Urteil des OLG Hamm vom 26.02.2008

OLG Hamm: geistige schöpfung, örtliche zuständigkeit, sammelwerk, datenbank, veröffentlichung, wissenschaft und forschung, lizenznehmer, form, internetadresse, konsortium

Oberlandesgericht Hamm, 4 U 157/07
Datum:
26.02.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 U 157/07
Vorinstanz:
Landgericht Bielefeld, 4 O 292/06
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 6. September 2007
verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld
abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt,
1. Auskunft zu geben über
a) sämtliche Namen und Anschriften, und zwar in Form von postalischen
wie auch in Form von e-mail-Adressen, sämtlicher privater, gewerblicher
und öffentlich-rechtlicher Lizenznehmer der elektronisch digitalisierten
Hefte und Bände der Zeitschrift "L" seit 1987 und
b)
Namen und Anschriften der Unternehmen, die von der Beklagten mit der
Vermittlung von Online-Zugangs-Verträgen über die Zeitschrift "L"
beauftragt sind,
2.
Rechnung zu legen über die in den Jahren 2004, 2005 und 2006
erzielten Gewinne aus Online-Veröffentlichungen der Zeitschrift "L" für
die Jahrgänge 1987 - 2006,
3.
die Gewinne aus den Online-Veröffentlichungen der Zeitschrift "L" des
Jahres 2004 herauszugeben, deren Bezifferung der Höhe erst nach
Erledigung des Antrags 2) erfolgt.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden gegeneinander
aufgehoben. Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen
der Kläger 10 % und die Beklagte 90 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 240.000,- EUR abzuwenden,
wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe
leistet.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e
1
A.
2
Der Kläger ist Professor für Mathematik an der Universität C. Die Beklagte ist ein
Verlagshaus für wissenschaftliche Publikationen.
3
Am 22.11.1985 schlossen der Kläger und die Fa. S in E, Niederlanden, einen Vertrag
über die Publikation der Zeitschrift "L", deren Herausgeber der Kläger war. Die
Zeitschrift sollte als Druckwerk erscheinen. An Online-Veröffentlichungen war bei
Vertragsabschluss noch nicht gedacht.
4
Der Kläger stellte den Beirat der Zeitschrift zusammen und sammelte Manuskripte, die
er einem Begutachtungsverfahren unterwarf, in dem mindestens zwei Gutachten von
zwei fachlich ausgewiesenen Gutachtern eingeholt wurden. Danach entschied er,
manchmal noch nach weiterer Rücksprache mit dem fachkompetenten Mitglied des
Beirats, über die Annahme des Manuskripts und sandte dieses an den Verlag in E.
Dieser stellte einen Drucksatz her, ließ ihn von den Autoren Korrektur lesen, arbeitete
sodann die Korrekturen ein und stellte eine zum Druck geeignete Ausfertigung her.
Diese wurde sodann an den Kläger versandt, der schließlich entschied, in welchem Heft
ein Manuskript in welcher Reihenfolge erscheinen sollte, und dieses dann dem Verlag
in E mitteilte.
5
In der Folgezeit wurde der Verlag S von L2 in E übernommen.
6
Im Jahr 1996 begannen einzelne Online-Veröffentlichungen von Artikeln, ohne dass
diese auch vermarktet wurden.
7
Im Laufe des Jahres 2003 wurde die Kommunikation zwischen Verlag und Kläger
zunehmend angespannt. Verhandlungen über den Abschluss eines neuen Vertrags, der
auch Online-Veröffentlichungen einschließen sollte, scheiterten. Im Februar 2004
fusionierte T mit L2. Die Produktion der Zeitschrift verblieb in E. In den Niederlanden
firmiert T seitdem unter T2
8
Von 1997 bis zum 31.10.2004 war die Fa. L2 für die Online-Veröffentlichungen
verantwortlich. Danach sind die Veröffentlichungen unstreitig bei der Datenbank
"*internetadresse*" durch die Beklagte erfolgt.
9
Die Artikel aus der Zeitschrift wurden jedenfalls seit Oktober 2004 auf der von der
Beklagten betriebenen Internet-Seite *internetadresse* veröffentlicht und online
vermarktet. Hierbei handelt es sich um das umfassendste und größte wissenschaftliche
Portal der Welt für Wissenschaft, Technik und Medizin mit Suchmaschine. Über dieses
Portal werden insgesamt 3.829.602 Beiträge aus 28.018 Publikationen, darunter 2.024
Zeitschriften (Stand: 17.02.2008) zugänglich gemacht. Im Zeitraum 2004 bis 2008 wurde
alsdann auch die gesamte Zeitschrift "L" seit 1987 online veröffentlicht.
