Urteil des OLG Hamm vom 20.07.2004

OLG Hamm: fonds, stille gesellschaft, örtliche zuständigkeit, anleger, gewerbliche niederlassung, unentgeltliche zuwendung, bedingter vorsatz, gläubigerbenachteiligung, verrechnung

Oberlandesgericht Hamm, 27 U 45/03
Datum:
20.07.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
27. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
27 U 45/03
Vorinstanz:
Landgericht Paderborn, 4 O 583/00
Normen:
§§ 133 InsO, 166 BGB
Leitsätze:
1.
Im Prozess über die Insolvenzanfechtung findet eine erneute Prüfung
der Zulässigkeitsvoraussetzungen der Insolvenzeröffnung nicht statt.
2.
Mitarbeiter des Finanzamts, die im Rahmen des
Gewerbesteuerverfahrens Aufgaben nach § 66 AO wahrnehmen, sind
keine Wissensvertreter der die Steuer festsetzenden und erhebenden
Stadt i.S.v. § 166 BGB.
3.
Im Falle plötzlich zu bedienender Verbindlichkeiten in sehr großer Höhe
(hier: Steuerforderungen von mehr als 10 Mio. DM) kann das in der
Regel für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz sprechende
Beweisanzeichen inkongruenter Leistungserbringung in seiner
Bedeutung herabgesetzt sein.
4.
Zu den Anforderungen an die Kenntnis des Anfechtungsgegners von
einem Benachteiligungsvorsatz.
Tenor:
Auf die Berufungen der Beklagten und der Nebenintervenientin wird das
am 08. Januar 2003 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des
Landgerichts Paderborn teilweise abgeändert.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithelferin
der Beklagten werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird gestattet, die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 120 % des zu
vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende
Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
1
I.
2
Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird gemäß § 540
Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
3
1)
4
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 534.434,35 EUR nebst 4 %
Zinsen seit dem 24.07.1999 verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der
zugesprochene Betrag beruht auf der Zahlung des Finanzamts Q an die Beklagte
vom 23.07.1999 von insgesamt 2.545.853,53 DM, der auf Grund der
Abtretungsanzeige vom 12.03.1999 geleistet wurde. Das Landgericht hat diesen
Betrag zunächst halbiert und sich zur Begründung hierfür darauf gestützt, die den
Eheleuten L zustehende Steuererstattung sei nach der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs nach Kopfteilen aufzuteilen. Von dem Ergebnis hat das
Landgericht 227.663,96 DM abgezogen, die von der Beklagten an den Schuldner
wegen Überzahlung ausgekehrt worden waren.
5
Das Landgericht hat die Anfechtbarkeit insoweit aus § 133 Abs. 1 InsO bejaht und
zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, bei Vornahme der Abtretung
(12.03.1999) sei dem Schuldner bekannt gewesen, dass er durch die Anleger des
Fonds K auf Schadensersatz in Anspruch genommen wurde. Im Dezember 1997
und Februar 1998 sei er in zweistelliger Millionenhöhe verurteilt worden. Bedingter
Vorsatz liege deshalb vor. Der Vorsatz ergebe sich auch aus der inkongruenten
Deckung, weil die Beklagte eine Befriedigung auf diese Art (durch Abtretung) nicht
habe beanspruchen können.
6
Kenntnis der Beklagten sei gegeben. Die Verurteilungen seien den Mitarbeitern der
Beklagten bekannt gewesen. Es habe sich aufgedrängt, dass der Schuldner in
wirtschaftliche Probleme geraten sei. Vor diesem Hintergrund in Verbindung mit der
unverkennbaren Inkongruenz sei nicht zweifelhaft, dass die Mitarbeiter die
entsprechenden Schlussfolgerungen auch gezogen und die
Benachteiligungsabsicht erkannt hätten, ohne dass es darauf ankomme, inwieweit
sie Erkenntnisse über das Steuer- und Steuerstrafverfahren gehabt hätten.
7
Im übrigen sei die Klage unbegründet. Es fehle an einer Mitwirkung des Schuldners
bei der Zuwendung der Leistung an den Anfechtungsgegner, die bei sämtlichen in
Frage kommenden Anfechtungstatbeständen Voraussetzung sei. Die Verrechnung
von 764,64 DM sei allein durch die Beklagte erfolgt. Eine konkrete Mitwirkung des
Schuldners sei auch bei den durch seine Ehefrau erfolgten Zahlungen nicht
ersichtlich; es könne nicht davon ausgegangen werden, dass ihrer Leistung eine
Darlehensgewährung an den Schuldner zugrunde gelegen habe. Etwas anderes
ergebe sich auch nicht daraus, dass dieser sich als Steuerschuldner und Erbringer
der Leistungen bezeichnet habe. Dies sei nur darauf zurückzuführen, dass er sich
um die rechtliche Zuordnung von Handlungen und Vereinbarungen nicht gekümmert
und ohnehin alle Vorgänge seiner Person zugeordnet habe.
8
Im Hinblick auf die Zahlungen aus den F-Fonds sei eine unmittelbare Zuwendung
des Schuldners nicht feststellbar. Die Abtretung von Ansprüchen aus dem Konto bei
E-Bank sei von der KG erfolgt. Bezüglich der Leistung des W-Fonds liege zwar auch
eine Abtretungserklärung des Schuldners vor, die Zahlung sei aber auf Grund der
Abtretung der KG erbracht worden. Hinsichtlich der Zahlungen aus den F-Fonds
lasse sich eine Schmälerung der Zugriffsmasse, insbesondere eine mittelbare
Zuwendung des Schuldners im Wege einer Darlehensgewährung der KG mit
Auszahlung an die Beklagte nicht feststellen.
9
Der Zeuge M habe bekundet, dass das Kapitalkonto zu Lasten des Schuldners im
Jahr 1998 noch einmal mit 750.000-800.000,00 DM belastet worden sei. Das reiche
aber nicht aus, um die Zahlungen als mittelbare Leistungen zu werten, weil die
Feststellung einer vorherigen Vereinbarung zwischen dem Schuldner und der KG
über die Bewilligung eines Darlehens der KG nicht möglich sei. Nur dann bestehe
aber ein pfändbarer Anspruch. Es erscheine möglich, dass die KG geglaubt habe,
sie sei selbst Steuerschuldnerin, nachdem der Schuldner sein "Anlagebüro" mit
allen Aktiva und Passiva in die KG eingebracht habe. Aus diesem Grunde greife die
Anfechtung bezüglich aller Zahlungen der KG nicht durch. Zu den Leistungen der
KG seien auch die Zahlungen aus den Fonds T und H zu rechnen. Zwar habe der
Schuldner bei Abschluss dieser Verträge in eigenem Namen gehandelt; es finde
sich kein Hinweis auf die Existenz der KG, es sei aber nach den Grundsätzen des
unternehmensbezogenen Geschäfts davon auszugehen, dass von vornherein die
KG berechtigt und verpflichtet worden sei, obwohl den Vertragspartnern das
Vorhandensein der KG nicht bekannt gewesen sei.
10
2)
11
Mit seiner Berufung beantragt der Kläger die Abänderung des Urteils und unter
Einbeziehung des ausgeurteilten Betrages insgesamt Zahlung von 4.255.538,93
EUR, also über die zugesprochenen 534.434,35 EUR hinaus weitere 3.721.104,58
EUR. Der Betrag setzt sich wie folgt zusammen :
12
Datum der
Zahlung
von
Betrag
Anmerkungen
30.06.1998 KG
1.500.000,00 DM
766.937,82 EUR
05.08.1998 KG
250.000,00 DM
13
127.822,97 EUR
03.09.1998 KG
210.000,00 DM
107.371,29 EUR
03.09.1998 Ehefrau
43.000,00 DM
21.985,55 EUR
03.09.1998 Ehefrau
26.000,00 DM
13.293,59 EUR
06.10.1998 KG
250.000,00 DM
127.822,97 EUR
22.10.1998 F-Fonds
437.110,25 DM
223.490,92 EUR
Von X2 Konto E-Bank.
