM betragen. Der Klägerin und
ihrem Ehemann wurde Informationsmaterial ausgehändigt (GA 11-16). In einer
steuerlichen Berechnung wurde - bezogen auf das Anschaffungsjahr 1998 - der
monatliche Gesamtaufwand mit 862 DM und der Eigenaufwand der Klägerin und ihres
Mannes mit 202 DM angegeben, wobei die Nebenkosten mit 50 DM/Monat beziffert sind
(GA 16). Die Finanzierung sollte über ein Vorausdarlehen mit zwei nachgeschalteten
Bausparverträgen erfolgen (GA 22-37). Als Tilgungsleistung ist ein Betrag iHv. 110 DM
genannt, wobei sich in der Berechnung der Zusatz findet "Ansparung BS zu Beginn"
(GA 14). Das einzusetzende Eigenkapital wurde mit 9.720 DM angegeben und
resultierte aus der Auflösung einer Lebensversicherung, zu der der Zeuge D der
Klägerin und ihrem Ehemann geraten hatte. In die Berechnung eingeflossen sind u.a.
vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers iHv. 78 DM monatlich. Wegen der
weiteren Einzelheiten des Informationsmaterials wird auf GA 11-16 verwiesen. Am
8.9.1998 und am 11.9.1998 unterzeichneten die Klägerin und ihr Ehemann sog.
Besuchsaufträge, wegen deren Einzelheiten auf GA 52 f. verwiesen wird.
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Mit notariellem Vertrag vom 11.09.1998 kauften die Kläger von der Beklagten, die
seinerzeit über ein monatliches Nettoeinkommen von 3.200 DM verfügten, die
beworbene Eigentumswohnung (GA 66-74). Die Beklagte verpflichtete sich in § 10 des
Vertrags zur Übernahme der Kosten des Vertrags und seiner Durchführung, der Kosten
für die Bestellung und Eintragung der zur Finanzierung erforderlichen Grundpfandrechte
sowie der Grunderwerbssteuer. An selben Tag schlossen die Klägerin und ihr Ehemann
mit einer Schwesterfirma der Beklagten einen Mietpoolvertrag (GA 75 f.), der
ausweislich § 13 der Kaufvertragsurkunde verlesen wurde.
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Am 14.09. und 15.09.1998 bestätigte die C AG der Klägerin und ihrem Ehemann den
Abschluss zweier Bausparverträge über 73.000 DM. Die Abschlussgebühren iHv.
jeweils 1.168 DM zahlte die Beklagte.
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Die Klägerin und ihr Ehemann schlossen am 18./22.09.1998 einen Darlehensvertrag mit
der C AG, wegen dessen Einzelheiten auf GA 22-35 Bezug genommen werden kann.
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Die Klägerin hat behauptet, sie und ihr Ehemann hätten den Zeugen D darauf
hingewiesen, dass sie angesichts eines gemeinschaftlichen Nettoeinkommens von nur
3.200 DM nicht in der Lage seien, sich eine Eigentumswohnung zu leisten, woraufhin
der Berater ihnen versichert habe, sie bräuchten kein Eigenkapital und nahzu nichts
aufwenden, da sich die Investition durch Mieteinnahmen und Steuervorteile praktisch
selbst trage. Die ihnen übergebenen Berechnungen seien inhaltlich falsch gewesen.
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Sie hätten ausweislich der Eigentümerabrechnung vom 03.08.2001 3.053 DM an
Nebenkosten zahlen müssen, worauf sie vor Vertragsabschluss nicht hingewiesen
worden seien.
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Angesichts des Alters des Objekts sei von vornherein klar gewesen, das die mit
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monatlich 34 DM angesetzte Instandhaltungsrücklage, über die sich weder die
Objektberechnung noch die Besuchsaufträge verhielten, zu gering angesetzt gewesen
sei. Folgerichtig hätten sie – was unstreitig ist – am 11.08.2000 eine
Eigentümerabrechnung erhalten, die für das Jahr 1999 aufgrund einer Unterdeckung der
Instandhaltungsrückklage eine Nachzahlungsverpflichtung von 544 DM, mithin 8 DM/m²
ausgewiesen habe. Dies sei darauf zurückzuführen, dass bereits 1999 in 5 Aufzügen
Steuerungen hätten erneuert werden müssen; zudem habe – was unstreitig ist – die
Druckerhöhungsanlage erneuert werden müssen. Demzufolge ergebe sich aus dem
Protokoll der Eigentümerversammlung vom 13.07.2000 (GA 93-96), dass die
Instandhaltungsrückklage per 31.12.1999 bei Einnahmen von 98.136,88 DM und
Ausgaben von 265.432,23 DM eine Unterdeckung von 167.295,35 DM aufgewiesen
habe. Dies zeige, dass die Instandhaltungsrücklage nicht ausreichend hoch kalkuliert
worden sei. Die Reparaturarbeiten seien auch nicht überraschend gewesen, da Mängel
der Aufzugsanlage bereits am 14.04.1998 festgestellt worden seien.
Die Eigentümerabrechnung für das Wirtschaftsjahr 2000 vom 03.08.2001 belege eine
weitere Unterdeckung von 8,16 DM/m². Die Reparaturen, die zu dieser Nachzahlung
geführt hätten, seien ohne weiteres vorhersehbar gewesen. Es habe sich um
Reparaturen an sanitären Einrichtungen, um Wannenerneuerungen, Reparaturen an der
Heizungsanlage, an elektrischen Anlagen und Abflussleitungen sowie um
Wohnungsrenovierungen und Kosten für die Erneuerung von Innentüren gehandelt.
Dies sei ihnen vor Vertragsabschluss verschwiegen worden; im Gegenteil sei ihnen nur
punktuelles Bild der Unterhaltungskosten vermittelt worden.
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Die Steuerersparnis, so behauptet die Klägerin weiter, sei als Konstante ausgewiesen.
Es fehle ein Hinweis, dass die Abschreibung zeitlich beschränkt sei. Der Betrag von 6
DM/m² sei ihnen in sämtlichen Gesprächen als feste Einnahmegröße dargestellt
worden, ohne dass auf die an den Mietpool zu leistenden Abführungen hingewiesen
worden sei.
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Unzutreffend sei die Angabe der Tilgungsrate von 110 DM gewesen. Insbesondere
habe ein Hinweis darauf gefehlt, dass sich diese Tilgungsrate im Laufe der Zeit weiter
erhöhen werde, nämlich nach 4 Jahren auf 153,30 DM, nach 7 Jahren auf 211,70 DM
und nach 10 Jahren auf 270,10 DM. Überdies steige ihre Belastung nach Zuteilung des
Bausparvertrags weiter, da die Tilgungsrate sich dann auf 439,55 DM erhöhe und sie
verpflichtet seien, dann die Sparrate für den 2. Bausparvertrag zu leisten, so dass ihr
Eigenaufwand 743,96 DM betragen werde. Von diesen Erhöhungen hätten sie erst
erfahren, nachdem ihnen die Ausfertigung des Darlehensvertrags vom 18./22.09.1998
übersandt worden sei.
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Die Erhöhungen hätten sie nicht vorhersehen können, da ihnen vor dem ersten
Kaufvertragsabschluss die Bausparverträge nicht vorgelegen hätten; erst aus den ihnen
zeitlich nach Abschluss des Kaufvertrags übersandten Darlehensunterlagen hätten sie
erkennen können, dass die Tilgungsraten steigen würden. Tatsächlich erhielten sie und
ihr Ehemann zur Zeit bei einer monatlich eingehenden Bruttomiete von 208,99 €
lediglich eine monatliche Miete von 131,28 € überwiesen. Gegenüber der
Mietbescheinigung, die sie anlässlich der Beratungsgespräche erhalten hätten, ergebe
sich eine Differenz in Höhe von 51,76 €, so dass belegt sei, dass die Beklagte im
Hinblick auf die eingehende Bruttomiete falsche Angaben gemacht habe (GA 152).
Zudem zahlten sie monatlich 353,96 € auf das Darlehen an die M-Bank.
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Ferner sei ihnen die Finanzierungsart nicht erläutert worden. Eine andere Finanzierung,
nämlich ein annuitätisches Hypothekendarlehen, die für sie erkennbar vorteilhafter, weil
günstiger gewesen wäre, sei ihnen nicht als alternative Finanzierungsform
vorgeschlagen worden.
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Sie seien auch über den Mietpool, dessen System und die damit verbundenen Risiken
und zwar insbesondere dem Risiko, sich am Mietausfallrisiko anderer Poolmitglieder
beteiligen zu müssen, nicht aufgeklärt worden. Den Mietpoolantrag, der aus sich heraus
nicht verständlich sei und keine Angaben zur Höhe der Instandhaltungsrücklage
enthalte, hätten sie und ihr Ehemann erst beim Notartermin erhalten. Der Hinweis in
dem ihnen übergebenen Konzept der L Grundstücksverwaltungsgesellschaft, in dem es
heiße dass "alle Mitglieder des Mietpools [tragen] die Erträge und auch Verluste sowie
Reparaturen am Sondereigentum gemeinschaftlich" tragen (GA 19), befinde sich im
Kleingedruckten, sei nur nach mühevoller Suche lesbar und ersetze die notwendige
Beratung nicht.
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Schließlich habe die Beraterin ihnen schon deshalb nicht zum Erwerb raten dürfen, weil
die Immobilie allenfalls 88.128 DM wert gewesen sei.
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Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe deshalb ein Schadensersatzanspruch gegen die
Beklagte zu, da zwischen ihr, ihrem Ehemann und der Beklagten ein Beratungsvertrag
zustande gekommen sei. Die ihr aus diesem Beratungsvertrag obliegenden
Verpflichtung zur fachkundigen Beratung habe die Beklagte schuldhaft verletzt. Bei
richtiger Beratung hätten sie und ihr Ehemann die Immobilie nie erworben und auch die
entsprechenden Finanzierungsverträge nicht abgeschlossen. Die ihnen entstandenen
Aufwendungen beliefen sich auf 7.704,55 €. Leistungen zur Darlehensfinanzierung
hätten sie bislang iHv. 20.860,81 € erbracht; allein an die M-Bank hätten sie vom
Kaufzeitpunkt in 1998 bis einschließlich 2001 13.975,58 € (= 27.333,86 DM) Zinsen
gezahlt. Diese Beträge könne sie Zug um Zug gegen Rückauflassung der Immobilie
ersetzt verlangen. Ferner habe die Beklagte sie aus ihren Verpflichtungen gegenüber
der finanzierenden Bank aus dem abgeschlossenen Darlehensvertrag über 74.648,61 €
freizustellen.