10
Der Kläger stimmte Online-Veröffentlichungen nicht ausdrücklich zu, und der Verlag
informierte ihn nicht über solche. Im Laufe der Jahre 2004/2005 kam es zu
Verzögerungen bei Herstellung und Veröffentlichung der Zeitschrift. Zum einen beklagte
sich der Kläger über Verspätungen in der Produktion, zum anderen beklagte man sich
seitens des Verlags u.a. über eine verzögerte und willkürliche Einsendung von
Manuskripten durch den Kläger.
11
Mit E-Mail vom 07.05.2006 machte der Kläger Frau C, seine Ansprechpartnerin beim
Verlag, auf die aus seiner Sicht bestehende urheberrechtliche Problematik der Online-
Veröffentlichung wegen Mangels an Zustimmung aufmerksam. Mit Schreiben vom
19.05.2006 an die T2 untersagte die Prozessbevollmächtigte des Klägers dem Verlag
jede Veröffentlichung weiterer Manuskripte unter Hinweis darauf, dass dieser das
Journal nicht vertragsgemäß innerhalb von 12 Monaten herausgebe. In der Folgezeit
kam es dennoch weiter zu Druck- und Online-Veröffentlichungen.
12
In der Folgezeit erfolgten Verhandlungen u.a. über eine zu vereinbarende Beteiligung
des Klägers als Herausgeber an den Nettoeinnahmen aus der elektronischen Nutzung
der Zeitschrift. Am 21.06.2006 überwies der T als "Zahlung für VoI. 35" einen Betrag in
Höhe von 10.000,00 € an den Kläger.
13
Am 13.10.2006 wurde die T GmbH mit der T3 GmbH als aufnehmendem Unternehmen
aufgrund Verschmelzungsvertrags vom 29.08.2006 verschmolzen und die T3 GmbH in
T3 GmbH umfirmiert.
14
Im Laufe des Winters 2006/2007 legten sämtliche Herausgeber der Zeitschrift "L" ihre
Herausgeberschaft nieder. Mit Schreiben vom 03.01.2007 setzte die Beklagte dem
Kläger eine Frist zur Ablieferung weiterer Manuskripte und drohte mit Ablehnung für den
Fall, dass der Kläger die Frist fruchtlos verstreichen lasse. Da der Kläger weitere
Manuskripte nicht lieferte, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 08.02.2007 die
Kündigung des Vertragsverhältnisses, hilfsweise den Rücktritt vom Herausgebervertrag.
15
Der Kläger gibt mittlerweile eine neue Konkurrenzzeitschrift namens "K" heraus.
16
Die Parteien haben erstinstanzlich über die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts und
die Passivlegitimation der Beklagten gestritten, ferner darüber, ob die Voraussetzungen
für einen Übergang von Titel und goodwill auf den Kläger wegen verspäteten
Erscheinens der Zeitschriften nach den "Additional provisions", Ziff. 1 des Vertrages
vom 22.11.1985, erfüllt waren (betr. "vertragliche Angelegenheiten"), ob die
Urheberrechte des Klägers als Herausgeber aus § 4 I UrhG durch die Online-
17
Veröffentlichungen verletzt sind und ob der Kläger – so von der Beklagten behauptet -
einer Online-Veröffentlichung schlüssig zugestimmt hat (betr. Online-
Veröffentlichungen).
Der Kläger hat zu den Online-Veröffentlichungen gemeint, sein Urheberrecht aus § 4 I
UrhG als Herausgeber sei hierdurch verletzt. Er habe einer Online-Veröffentlichung
auch schlüssig nicht zugestimmt. Er habe erst im Laufe des Jahres 2005 positiv von
dem kommerziellen Vertrieb der Online-Zeitschrift Kenntnis bekommen.