Abtretungsanzeige der KG vom
10.08.1998
28.10.1998 F-Fonds
534.811,00 DM
273.444,52 EUR
W-Fonds. Abtretungsanzeigen der
Eheleute vom 03.08.1998 und der
KG vom 10.08.1998
04.11.1998 KG
250.000,00 DM
127.822,97 EUR
10.12.1998 KG
50.000,00 DM
25.564,59 EUR
10.12.1998 Ehefrau
100.000,00 DM
51.129,19 EUR
Scheck
17.12.1998 Ehefrau
100.000,00 DM
51.129,19 EUR
07.01.1999 KG
250.000,00 DM
127.822,97 EUR
25.01.1999 KG
250.000,00 DM
127.822,97 EUR
05.02.1999 KG
250.000,00 DM
127.822,97 EUR
05.03.1999 KG
250.000,00 DM
127.822,97 EUR
07.04.1999 KG
250.000,00 DM
127.822,97 EUR
15.04.1999 Fonds T
554.000,00 DM
283.255,70 EUR
Abtretungsformulare Eheleute vom
12.03.1999
20.04.1999 KG
250.000,00 DM
127.822,97 EUR
05.07.1999 G / Fonds
H
200.000,00 DM
102.258,37 EUR
Fonds S Abtretungsformulare
Eheleute vom 12.03.1999
23.07.1999 Finanzamt
Q
1.185.271,51 EUR
(entspricht der
Forderung erster
Instanz unter
ESt-Rückerstattung aus
gemeinsamer Veranlagung Eheleute
L 1990-1998. Gemeinsame
"Abtretungsanzeige" vom 12.03.1999
Berücksichtigung der
Teilrücknahme)
mit Vorlage am 15.03.1999.
Bezüglich der Zahlungen vom 15.04.1999 (Fonds T) und 05.07.1999 (G/Fonds H)
macht der Kläger geltend, es liege kein unternehmensbezogenes Geschäft vor. Der
Schuldner sei nur in eigenem Namen aufgetreten. Der Kläger stützt die Anfechtung
auf § 133 Abs. 1 InsO.
14
Für die Zahlung von 1.185.271,51 EUR des Finanzamts Q vom 23.07.1999 sei die
finanzgerichtliche Rechtsprechung zu zusammen veranlagten Ehegatten für die
Entscheidung nicht heranzuziehen. Es komme allein auf die Sondervorschriften zum
Insolvenzrecht an. Die finanzgerichtliche Rechtsprechung zur Erstattung nach
Kopfteilen gem. § 37 Abs. 2 AO diene nur der Vereinfachung und solle den
Finanzbehörden eine Nachprüfung unklarer privater Rechtsbeziehungen ersparen.
Dies ändere aber nichts an der Person des materiell Erstattungsberechtigten; nur
die Gläubiger dieses Ehegatten könnten auch dessen Erstattungsanspruch pfänden.
Allein der Schuldner habe Gewinne gemacht, so dass ihm im Innenverhältnis der
gesamte Erstattungsanspruch zustehe. Im Rahmen der Prüfung der
Gläubigerbenachteiligung sei konkret festzustellen, aus welchem Vermögen die
Steuerrückerstattungen gezahlt worden seien. Der Schuldner sei alleiniger
Steuerschuldner. Eine GbR zwischen ihm und seiner Ehefrau habe nicht bestanden.
Selbst für den Fall ihres Bestehens sei der Schuldner alleiniger Betriebsinhaber
geblieben, weil es sich um eine stille Gesellschaft und reine Innengesellschaft
gehandelt habe. Die Einlage des stillen Gesellschafters gehe in das Vermögen des
Inhabers über, so dass es schon rein begrifflich ein Gesellschaftsvermögen nicht
geben könne. Die stille Gesellschaft sei kein selbständiges Steuersubjekt. Der
Schuldner sei jedenfalls bis 1994 allein verpflichtet gewesen.
15
Die Zahlungen seien gemäß § 366 Abs. 2 BGB, §§ 1 Abs. 2 Nr. 5, 225 Abs. 2 AO, 1
GewStG auf die jeweils ältesten Steuerschulden zu verrechnen. Deshalb seien
letztlich alle Zahlungen, deren Rückzahlung begehrt werde, auf die Steuerschulden
bis Ende 1994 erfolgt, also allein auf persönliche Schulden. Der Schuldner sei auch
Leistender gewesen. Es komme anfechtungsrechtlich auf die Sicht des Empfängers
an. In der Verständigung vom 6.5.1999 habe der Schuldner stets von sich selbst als
Leistendem gesprochen, die Staatsanwaltschaft habe die Leistungen strafmildernd
berücksichtigt und die Beklagte sei in ihren Schreiben selbst von persönlichen
Verbindlichkeiten des Schuldners ausgegangen. Auch in seiner
Verbindlichkeitenaufstellung (Bl. 215 d.A.) habe sich der Schuldner als Leistender
bezeichnet.
16
Bei den Abtretungen von Provisionsansprüchen handele es sich um Weggabe von
Schuldnervermögen. Die Zahlungen der F seien ausschließlich auf Veranlassung
des Schuldners geschehen. Die Zahlungen der KG seien als Darlehensgewährung
an den Schuldner zu werten. Auch die Zahlungen der Ehefrau seien als - jedenfalls
stillschweigende - Darlehensgewährung anzusehen. Es gebe keine Vermutung für
eine unentgeltliche Zuwendung ohne Rückerstattungsabsicht.
17
An die Kenntnis der Beklagten seien keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es
reiche, dass der Anfechtungsgegner mit der Möglichkeit rechne, dass andere
18
Gläubiger leer ausgehen. Die Beklagte habe schon im ersten Halbjahr 1998 wegen
rückständiger Gewerbesteuern Zwangvollstreckungsmaßnahmen eingeleitet (Bl.
120 d.A.).
Hilfsweise stützt der Kläger sich auf eine nach seiner Ansicht unzulässige
Verrechnung der Beklagten mit einer Steuerrückerstattung des Schuldners in Höhe
von 1.413.672,00 DM gegen eine Forderung gegen die KG in Höhe von 971.324,08
DM. In letzterer Höhe (496.630,11 EUR) sei die Klage jedenfalls begründet, weil
nicht mit einer gegen die KG gerichteten Forderung aufgerechnet werden dürfe.
19
Der Kläger vertritt die Ansicht, für den Eröffnungsgrund komme es allein auf den
Zeitpunkt des Eröffnungsbeschlusses an. Der Kläger rügt den Vortrag, die KG habe
die Einkommensteuer der Eheleute bezahlt, als verspätet, und meint, die Beklagte
setze sich damit in Widerspruch zu ihrem bisherigen Vortrag.
20
3)
21
Die Beklagte beantragt die Abänderung des angefochtenen Urteils und Abweisung
der Klage sowie die Zurückweisung der Berufung des Klägers. Sie macht
Ausführungen zu § 131 InsO und meint, die Dreimonatsfrist sei nicht eingehalten,
weil auf den Insolvenzantrag vom 08.07.1999 abzustellen sei. Zum Zeitpunkt des
ersten Insolvenzantrags am 18.05.1998 habe dagegen noch kein Insolvenzgrund
vorgelegen. Der Kläger selbst habe in seinem gemäß § 5 InsO erstatteten Gutachten
festgestellt, dass zu diesem Zeitpunkt Insolvenzreife nicht vorgelegen habe.
22
Das Steuerstrafverfahren führe als solches nicht zu einer inkongruenten Deckung.
Der Schuldner habe nicht unter dem Druck einer Zwangsvollstreckung, sondern auf
Grund der Verständigung geleistet. Zu § 133 InsO meint die Beklagte, dass der
Kläger dessen Voraussetzungen nicht nachgewiesen habe. Es fehle am Vorsatz.
Die Zahlungen seien nur vorgenommen worden, um die Strafbarkeit zu vermeiden.
Bei einer Pflichtenkollision seien an den Nachweis des Vorsatzes erhöhte
Anforderungen zu stellen. Der überwiegende Beweggrund sei für die Prüfung des
Benachteiligungsvorsatzes von besonderer Bedeutung.