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Die Beklagte hat eine fehlerhafte Beratung der Klägerin und ihres Ehemannes
bestritten. Dass Eigenkapital notwendig sei, ergebe sich aus den von der Klägerin
selbst vorgelegten Urkunden, in denen ein Hinweis auf ein einzusetzendes Eigenkapital
iHv. 9.720 DM enthalten sei. Das Objekt selbst sei nicht überteuert gewesen. Unter
Berücksichtigung der von ihr – untypischerweise – übernommenen Kostenverpflichtung
habe sich der Nettoverkaufspreis auf 145.969 DM (= 74.633 €) belaufen.
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Die Instandhaltungsrücklage sei zutreffend kalkuliert. Allein die Tatsache, dass es zu
Unterdeckungen gekommen sei, belege nicht, dass diese Unterdeckungen für sie
erkennbar gewesen seien. Soweit es zu 1999 zu einer Unterdeckung bezüglich der
Instandhaltungsrücklage gekommen sei, weil Steuerungen an den Fahrstühlen hätten
erneuert werden müssen, sei dies für sie unvorhersehbar gewesen. Sie habe die
Fahrstühle – was unstreitig ist – vor dem Ankauf der Wohnanlage durch den TÜV am
14.04.1998 untersuchen lassen. Der TÜV habe nur minimale
Instandsetzungsnotwendigkeiten aufgezeigt, die sie habe beheben lassen. Ihrer
Einschätzung nach hätten sich die Aufzüge danach in einwandfreiem Zustand
befunden.
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Dass sie von zutreffenden Fakten ausgegangen sei, belege die weitere Entwicklung der
Instandhaltungsrücklage. Im Wirtschaftsjahr 2001 sei die Unterdeckung auf 1,65 €/m²
zurückgeführt worden, im Wirtschaftsjahr 2002 sei gar keine Unterdeckung mehr
aufgetreten, so dass sich das Objekt nicht strukturell defizitär entwickelt habe. Soweit es
zu Unterdeckungen gekommen sei, habe sich das typische Mietpoolrisiko verwirklicht.
Auf die Umlagesystematik weise der Mietpoolvertrag ebenso unmissverständlich hin
wie das der Klägerin – unstreitig – vor Vertragsabschluss übergebene Konzept der L
Grundstücksverwaltungsgesellschaft; auch habe der Zeuge D die Klägerin und deren
Ehemann hierüber aufgeklärt.
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Die Mietpoolausschüttung betrage monatlich 6 DM/m², bei einer Bruttomiete von
6,62 DM/m²; dies ergebe sich aus den der Klägerin und ihrem Ehemann vor
Vertragsabschluss ausgehändigten Unterlagen. Dass die Steuerersparnis in den
Unterlagen nicht als Konstante ausgewiesen sei, belege der in der steuerlichen
Berechnung enthaltene Hinweis, dass sich der Steuervorteil bei
Einkommensänderungen verändert. Der Klägerin und ihrem Ehemann seien die
Finanzierungsform, nämlich das Ineinandergreifen des Vorausdarlehens, die Zuteilung
des ersten Bausparvertrags, die verringerte Zinsbelastung beim Bauspardarlehn, das
Ansparen des zweiten Bausparvertrags sowie Verzinsung und Tilgung des zweiten
Bauspardarlehens detailliert erläutert worden. Unrichtig sei die Behauptung der
Klägerin, die Ansparrate falle doppelt an, weil 2 Bausparverträge hintereinander
geschaltet seien. Darauf, dass sich die Ansparrate im Laufe der Zeit erhöhe, seien die
Klägerin und ihr Ehemann vor Vertragsabschluss ausdrücklich hingewiesen worden. Im
Übrigen habe sich die Belastung der Klägerin nach dem Auslaufen der
Zinsbindungsfrist nicht erhöht, sondern sich von 702 DM auf 665 DM verringert.
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Dass die Klägerin und ihr Ehemann ordnungsgemäß beraten und ihnen die
Mietbescheinigung GA 51 bei der Vorbesprechung vor der Beurkundung ausgehändigt
worden seien, belegten auch die unstreitig von der Klägerin und ihrem Ehemann am
08.09. und 11.09.1998 unterzeichneten Besuchsaufträge, wegen deren Einzelheiten auf
GA 52, 53 verwiesen werden kann. Im Übrigen hätten ihre Mitarbeiter die Klägerin und
ihren Ehemann sämtliche weiteren Umstände zutreffend erläutert.
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Schließlich sei der Kaufpreis nicht überhöht gewesen. Dies zeige ein von dem
Architekten T in einem Zwangsversteigerungsverfahren am 15.08.2003 erstattetes
Gutachten betreffend eine andere, 70 qm große Wohnung in derselben Anlage; für diese
Wohnung habe der Sachverständige einen Verkehrswert von 1.060 €/qm errechnet.
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Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien einschließlich der genauen Fassung
der erstinstanzlich verfolgten Sachanträge nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand
der angefochtenen Entscheidung.
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Das Landgericht hat die Klägerin angehört, die Zeugen H, M und D vernommen und die
Klage abgewiesen.
28
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin und des erstinstanzlich von der
Beklagten gar nicht verklagten Ehemannes der Klägerin, der die Berufung im
Senatstermin am 13.11.2006 zurückgenommen hat.
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Die Klägerin vertieft ihre Behauptung, die Beklagte habe sie nicht ordentlich darüber
aufgeklärt, dass sich die Ansparleistungen nach dem Erwerb erhöhen werden. Dies
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habe auch der Zeuge H glaubhaft bestätigt, der zwar bekundet habe, er sei darüber
aufgeklärt worden, dass sich die Ansparleistungen irgendwann erhöhen würden;
andererseits habe der Zeuge aber glaubhaft ausgesagt, ihm sei erläutert worden, diese
Erhöhungen würden sich nur minimal auswirken, weil die Mieteinnahmen steigen
würden. Mittelbar habe dies der Zeuge D bestätigt. Durch die Besuchsaufträge seien die
fehlerhaften Informationen nicht richtig gestellt worden. Es sei zu berücksichtigen, dass
die Besuchsaufträge den Käufern einen Tag vor dem bzw. noch am Beurkundungstag
vorgelegt worden seien.
Sie seien nicht in der Lage gewesen, sich eine Eigentumswohnung zu leisten. Das
Eigenkapital stamme aus der Auflösung einer Lebensversicherung; die diesbezügliche
Beratung durch die Beklagte sei fehlerhaft gewesen. Zudem habe die Beklagte eine
Wertsteigerung der Immobilie in den Beratungsgesprächen versprochen. Insbesondere
sei ihnen geschildert worden, sie könnten die Immobilie nach einigen Jahren mit
Gewinn veräußern. Tatsächlich sei diese Behauptung falsch. Dies gelte selbst unter
Berücksichtigung des im Gutachten des T genannten Verkehrswerts. Zudem belegten
andere Zwangsversteigerungsverfahren, dass Wohnungen in der Anlage nahezu
unverkäuflich seien und dass das Gutachten des Sachverständigen T, das auf die
streitgegenständliche Wohnung ohnehin nicht übertragbar sei, inhaltlich unzutreffend
sei.
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Fehlerhaft sei die Beratung auch deshalb gewesen, weil die Beklagte ein
Mietausfallwagnis, welches mit 0,50 DM pro Monat anzusetzen sei, gar nicht kalkuliert
habe. Eine etwaig kalkulierte Instandhaltungsrücklage sei – insbesondere aufgrund der
1999 erforderlich gewordenen Reparaturen an den Aufzügen und der
Druckerhöhungsanlage sowie der anstehenden Notwendigkeit zur Erneuerung der
offenbar nicht ordnungsgemäß gewarteten Fenster – für die Beklagte, wie sich aus dem
Protokoll der Eigentümerversammlung vom 10.08.1999 sowie dem Inhalt des 1998
beschlossenen Wirtschaftsplans, aus dem sich ein Anstieg des Aufwands für
Instandsetzungen und Reparaturen von 25.348,73 DM auf 132.404,92 DM ergebe,
erkennbar - zu niedrig angesetzt worden; dies belege auch die – kalkulierte –
Entwicklung in den Folgejahren, wie die Wirtschaftspläne für 2000 (GA 493 f.), 2001 (GA
496 f.), 2002 (GA 498 f.), 2003 (GA 500 f.) und 2004 (GA 502 f.) verdeutlichten.
Richtigerweise sei bereits bei Vertragsabschluss für die Beklagte erkennbar gewesen,
dass eine monatliche Rücklage von mindestens 2,99 DM/m² hätte gebildet werden
müssen. Dieser Betrag setzte sich unter Berücksichtigung der in der II.
Berechnungsverordnung enthaltenen Grundsätze aus einem auf die
Instandhaltungsrücklage entfallenden Anteil von 1,50 DM/m² und Monat sowie einem
auf Modernisierungen entfallenden Anteil in Höhe von 1,- DM/m² zuzüglich
Mietausfallwagnis zusammen. Dass Modernisierungen notwendig gewesen seien,
verdeutlichten die ausweislich der Protokolle über die Eigentümerversammlungen aus
den Jahren 1999 bis 2004 beschlossenen Maßnahmen. Zudem sei zu beachten, dass
die Instandhaltungsrücklage bereits ein Jahr nach dem Erwerb zum 01.10.1999 von
0,50 DM auf 1,50 DM erhöht worden sei. Überdies sei die Mietpoolausschüttung zum
01.07.2002 um 0,49 DM pro Monat gekürzt worden, was die Rendite des Objekts weiter
verschlechtert habe und darauf zurückzuführen sei, dass ein Mietausfallwagnis
fälschlicherweise bei der Beratung nicht berücksichtigt worden sei.
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Den ihr und ihrem Ehemann entstandenen Schaden, der sich aus den
Zinsaufwendungen für den Zeitraum 1998 bis September 2006 sowie den
Nachzahlungen für Mietpoolunterdeckungen und die Instandhaltungsrücklage
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zusammensetzt, hat die Klägerin zuletzt unter Abzug der ihnen zugeflossenen
Mieteinnahmen auf 14.804,24 € beziffert.
Mit der Berufung hatte die Klägerin zunächst die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung
von 28.565,36 € Zug um Zug gegen Rückübertragung der streitigen Eigentumswohnung
sowie die Freistellung der Klägerin von ihren Verpflichtungen gegenüber der M-Bank
beantragt.
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Mit Schriftsatz vom 30.10.2006 hat die Klägerin die Klage erweitert und zu den geltend
gemachten Schadenpositionen ergänzend vorgetragen. Wegen der Einzelheiten nimmt
der Senat Bezug auf die Ausführungen auf Bl. 752 ff. der Akten.
35
Die Klägerin beantragt nunmehr,
36
1. unter Abänderung des am 01.06.2004 verkündeten Urteils des Landgerichts
Bielefeld die Beklagte zu verurteilen, an sie zu Händen eines von ihr zu
beauftragenden Notars 90.146,85 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über den Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Klageerhebung zu
zahlen;
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38
2. die Beklagte zu verurteilen, sie und ihren Ehemann freizustellen von den
Verbindlichkeiten aus dem zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann sowie der
C am 22.09.1998 geschlossenen Darlehensvertrags über 146.000 DM.