18
Der Kläger hat beantragt,
19
1. festzustellen, dass der Titel der Zeitschrift "L", geschäftsführend
herausgegeben von ihm, der goodwill der Zeitschrift und die Manuskripte von
Heft 4 aus Band 34 aus dem Jahr 2005 und alle folgenden Hefte und
Manuskripte ab dem 01. Mai 2006 ihm gehören;
20
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Liste aller Einzelabonnenten und aller
Konsortiumsabonnements sowie der in dem jeweiligen Konsortium erfassten
Einzelabnehmer der Druckfassung der Zeitschrift "L", herausgegeben von ihm
und verlegt von der Beklagten, für die Jahre 2001, 2002, 2003, 2004, 2005,
2006 herauszugeben;
21
3. die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft zu geben über sämtliche
22
a) Namen und Anschriften und zwar auch in Form von e-mail-Adressen
sämtlicher gewerblicher und öffentlich-rechtlicher Lizenznehmer und
Konsortium-Lizenznehmer sowie die Namen und Anschriften der über ein
Konsortium Zugangsberechtigten seit 1996,
23
b) Namen und Anschriften sämtlicher gewerblicher und öffentlich-rechtlicher
Lizenznehmer und Konsortium-Lizenznehmer sowie der Anschriften der über
ein Konsortium Zugangsberechtigten der elektronisch digitalisierten Hefte und
Bände seit 1987,
24
c) Menge der an Lizenznehmer und Konsortium-Lizenznehmer ausgelieferten
Hefte und Bände und an wen sie in welcher Menge ausgeliefert wurden,
25
d) Namen und Anschriften der Unternehmen, die mit der Vermittlung von
Online-Zugangs-Verträgen beauftragt sind der Online-Version der Zeitschrift
"L", herausgegeben von ihm, und veröffentlicht von der Beklagten;
26
4. die Beklagte zu verurteilen, Rechnung zu legen über die erzielten Einnahmen
aus Online-Veröffentlichungen und Online-Archivierungen der Zeitschrift L,
geschäftsführend herausgegeben von ihm, für die Jahrgänge 1987 bis dato;
27
5. der Beklagten zu untersagen, die 4 Hefte des Bandes 37 der Zeitschrift L,
geschäftsführend herausgegeben von ihm, online zu vervielfältigen und zu
verbreiten;
28
6. der Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein
Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 € oder eine Ordnungshaft bis zu 6
29
Monaten, zu vollziehen an einem ihrer organschaftlichen Vertreter, festgesetzt
wird;
7. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.000,00 € nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen
30
31
Die Beklagte hat die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Bielefeld hinsichtlich der
Klageanträge zu 1. und 2. bestritten und beantragt,
32
die Klage abzuweisen.
33
Sie hat – hinsichtlich der Online-Veröffentlichungen – die Auffassung vertreten, dass
sich das Herausgeberrecht des Klägers gemäß § 4 UrhG nur auf die von ihm
vorgenommene konkrete Auswahl und Zusammenstellung der einzelnen Artikel für die
Zeitschrift erstrecke. Sie, die Beklagte, habe die Artikel aus dem Zeitschriftenverbund
herausgelöst und zum Gegenstand einer Datenbank im Sinne der §§ 87 a ff. UrhG
gemacht, wodurch der Urheberschutz für die Herausgeber entfallen sei. Das
Urheberrecht am Sammelwerk gemäß § 4 UrhG werde nicht tangiert, da stets nur die
Nutzung der einzelnen Beiträge, nie jedoch eine Nutzung der Zeitschrift als
Sammelwerk erfolge.
34
Dadurch, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt die Online-Veröffentlichungen
beanstandet habe, habe er diesen sodann zumindest konkludent zugestimmt.
Spätestens durch die Entgegennahme der 10.000,00 € habe der Kläger sein
Einverständnis mit einer Online-Veröffentlichung der Artikel wirksam erteilt.
35
Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen, hinsichtlich der Klageanträge zu
1) und zu 2) als unzulässig wegen mangelnder örtlicher Zuständigkeit des Landgerichts
Bielefeld und hinsichtlich der Klageanträge zu 3) bis 7), weil in der Sache die für die
Ansprüche erforderliche Verletzung eines Urheberrechts des Klägers durch die
Beklagte nicht vorliege. Der Kläger habe zwar ein Urheberrecht gemäß § 4 I UrhG an
den Druckfassungen der Zeitschrift "L", bei der es sich um ein Sammelwerk handele.