23
Es fehle an ihrer Kenntnis. Sie sei davon ausgegangen, dass der Schuldner seine
Steuerverbindlichkeiten habe ausgleichen wollen, um seiner Strafbarkeit zu
entgehen. Zahlungsunfähigkeit und objektive Gläubigerbenachteiligung seien nicht
bekannt gewesen. Aus den Presseberichten habe sich die Zahlungsunfähigkeit
nicht ergeben.
24
Im Übrigen verteidigt die Beklagte das angefochtene Urteil und wiederholt und
vertieft ihr Vorbringen erster Instanz. Zur Hilfsbegründung des Klägers vertritt sie die
Auffassung, es sei keine Anspruchsgrundlage ersichtlich. Es liege eine
Haftungskette gem. § 75 AO vor. Aus dem Urteil des LG Paderborn vom 08.01.2003
- 4 O 43/02 - ergebe sich, dass die Steuererstattung der KG zugestanden habe, so
dass eine Verrechnung habe erfolgen dürfen.
25
4)
26
Die Streithelferin beantragt ebenfalls die Abänderung des angefochtenen Urteils
und Abweisung der Klage sowie die Zurückweisung der Berufung des Klägers.
27
Ferner rügt sie die Rechtswegzuständigkeit. Sie meint, erst auf Grundlage der
späteren Insolvenzanträge (Eingang 08.07.1999) sei das Verfahren eröffnet worden.
Es dürfe deshalb nicht auf den 18.05.1998 abgestellt werden.
Auch die Mittel für die Steuerzahlung vom 23.07.1999 in Höhe von 1.185.271,51
EUR seien von ihr, der KG, gekommen. Die Zahlungen seien auf den Kapitalkonten
der Eheleute als Entnahmen zu je 1/2 gebucht worden. Das Kapitalkonto sei negativ
gewesen. Es habe sich um Beträge gehandelt, die gegen sie, die KG, bis 1997
festgesetzt worden seien und für die der Schuldner nur akzessorisch als
Komplementärgesellschafter gehaftet habe. Es könne deshalb nicht von einer
inkongruenten Deckung gesprochen werden, weil er mit der Abtretung seine
persönliche Inanspruchnahme vermieden habe. Das Landgericht habe die
Vorsatzanfechtung zu weit ausgedehnt. Es fehle an der Unlauterkeit des Handelns.
Rechtmäßiges, ja sogar vorgeschriebenes Handeln könne nicht vorsätzlich sein.
Auch eine Kenntnis der Beklagten sei abzulehnen. Aus der Presseberichterstattung
könne sich die Kenntnis nicht ergeben. Der Schuldner habe gegen alle 1997
erlassenen Urteile Berufung eingelegt. Die Verfahren seien durch die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens unterbrochen worden. Es sei kurios, dass das
Insolvenzverfahren aufgrund dieser Urteile eröffnet worden, durch die Eröffnung
aber die Verfahren unterbrochen worden seien. Damit habe niemand zu rechnen
brauchen. Erst recht hätten sich die Mitarbeiter der Beklagten keine Gedanken über
den Ausgang der Rechtsstreite machen müssen oder auch nur können. Sie seien
auch an der Betriebsprüfung und dem Strafverfahren nicht beteiligt gewesen. Der
Schuldner habe sich im Wesentlichen leistungsfähig gezeigt und nur um Stundung
bitten müssen. Aus der Sicht eines Dritten und auch der Bediensteten der Beklagten
sei die Leistungsfähigkeit über alle Zweifel erhaben gewesen.
28
Für den Fall, dass die ersten Konkursanträge als maßgeblich angesehen würden,
sei die Anfechtungsfrist nach § 41 KO versäumt. Gegen eine Anfechtbarkeit nach
altem Recht spreche außerdem die Vorrangigkeit der Steuerforderungen nach § 61
Abs. 1 Ziff. 2 KO.
29
5)
30
Der Kläger beantragt ferner die Zurückweisung der Berufungen der Beklagten und
der Nebenintervenientin.
31
6)
32
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Der Senat hat die Insolvenzakten 2 IN
109/99 AG Paderborn beigezogen. Diese waren Gegen-stand der mündlichen
Verhandlung und sind mit den Parteien erörtert worden. Wegen des Inhalts der
beigezogenen Akten wird auf die nachstehenden Ausführungen verwiesen.
33
II.
34
Die Berufungen der Beklagten und der Streithelferin sind begründet; die Berufung
des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keine Ansprüche
aus §§ 143, 129 ff. InsO.
35
1)
36
Die von der Streithelferin erhobene Rüge der fehlenden Rechtswegzuständigkeit
greift bezüglich der Hauptanträge des Klägers nicht durch. Der Senat hat schon mit
seinem Beschluss vom 24. April 2003 im Verfahren 27 W 2/03 (4 O 579/00 LG
Paderborn) entschieden, dass es sich bei einer vom Insolvenzverwalter im Wege
der Klage erklärten Insolvenzanfechtung auch dann um eine den ordentlichen
Gerichten zugewiesene bürgerlich-rechtliche Streitigkeit handelt, wenn die
Begleichung von Steuerschulden Gegenstand der Anfechtung ist. Auf die Gründe
dieser Entscheidung wird Bezug genommen (Bl. 569 ff. d.A.).
37
Soweit der Kläger sich dagegen mit der Berufungsbegründung hilfsweise darauf
stützt, die Beklagte habe eine unzulässige Verrechnung von Rückforderungen des
Schuldners mit Verbindlichkeiten der KG vorgenommen, liegt eine der ordentlichen
Gerichtsbarkeit zugewiesene Streitigkeit nicht vor. Der Kläger macht damit nämlich
keine Insolvenzanfechtung geltend, sondern wendet sich gegen eine - nach seiner
Ansicht - aus anderen Gründen unzulässige Verrechnung einer Steuererstattung mit
einer Steuerforderung. Trifft seine Auffassung zu, so hat die Beklagte keine
Erfüllung erlangt, weil mangels identischer Steuersubjekte eine Aufrechnungslage
nicht bestand. Es handelte sich damit nicht um eine anfechtbare Rechtshandlung
i.S.v. §§ 129 ff. InsO. Vielmehr bestünde der gegen die Beklagte gerichtete
Steuerrückerstattungsanspruch nach wie vor. Dieser kann jedoch nicht vor den
ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden. Der Hilfsantrag des Klägers ist
damit wegen fehlender Rechtswegzuständigkeit unzulässig.
38
2)
39
Die Prüfung, ob anfechtbare Rechtshandlungen gegeben sind, richtet sich im
vorliegenden Fall nach den Regelungen der Insolvenzordnung. Die Vorschriften der
Konkursordnung finden keine Anwendung. Abzustellen ist dabei für die
Insolvenzanfechtung auf den Zeitpunkt des Insolvenzeröffnungsantrags vom 08. Juli
1999, nicht dagegen auf die Konkursanträge aus dem Jahr 1998. Aus dem zwischen
den Parteien unstreitigen Inhalt der Insolvenzakten 2 IN 109/99 AG Paderborn, die
Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 15. Juni 2004
gewesen sind, ergeben sich die Vorgänge, die zur Eröffnung des
Insolvenzverfahrens geführt haben, wie folgt:
40
Der Gläubiger X2 beantragte mit Schriftsatz vom 8. Juli 1999 bei dem Amtsgericht
Paderborn, über das Vermögen des Schuldners das Konkursverfahren zu eröffnen.
Mit weiteren Schriftsatz vom 12. Juli 1999 stellte er diesen Antrag dahin um, dass
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erstrebt werde. Dieses Verfahren wurde und
wird bei dem Amtsgericht Paderborn unter dem Aktenzeichen 2 IN 109/99 betrieben.