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40
3. Die Verurteilungen zu 1) und 2) erfolgen Zug um Zug gegen Abgabe folgender
notarieller Erklärungen der Klägern und ihres Ehemmanenes vor dem
beauftragten Notar:
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42
"Wir sind Eigentümer des im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts
Duisburg-Ruhrort von G Blatt #### eingetragenen Wohnungseigentums,
bestehend aus einem 724/100.000stel Miteigentumsanteil an dem Grundstück
im Rechtssinne G1, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung im
Gebäude M-Straße, im 2. Obergeschoss links, Nr. ### des Aufteilungsplanes.
43
Wir verpflichten uns hiermit, das vorbezeichnete Wohnungseigentum auf die L
& Co KG, vertreten durch ihren Geschäftsführer, zu übertragen, frei von der in
Abteilung III des Wohnungsgrundbuches eingetragenen Grundschuld der C
44
AG in Höhe von 146.000.
Wir erteilen der Fa. L & Co KG unter Befreiung von den Beschränkungen des
§ 181 BGB die unwiderrufliche Vollmacht, in unserem Namen die Auflassung
zu erklären.
45
Wir erteilen unser Einverständnis mit einer Weisung der L & Co KG an den
unterzeichneten Notar, den eingehenden Zahlungsbetrag zur Ablösung der in
Abteilung III des Wohnungsgrundbuches eingetragenen Grundschuld der C
zu verwenden.
46
Wir bewilligen die Eintragung der L & Co KG als Eigentümerin unter der
aufschiebenden Bedingung, dass Zahlungseingang in Höhe des durch die
Klage geforderten Betrages nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Klageerhebung auf
dem Konto des unterzeichneten Notars erfolgt und ein ewaig überschießender
Betrag an uns auszukehren ist".
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4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zum Ausgleich des weiteren
Vermögensschadens verpflichtet ist, soweit die oben näher bezeichnete Wohnung
betroffen ist und der Schaden mit ihrem Erwerb, ihren laufenden Unterhaltkosten
und einer eventuell zu zahlenden Vorfälligkeitsentschädigung zusammenhängt.
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49
5. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug befindet.
50
Die Beklagte beantragt,
51
die Berufung zurückzuweisen.
52
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und wiederholt und vertieft ihren
erstinstanzlichen Sachvortrag und beruft sich bezüglich der klageerweiternd geltend
gemachten Ansprüche auf die Einrede der Verjährung. Das vom Senat eingeholte
Gutachten des Sachverständigen W hält die Beklagte für unbrauchbar.
53
Wegen des weiteren Sachverhalts beider Parteien nimmt der Senat Bezug auf den
Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
54
Der Senat hat die Klägerin und den Vertreter der Beklagten angehört. Wegen dieses
Teils der Beweisaufnahme nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt des
Berichterstattervermerks vom 1.02.2005. Sodann hat der Senat ein schriftliches
Sachverständigengutachten des Immobilienwirts W eingeholt, wegen dessen Inhalt der
Senat auf das Gutachten vom 21.04.2006 verweist. Schließlich hat der Senat den
Sachverständigen W mündlich angehört. Wegen dieses Teils der Beweisaufnahme
nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt des Berichterstattervermerks vom 13.11.2006.
55
B)
56
Die Berufung ist zum überwiegenden Teil begründet. Die Klage hat im Wesentlichen
Erfolg. Auf das Verfahren findet gem. Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB das Schuldrecht in
seiner vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes geltenden
Fassung Anwendung.
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I. Der Klägerin steht allerdings kein Anspruch nach den Rechtsgrundsätzen der culpa in
contrahendo aufgrund einer Sittenwidrigkeit des Kaufvertrags (§ 138 I BGB) zu. Die
Klägerin selbst beruft sich nicht ausdrücklich darauf, dass der Kaufvertrag wegen
Sittenwidrigkeit gem. § 138 I BGB nichtig sein könnte; dies hat der Klägervertreter im
Senatstermin am 31.01.2005 klargestellt. Tatsächlich ist dies auch nicht der Fall, selbst
wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, dass der Verkehrswert der
Eigentumswohnung im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses lediglich 88.128 DM
betrug. Unter Berücksichtigung des Kaufpreises von 155.720 DM läge dieser zwar 76,7
% über dem Verkehrswert der Eigentumswohnung und damit nahezu in dem Bereich
von 80%, bei dem im Einzelfall Sittenwidrigkeit in Betracht kommen kann (BGH NJW
1995, 2635; BGH NJW 1992, 899; BGH NJW-RR 1991, 589). Zu berücksichtigen ist
allerdings, dass die Beklagte die Grunderwerbssteuer, die Vertrags- und
Durchführungskosten sowie die Abschlussgebühr für die Bausparverträge iHv. jeweils
1.168 DM getragen hat und der Nettoverkaufspreis sich nach der unbestritten
gebliebenen Darstellung der Beklagten auf 145.969 DM (= 74.633 €) belief. Dieser Preis
überschreitet den von der Klägerin behaupteten Verkehrswert lediglich um 65,63%. Eine
solche Kaufpreisüberhöhung liegt außerhalb des Bereichs, ab dem eine Sittenwidrigkeit
angenommen werden kann. Dies gilt erst Recht, wenn man die Zahlen aus dem
Gutachten des Sachverständigen J zum Ertragswert auf den vorliegenden Sachverhalt
überträgt, wobei man dann noch unberücksichtigt lassen kann, dass der
Sachverständige den Vergleichswert überhaupt nicht und den Sachwert mit 836,10
€/qm errechnet hat.
58
II. Ansprüche gegen die Beklagte unter dem Gesichtspunkt, dass die Beklagte für eine
richtige und angemessene Vermögensanlage einzustehen hätte, bestehen nicht.
59
Nach der Aussage des Zeugen H ist der Zeuge D an ihn und die Klägerin
herangetreten, weil sie Interesse "an der Sache" hatten. Der Zeuge D hat der Familie H
den Erwerb von Eigentum durch den Kauf einer fremdvermieteten Eigentumswohnung
vorgeschlagen. Zu keiner Zeit standen andere Anlageformen zur Diskussion. Damit
stand für die Klägerin und den Zeugen H von vornherein fest, dass es den Zeugen D
und M ausschließlich um die Vermarktung einer Immobilie ging, sie daher gerade nicht
eine unabhängige Beratung über die Vor- und Nachteile verschiedener anderer
möglicher Anlageformen übernahmen und eine entsprechende Beratung auch nicht
erfolgte.
60
III. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch nach den
Rechtsgrundsätzen der positiven Vertragsverletzung eines Beratungsvertrags zu.
61
1. Vom Vorliegen eines Beratungsvertrags, aufgrund dessen die Beklagte die Klägerin
und ihren Ehemann eine inhaltlich zutreffende Beratung über die vorhandene
Ertragssituation und sich ggfs. unmittelbar abzeichnende Änderung der Ertragssituation
schuldete, ist auszugehen.
62
a) Nach der Rechtsprechung kann zwischen Verkäufer und Käufer ein Beratungsvertrag
zustande kommen, wenn der Verkäufer im Zuge eingehender Vertragsverhandlungen
dem Käufer, insbesondere auf Befragen, einen ausdrücklichen Rat erteilt; gleiches gilt,
wenn der Verkäufer dem Käufer als Ergebnis der Verhandlungen ein
Berechnungsbeispiel über Kosten und finanzielle Vorteile des Erwerbs vorlegt, das der
Herbeiführung des Geschäftsabschlusses dienen soll (BGH NZM 2003, 405, 406; BGH
NJW 2005, 983, BGH BeckRS 2005 Nr. 01669). Für die Frage, ob diese
Voraussetzungen erfüllt sind, ist maßgeblich, dass Verhandlungen stattgefunden und
mit einem Beratungsergebnis abgeschlossen haben. Dies schlägt sich beim Vertrieb
von Immobilien anhand eines Anlagenmodells, das den Interessenten durch die
Darstellung der Wirtschaftlichkeit des Erwerbs zum Vertragsabschluss führen soll, - wie
im vorliegenden Fall - vielfach in einem Schriftstück wieder, das hier als Besuchsauftrag
bezeichnet wird.
63
Nach dem unstreitigen Sachvortrag beider Parteien liegen diese Voraussetzungen hier
vor. Insbesondere lässt sich ein Ergebnis des Vermittlungsgesprächs feststellen. Der
Unterzeichnung der beiden Besuchsaufträge gingen Vertragsverhandlungen voraus, in
denen eine auf die Klägerin und deren Ehemann zugeschnittene "Einnahmen- und
Ausgaben" - Rechnung erstellt wurde, die – wie die Besuchsaufträge belegen - unter
Berücksichtigung der Finanzierungszinsen, der Sparleistung für das Bausparen, der
Verwaltungskosten und der Mieteinnahmen sowie der vermögenswirksamen Leistungen
mit einem Aufwand vor Steuern von 375,50 DM bzw. 376,50 DM endeten; die sonstigen
Unterlagen – u.a. die Musterrentabilitätsberechnung - weisen einen Eigenaufwand nach
Steuern von 256 DM aus. Der auf diese Weise ermittelte Aufwand der Klägerin und
ihres Ehemannes diente diesen ersichtlich als wesentliche Entscheidungshilfe für den
Kaufvertragsabschluss.
64
b) Dass die Zeugen D und M für die Beklagte aufgetreten ist, wird von ihr nicht in Abrede
gestellt. Die Vollmacht zur Beratung ergibt sich aus der Vertriebsstruktur (vgl. BGH
BeckRS 2005 Nr. 01669; BGHZ 156, 371, 375; NJW 2003, 1811, 1812 f.), was von der
Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen wird.
65
c) Inhaltlich verpflichtete der Beratungsvertrag die Beklagte als Verkäufer zu richtiger
und vollständiger Information über die tatsächlichen Umstände, die für den
Kaufentschluss des Interessenten von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können
(vgl. BGHZ 123, 126, 129; BGH WM 1988, 95, 96). Bei dem Erwerb einer Immobilie zu
Anlagezwecken sind dies vor allem die Aufwendungen, die der Interessent erbringen
muss, um das Objekt mit seinen Mitteln erwerben und halten zu können. Die Ermittlung
des (monatlichen) Eigenaufwands bildet das Kernstück der Beratung; sie soll den
Käufer von der Möglichkeit überzeugen, das Objekt mit seinen Mitteln erwerben und
halten zu können (BGHZ 156, 371, 377). Bei der Berechnung des Eigenaufwands muss
der Verkäufer daher auch im Zeitpunkt der Beratung bereits abzusehende ungünstige
Veränderungen der Mieteinnahmen oder Unterhaltungskosten berücksichtigen (BGHZ
156, 371, 378). Schließt der Käufer auf Empfehlung des Beratenden - wie hier - einen
Mietpoolvertrag ab, durch den die am Mietpoolvertrag Beteiligten die gemeinsame
Verwaltung und Instandhaltung des jeweiligen Sondereigentums übernehmen, muss
der Beratende bei der Berechnung des Eigenaufwands auch das damit verbundene
Kostenrisiko, etwa in Form einer angemessenen Rücklage für die Instandhaltung des
Sondereigentums, berücksichtigen (BGHZ 156, 371, 378). Er verletzt seine
Beratungspflichten, wenn er ein in tatsächlicher Hinsicht unzutreffendes, zu positives
Bild der Ertragserwartung der Immobilie gibt und den Interessenten dadurch zum
66
Vertragsschluss veranlasst (vgl. BGH NJW 2005, 983).