Dieses Herausgeberurheberrecht sei jedoch nicht dadurch verletzt worden, dass alle in
den einzelnen Heften veröffentlichten Artikel der Zeitschrift "L" in die Online-Datenbank,
die unter *internetadresse* abrufbar seien, eingestellt worden seien. Dadurch, dass die
Beklagte die Artikel aus dem vom Kläger zusammengestellten Zeitschriftenverbund
herausgelöst und sämtliche Volltexte im Rahmen einer Datenbank zugänglich gemacht
habe als Teil einer Datenbank im Sinne der §§ 87 a ff. UrhG, sei der Urheberschutz des
Klägers als Herausgeber des Sammelwerks entfallen. Denn in der Datenbank stünden
alle Artikel nebeneinander, unabhängig von ihrer Zusammenstellung sowie Zeit und Ort
ihres Erscheinens in der Druckfassung der Zeitschrift. Die vom Kläger vorgenommene
Auswahl oder Anordnung der Beiträge, die seine persönliche geistige Schöpfung im
Hinblick auf die Druckfassung darstelle, sei aufgehoben. Letztlich werde durch die
Online-Veröffentlichung sämtlicher Artikel das Urheberecht des Klägers an den
einzelnen Druckausgaben als Sammelwerk nicht tangiert.
36
Der Kläger greift das Urteil mit seiner Berufung an, mit der er seine ursprünglichen
Klageanträge zu 3), 4) und 7) – teilweise modifiziert – weiter verfolgt. Er macht geltend,
dass das Landgericht rechtsirrtümlich davon ausgehe, dass eine
Urheberrechtsverletzung nicht vorliege. Unstreitig werde die Zeitschrift "L" im Internet in
der Anordnung, die sie auch in der Druckfassung habe, zugänglich gemacht. Ebenso
könne auf die Zeitschrift online in der ursprünglichen Zuordnung der Artikel zu Heften
und Bänden über einen Bibliothekskatalog von Nutzern zugegriffen werden. Der Kläger
erläutert dies im Einzelnen Anhand der Auffindung der Online-Artikel über einen
Bibliothekskatalog (Anl. K 38). Der Nutzer finde die Zeitschrift mit Inhaltsverzeichnis und
seiner Zusammenstellung der Artikel wie in der Druckfassung. Die Zeitschrift "L", die
seit 1987 bestehe, sei mit der späteren elektronischen Archivierung vollständig ins
Internet aufgenommen worden. Die ins Internet gestellten Einzelbeiträge seien genau in
der Zusammenstellung, wie er sie vorgenommen habe, ins Internet aufgenommen
worden. Es handele sich bei der möglichen Rückzuordnung um eine Kopie seiner
Zuordnung, die seine geistige Leistung darstelle. Die Beklagte habe ihrerseits nicht
einmal bewiesen oder auch nur substantiiert vorgetragen, dass Einzelbeiträge über die
*internetadresse*-Suchmaschine aufgefunden werden könnten, ohne über die
Zusammenstellung in Heften und Bänden zu gehen. Einen einzelnen Artikel erreiche
man vielmehr regelmäßig über das Schema der Aufteilung in Bände, Hefte und Artikel.
Es würden alle Beiträge des Sammelwerks reproduziert, so dass hierin eine Verletzung
des Urheberrechts des Sammlers zu sehen sei. Unstreitig veröffentliche die Beklagte
sämtliche Beiträge der Zeitschrift "L" online. Ebenso würden Suchprogramme
eingesetzt, um die Zeitschrift in ihrer Zusammenstellung zugänglich zu machen, und in
Lizenzverträgen Nutzungsrechte u.a. an dieser Zeitschrift eingeräumt. Durch diese Art
der wirtschaftlichen Verwertung seines geistigen Eigentums würde er seiner
Urheberrechte beraubt. Den Gewinn aus den Online-Veröffentlichungen ziehe nunmehr
die Beklagte allein. Er, der Kläger als Urheber des Werks, erhalte hieraus
demgegenüber, was nicht rechtens sei, nichts.
37
Eine Genehmigung durch die Zahlung einer Beteiligungssumme von 10.000,- € aus den
Gewinnerlösen sei nicht erfolgt. Die Zustimmung zur Online-Veröffentlichung sei stets
verweigert worden. Er habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die online-
Veröffentlichungen rechtswidrig seien und ihm deshalb aus § 97 I UrhG die
Gewinnerlöse zustünden. Auch sei eine Genehmigung durch Duldung nicht erfolgt,
zumal die Beklagte L erst seit 2004 online vermarktet habe.
38
Hinsichtlich der zunächst angekündigten Berufungsanträge wird auf die
Berufungsbegründungsschrift vom 09.11.2007 S. 2 f. (Bl. 327 f.) Bezug genommen.