Bereits zuvor hatten die Gläubiger G2 und M mit Schriftsatz vom 18. Mai 1998 bei
dem Amtsgericht Berlin-Charlottenburg beantragt, das Konkursverfahren über das
Vermögen des Schuldners zu eröffnen. Mit zwei gleichlautenden Beschlüssen vom
28. September 1999 - 103 N 1918/98 - und 103 N 1919/98 - erklärte sich das
Amtsgericht Berlin-Charlottenburg in diesen beiden Verfahren jeweils für örtlich
unzuständig und verwies sie auf Antrag des jeweiligen Antragstellers an das
Amtsgericht Paderborn. Diese beiden Verfahren wurden sodann bei dem
Amtsgericht Paderborn unter den Aktenzeichen 2 IN 161/99 und 2 IN 162/99
bearbeitet. Mit Antrag vom 26. November 1999 beantragte eine weitere Gläubigerin,
41
das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners zu eröffnen. Dieser
Antrag wurde unter dem Aktenzeichen 2 IN 177/99 bearbeitet. Durch Beschluss vom
7. Dezember 1999 - 2 IN 109/99 - eröffnete das Amtsgericht Paderborn wegen
Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren und bestellte den Kläger zum
Insolvenzverwalter. Durch einen weiteren Beschluss vom selben Tage wurden die
Verfahren 2 IN 109/99, 2 IN 161/99, 2 IN 162/99 und 2 IN 177/99 zu gemeinsamer
Verhandlung und Entscheidung verbunden. Gegen den Eröffnungsbeschluss legte
der Schuldner sofortige Beschwerde ein. Durch Beschluss vom 14. März 2000 - 5 T
4/2000 - wies das Landgericht Paderborn die sofortige Beschwerde zurück. Gegen
diesen Beschluss des Landgerichts legte der Schuldner weitere Beschwerde ein.
Das OLG Köln (2 W 272/01) lies das Rechtsmittel zu, hob den Beschluss des
Landgerichts Paderborn durch Beschwerdeentscheidung vom 14. Juni 2000 (ZIP
2000, 1343; NZI 2000, 480; ZinsO 2000, 393) auf und verwies die Sache zur
erneuten Entscheidung an das LG Paderborn zurück. Zur Begründung führte das
OLG Köln u.a. aus:
"Der Antrag der Beteiligten zu 3) und 4) vom 18. Mai 1998 auf Eröffnung des
Konkursverfahrens über das Vermögen des Beteiligten zu 1) ist am 20. Mai 1998
und damit vor dem nach Art. 103 Satz 1 EGInsO maßgeblichen Stichtag bei dem
Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg eingegangen. Nach dieser Bestimmung sind auf
Konkursverfahren, die vor dem 1. Januar 1999 beantragt worden sind, die
bisherigen gesetzlichen Bestimmungen, das heißt die Vorschriften der Konkurs- und
nicht diejenigen der Insolvenzordnung anzuwenden. Trifft ein vor dem 1. Januar
1999 gestellter Antrag eines Gläubigers auf Eröffnung des Konkursverfahrens mit
einem nach dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung gestellten Antrag eines anderen
Gläubigers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen desselben
Schuldners zusammen, so ist das Verfahren nach dem Sinn der Regelung des Art.
103 EGInsO gemäß den Bestimmungen der Konkursordnung durchzuführen, wenn
die Zulässigkeits- und Begründetheitsvoraussetzungen für das zuerst beantragte
Verfahren erfüllt sind (vgl. OLG Celle, NZI 1999, 196 [197]; OLG Düsseldorf, NJW-
RR 2000, 501 [502]; Kreft in Frankfurter Kommentar, a.a.O., Art. 106 EGInsO, Rdn.
4). Hiervon sind die Vorinstanzen zwar zutreffend ausgegangen. Ihre Auffassung,
der Antrag vom 18. Mai 1998 sei bei einem örtlich unzuständigen Gericht gestellt
worden und daher unzulässig mit der Folge, daß sich das vorliegende Verfahren
aufgrund der im Jahre 1999 gestellten Anträge der Beteiligten zu 2) und 5) nach den
Bestimmungen der Insolvenzordnung richte, findet indes in den tatsächlichen
Feststellungen der angefochtenen Entscheidung und des in ihr eingerückten
Nichtabhilfebeschlusses des Amtsgerichts keine hinreichende Grundlage.
42
(...)
43
Zudem hat das Amtsgericht in den Gründen des Beschlusses vom 4. Januar 2000
keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, aus denen sich ergibt, weshalb der an
das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg gerichtete Antrag der Beteiligten zu 3) und 4)
auf Eröffnung des Konkursverfahrens unzulässig gewesen sein soll. Daraus, daß
der Beteiligte zu 1) - als der Schuldner des Verfahrens - im Zeitpunkt des Eingangs
des Eröffnungsantrages der Beteiligten zu 2) und 5) im Jahre 1999 seinen
allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des Landgerichts Paderborn gehabt und daß
dort der Mittelpunkt seiner selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit gelegen haben
mag, so daß hier die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 InsO gegeben waren
und sind, folgt nicht notwendig, daß ein im Jahre 1998 bei dem Amtsgericht Berlin-
44
Charlottenburg gestellter Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens wegen
fehlender örtlicher Zuständigkeit jenes Gerichts unzulässig war. Die örtliche
Zuständigkeit für den im Jahre 1998 gestellten Konkursantrag richtet sich vielmehr
gemäß Art. 103 Satz 1 EGInsO nach § 71 Abs. 1 und 2 KO. Der Antrag vom 18. Mai
1998 war daher nur dann wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit des angerufenen
Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg unzulässig, wenn der Beteiligte zu 1) dort -
damals - keine gewerbliche Niederlassung unterhielt. Tatsächliche Feststellungen
hierzu hat das Amtsgericht in der Nichtabhilfeentscheidung vom 4. Januar 2000, die
sich das Landgericht zu eigen gemacht hat, nicht getroffen. Solche Feststellungen
waren auch nicht im Hinblick darauf entbehrlich, daß sich das Amtsgericht Berlin-
Charlottenburg mit zwei Beschlüssen vom 28. September 1999 für örtlich
unzuständig erklärt und die durch die Anträge der Beteiligten zu 3) und 4)
eingeleiteten Verfahren an das Amtsgericht Paderborn verwiesen hat. Zwar waren
diese Beschlüsse für das Amtsgericht Paderborn nach § 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO, der
gemäß den §§ 72 KO, 4 InsO sowohl im Konkurs- als auch im
Insolvenz(eröffnungs)verfahren entsprechend anwendbar ist (vgl. Senat, NJW-RR
1990, 894 [896]; KG NJW-RR 2000, 500 [501]; OLG München, NJW-RR 1987, 382;
Kilger/Karsten Schmidt, Insolvenzgesetze, 17. Aufl. 1997, § 71 KO, Anm. 5, § 72 KO,
Anm. 2; Kirchhof in Heidelberger Kommentar, a.a.O., § 3 Rdn. 20, § 4, Rdn. 11;
Schmerbach in Frankfurter Kommentar, a.a.O., § 3, Rdn. 27), bindend. Die
Bindungswirkung beschränkt sich indes auf die Begründung der örtlichen
Zuständigkeit des Amtsgerichts Paderborn, an welches das Verfahren verwiesen
wurde. Weitergehende Folgen sind mit ihr nicht verbunden; insbesondere hat die
Bindung an den Verweisungsbeschluß nicht zur Folge, daß der Antrag vom 18. Mai
1998 als nach den Bestimmungen der Konkursordnung unzulässig und aus diesem
Grunde als neuer, nach dem 1. Januar 1999 gestellter und gemäß Art. 103 EGInsO
nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung zu behandelnder Antrag anzusehen
wäre.
Auch der Hinweis des Nichtabhilfebeschlusses darauf, daß die Beteiligten zu 3) und
4) den Konkursantrag als Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
"umgestellt" hätten, vermag die Anwendung der Vorschriften der Insolvenzordnung
nicht zu tragen. Damit bezieht sich das Amtsgericht ersichtlich auf den Schriftsatz
der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3) und 4) vom 12. Oktober 1999,
in dem diese gebeten haben, "die bereits anhängige(n) Konkursverfahren als
Insolvenzverfahren zu behandeln". Dieser Antrag ist für die Bestimmung der
anwendbaren Vorschriften unerheblich, weil die Übergangsregelung des Art. 103
EGInsO nicht zur Disposition einzelner Gläubiger steht, die Gläubiger also nicht
bestimmen können, daß ein vor dem 1. Januar 1999 anhängig gewordenes und
daher nach den Vorschriften der Konkursordnung zu behandelndes Verfahren als
Verfahren nach der Insolvenzordnung zu behandeln sein solle. Zwar steht es einem
Gläubiger, der vor dem 1. Januar 1999 einen Antrag auf Eröffnung des
Konkursverfahrens über das Vermögen seines Schuldners gestellt hat, frei, diesen
Antrag bis zum Wirksamwerden des Eröffnungsbeschlusses zurückzunehmen (vgl.