2. In der Sache liegt ein Beratungsdefizit vor, weil die Beklagte den Käufern aufgrund
einer schuldhaft zu niedrig kalkulierten Instandhaltungsrücklage eine zu hohe Rendite
bei den vor Vertragsabschluss geführten Gesprächen in Aussicht gestellt hat. Die
sonstigen Rügen der Klägerin sind unbegründet.
67
a) Es kann dahinstehen, ob die Beklagte durch ihre Handelsvertreter die Klägerin und
ihren Ehemann geraten hat, eine vorhandene Lebensversicherung aufzulösen und das
auf diese Weise gewonnene Eigenkapital in die Finanzierung einzustellen. Selbst wenn
dies der Fall und die entsprechende Beratung fehlerhaft gewesen wäre, wofür es
allerdings bereits an ausreichendem Sachvortrag fehlt, könnten der Klägerin
Schadensersatzansprüche allenfalls im Zusammenhang mit eben dieser Beratung
zustehen. Solche Ansprüche sind nicht Gegenstand des Rechtsstreits.
68
b) Einen Anspruch kann die Klägerin nicht auf ihre Behauptung stützen, die Beklagte sei
verpflichtet gewesen, sie auf die ihrer Behauptung nach fehlende Werthaltigkeit der
Eigentumswohnung hinzuweisen. Die für die Kapitalanlageberatung geltenden
Grundsätze sind nach den obigen Ausführungen nicht anwendbar. Außerhalb eines
Beratungsvertrags bestand keine allgemeine Pflicht der Beklagten, die Klägerin über
den tatsächlichen Wert der Immobilie zu unterrichten. Ein Käufer hat keinen Anspruch
auf einen Erwerb des Objekts zu dessen Verkehrswert. Bis zu den Grenzen der
Sittenwidrigkeit und des Wuchers bleibt es den Vertragsparteien überlassen, welchen
Preis sie vereinbaren. Eine Pflicht zur Offenlegung des tatsächlichen Werts eines
Kaufobjekts besteht selbst dann nicht, wenn dieser erheblich unter dem geforderten
Preis liegt. Im Regelfall muss der Verkäufer auch den Käufer nicht auf ein für diesen
ungünstiges Geschäft hinweisen, sondern darf davon ausgehen, dass sich sein
künftiger Vertragspartner selbst über Art und Umfang seiner Vertragspflichten im
eigenen Interesse Klarheit verschafft (BGH NJW 2003, 1811). Hieran ändert die
Tatsache nichts, dass sich auf der zweiten Seite der Berechnungskalkulation die
Begriffe "Wertzuwachs" und "hoher Sachwert" finden. Bei diesen Begriffen handelt es
sich ersichtlich um plakative Anpreisungen des Kaufgegenstands.
69
c) Es kann dahinstehen, ob die Behauptung der Klägerin zutrifft, ihr und ihrem Ehemann
sei in den Beratungsgesprächen versprochen worden, sie könnten die Wohnung nach
einigen Jahren mit Gewinn weiterveräußern. Selbst wenn Beauftragte der Beklagten bei
den Beratungsgesprächen entsprechende Erklärungen abgegeben hätten, wären
etwaige unrichtige Angaben noch vor Beurkundung des Kaufvertrags richtig gestellt
worden. Denn in dem von der Klägerin und ihrem Ehemann am 11.09.1998
unterschriebenen Besuchsauftrag findet sich der Hinweis, dass die Klägerin und ihr
Ehemann darüber informiert wurden, dass bei einem Wiederverkauf in den nächsten
Jahren mit einem Verlust gerechnet werden muss.
70
d) Dass die in den Berechnungsunterlagen bzw. in den Besuchsaufträgen
ausgewiesenen Zahlen fehlerhaft waren, behauptet die Klägerin zwar, lässt sich
allerdings nicht feststellen. Die Klägerin trägt unter Vorlage eines Kontoauszugs vom
04.11.2003 vor, sie und ihr Ehemann erhielten lediglich 131,28 € monatlich als
Nettomiete, wohingegen die Mietbescheinigung eine Nettomiete von 183,04 €
ausweise; überdies hätten sie monatlich Zinsen an die M-Bank iHv. 252,96 € zu zahlen.
Eine fehlerhafte Beratung lässt sich mit diesen Zahlen allein allerdings nicht feststellen.
Denn die Klägerin trägt nicht vor, dass, unter Berücksichtigung der von ihrem Ehemann
71
und ihr monatlich zu zahlenden Sparrate, die ab dem 4. Jahr monatlich 153,30 DM (=
78,83 €) beträgt und zuvor monatlich bei 109,50 DM (= 55,99 €) lag, die ihr vor
Vertragsabschluss seitens der Beklagten unterbreiteten Berechungen fehlerhaft waren.
e) Eine fehlerhafte Beratung ergibt sich nicht aus dem erstinstanzlichen Sachvortrag der
Klägerin, ihr und ihrem Ehemann sei bei den Vertragsverhandlungen verschwiegen
worden, dass Nebenkosten auf sie zukommen würden. Bei den von der Klägerin
genannten Nebenkosten handelt es sich um auf den Mieter umzulegende Nebenkosten,
von denen die Klägerin selbst nicht behauptet, dass sie und ihr Ehemann diese hätten
tragen müssen.
72
f) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, sie und ihr Ehemann seien vor
Vertragsabschluss nicht darauf hingewiesen worden, dass sich die Ansparleistung von
zunächst 109,50 DM später in mehreren Stufen erhöhen wird. Nach den auf der
Grundlage der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme getroffenen
Feststellungen des Landgerichts hat die Klägerin diese Behauptung nicht bewiesen.
Die Klägerin trägt in der Berufung keine konkreten Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der
Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des
Landgerichts begründen und deshalb erneute Feststellungen tatsächlicher Art gebieten
würden (§ 529 I Nr. 2 ZPO). Der von der Klägerin erstinstanzlich benannte Zeuge H hat
die diesbezügliche Behauptung der Klägerin nicht bestätigt. Er hat auf Nachfrage
bekundet, es sei darüber gesprochen worden, dass sich die Zahlungen an die
Bausparkasse irgendwann einmal erhöhen würden, wobei der Zeuge D allerdings auch
erklärt habe, diese Erhöhung werde sich aufgrund steigender Mieteinnahmen nur
minimal auswirken. Der Zeuge M hat diese letztgenannte Sachverhaltsschilderung des
Zeugen H nicht bestätigt. Er hat ausgesagt, er weise in den Gesprächen mit den
Erwerbsinteressenten jeweils darauf hin, dass sich die "Sparleistung" im Laufe der Zeit
erhöht. Zwar könne er sich nicht daran erinnern, ob er eine konkrete Zahl genannt habe;
den Eheleuten H sei allerdings verdeutlicht worden, dass es nicht bei den 109,50 DM
bleiben würde, sondern sich diese Sparleistung erhöhen wird. Diese Aussage entspricht
der Aussage des Zeugen D, der ebenfalls bekundet hat, sich mit der Familie H darüber
unterhalten zu haben, dass sich die Sparleistung erhöhen wird. Zwar konnte sich der
Zeuge D ebenfalls nicht mehr an konkrete Zahlen erinnern, was angesichts der
verstrichenen Zeit nachvollziehbar erscheint. Der Zeuge konnte jedoch aussagen, dass
er den interessierten Käufern die Zahlen so mitgeteilt hat, wie sie sich im Laufe der
Jahre ergeben; davon, dass sich diese Erhöhungen für die Klägerin effektiv nur minimal
auswirken, ist in seiner Aussage keine Rede.
73
Ferner spricht der Inhalt der Musterrentabilitätsberechnung dafür, dass die Klägerin
wusste, dass sich die zu leistenden Tilgungsleistungen erhöhen würden. Dort ist
nämlich neben dem Begriff "Tilgung" in – wenn auch kleinerer Schrift – der Zusatz
"Ansparung BS zu Beginn" enthalten.
74
g) Soweit die Klägerin erstinstanzlich darauf hingewiesen hat, dass ihr von den
Mitarbeitern der Beklagten vorgeschlagene Konzept durch ein Vorausdarlehen und
dessen Tilgung durch zwei hintereinander geschaltete Bausparverträge sei teurer als
ein Hypothekendarlehen mit 20 Jahren Laufzeit und 1%iger Tilgung, ergibt sich aus
diesem Sachvortrag eine Pflichtverletzung nicht. Diese Form der Finanzierung ist für
sich genommen marktüblich. Ob sie – wie dies die Klägerin behauptet – aufwändiger ist
als ein annuitätisch zu tilgendes Hypothekendarlehen, lässt sich zuverlässig erst nach
Abschluss der Finanzierung feststellen. Denn die tatsächlich sich aus den
75
verschiedenen Finanzierungsformen ergebenden Gesamtbelastungen sind von
verschiedenen, bei Abschluss der Verträge nicht mit Sicherheit festzulegenden
Parametern abhängig, insbesondere von der Länge der Zinsbindung, Änderungen der
Zinssätze sowie etwaigen Sondertilgungen; eine bei Abschluss der
Finanzierungsverträge zuverlässige Prognose über den wirtschaftlich günstigsten Weg
lässt sich daher nicht treffen. Konkrete Zahlen, anhand derer eine Überprüfung erfolgen
könnte (vgl. BGH NJW 2005, 983, 985), hat die Klägerin dementsprechend auch nicht
vorgetragen.
h) Die weitere erstinstanzlich erhobene Rüge der Klägerin, sie und ihr Ehemann seien
nicht darüber belehrt worden, dass sie durch den Beitritt zum Mietpool ein
Mietausfallrisiko der anderen Poolmitglieder mitzutragen haben, ist unbegründet. Der
Mietpoolvertrag ist – wie sich aus § 13 II 2 des Kaufvertrags ergibt - von dem Notar im
Rahmen der Beurkundung des Kaufvertrags verlesen worden. Aus dem Mietpoolvertrag
ergibt sich unmissverständlich, dass nicht durch Rücklagen gedeckte Aufwendungen
der Mieteinnahmegemeinschaft im Verhältnis der Wohn- und Nutzflächen belastet
werden. Ebenso ergibt sich aus dem Mietpoolvertrag, dass die Verwalterin aus den
eingehenden Mieten eine Instandhaltungsrücklage nach dem WEG sowie eine solche
für das Sondereigentum zu bilden hat. Hierauf weist im Übrigen auch das der Klägerin
und ihrem Ehemann im Rahmen der Verkaufsgespräche übergebene Informationsblatt
über die L Grundstücksverwaltungsgesellschaft hin. Dort heißt es nämlich wörtlich, dass
"alle Mitglieder des Mietpools [tragen] die Erträge und auch Verluste sowie Reparaturen
am Sondereigentum gemeinschaftlich" tragen. Hinsichtlich des
Gemeinschaftseigentums wird darauf verwiesen, dass "die Eigentümer [haben] für die
Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums eine gemeinschaftliche
Instandhaltungsrücklage – die im übrigen gesetzlich vorgeschrieben ist – zu bilden"
haben. Schließlich hat der Zeuge M bestätigt, dass mit der Klägerin und deren Ehemann
über den Mietpool konkret gesprochen worden sei.