Nach geringfügigen Änderungen und Streichungen (die als Teilrücknahme zu werten
sind) beantragt der Kläger, wobei der Antrag zu 3) als Teilklage geltend gemacht wird,
nunmehr,
39
unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen,
40
1. Auskunft zu geben über
41
a) sämtliche Namen und Anschriften, und zwar in Form von postalischen wie auch
in Form von e-mail-Adressen, sämtlicher privater, gewerblicher und öffentlich-
rechtlicher Lizenznehmer der elektronisch digitalisierten Hefte und Bände der
Zeitschrift "L" seit 1987 und
42
b) Namen und Anschriften der Unternehmen, die von der Beklagten mit der
Vermittlung von Online-Zugangs-Verträgen über die Zeitschrift "L" beauftragt sind,
43
2. Rechnung zu legen über die in den Jahren 2004, 2005 und 2006 erzielten
Gewinne aus Online-Veröffentlichungen der Zeitschrift "L" für die Jahrgänge 1987
- 2006,
44
3. die Gewinne aus den Online-Veröffentlichungen der Zeitschrift "L" des Jahres
2004 herauszugeben, deren Bezifferung der Höhe erst nach Erledigung des
Antrags 2 erfolgt.
45
Die Beklagte beantragt,
46
die Berufung zurückzuweisen.
47
Sie verteidigt das Urteil mit näheren Ausführungen. Sie wehrt sich nach wie vor gegen
die Annahme einer Urheberrechtsverletzung und macht geltend, dass sie Inhaberin der
Online-Nutzungsrechte sämtlicher Beitragsautoren an den jeweiligen Beiträgen sei. Das
Urheberrecht des Klägers am Sammelwerk werde durch die Aufnahme der bislang
erschienenen Artikel aus der Zeitschrift "L" in eine aus mehr als 28.000 Publikationen,
darunter mehr als 2.000 Zeitschriften, bestehende Datenbank selbst nicht tangiert. Im
Rahmen einer derart umfassenden Datenbank sei der einzelne Artikel aus seinem
ursprünglichen Umfeld, also sowohl aus dem Heft, in welchem er erschienen sei, als
auch aus dem jeweiligen Band herausgelöst. Für den Nutzer sei dabei entscheidend
allein der jeweilige Artikel, den er suche. Struktur, systematische und methodische
Ordnung der einzelnen Zeitschriften blieben dem Nutzer unbekannt. Verloren gehe
dabei auch die Struktur der Auslese der einzelnen Beiträge. Die Struktur und das
Gewebe der persönlichen geistigen Schöpfung des Sammelwerkes würden atomisiert
und aufgelöst. Es gelte in der Datenbank das Primat des einzelnen Beitrags. Hierfür
spreche auch die rechtspolitische Überlegung, dass im Hinblick auf einen möglichst
freien Zugang zu Wissenschaft und Forschung Angebote wie die Datenbank
"*internetadresse*" erwünscht seien.
48
Der Kläger habe ausweislich des Klageantrages zu Ziff. 5 des erstinstanzlichen
Klageantrages nur die Unterlassung hinsichtlich der Beiträge in vier Heften des Bandes
37 gefordert, so dass er im Übrigen sämtliche Beiträge und damit die gesamte Zeitschrift
"L" für die Online-Zugänglichmachung durch sie freigegeben habe. In dieser Freigabe
sei eine konkludente Genehmigung der Online-Verwertung zu sehen. Sodann liege eine
konkludente Genehmigung vor, da der Kläger die Zahlung einer nach dem fraglichen
Vertragsverhältnis zu zahlende Vergütung verlangt habe. Spätestens mit der
Entgegennahme der Zahlung aus Juni 2006 in Höhe von 10.000,- € habe er ihr eine
etwa benötigte Nutzungslizenz an der Online-Verwertung der Aufsätze eingeräumt.
49
Schließlich trägt die Beklagte Einwendungen zu den Klageanträgen im Einzelnen vor.
50
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
51
B.
52
Die Berufung des Klägers ist begründet und führt zur Abänderung des landgerichtlichen
53
Urteils und zur Stattgabe der Klage, soweit diese noch Gegenstand der
Berufungsentscheidung ist.