Senat, NJW-RR 1994, 445; Kilger/Karsten Schmidt, a.a.O., § 103 KO, Anm. 2;
Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, 11. Aufl. 1994, § 103, Rdn. 3) und anschließend
einen (neuen), erst nach dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung anhängig
gemachten und deshalb nach ihren Bestimmungen zu bearbeitenden
Insolvenzantrag zu stellen. Daß mit dem Schriftsatz vom 12. Oktober 1999 eine
solche Rücknahme beabsichtigt gewesen wäre, kann indes schon wegen der
hiermit verbundenen Rechtsfolgen, insbesondere der Kostenlast entsprechend §
45
269 Abs. 3 ZPO (vgl. Kilger/Karsten Schmidt, a.a.O.), nicht ohne weiteres
angenommen werden."
Nachdem das LG Paderborn die entsprechenden Tatsachenfeststellungen durch
Beschluss vom 27.11.2001 nachgeholt hatte, ließ das OLG Köln die weitere
Beschwerde des Schuldners mit Beschluss vom 07.06.2001 nicht zu und verwarf sie
als unzulässig. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt:
46
"Geklärt sind auch die von der weiteren Beschwerde aufgeworfenen Fragen der
Anwendung der Konkurs- oder Insolvenzordnung. (...) Zugleich hat der Senat die
Erwägung der Vorinstanzen, dass das Verfahren dann nach der Insolvenzordnung
zu behandeln ist, wenn der im Jahre 1998 gestellte, an das Amtsgericht Berlin-
Charlottenburg gerichtete Konkursantrag wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit
jenes Amtsgerichts unzulässig war, im rechtlichen Ansatz gebilligt und lediglich -
unter Hinweis darauf, dass sich die örtliche Zuständigkeit für jenen Antrag gemäß
Art. 103 EGInsO noch nach § 71 Abs. 1 uns 2 KO richtet, die erforderlichen
tatsächlichen Feststellungen vermisst, auf welche die Annahme der fehlenden
Zuständigkeit des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg gegründet worden war. Damit
sind die insoweit erheblichen Rechtsfragen bereits durch die genannte
Entscheidung des Senats geklärt, so dass sie die Zulassung einer neuerlichen
Rechtsbeschwerde nicht rechtfertigen. Die seinerzeit noch fehlenden tatsächlichen
Feststellungen hat das Landgericht inzwischen in der jetzt angefochtenen
Beschwerdeentscheidung vom 27. November 2001 getroffen."
47
Damit ist rechtskräftig festgestellt, dass es nicht auf die im Jahr 1998 gestellten
Konkursanträge ankommt, sondern der Insolvenzantrag vom 08. Juli 1999 zur
Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt hat. Eine erneute Prüfung der
Zulässigkeitsvoraussetzungen der Insolvenzeröffnung kann im Anfechtungsprozess
nicht vorgenommen werden, weil die Frage nach der Zulässigkeit der
Verfahrenseröffnung dem Insolvenzgericht obliegt. Es könnte sich allenfalls die
Frage nach der Bindungswirkung stellen, wenn das Insolvenzgericht das Verfahren
auf Grund eines unzulässigen Antrags fehlerhaft, aber rechtskräftig eröffnet hätte
(vgl. hierzu MüKo-Kirchhof , § 139 InsO, Rdnr. 10). Ein derartiger Fall liegt hier aber
nicht vor. Vielmehr verbleibt es bei dem Grundsatz, dass sich alle Rechtswirkungen
ausschließlich nach dem Gesetz richten, auf das sich der Eröffnungsbeschluss
gründet, wenn das Insolvenzverfahren rechtskräftig eröffnet wurde (vgl. BGH NJW
1998, 1318).
48
3)
49
Die sich wegen Art. 106 EGInsO stellende Frage nach der Anwendbarkeit von § 41
KO bei Rechtshandlungen, die vor dem 01.01.1999 vorgenommen worden sind,
lässt der Senat offen, weil die Klage aus den nachstehenden Gründen unabhängig
hiervon keinen Erfolg hat.
50
4)
51
Für eine Anfechtung nach den §§ 130, 131 InsO verbliebe nach den zu Ziff. 2)
gemachten Ausführungen von den zeitlichen Voraussetzungen her nur die Zahlung
der KG in Höhe von 250.000,00 DM vom 20. April 1999, weil der Insolvenzantrag
am 08. Juli 1999 gestellt wurde und damit nur die genannte Zahlung in den
52
dreimonatigen Anfechtungszeitraum fällt. Zwar sind auch später noch Zahlungen
durch den Fonds H und das Finanzamt Q erfolgt, diese beruhten aber auf
Abtretungen, die bereits im März 1999 vorgenommen wurden und daher vor dem
Beginn der Anfechtungsfrist lagen. Die auf Grund dieser Abtretungen erfolgten
Zahlungen Dritter sind als solche mangels objektiver Gläubigerbenachteiligung
nicht anfechtbar, weil mit ihnen ein Abfluss aus dem Vermögen des Schuldners
nicht mehr verbunden war. Es fehlt damit am erforderlichen Bezug zum
Schuldnervermögen.
Im Hinblick auf die Zahlung der KG vom 20. April 1999 liegt eine objektive
Gläubigerbenachteiligung (§ 129 InsO) nicht vor, so dass eine Anfechtbarkeit nach
§§ 130, 131 InsO nicht in Betracht kommt. Dies ergibt sich daraus, dass zum
Zeitpunkt dieser Zahlung die persönlichen Steuerverbindlichkeiten des Schuldners
und die der GbR bereits vollständig beglichen waren und nur noch
Verbindlichkeiten der KG bestanden. Die Summe der den Schuldner und die GbR
betreffenden Steuerschulden belief sich - unabhängig von den im Jahr 1999
zugunsten des Schuldner erfolgten Korrekturen der Bescheide für die Jahre 1990
bis 1994 - auf 5.193.217,00 DM. Vor dem 20. April 1999 waren aber schon
Zahlungen von insgesamt 5.554.921,25 DM geleistet worden. Dieser Umstand
belegt, dass die durch die KG erbrachte Zahlung vom 20. April 1999 jedenfalls nicht
auf die persönliche Steuerschuld des Schuldners verrechnet werden konnte. Erst
recht besteht keine Veranlassung zu der Annahme, die KG habe dem Schuldner
über den Betrag seiner persönlichen Steuerschuld hinaus ein Darlehen gewährt.
Dies behauptet der Kläger auch selbst nicht.
53
Die Behauptung des Klägers, eine objektive Gläubigerbenachteiligung liege darin,
dass die KG dem Schuldner in Höhe von dessen Steuerschulden ein Darlehen
gewährt habe, lässt sich bezüglich der Zahlung vom 20. April 1999 auch mit dem
Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme nicht vereinbaren.
Danach steht nämlich fest, dass im Jahr 1999 keine Buchungen zu Lasten des
Kapitalkontos des Schuldners mehr erfolgt sind. An diese Feststellung, deren
Unrichtigkeit mit der Berufung nicht angegriffen wird, ist der Senat gemäß § 529
Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden.
54
5)
55
Eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO scheitert jedenfalls daran, dass nicht mit
der für eine Verurteilung erforderlichen Gewissheit festgestellt werden kann, dass
die Beklagte einen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners kannte.