76
i) Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich eine fehlerhafte Beratung nicht aus der
Behauptung, sie und ihr Ehemann seien bei den Vertragsverhandlungen nicht darauf
hingewiesen worden, dass eine Kündigung des Mietpoolvertrags nur mit Zustimmung
der C würde erfolgen können. Zwar hat ein anderer Senat des OLG Hamm in einem
obiter dictum in einer solchen unterlassenen Aufklärung eine
Beratungspflichtverletzung gesehen (OLG Hamm, 34 U 146/05, Urt. vom 18.08.2006).
Die entsprechende Entscheidung hält der Senat allerdings für unzutreffend. Der
Mietpool sichert nicht nur den Käufer, sondern auch das Finanzierungsinstitut, das den
Kaufpreis zu mehr als 90% finanziert hat, vor einem totalen Mietausfall und damit davor,
dass der Käufer - möglicherweise – die geschuldeten Zinsleistungen aufgrund eines
totalen Mietausfalls nicht erbringen kann. Das Bestreben eines Finanzierungsinstituts
nach einer ausreichenden Absicherung ihres Kreditengagements ist als solches
banküblich und typischerweise mit der Rolle eines jeden Kreditgebers verknüpft (vgl.
BGH NJW 2006, 2099, 2104; BGH NJW 2006, 2099, 2104). Mit diesem Bestreben muss
jeder Käufer einer fremdfinanzierten Wohnung rechnen. Davon, dass sich die Klägerin
und ihr Ehemann durch diese Klausel während der Dauer des Mietpoolvertrags
jeglicher Einflussnahme auf die Verwaltung und die Vermietung begaben und daher in
ihrer Vertragsfreiheit "massiv" eingeschränkt wurden, kann schon im Hinblick auf das in
§ 2 des Mietpoolvertrags den Mietpoolmitgliedern eingeräumte Recht, das
Rechtsverhältnis mit dem Verwalter mit einer 3-monatigen Frist zum Ende eines jeden
Kalenderjahres beenden zu können, keine Rede sein.
77
j) Ein Beratungsdefizit liegt allerdings vor, soweit die Klägerin rügt, die Beklagte habe
bei den zu erwartenden Ausschüttungen die Instandhaltungsrücklage, eine ebenfalls zu
kalkulierende Modernisierungspauschale sowie ein Mietausfallwagnis nicht bzw. nur
unzureichend kalkuliert.
78
(1) Aus den der Klägerin vor Vertragsabschluss übergebenen Unterlagen ist ersichtlich,
dass der Klägerin von den Vertretern eine "Rendite" von 408 DM pro Monat abzüglich
Verwaltungskosten von 50 DM pro Monat zugesagt worden war. Ein Abstürzen in die
Verlustzone liegt objektiv vor, wenn und soweit diese Rendite bedingt durch eine
aufgrund eines vorhandenen Reparaturstaus zu niedrig kalkulierte
Instandhaltungsrücklage im Sonder- und/oder Gemeinschaftseigentum und/oder bedingt
durch ein nur unzureichend kalkuliertes niedriges Mietausfallwagnis nachhaltig, mithin
über einen längeren Zeitraum nicht zu erwirtschaften war. Dies war hier objektiv der
Fall:
79
Schon 1998 erzielte die Klägerin die versprochene Brutto-Rendite inklusive
Verwaltungskosten von 6 DM/m² (3,07 €/m² = netto 5,26 DM/m²) nicht. Dem
Protokoll der Mietpoolversammlung vom 10.08.1999 lässt sich entnehmen, dass
es 1998 zwar keine Leerstände gab. Aufgrund "dringend erforderlicher
Reparaturen und Instandsetzungen" insbesondere im Bereich der
Sanitäreinrichtungen durch Wannenerneuerungen entstanden 1998
Mehraufwendungen. Die Mieteinnahmen reichten zur Kostendeckung nicht aus,
weshalb der Mietpool – wie es im Protokoll der Mietpoolversammlung weiter heißt
- zum 31.12.1999 im Minus abschließen wird. Aus diesem Grund beschlossen die
Eigentümer, die Unterdeckung aus dem Mietpool zum Stand 31.12.1998 durch
eine Einmalzahlung von 1,95 DM/m² zum 01.09.1999 auszugleichen. Die
Bruttorendite betrug demzufolge 5,84 DM/m² = 5,10 DM/m² netto.
80
81
Im Jahr 1999 wurde auch diese Rendite nicht mehr erreicht. Ab dem 01.10.1999
hatten die Käufer zunächst auf 24 Monate befristet 1 DM/m² zusätzlich auf die
Instandhaltungsrücklage zu zahlen. Ausweislich des Protokolls der WEG -
Eigentümerversammlung vom 13.07.2000 hatte die von der Hausverwaltung in
Auftrag gegebene Erneuerung von 6 Steuerungen für die Aufzüge sowie die 1999
durchgeführte Erneuerung der Druckerhöhungsanlage dazu geführt, dass die
Instandhaltungsrücklage zum 31.12.1999 eine Unterdeckung von 167.295,35 DM
auswies. Deshalb beschlossen die Eigentümer hinsichtlich eines Betrags von
75.112 DM einen Teilausgleich durch Zahlung zweier Raten von 4 DM/m² zum
01.09. und 01.10.2000 vorzunehmen. Im Mietpool war es zu einer Unterdeckung
von 8.678 DM gekommen. Als Grund ist im Protokoll der Mietpoolversammlung
vom 13.07.2000 ausgeführt, dass in der Anlage zwar nur eine Wohnung leer
stehe, für die es überdies bereits einen Bewerber gab, dass es im Sondereigentum
jedoch für die Sanierung der Badewannen zu einer "größeren Position"
gekommen sei, weil der Voreigentümer lediglich durch das "Wanne-in-Wanne"-
Verfahren erneuert habe. Zum Ausgleich der Unterdeckung beschlossen die
82
Mietpoolmitglieder eine Einmalzahlung von 1 DM/m² zum 01.12.2000. Die
Bruttorendite lag 1999 demnach bei nur noch 5,00 DM/m², die Nettorendite bei
4,26 DM/m².( 3,00 DM + 8,00 DM + 1,00 DM = 12,00 DM : 12 = 1,00 DM/m2
weniger)
83
2000 wurde der um 1 DM/m² erhöhte Betrag in die Instandhaltungsrücklage weiter
in die Instandhaltungsrücklage gezahlt. Die Unterdeckung zum 31.12.2000 i.H.v.
101.306,46 DM wurde auf 2001 vorgetragen, so dass insoweit keine weitere
Renditekürzung eintrat. Im Mietpool kam es – wie sich dem Protokoll der
Mietpoolversammlung vom 20.09.2001 entnehmen lässt –aufgrund von 17,5
Monatsleerständen zu Mindereinnahmen. Überdies stiegen die Ausgaben
aufgrund von Reparaturen, die nach Mieterwechseln erforderlich wurden, deutlich
an. Während 1999 für Wohnungsrenovierungen und Innentüren 2.812,56 DM
(monatlich 0,03 DM/m²) aufgewendet wurden, stieg dieser Betrag 2000 auf
21.075,08 DM (= monatlich 0,20 DM/m²) an. Die Kosten für die Erneuerung
sanitärer Einrichtungen stiegen 2000 von 12.628,87 DM (= monatlich 0,12 DM/m²)
auf 15.333,72 DM (= monatlich 0,15 DM/m²). Aus diesem Grund beschlossen die
Mietpoolmitglieder, die Unterdeckung aus Ende 2000 von 71.391,47 DM auf 2001
vorzutragen und durch 2 Raten iHv. jeweils 4,08 DM/m² am 01.10. und 01.11.2001
auszugleichen. Die Rendite sank 2000 auf 4,32 DM/m² brutto = 3,58 DM/m² netto.
(12,00 DM + 8,16 DM = 20,16 DM : 12 = 1,68 DM/m2 weniger)
84
85
Im Jahr 2001 wurde die erhöhte Instandhaltungsrücklage fortgeschrieben. Im
Mietpoolprotokoll vom 20.09.2001 ist ausdrücklich davon die Rede, dass wegen
der 2000 entstandenen Mindereinnahmen in der nächsten Versammlung über eine
Reduzierung der Mietpoolausschüttung gesprochen werden muss. Die
Instandhaltungsrücklage stand Ende 2001 mit einem Betrag von 27.269,86 DM im
Plus. Im Mietpool hatte es 2001 "einige" Leerstände gegeben. Die
Reparaturkosten für sanitäre Einrichtungen, insbesondere Wannenerneuerungen
beliefen sich 2001 auf 22.988,22 DM (= monatlich 0,22 DM/m²). Die Kosten für
Wohnungsrenovierungen sanken auf 11.235,03 DM (= monatlich 0,11 DM/m²).
Weil die Einnahmen im Mietpool 2001 nicht zur Kostendeckung ausreichten,
beschlossen die Mietpoolmitglieder, die Ende 2001 aufgelaufene Unterdeckung
von 14.226,84 € durch eine Einmalzahlung von 1,65 €/m² = 3,23 DM/m²
auszugleichen. Die Bruttorendite 2001 betrug 4,73 DM/m² (= netto 3,99 DM/m²).