Der Kläger kann von der Beklagten aus §§ 97 I, 101 a UrhG die begehrten Auskünfte
über die Online-Veröffentlichungen, eine Rechenschaftslegung über die hieraus
erzielten Einnahmen und dem Grunde nach Herausgabe der Gewinne aus den Online-
Veröffentlichungen der Zeitschrift "L" des Jahres 2004 verlangen.
54
Die Berufung erstreckt sich insoweit nicht mehr auf die die vertraglichen
Angelegenheiten betreffenden ursprünglichen Klageanträge zu 1) und 2), mit denen
auch die "Eigentümerstellung" an der Zeitschrift "L" geltend gemacht worden war.
55
I.
56
Zunächst sind die Klageänderung in Bezug auf Ziff. 3 des Berufungsantrags, mit der
nunmehr – insoweit wiederum als Teilklage – die Herausgabe der Umsatzerlöse aus
den Online-Veröffentlichungen für 2004 begehrt wird, und auch die weiteren
Modifikationen in den anderen Anträgen im Sinne von § 533 I ZPO sachdienlich und
können auf Tatsachen gestützt werden, die vom Berufungsgericht ohnehin zugrunde zu
legen sind. Ein erneuter Rechtsstreit über eine Schadensersatzhaftung der Beklagten
wird so vermieden. Der Grund der Haftung war auch in Bezug auf den geltend
gemachten Teilschadensersatzanspruch, nämlich zu Ziff. 7 der erstinstanzlichen
Anträge, zuvor bereits streitgegenständlich.
57
Das Stufenverhältnis von Auskunfts- und Leistungsklage existierte zudem bereits in der
ersten Instanz, da nach dem Antrag zu Ziff. 7) nur ein Teilschadensersatz geltend
gemacht worden ist und die geforderten Auskünfte zu Ziff. 3) und 4) der Klärung des
Anspruchs dienten. Die Änderung insoweit ist wiederum sachdienlich.
58
II.
59
Anzuwenden auf den Streitfall ist das deutsche materielle Urheberrecht, auch soweit in
Art. 11 des Herausgebervertrages vom 22.11.1985 in Bezug auf die Wirksamkeit und die
Ausführung des Vertrages eine Rechtswahl zugunsten des niederländischen Rechts
getroffen worden ist. Da vorliegend – anders bei der Frage der Vertragsstörungen und
der Rechtsübertragung nach den "Additional provisions" des Herausgebervertrages –
nicht vertragliche Ansprüche geltend gemacht werden, sondern gesetzliche nach
§§ 97 ff. UrhG, kommt wegen der geltend gemachten Rechtsverletzungen im Inland das
deutsche materielle Urheberrecht zur Anwendung, zumal sich die Ansprüche nicht
gegen den Verleger des Printmediums, also die T2 richten, sondern gegen die davon
rechtlich unabhängige T GmbH, mit der dieser Vertrag nicht geschlossen war.
60
III.
61
Durch die von der Beklagten vorgenommenen Online-Veröffentlichungen hat diese
schuldhaft die Urheberrechte des Klägers in Form eines Sammelwerks im Sinne der
§§ 4 I, 97 I UrhG verletzt.
62
1.
63
Der Kläger ist gemäß § 4 I UrhG Inhaber der Urheberrechte an den Druckfassungen der
64
Zeitschrift "L" und insofern aktivlegitimiert. Er war nicht nur Gründer der Zeitschrift,
sondern nahm während der gesamten Zeit ihres Erscheinens auch die Sammlung und
Zusammenstellung der Artikel zu Heften und der Hefte zu Bänden wahr. Er bestimmte
allein die inhaltliche Ausrichtung der Zeitschrift und auch die Besetzung des
Herausgeberbeirats. Seine Urheberschaft hieran ist insofern belegt durch Art. 3 des
ursprünglichen Herausgebervertrages vom 22.11.1985, wonach er hierfür die genannten
Verantwortlichkeiten trägt. Daran ändert auch nichts, dass ihm in fachlicher Hinsicht
hinsichtlich der Beurteilung der einzelnen Beiträge ein Herausgeberbeirat zur Seite
stand, schon deshalb, weil dieser dann keinen Einfluss auf die Gestaltung und die
thematische Zusammenstellung der Zeitschrift hatte.
2.