56
a)
57
Die Beweislast für die Kenntnis des anderen Teils zum Zeitpunkt der Vollendung
der Rechtshandlung trägt der Insolvenzverwalter (vgl. BGH ZIP 1997, 853). Dabei ist
im Streitfall zunächst zu beachten, dass die nach neuem Recht geltende
Beweiserleichterung des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO wegen Art. 106 EGInsO von
vornherein keine Anwendung findet, soweit es um Rechtshandlungen aus dem Jahr
1998 geht. Aber auch für die Rechtshandlungen des übrigen Zeitraums lässt sich
aus der gesetzlichen Vermutung des § 133 Abs. 1 S. 2 für den vorliegenden Fall
nichts herleiten, weil Vortrag des Klägers zu den hierfür erforderlichen
Voraussetzungen vollständig fehlt. Insbesondere hat der Kläger zu keiner Zeit
58
geltend gemacht, die Beklagte habe Kenntnis von drohender Zahlungsunfähigkeit
oder objektiver Gläubigerbenachteiligung gehabt. Es ließe sich danach allenfalls
aus den vom Kläger für die von ihm behauptete Kenntnis vom
Gläubigerbenachteiligungsvorsatz angeführten Umständen der Schluss auf die
Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO ziehen. Eine derartige
Schlussfolgerung ist aber im Ergebnis nicht gerechtfertigt, weil die vorgetragenen
Tatsachen und Indizien nicht ausreichend sind, um den erforderlichen Rückschluss
mit der notwendigen Eindeutigkeit zu ziehen. Insoweit kann auf die folgenden
Erörterungen zu den vom Kläger vorgebrachten Beweisanzeichen Bezug
genommen werden.
b)
59
Der Kläger macht in erster Linie geltend, die Beklagte habe sich die Kenntnis der
Personen, die an der Vorbereitung und dem Abschluss der Verständigung über die
Abwicklung des steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens
beteiligt waren, zuzurechnen. Dies ist aber nicht der Fall.
60
Die Beklagte war an diesem Verfahren selbst nicht beteiligt. Die vom Kläger als
Zeugen benannten Personen haben nicht als Vertreter der Beklagten gehandelt und
standen zu dieser auch in keinem Näheverhältnis. Dies ist zwischen den Parteien
nicht streitig.
61
Die Zurechnung einer evtl. Kenntnis des für das Finanzamt Q an der Verständigung
vom 06. Mai 1999 teilnehmenden Herrn X in direkter oder entsprechender
Anwendung von § 166 BGB ist ausgeschlossen. Eine direkte Anwendung der
Vorschrift scheidet aus, weil der Kläger selbst nicht behauptet, Herr X sei im
Auftrage der Beklagten tätig geworden. Dieser ist auch nicht als Wissensvertreter
der Beklagten mit der Folge anzusehen, dass § 166 BGB entsprechend zur
Anwendung gelangt. Wissensvertreter ist jeder, der nach der Arbeitsorganisation
des Geschäftsherrn dazu berufen ist, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant
bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei
anfallenden Informationen zur Kenntnis zu nehmen und ggfs. weiterzugeben
(Palandt-Heinrichs, 63. Aufl., § 166 BGB, Rdnr. 6). Die für das Finanzamt Q im
Rahmen des Gewerbesteuerverfahrens tätigen Mitarbeiter können nicht schon auf
Grund ihres Tätigkeitsbereiches als Wissensvertreter der Beklagten angesehen
werden. Zwar hat das Finanzamt im Gewerbesteuerverfahren gesetzliche Aufgaben
nach § 22 AO wahrzunehmen, im vorliegenden Fall oblag aber die Festsetzung und
Erhebung der Gewerbesteuer nicht dem Finanzamt, sondern der Beklagten. Das
Finanzamt Q war gemäß § 22 Abs. 1 AO nur für die Festsetzung und Zerlegung der
Steuermessbeträge zuständig. Aus dieser gespaltenen Zuständigkeitsverteilung
kann eine Wissenszurechnung gemäß § 166 BGB nicht hergeleitet werden. Denn
das Finanzamt wurde auf Grund der gesetzlichen Aufgabenzuweisung gerade nicht
als Repräsentantin der Beklagten im Rechtsverkehr, sondern in eigener
Zuständigkeit zur Erfüllung seiner hoheitlichen Aufgabe tätig.
62
Hinzu kommt, dass die Beklagte als Festsetzungskörperschaft in tatsächlicher
Hinsicht für die Erhebung und Beitreibung der Gewerbesteuer nicht auf die Kenntnis
von Tatsachen angewiesen war, welche die Mitarbeiter des Finanzamtes bei ihrer
Tätigkeit in Erfahrung gebracht hatten. Die Beklagte benötigte zur Steuerfestsetzung
lediglich den jeweiligen Steuermessbetrag. Dass ein Informationsaustausch über
63
die Hintergründe dessen Zustandekommens zwischen dem Finanzamt Q und der
Beklagten stattgefunden hätte, behauptet der Kläger auch selbst nicht.
Kann demnach schon nicht festgestellt werden, dass die jeweils zuständigen
Mitarbeiter des Finanzamts Q als Wissensvertreter der Beklagten zu betrachten
sind, so kommt die Zurechnung des Wissens der übrigen an der Verständigung und
deren Vorbereitung beteiligten Personen noch weniger in Betracht, weil diese eine
gesetzliche Aufgabe im Rahmen des Gewerbesteuer-Festsetzungsverfahrens nicht
wahrzunehmen hatten.
64
c)
65
Auf Grund der vorstehenden Ausführungen erübrigt sich die Frage, ob aus der
Kenntnis von Mitarbeitern des Finanzamts Q über beabsichtigte Rückstellungen für
die Entschädigung von Anlegern eine Kenntnis vom
Gläubigerbenachteiligungsvorsatz hergeleitet werden könnte. Denn die Beklagte
hatte auch von dieser, dem Finanzamt gemachten Mitteilung keine Kenntnis und
muss sich die Kenntnis des Finanzamtes nicht zurechnen lassen.
66
d)
67
Entscheidungserheblich ist deshalb, ob die übrigen vom Kläger für die Kenntnis
angeführten Umstände ausreichende Beweisanzeichen bilden. Dies ist auf Grund
der besonderen Umstände dieses Einzelfalles zu verneinen, weil beträchtliche
Zweifel am Vorliegen der Kenntnis bestehen bleiben.
68
aa)
69
Soweit sich der Kläger darauf beruft, aus der Gewährung inkongruenter Deckungen
folge die Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz, greift dies im Ergebnis nicht durch.
70
Zwar trifft es zu, dass die von dem anderen Teil erkannte Gewährung einer
inkongruenten Deckung schon nach altem Recht als starkes Beweisanzeichen dafür
gewertet wurde, dass dem anderen Teil auch der Benachteiligungsvorsatz des
Schuldners bekannt war (vgl. Uhlenbruck, § 133 InsO, Rdnr. 11). Für den
Rechtszustand nach in Kraft treten der Insolvenzordnung ist bei der Prüfung des
Vorsatzes umstritten, ob die Inkongruenz ein Beweisanzeichen bildet (vgl. zum
Meinungsstand: Frankfurter Kommentar - Dauernheim, § 133 InsO, Rdnr. 12;
Uhlenbruck-Hirte, § 133 InsO, Rdnr. 16; KS-Henkel, 2000, Rdnr. 50;
Kübler/Prütting/Paulus, § 133 InsO, Rdnr. 22). Der Bundesgerichtshof hat sich mit
seiner Entscheidung vom 18.12.2003 (IX ZR 199/02) der überwiegenden Ansicht
angeschlossen, nach der die für die Konkursordnung entwickelten Grundsätze auf
die Anfechtung inkongruenter Deckungen gemäß § 133 Abs. 1 InsO zu übertragen
sind. Grundsätzlich ist deshalb daran festzuhalten, dass aus der Inkongruenz auch
auf die Kenntnis des anderen Teils vom Benachteiligungsvorsatz geschlossen
werden kann, wenn der Empfänger die Inkongruenz erkannt hat.
71
Allerdings ist die Stärke dieses Beweisanzeichens nicht starr, sondern hängt von
den Umständen des Einzelfalles ab. Ist etwa das Ausmaß der Inkongruenz nur
gering oder besteht sie nur in Teilen (z.B. Mitbesicherung von Altkrediten), so verliert
sie als Beweisanzeichen ebenso an Bedeutung (vgl. BGH ZIP1997, 853; ZIP 1993,
72
276; ZIP 1998, 248) wie mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur Krise und zum
Eröffnungsantrag (vgl. Uhlenbruck u. Frankfurter Komm. a.a.O., m.w.N.).