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Auf der WEG-Eigentümerversammlung am 13.06.2002 beschlossen die
88
Eigentümer, die erhöhte Instandhaltungsrücklage von 1 DM = 0,51 € "bis auf
Weiteres" zu zahlen. Als Grund ist in dem Protokoll angegeben, dass eine
Fenstererneuerung ansteht, weil die Eigentümer eine Auswechslung der
Holzfenster und den Einbau von Kunststofffenstern mit Thermopenverglasung
"wünschen", was mit Kosten in angegebener Höhe von brutto 489.000 €
verbunden ist. Überdies beschlossen sie, die Bruttomietpoolausschüttung ab dem
01.07.2002 um 0,25 €/m² = 0,49 DM/m² zu senken. Ende 2003 betrug der
Überschuss aus der Instandhaltungsrücklage 62.593,28 €. Im Mietpool kam es
nach dem Protokoll der Mietpoolversammlung 2002 zu 12 Monatsleerständen.
Aufwendungen für die Reparatur sanitärer Einrichtungen und Wannerneuerungen
beliefen sich auf 8.419,56 € (= monatlich 0,08 €/m² bzw. 0,16 DM/m²).
Wohnungsrenovierungen belasteten den Mietpool mit 4,566,54 € (= monatlich 0,04
€/m² bzw. 0,09 DM/m²). Die Unterdeckung betrug 1.446,98 € und wurde auf 2003
vorgetragen. Die Rendite belief sich 2002 auf 4,75 DM/m² (= netto 4,01 DM/m²).
89
Im Jahr
Instandhaltungsrücklage zu zahlen. Außerdem war die Mietpoolausschüttung
weiterhin um 0,49 DM/m² (0,25 €/m²) geringer. Auf der WEG-Versammlung am
18.06.2003 beschlossen die Eigentümer, sämtliche Fenster und Balkontüren mit
einem Kostenvolumen von 493.260,42 € erneuern zu lassen, wobei die Arbeiten
auf 7 Jahre gestreckt werden sollen. Sonderzahlungen sind nach diesem Protokoll
nicht erforderlich, da ab 2004 jährlich 57.000 € für die Durchführung der
Maßnahme zur Verfügung stehen. Im Mietpool gab es 2003 35 Monatsleerstände,
die zu einer Mindereinnahme von ca. 18.000 € inklusive Betriebskosten führten.
Die Unterdeckung von 4.118,89 DM zum Stand 31.12.2003 trugen die
Mietpoolmitglieder nach dem Inhalt des Protokolls der Mietpoolversammlung vom
23.06.2004 auf 2004 vor, da der Banksaldo ein Guthaben von 5.083,79 € auswies.
Die Brutto-Rendite lag bei 4,51 DM/m² = 2,31 €/m² (netto 3,77 DM/m²).
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91
Im Jahr
Instandhaltungsrücklage zu zahlen. Außerdem war die Mietpoolausschüttung
weiterhin um 0,49 DM/m² (0,25 €/m²) geringer. Zudem hatten die
Mietpoolmitglieder im Jahre 2003 beschlossen, die Verwaltergebühr ab dem
01.07.2004 von 5,11 € auf 8,00 € pro Wohnung und Monat zu erhöhen, da der
Verwalter berichtet hatte, dass aufgrund der schlechter gewordenen
Zahlungsmoral der Mieter es erforderlich geworden sei, in der Mahnabteilung den
Personalbestand aufzustocken. Wenn man diesen letztgenannten, von der
Beklagten wohl nicht im Voraus zu kalkulierenden Umstand außer Betracht lässt,
belief sich die Bruttorendite unverändert auf 4,51 DM/m²; die Nettorendite betrug
3,04 DM/m² (je 1,49 DM/m² weniger).
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Diese Zahlen belegen, dass die Klägerin in keinem Jahr die versprochene Rendite von
6 DM/m² brutto bzw. 5,26 DM netto erhalten hat. Dies ist zum einen auf Nachzahlungen
sowie höhere monatliche Einzahlungen in die Instandhaltungsrücklage für das
Gemeinschaftseigentum, aber auch auf Mietleerstände sowie höhere Reparaturkosten
im Sondereigentum zurückzuführen. Bereits im Jahr der Anschaffung lag die Rendite um
brutto 2,7% (netto 3,1%) niedriger als versprochen. In den Folgejahren lag diese Quote
bei 16,7% brutto = 19,1% netto (1999), 28% brutto = 32% netto (2000), 21,1% brutto =
24,2% netto (2001), 21,1% brutto = 23,8% (2002), 24,8% brutto = 28,4% netto (2003)
bzw. 24,8% brutto = 28,4% netto (2004). Diese Zahlen lassen keinen Zweifel daran zu,
dass das Objekt in die Verlustzone geraten ist.
94
(2) Aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen W steht zur Überzeugung des
Senats fest, dass der Absturz in die Verlustzone für die Beklagte als eine im
Immobilienhandel kundige Firma voraussehbar war. Der Sachverständige W hat
ermittelt, dass die Instandhaltungsrücklage einschließlich Mietausfallwagnis durch die
Beklagte erkennbar zu niedrig kalkuliert worden ist. Dem Mietpool stand – und dies
auch nur im Fall der ständigen und damit als unrealistisch zu bezeichnenden
Vollvermietung – lediglich ein Betrag von monatlich 0,62 DM/m² für die zu bildende
Instandhaltungsrücklage für das Gemeinschafts- und das Sondereigentum zur
Verfügung. Nach den Ausführungen des Sachverständigen W hätte die Beklagte ihrer
Kalkulation einen Betrag von 1,96 DM/m² zugrunde legen müssen. Hinzu kommt noch
ein weiterer Betrag von 0,14 DM/m², der für das Mietausfallwagnis hätte berechnet
werden müssen, so dass die Beklagte der Klägerin und dem Drittwiderbeklagten – ohne
Berücksichtigung der Verwaltungskosten – allenfalls eine Rendite von 4,52 DM als
nachhaltig erzielbar hätte versprechen dürfen.
95
Die vorgelegten Gutachten der Sachverständigen E ("ich kann als technischer
Sachverständiger keine eindeutige Beurteilung abgeben, ob die ab dem Jahr 1998
angefallenen Instandsetzungsarbeiten bereits 1998 absehbar waren – es scheint, dass
die Rücklagen zur Deckung der Instandsetzungskosten zu gering angesetzt wurden")
bzw. K (– es kann festgestellt werden, dass unter den Prämissen, dass die Immobilie bis
1998 entsprechend gepflegt wurde, dass die Mietpreisbindung 2005 entfällt und dann
eine Mieterhöhung von rund 10% durchgeführt wird, wobei die Mehreinnahmen der
Instandhaltungsrücklage zugeführt werden, der Vermietungsstand gehalten werden
kann und einige Arbeiten zeitlich nach hinten verlagert und später durchgeführt werden,
die von der Fa. L angesetzte Instandhaltungsrücklage in Höhe von 0,62 DM/m² im Jahr
1998 als durchführbar angesehen werden kann"), sind entgegen der Ansicht der
Beklagten nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit der Ausführungen des
Sachverständigen W zu begründen. Im Gegenteil spricht das Gutachten des
Sachverständigen K für die Richtigkeit der Ausführungen des Sachverständigen W.
Denn nach den Ausführungen des K reichte die kalkulierte Instandhaltungsrücklage nur
im günstigsten Fall aus und dies auch nur dann, wenn Mietzinserhöhungen nach
Wegfall der Sozialbindung vollständig der Instandhaltungsrücklage zugeführt werden,
wobei die Käufer auch nach dem Sachvortrag der Beklagten jedenfalls über diesen
Punkt nicht aufgeklärt wurden. Überdies hat der Gutachter K nicht berücksichtigt, dass
die Beklagte auch eine angemessene Mietausfallwagnispauschale zu berücksichtigen
hatte, so dass ihr ohnehin ein Betrag von 0,62 DM/m² nicht – vollständig – für die
Bildung der Instandhaltungsrücklage zur Verfügung stand. Angesichts dieser Umstände
kann die Beklagte dem Sachverständigen nicht vorwerfen, sich nicht – explizit – mit den
96
vorliegenden Gutachten auseinandergesetzt zu haben. Dass er diese Gutachten
berücksichtigt hat, ergibt sich aus dem Hinweis auf Blatt 7 des Gutachtens sowie seinen
Ausführungen anlässlich seiner Anhörung durch den Senat. Dort hat der
Sachverständige W klargestellt, dass sich dem von dem Gutachter K gefertigten
Diagramm entnehmen lässt, dass sich in den Jahren 1998- 2030 die Kosten, die durch
die Instandhaltungsrücklage gedeckt werden müssen, auf 1,67 DM/m² belaufen. In den
Jahren 1998-2000 liegt der Betrag bei 5,81 DM/m² und in den Jahren 2000-2010 bei
2,63 DM/m².
Den Vorwurf, keine ex-ante Betrachtung angestellt zu haben, hat der Sachverständige in
der mündlichen Verhandlung mit überzeugender Begründung widerlegt. Entgegen der
Auffassung der Beklagten sind die in der II. Berechnungsverordnung genannten Zahlen
nicht Höchstsätze, sondern Durchschnittwerte. Im Übrigen hat der Sachverständige
überzeugend ausgeführt, dass nach seinen Erfahrungen – der Sachverständige ist u.a.
in leitender Funktion für ein Unternehmen tätig, das 2.500 Wohnungen verwaltet und
verfügt über eine 30jährige Berufserfahrung - und auch nach den Kommentierungen
eine an der II. Berechnungsverordnung orientierte Instandhaltungsrücklage an der
unteren Grenze einer die notwendigen Aufwendungen deckenden Rücklage liegt. Dabei
hat er zur Begründung nachvollziehbar darauf verwiesen, dass in dem Rechenwerk der
II. Berechnungsverordnung weder ein Ansatz für modernisierende
Instandhaltungsaufwendungen noch ein solcher zur Kompensation des in der Zeit
zwischen der Errichtung des Gebäudes und der Veräußerung der Wohnung an die
Kläger nicht angesparten Rücklagenstocks enthalten ist. Insbesondere der
letztgenannte Umstand ist von erheblicher Bedeutung für die Frage, welche
Instandhaltungsrücklage die Beklagte als ein im Immobilienbereich erfahrenes
Unternehmen ihrer Kalkulation zugrunde zu legen hatte. Da 27 Jahre lang eine
Instandhaltungsrücklage nicht angespart worden war und da - auch nach dem
Vorbringen der Beklagten – die Wohnung ebenso wenig wie das
Gemeinschaftseigentum vor der Veräußerung grundlegend renoviert worden war, lag es
auf der Hand, dass – altersbedingt – in den Folgejahren mit einem gegenüber
Neubauten oder kernsanierten Altbauten höheren Instandhaltungsaufwand zu rechnen
war.
97
Die Rüge der Beklagten, dem Sachverständigen sei aufgegeben gewesen, eine
Instandhaltungsbedarfsberechnung vorzunehmen, der Sachverständige habe eine
solche Berechnung als de facto undurchführbar bezeichnet, was dazu führen müsse,
dass die Klägerin den ihr obliegenden Beweis nicht erbracht habe, verfängt nicht. Dass
die Beklagte selbst vor Veräußerung der Wohnung eine
Instandhaltungsbedarfsberechnung durchgeführt hätte, behauptet die Beklagte nicht.
Sie hat letztlich nichts anderes getan als der Sachverständige, nämlich den zukünftig
anfallenden Instandhaltungsaufwand unter Berücksichtigung ihrer Erfahrungen im
Immobilienbereich kalkulatorisch ermittelt. Es geht im vorliegenden Verfahren nicht um
die Frage, welcher Instandhaltungsaufwand ex-ante mathematisch exakt hätte einer
Berechnung zugrunde gelegt werden müssen, sondern darum, ob die Kalkulation der
Beklagten von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Diese Frage lässt sich nicht mit
den Regeln der Mathematik, sondern nur mit die Umstände des Einzelfalles
berücksichtigenden Erfahrungen beantworten und ist nach den überzeugenden
Ausführungen des Sachverständigen zu bejahen. Dies ergibt sich auch schon deshalb,
weil die Wirtschaftlichkeitsberechnungen vom 26.01.1998, die zur Ermittlung der
Kostenmiete dienten, höhere Aufwendungen für Instandhaltungen auswiesen als sie die
Beklagte kalkuliert hatte.
98
Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, der Sachverständige habe sich nicht mit
anderen in der Literatur verwendeten Wertmaßstäben auseinandergesetzt. Die
Stellungnahme des Gutachters K zum Gutachten des Sachverständigen W lässt zwar
erkennen, dass in der Literatur auch andere Beträge genannt werden. Auch zeigen die
der Stellungnahme des Gutachters K beigefügten Stellungnahmen, dass andere
Autoren jeweils niedrigere als den vom Sachverständigen W ermittelten Betrag als
angemessen bezeichnen. Mit Ausnahme des in dem Werk Gerhards/Keller,
Baufinanzierung von A-Z, 4. Auflage als angemessen genannten Betrags von 0,50
DM/m² gehen alle anderen von K zitierten Autoren jedoch von einer höheren als der von
der Beklagten kalkulierten Instandhaltungsrücklage aus:
99
9-16 DM/m² (Schulte, Immobilienökonomie, Band I. Betriebswirtschaftliche
Grundlagen, 2. Auflage, S. 404;
5-10 €/m², Gondering, Immobilienwirtschaft, S. 974
9 €/m², Gottschalk, Immobilienwertermittlung, 2. Auflage, S. 340
100
101
Die Beklagte hatte – ohne Berücksichtigung eines Mietausfallwagnisses – lediglich die
Bildung einer Instandhaltungsrücklage von 7,44 DM/m² als notwendig und angemessen
kalkuliert, ein Betrag, der deutlich unter den in der Literatur genannten Werten liegt.
Berücksichtigt man den als Mietausfall in die Kalkulation einzubeziehenden, vom
Sachverständigen ermittelten und von der Beklagten nicht angegriffenen Betrag von
0,14 DM/m², dann verblieb im Jahr lediglich ein Betrag von 5,76 DM/m², der zur Bildung
einer Instandhaltungsrücklage für Sonder- und Gemeinschaftseigentum zur Verfügung
stand. Ein solcher Betrag wird in keinem der von dem Gutachter K aufgeführten Werken
als angemessen angesehen.
102
Dies gilt auch, soweit es um den in den Ausführungen Gerhards/Keller genannten Wert
von 0,50 DM/m² geht. Dieser Wert bezieht sich – wie sich den weiteren Ausführungen
des Autors unter dem Oberbegriff Instandhaltungsrücklage entnehmen lässt und wie der
Sachverständige W ausdrücklich bestätigt hat – auf Neubauten, da der Autor zusätzlich
darauf hinweist, dass "bei Umwandlung von älteren Mehrfamilienhäusern in ETW und
anschließendem Verkauf [ist] insbesondere darauf zu achten [ist], ob eine I. vorhanden
ist. Vielfach wird bei Verkauf ein Grundbetrag eingelegt oder von den Käufern eine erste
Stammeinlage verlangt".
103
Entgegen der Rüge der Beklagten hat der Sachverständige W – wie er bei seiner
Anhörung ausgesagt hat - die Gebäudeausstattung sehr wohl in die Begutachtung
einfließen lassen; er ist von einem durchschnittlichen Erhaltungsstand ausgegangen.
Dass der Zustand der Wohnanlage besser gewesen wäre, behauptet die Beklagte nicht.
104
Die weitere Rüge, der Sachverständige W habe die "Peterssche Formel" nicht richtig
angewandt, führt nicht weiter. Dabei kann offen bleiben, ob der Sachverständige W –
was er selber bei seiner Anhörung ausdrücklich bestätigt hat - nicht deshalb auf einen
indexierten Wert abstellen durfte, weil die "Peterssche Formel" davon ausgeht, dass seit
Errichtung einer Wohnanlage kontinuierlich eine Instandhaltungsrücklage gebildet
105
worden ist und dies im hier zu untersuchenden Fall gerade nicht geschehen ist, sondern
mit der Bildung der Rücklage erst 1998 begonnen wurde. Selbst wenn man zugunsten
der Beklagten davon ausgeht, dass bei der Anwendung der "Petersschen Formel" auf
die Baukosten 1971 abzustellen ist, ändert dies an dem Ergebnis nichts. Denn in
diesem Fall hätte eine Instandhaltungsrücklage von 15,28 DM/Jahr = 1,27 DM/Monat
gebildet werden müssen, mithin ein Betrag, der den von der Beklagten kalkulierten
Betrag von 0,50 DM/Monat bzw. 0,62 DM/m² um mehr als das Doppelte übersteigt.
Soweit die Beklagte die Fehlerhaftigkeit der Feststellungen des Sachverständigen W
mit einem für das Nachbarobjekt E P-Straße in einem Parallelverfahren eingeholten
Gutachten zu begründen versucht, verkennt die Beklagte, dass der dort beauftragte
Sachverständige T2 für jene Anlage eine angemessene Rücklage für die Instandhaltung
und den Mietausfall von 1,50 DM/m³, mithin einen Betrag kalkuliert hat, der den von der
Beklagten im hiesigen Verfahren kalkulierten Betrag ebenfalls um mehr als das
Doppelte übersteigt.
106
Dass die kalkulierte Instandhaltungsrücklage nicht ausreichen würde, ergab sich im
vorliegenden Fall auch bereits aus der Tatsache, dass der Auftrag zur Erneuerung der
Steuerungen für die Aufzüge von dem für die Schwesterfirma der Beklagten tätigen
Herrn S am 02.07.1998 erteilt wurde. Die Klägerin und ihr Ehemann hatten die
Eigentumswohnung erst am 11.09.1998 gekauft. Im Zeitpunkt des Verkaufs stand
danach fest, dass die kalkulierte Instandhaltungsrücklage in den ersten 3 Jahren nach
dem Verkauf nur für den Austausch der Steuerungen würde aufgewendet werden
müssen; Geld für sonstige – laufende oder regelmäßig anfallende
Instandhaltungsarbeiten – stand nicht zu Verfügung, so dass klar war, dass sich die
Instandhaltungsrücklage – jedenfalls zunächst – defizitär entwickeln würde. Ob Herr S
insoweit eigenmächtig gehandelt hat oder nicht, ist unerheblich. Denn wenn die
Beklagte den Kauf einer Wohnung in der streitgegenständlichen Anlage mit einer
bestimmten Rendite versprach, dann hatte sie sich vor Vertragsabschluss darüber zu
informieren, dass diese Rendite auch tatsächlich erzielt werden konnte. Wenn sie
nunmehr vorträgt, Herr S habe eigenmächtig gehandelt, dann belegt dies, dass sie sich
vor dem Verkauf der Wohnung nicht bei dem für die Verwaltung des Objekts
maßgeblichen Mitarbeiter ihrer Schwesterfirma erkundigt hat, ob bestimmte –
ungewöhnliche - Instandhaltungsarbeiten angefallen sind oder sicher anfallen werden,
die es unmöglich machen, dass die Käufer in den ersten Jahren nach
Vertragsabschluss die ihnen versprochene Rendite auch tatsächlich erzielen.
107
Den im Sondereigentum nötigen Maßnahmen wie die Erneuerung von
Sanitäreinrichtungen einschließlich der Wanneneinrichtungen wohnte zudem kein
Überraschungsmoment inne. Soweit sich den Protokollen der Mietpoolversammlung
entnehmen lässt, war Grund für den Erneuerungsbedarf der Wannen, dass der
Voreigentümer defekte Wanneneinrichtungen durch das "Wanne-in-Wanne-Verfahren"
erneuert hatte. Wenn der Verwalter auf der Mietpolversammlung am 13.07.2000
ausführt, dass diese Art der Sanierung keine lange Haltbarkeit sichert, dann kann dies
auch der Beklagten bei der Veräußerung der Wohnungen nicht verborgen geblieben
sein.
108
Soweit auf der Mietpoolversammlung am 20.09.2001 beklagt wurde, nach einem
Mieterwechsel sei in einer Wohnung ein Reparaturaufwand von 12.000 € zu beklagten
gewesen, oder soweit in der Mietpoolversammlung am 23.06.2004 davon die Rede ist,
aufgrund eines Sterbefalles sei eine Wohnungsrenovierung mit 7.800 € zu Buche
109
geschlagen, können derartige Umstände in einem Wohnkomplex von weit mehr als 100
Wohnungen nicht als derart ungewöhnlich bezeichnet werden, als dass die Beklagte
hiermit nicht hätte zu rechnen brauchen; im Gegenteil ist dies gerade für größere
Wohnanlagen typisch.
Auch der auf diversen Mietpoolversammlungen beklagte Wohnungsleerstand ist für sich
genommen nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Davon, dass die Wohnungsanlage
mit weit mehr als 100 Wohnungen zu 100% vermietet ist, durfte die Beklagte bei
Abverkauf der Wohnung nicht ausgehen; vielmehr hatte sie zumindest das typische
Mietausfallwagnis von 2% in ihre Kalkulation einzubeziehen. Entgegen der Ansicht der
Beklagten musste sie das Mietausfallrisiko auch im vorliegenden Fall in ihre Kalkulation
mit einbeziehen. Wenn die Beklagte für ihr Konzept mit einer dauerhaft zu
vereinnahmenden Miete von 6,00 DM/m² warb, dann konnten die Käufer trotz der
Mietpoolsystematik davon ausgehen, dass sich im Rahmen des Üblichen bewegenden
Mietausfälle nicht zu einer Verringerung der ihnen versprochenen Rendite führen
würden, sondern von dem Mietpool, der ihnen gerade als zusätzliche Sicherheit
dargestellt wurde, aufgefangen werden würden und damit in der Kalkulation der
Beklagten zu 1) bereits berücksichtigt waren.