Im vorliegenden Fall lag die aus Empfängersicht erkennbare Inkongruenz darin,
dass die Beklagte in fünf Fällen an Stelle einer Zahlung eine Forderungsabtretung
und damit eine Leistung erhielt, die sie nicht "in der Art" zu beanspruchen hatte.
Dagegen begründete der Umstand, dass die Zahlungen auch im Übrigen nicht vom
Schuldner selbst, sondern von Dritten geleistet wurden, jedenfalls keine
Inkongruenz, welche die Beklagte hätte erkennen können. Denn die durch die
Ehefrau und die KG erbrachten Zahlungen ließen sich aus Sicht der Beklagten vor
allem damit überzeugend erklären, dass es sich dabei um Zahlungen des
Schuldners handelte, die lediglich über Zwischenpersonen erbracht wurden. Für
eine derartige Beurteilung sprach die familiäre Bindung zur Ehefrau sowie
hinsichtlich der KG der Umstand, dass der Schuldner deren Überweisungen in den
von ihm persönlich verfassten entsprechenden Begleitschreiben stets als seine
eigenen Zahlungen bezeichnet hatte (s. Anlagen zum Schriftsatz der Rechtsanwälte
O v. 30. Januar 2002). Die Zahlung durch eine Mittelsperson begründet aber keine
Inkongruenz (vgl. Münchener Kommentar - Kirchhof, § 131 InsO, Rdnr. 35).
Dagegen liegen keine Anhaltspunkte vor, dass die Beklagte Kenntnisse über eine
rechtliche Ausgestaltung des Innenverhältnisses zwischen dem Schuldner, seiner
Ehefrau und der KG gehabt hätte, nach der eine Inkongruenz zu bejahen wäre. Auf
dieses Innenverhältnis kommt es bei der Frage, ob eine Drittleistung als inkongruent
anzusehen ist, aber entscheidend an (vgl. OLG Düsseldorf, WM 1985, 1042, 1043;
OLG Dresden, ZIP 1999, 2161; BGH ZIP 1998, 2008; Münchener Kommentar -
Kirchhof, § 131 InsO, Rdnr. 35 u. 11). Eine Kenntnis der Beklagten von den den
Zahlungsvorgängen im Innenverhältnis zugrunde liegenden Abreden, die zwischen
den Parteien streitig sind, wird vom Kläger nicht behauptet. Die Stärke des
Beweisanzeichens ist im vorliegenden Fall folglich schon aus dem Grunde
abgeschwächt, dass dieses nur einzelne, nicht aber die Leistungen insgesamt
erfasste.
73
Des weiteren ist die Inkongruenz "in der Art" der Leistung von ihrer Stärke als
Beweisanzeichen nicht ohne weiteres derjenigen gleichzusetzen, die auf dem
Fehlen eines Anspruchs überhaupt beruht. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn
für die Abweichung in der Art der Leistungserbringung aus Sicht des Empfängers
sachliche Gründe vorliegen, die unabhängig von einem
Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bestehen. Derartige Gründe waren hier gegeben:
Bei der Größenordnung von Steuernachzahlungen, um die es im vorliegenden Fall
geht, kann auch bei einem solventen Schuldner nicht erwartet werden, dass dieser
die hierfür erforderlichen Mittel sofort zur Überweisung bereit hat. Vermögen in
Millionenhöhe wird erfahrungsgemäß in Vermögenswerten angelegt und steht somit
nicht unmittelbar zur Zahlung zur Verfügung. Unter diesen Umständen erlaubt die
teilweise Verwertung von Forderungen des Schuldners gegen Dritte zur Tilgung von
Steuerschulden jedenfalls dann nicht den Schluss auf eine
Gläubigerbenachteiligung und den entsprechenden Vorsatz, wenn es - wie hier - um
Steuerschulden von mehr als 10 Mio. DM geht, mit denen der Schuldner plötzlich
konfrontiert wird.
74
bb)
75
Die Frage, ob aus der Verständigung im Steuerstrafverfahren, insbesondere aus der
76
mit dem Ermittlungsverfahren verbundenen Drucksituation, eine Inkongruenz folgt,
kann offen bleiben. Der durch das Steuerstrafverfahren auf den Schuldner
ausgeübte Druck ist im Rahmen der Kenntnisprüfung wiederum aus dem Grunde
von untergeordneter Bedeutung, dass die Beklagte an diesem Verfahren nicht selbst
beteiligt war. Selbst wenn eine Inkongruenz aufgrund des Ermittlungsdrucks bejaht
würde, könnte deshalb nicht positiv festgestellt werden, dass die Beklagte diese
auch erkannt hätte. Gegen eine diesbezügliche Kenntnis sprechen weitere Gründe,
die nachstehend im Zusammenhang mit der Presseberichterstattung erörtert
werden.
cc)
77
Die Presseberichterstattung reicht als Beweisanzeichen für eine hinreichend
sichere Überzeugung der Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz ebenfalls nicht
aus.
78
Der Kläger bezieht sich auf die Berichterstattung über Verurteilungen des
Schuldners zur Leistung von Schadensersatz an geschädigte Anleger, bleibt aber -
bis auf den noch zu erörternden "T2"-Artikel - Erläuterungen zum genauen Inhalt
dieser Medienberichte schuldig. Die Tatsache, dass überhaupt von den
Verurteilungen des Schuldners berichtet worden ist, gibt für die Annahme einer
Kenntnis der Beklagten von vornherein nichts her, denn aus der
Schadensersatzpflicht eines Schuldners ergibt sich auch dann nichts gegen dessen
Leistungsfähigkeit, wenn er zur Zahlung zweistelliger Millionenbeträge verurteilt
worden ist, solange nicht eine konkrete Kenntnis von der wirtschaftlichen Lage des
Schuldners im Übrigen gegeben ist.
79
Eine derartige konkrete Kenntnis könnte sich danach für den hier maßgeblichen
Zeitraum nach dem Vortrag des Klägers allenfalls aus dem in der Zeitschrift "T2",
Ausgabe vom 00.00.0000, mit der Überschrift "F" versehenen Artikel ergeben, in
dem es u.a. hieß, der Schuldner habe seinen Besitz der Ehefrau und seinen drei
Kindern überschrieben, sich auf diese Weise arm gerechnet, und sei ins Ausland
geflüchtet. Des weiteren wurde dort ausgeführt:
80
"Inzwischen haben rund 250 der 440 Anleger L auf Schadensersatz verklagt,
die meisten Betrogenen bekamen bereits recht. Der N Anwalt M2, der 110
Fondszeichner vertritt, hat eine eigene Internet-Seite angelegt, welche die
Anleger mit den neuesten Nachrichten über den Fortlauf der Affäre informiert.
Die M Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftsverbrechen ermittelt wegen
Betruges.
81
(...)
82
Erst im Dezember 1997 wurde es eng: Eine Massenklage beim Paderborner
Landgericht auf Schadensersatz wegen der Ungereimtheiten beim K hatte
Erfolg. Bald musste der geizige Mann, der sich nicht mal eine EDV-Einrichtung
leistet, gesamtschuldnerisch für etwa 20 Millionen Mark haften.
83
Und dann rückt ihm auch noch die Steuer auf den Hals: L hatte versäumt,
Einnahmen zwischen 1992 und 1995 in Höhe von 42 Millionen Mark
anzugeben.
84
Um seinen Gläubigern zu entgehen, wechselt er seine Wohnsitze, ist mal in H,
mal in C und dann in G gemeldet. In Wahrheit, so finden Detektive heraus,
nächtigt er brav im heimischen Ehebett in Q.
85
L verschenkt vorsorglich sein gesamtes Barvermögen an die Ehefrau und die
drei Kinder ("Das machen doch alle in der Branche") und überschreibt auch
seine mehr als zwei Dutzend Immobilien und Grundstücke in Q, Kanada, der
Schweiz und Ibiza, Vermögenswerte irgendwo zwischen 50 und 100 Millionen
Mark.
86
(...)
87
Wegen verschiedener Delikte ermitteln inzwischen mehrere Staatsanwälte
gegen ihn. Das Finanzamt gibt sich mit der Rückzahlung von acht Millionen
Mark nicht zufrieden, sein ehemaliger Anwalt, der noch mehrere Millionen Mark
fordert, hat einen "dinglichen Arrest" gegen ihn erwirkt.