110
3. Die Kausalität zwischen Beratungspflichtverletzung und Kaufvertragsabschluss ist zu
bejahen. Nach feststehender Rechtsprechung des BGH ist, wer vertragliche oder
vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt, darlegungs- und beweispflichtig dafür,
dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre, der
Geschädigte also den Hinweis unbeachtet gelassen und auch bei wahrheitsgemäßen
Tatsachenangaben den Vertrag so wie geschehen geschlossen hätte (vgl. BGH NJW
1998, 302, 302; BGH, NJW 1984, 1688; BGH NJW-RR 1988, 348; BGH NJW 1990,
1659; BGH NJW 1994, 512). Diesen Beweis hat die Beklagte nicht geführt.
111
4) Der Anspruch de Klägerin besteht allerdings nicht in der geltend gemachten Höhe:
112
a) Die Klägerin kann verlangen, so gestellt zu werden, wie sie stünde, wenn die
Beklagte ihren Beratungspflichten ordentlich nachgekommen wäre. In diesem Fall
hätten die Klägerin und ihr Ehemann weder den Kauf- noch die Darlehensverträge mit
der C AG abgeschlossen.
113
(1) Die Klägerin kann danach zunächst Rückzahlung des Kaufpreises, mithin einen
Betrag von 155.720 DM = 79.618,37 € verlangen.
114
(2) Erstinstanzlich waren nur die bis zur Klageerhebung, mithin bis August 2004
gezahlten Darlehenszinsen Klagegegenstand. Diese betrugen
115
1998: 1.233,12 € = 2.411,77 DM
116
1999: 4.247,49 € = 8.307,36 DM
117
2000: 4.247,49 € = 8.307,36 DM
118
2001: 4.247,49 € = 8.307,36 DM
119
2002: 4.230,52 €
120
2003: 4.081,47 €
121
2004: 2.831,68 € (8 Monate)
122
25.119,26 €
123
Soweit die Beklagte die Zahlung von Darlehenszinsen in den Jahren 2002 und 2004
wegen Nichtvorlage entsprechender Beleg bestritten hatte, geht diese Bestreiten nach
Vorlage der Belege ins Leere.
124
(3) Auf diesen Anspruch muss sich die Klägerin die von ihr vereinnahmten Mieten
anrechnen lassen:
125
1998: 542,99 € = 1.062 DM
126
1999: 2.196,51 € = 4.296 DM
127
2000: 2.196,51 € = 4.296 DM
128
2001: 2.196,51 € = 4.296 DM
129
2002: 2.094,60 €
130
2003: 1.818,75 €
131
2004: 1.038,68 € (8 Monate)
132
12.084,55 €
133
Für das Jahr 1998 weist die von den Klägern vorgelegte Mietbescheinigung zwar nur
den Erhalt von 716 DM aus (GA 777). Die Beklagten haben aber von der Klägerin
unbestritten vorgetragen, dass die Klägerin auch für den Monat Oktober eine
Mietzahlung in Höhe von 346 DM erhalten hat. Die Zahlung dieses Betrags hat die
Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 13.11.2006 durch Vorlage eines
entsprechenden Kontoauszugs belegt.
134
Der ersatzfähige Schaden der Klägerin beläuft sich somit auf 13.034,71 €.
135
(4) Nachzahlungen in geltend gemachter Höhe von insgesamt 731 € kann die Klägerin
schon deshalb nicht erstattet verlangen, weil sie die Zahlung dieser Positionen trotz
Bestreitens der Beklagten nicht belegt hat. Der Senat hatte die Klägerin hierauf bereits
mit Hinweis- und Auflagenbeschluss vom 17.03.2005 hingewiesen. Mit Beschluss vom
08.08.2006 hatte der Senat die Klägerin nochmals darauf hingewiesen, dass sie unter
Vorlage aussagekräftiger Belege darzulegen habe, aus welchen Positionen sich die –
bis dahin geltend gemachte – Forderung zusammensetzt. Diese Auflagen hat die
Klägerin nicht erfüllt. Die Klägerin hat lediglich Belege vorgelegt, aus denen sich
entnehmen lässt, dass sie und ihr Ehemann zur Zahlung aufgefordert worden sind. Dass
die Zahlungen tatsächlich erfolgt sind, lässt sich diesen Unterlagen nicht entnehmen.
136
(5) Im Übrigen sind Ansprüche der Klägerin auf Erstattung von Nachzahlungen ebenso
verjährt wie Ansprüche auf Zahlung weiterer aufgewendeter Zinsen für die Zeit ab
137
September 1998 sowie auch nunmehr erstmalig geltend gemachte Ansprüche ihres
Ehemanns auf Freistellung von den Verpflichtungen aus dem Darlehnsvertrag.
Nachzahlungen hat die Klägerin ebenso wie die seit September 2003 angefallenen
Finanzierungszinsen erstmals mit Schriftsatz vom 30.10.2006 eingefordert. Diese
erstmals in der Berufung mit Schriftsatz vom 30.10.2006 geltend gemachte Ansprüche
sind verjährt, nachdem sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 13.11.2006
auf die Einrede der Verjährung berufen hat.
Vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes unterlag der Anspruch
der 30jährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB. Da die regelmäßige Verjährungsfrist
nach dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes nunmehr kürzer ist (§
195 BGB), wird die kürzere Frist von 3 Jahren gem. Art. 229 § 6 Absatz 4 Satz 1 EGBGB
von dem 01.01.2002 an berechnet. Diese Frist war am 31.12.2004 abgelaufen. Dabei
bedarf es keiner Entscheidung, ob die Frist des § 195 BGB trotz des anderslautenden
Wortlauts des Art. 229 IV 1 BGB nur unter den Voraussetzungen § 199 I Nr. 2 BGB zu
laufen beginnt. Selbst wenn man hiervon zugunsten der Klägerin ausginge, wäre der
Anspruch ebenso wie weitere Ansprüche, die Gegenstand des ebenfalls erstmals mit
Schriftsatz vom 30.10.2006 angekündigten Feststellungsantrags sein könnten, verjährt.
Denn die Klägerin hatte schon vor dem Jahr 2002 Kenntnis von den den Anspruch
begründenden Umständen erlangt. Sie wusste nämlich bereits seit 1999, dass durch
das Ansteigen der Instandhaltungsrücklage und durch die Verpflichtung zur Zahlung
von Nachschüssen sie nicht die ihr und ihrem Ehemann versprochene Rendite erzielte.
Dass die Sparraten für den Bausparvertrag anstiegen, war den Käufern spätestens im
Jahr 2001 klar, als es im 4. Jahr nämlich erstmals zu einer Erhöhung der Ansparrate
kam. Die im Jahr 2004 erhobene Klage hemmte die Verjährung nur hinsichtlich des von
der Klägerin bezifferten Betrags
138
(6) Der ersatzfähige Schaden der Klägerin setzt sich somit aus dem gezahlten Kaufpreis
von 79.618,37 € und der Differenz zwischen gezahlten Darlegenszinsen und
vereinnahmten Mietpoolausschüttungen in Höhe von 13.034,71 € zusammen.
Insgesamt beliefe sich der Schaden der Klägerin danach auf 92.653,08 €. Da die
Klägerin zuletzt jedoch nur Zahlung von 90.146,85 € begehrt, konnte der Senat ihr auch
nur diesen Betrag zusprechen (§ 308 ZPO).
139
b) Steuervorteile muss sich die Klägerin entgegen der Ansicht der Beklagten nicht
anrechnen lassen. Grundsätzlich gehören Steuervorteile zwar zu den auf den
Schadensersatzanspruch eines Geschädigten anzurechnenden Vorteilen. Jedoch ist
eine typisierende Betrachtungsweise angezeigt. Danach sind Steuervorteile jedenfalls
dann nicht zu berücksichtigen, wenn die Schadensersatzleistung für den Kläger
ebenfalls zu versteuern ist. Hier ist anzunehmen, dass die der Klägerin und ihrem
Ehemann zurück zu erstattenden Werbungskosten gem. § 9 EStG im Zuflussjahr der
Besteuerung unterliegen (vgl. BGH NJW-RR 2004, 79; BGH vom 17.11.2005
III ZR 350/04 – unter Hinweis auf BfH NJW 1995, 499; BfHE 170, 111; BfHE 171, 183).
Diese Auffassung steht nicht im Widerspruch mit der Entscheidung des
Bundesfinanzhofs vom 27.06.2006 Az.: IX R 47/04. Die genannte Entscheidung setzt
sich nicht mit Werbungskosten auseinander und ist daher für die hier interessierende
Fragestellung nicht einschlägig.
140
c) Schließlich ist der mit Schriftsatz vom 30.10.2006 erstmals angekündigte, auf
Feststellung des Annahmeverzugs gerichtete Antrag unbegründet. Nach § 294 BGB
muss eine Leistung grundsätzlich tatsächlich so angeboten werden, wie sie zu bewirken
141
ist, was bei einer Auflassungsverpflichtung regelmäßig die Mitteilung eines Termins zur
Beurkundung bei einem Notar voraussetzt (BGHZ 116, 244, 250). Zwar reicht zur
Begründung des Annahmeverzugs nach § 295 BGB ausnahmsweise auch ein
wörtliches Angebot aus, wenn sich die Gläubiger – wie hier durch Stellung des
Klageabweisungsantrags im Termin am 13.11.2006 - bestimmt und eindeutig geweigert
haben, die ihnen obliegende Gegenleistung zu erbringen (BGH NJW 1997, 581; BGH
NJW 2006, 1690, 1692). Ein solches wörtliches Angebot liegt allerdings nicht vor. Die
Klägerin bietet eine von ihr und ihrem nach erfolgter Berufungsrücknahme am
Rechtsstreit nicht beteiligten Ehemann erst noch abzugebende und zu beurkundende,
auf Rückauflassung der Eigentumswohnung gerichtete Erklärung an.
d) Zinsen in gesetzlicher Höhe kann die Klägerin bezüglich des zuletzt eingeforderten
Kaufpreisanspruchs erst mit Zustellung des Schriftsatzes vom 30.10.2006 zugesprochen
werden (§§ 286, 288 BGB). Zuvor hatte die Klägerin nämlich lediglich Freistellung
begehrt.
142
IV. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 I 1, 269 III ZPO, 708
Ziffer 10, 711 ZPO.
143
Die Revision hat der Senat – obgleich er dies in der mündlichen Verhandlung
angekündigt hatte – im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom
13.10.2006, V ZR 66/06, die auf der Homepage des Bundesgerichtshofs erst nach der
mündlichen Verhandlung, und zwar am 21.11.2006, eingestellt wurde, nicht zugelassen,
da nach Auffassung des Senats nunmehr die Frage, ob die Beklagte in die
Renditeberechnung auch das Mietausfallwagnis zu kalkulieren hatte, höchst-richterlich
geklärt ist.
144