88
Auch die vielen geschröpften Anleger kann er nicht zufrieden stellen. Über
seinen Anwalt hat er ausrichten lassen, dass er gewillt sei, 15 Prozent der
ehemaligen Einlagen zurückzuerstatten. Nur die wenigsten geben sich derzeit
mit diesem Abschlag zufrieden. "Das ist doch ein Witz", meint ein
Fondszeichner, der drei Millionen Mark verloren hat.
89
An das Geld der Reichen will L immer noch. In einem seiner vielen Rundbriefe
teilt er seinen Untervertreibern am 15. September mit, dass "alle Fonds, welche
zukünftig von meinem Büro akquiriert und konzipiert werden", von einer N Firma
abgewickelt werden drei neue Kommunalfonds in C stünden kurz "vor der
Plazierungsreife".
90
Und auch von den Kliniken kann der Makler nicht lassen: Auf T legt er derzeit
eine N-Klinik auf. Die Reha-Stätte B in X soll 41 Millionen Mark kosten."
91
Wegen des weiteren Inhalts des Zeitungsartikels wird auf dessen als Anlage W 10
zu den Akten gereichte Kopie Bezug genommen.
92
Es ist bereits zweifelhaft, ob sich aus dem wiedergegebenen Inhalt dieses Beitrags
Informationen ergeben, welche den Leser zur zuverlässigen Beurteilung des wahren
Sachverhaltes in die Lage versetzen. Konkrete Angaben zu den Zeiträumen, in
denen Vermögen verschoben worden sein soll, finden sich darin ebenso wenig wie
brauchbare Informationen über den wirtschaftlichen Stand des Schuldners. Im
Gegenteil lässt sich die Darstellung, der Schuldner sei nicht dazu imstande,
Schadensersatz in Höhe von 20 Mio. DM an die Anleger zu leisten, nur schwer mit
der Angabe, er habe von 1992 bis 1995 Einnahmen von 42 Mio. DM erwirtschaftet,
und weiter auch damit nicht vereinbaren, er setze seine Geschäftstätigkeit
unvermindert fort und bewege dabei nach wie vor immense Geldbeträge. Dass es
sich hierbei um eine vornehmlich auf Publikumswirkung abzielende Darstellung
handelte, in welcher die genauen Einzelheiten nicht die entscheidende Rolle
spielten, musste jedem nur durchschnittlich im Geschäftsleben kundigen Leser klar
sein. Dies galt erst recht für die Beklagte, der bekannt war, dass der Schuldner nicht
nur für sich selbst, sondern auch für - mindestens - eine Gesellschaft, nämlich die L
93
KG, gehandelt hatte. Wem die beschriebenen Handlungen in rechtlicher Hinsicht
zuzuordnen waren, blieb in dem genannten T-Artikel aber vollständig offen. Unter
diesen Umständen konnte von einer zuverlässigen Beurteilungsgrundlage von
vornherein nicht die Rede sein. Vielmehr war gerade aus Sicht der Beklagten eine
kritische Würdigung angezeigt.
Der Zeitungsartikel lässt sich aus einem weiteren Grunde aus Sicht des Lesers nicht
mit der Behauptung vereinbaren, der Schuldner habe der Beklagten auf Kosten der
geschädigten Anleger eine bevorzugte Behandlung zukommen lassen wollen. Nach
der Klagebegründung soll der Schuldner die Beklagte als Steuergläubigerin
vorrangig befriedigt haben, um der im Steuerstrafverfahren drohenden Bestrafung zu
entgehen oder diese jedenfalls herabzusetzen. Damit soll verbunden gewesen sein,
dass er die Benachteiligung seiner übrigen Gläubiger, also der Anleger, welche
seine Verurteilung zum Schadensersatz erreicht hatten, als unvermeidliche Folge
seines Handelns billigend in Kauf nahm. Die Annahme, der Schuldner habe seine
Steuerschulden zur Vermeidung einer Strafbarkeit begleichen wollen, den den
Anlegern geschuldeten Schadensersatz dagegen nicht, steht jedoch im
Widerspruch zu dem Inhalt des Zeitungsartikels. Denn der Leser des Beitrags
müsste hierfür voraussetzen, dass der Schuldner gezielt nur in einem von mehreren
gegen ihn gerichteten Strafverfahren Wohlverhalten zeigte, zudem gerade in jenem,
das den geringeren Umfang hatte und damit von seiner Strafandrohung her nicht
den Schwerpunkt bildete. Gegenstand des Berichts waren nämlich - in
strafrechtlicher Hinsicht - vor allem die als "Betrug" bezeichneten Handlungen
gegenüber den Anlegern, die zu einem Schaden von 20 Mio. DM geführt haben
sollten. Diesbezüglich wurde ausgeführt, dass die M
Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftsverbrechen wegen Betrugs ermittelte.
Demgegenüber nahm die Darstellung der nicht beglichenen Steuerschulden nur
einen untergeordneten Rang ein; diese wurden nur kurz erwähnt. Selbst wenn also
unterstellt würde, die bei der Beklagten zuständigen Personen hätten den
Zeitungsbericht sorgfältig gelesen, so hätten sie hieraus nicht den Schluss ziehen
können, dass gerade die Beklagte gegenüber den "betrogenen" Anlegern bevorzugt
werden sollte, denn deren Schaden war erheblich höher als die offenen
Steuerverbindlichkeiten. Viel näher hätte gelegen, dass der Schuldner darum
bemüht sein musste, eine Strafbarkeit insgesamt, also auch und vor allem wegen
des ihm angelasteten Betrugs in zweistelliger Millionenhöhe, zu vermeiden. Der
Zeitungsbericht bietet deshalb auch dann keine sachliche Grundlage, auf einen
Benachteiligungsvorsatz bezüglich der Anleger zu schließen, wenn unterstellt wird,
dass der Schuldner sich wegen der gegen ihn gerichteten Strafverfolgung in einer
Drucksituation befand. Denn eine derartige Lage hätte nicht nur im steuerlichen,
sondern in sämtlichen Ermittlungsverfahren bestanden.
94
dd)
95
Unter dem vorgenannten Aspekt verliert auch die Inkongruenz bezüglich der Art der
der Beklagten zugewandten Leistungen weiter an Gewicht. Denn die Tatsache,
dass die Beklagte Forderungen gegen Fonds abgetreten erhielt, deutete aus
Empfängersicht nicht darauf hin, dass der Schuldner einseitig darum bemüht war,
unter Benachteiligung geschädigter Anleger ausgesuchte Gläubiger zu befriedigen.
Unter Berücksichtigung des Artikelinhalts war viel wahrscheinlicher, dass der
Schuldner dasjenige Vermögen, was er zuvor nach der Darstellung im "T" dem
Zugriff von Gläubigern entziehen wollte, nun doch unter Rückgängigmachung
96
vorheriger Vermögensverschiebungen dafür einsetzte, seine Schulden zu tilgen. Mit
einer derartigen Vorgehensweise ließ sich aus Sicht der Beklagten auch
überzeugend der Umstand erklären, dass sie vom Schuldner selbst keine einzige
Mark erhielt, die Zahlungen vielmehr - abgesehen von den abgetretenen
Forderungen - allesamt von dessen Ehefrau und der KG erbracht wurden.
Geht man hiervon aus, so musste auch und gerade auf Grund des genannten
Zeitungsartikels der Schluss naheliegen, dass der Schuldner aus dem über
Jahrzehnte angehäuften beträchtlichen Privatvermögen dazu imstande war,
sämtliche Schadensersatzforderungen zu bedienen.
97
ee)
98
Es bleibt damit im Ergebnis festzuhalten, dass sich der vorliegende Sachverhalt aus
den angeführten Gründen nicht als typischer Fall der Vorsatzanfechtung darstellt,
sondern die im Regelfall heranzuziehenden Umstände, die für die Kenntnis vom
Gläubigerbenachteiligungsvorsatz sprechen können, hier als Beweisanzeichen
jedenfalls nicht für eine sichere Überzeugung ausreichen.
99
5)
100
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 101 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der
Revision gemäß § 543 ZPO liegen nicht vor.
101