65
Bei der Zeitschrift "L" handelt es sich, wie das Landgericht zunächst zutreffend
festgestellt hat und was letztlich auch "unstreitig" ist, um ein urheberrechtlich
geschütztes Sammelwerk im Sinne von § 4 I UrhG. Danach werden Sammlungen von
Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die aufgrund der Auswahl oder
Anordnung der Elemente eine persönlich geistige Schöpfung sind, unbeschadet eines
an den einzelnen Elementen gegebenenfalls bestehenden Urheberrechts – hier der
Autoren an den einzelnen Artikeln – wie selbständige Werke geschützt. Die Zeitschrift
"L" ist eine wissenschaftliche Sammlung, deren einzelne Elemente systematisch
ausgewählt und hierin nach fachlichmathematischen Kriterien angeordnet sind. Die
Auswahl der Artikel mit Hilfe eines Begutachtungsverfahrens und die getroffenen
Anordnungen stellen sich, insoweit getrennt von den einzelnen Artikeln, auch als eine
eigene persönliche geistige Schöpfung des Klägers dar, da sich hierin vor allem die von
ihm getroffene Entscheidung über die Dokumentationswürdigkeit der einzelnen
wissenschaftlichen Publikationen widerspiegelt (vgl. hierzu Schricker-Loewenheim,
Urheberrecht, 3. Aufl. 2006, § 4 Rn. 34 m.w.N.). Der Kläger unterzog die eingehenden
Artikel mit Unterstützung eines fachkompetenten Beirats einem besonderen
Begutachtungsverfahren, entschied über die Aufnahme der geeigneten Artikel und legte
im Einzelnen fest, in welchem Heft welche Artikel in welcher Reihenfolge erscheinen
sollten. Ihm oblagen umfänglich die Auswahl der Artikel, ihre Zusammenstellung in
einem Heft und mithin auch dessen thematische Ausrichtung, mit der Folge, dass zu
seinen Gunsten ein Urheberrecht an dem Sammelwerk und jedem einzelnen Heft der
Druckfassung bestand.
66
3.
67
Durch die nunmehr seit dem Jahre 2004 erfolgten Online-Veröffentlichungen der
Beklagten, die die Zeitschrift nunmehr auch online vermarktete, hat diese die
Urheberrechte des Klägers an dem Sammelwerk verletzt, und zwar auch schuldhaft
insofern, als eine rechtswidrige Urheberrechtsverletzung bei Beobachtung der im
Verkehr erforderlichen Sorgfalt jedenfalls erkennbar war, zumal der Kläger dies explizit
auch beanstandet hatte. Es trifft keineswegs zu, dass, wie das Landgericht es gemeint
hat, seine urheberechtlich geschützte Zusammenstellung durch die Verwendung nur der
Einzelartikel nicht mehr berührt ist.
68
a)
69
Dabei ist als Ausgangspunkt zutreffend, dass eine Verletzung eines Urheberrechts an
einem Sammelwerk nur dann angenommen werden kann, wenn das als
70
rechtsverletzend beanstandete Werk diejenigen Strukturen hinsichtlich der Auslese und
Anordnung des Stoffes enthält, welche die Sammlung von Werken und Beiträgen als
eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne des § 4 UrhG ausweisen (BGH GRUR
1982, 37, 39 - WK-Dokumentation). Das Urheberrecht am Sammelwerk besteht nur an
der Sammlung als solcher und nicht an den darin enthaltenen einzelnen Werken oder
Beiträgen. Für die Beurteilung des Tatbestandes der Verletzung des Urheberrechts an
einem Sammelwerk gilt Entsprechendes. Nur wenn die Kombination der
übernommenen Beiträge besondere Strukturen in deren Auslese und Anordnung
aufweist und das Gewebe der persönlichen geistigen Schöpfung des Sammelwerkes
erkennen lässt, kann eine Beeinträchtigung des Urheberrechts an einem Sammelwerk
im Sinne des § 4 UrhG angenommen werden (BGH GRUR 1990, 669, 673 –
Bibelreproduktion; GRUR 1992, 382 – Leitsätze; GRUR 2007, 685 – Gedichttitelliste I).
b)
71
Das ist hier der Fall. Denn es wurden nicht nur sämtliche Beiträge der Zeitschrift "L",
nämlich 38 Bände, mit allen Autorenbeiträgen online übernommen, so dass damit auch
die vom Kläger mit Hilfe eines Begutachtungssystems vorgenommene Auswahl mit
übernommen wurde. Schon dadurch bleibt die Auswahl und Zusammenstellung der
Artikel, deren Zusammenhänge das angesprochene Fachpublikum mitunter kennt,
erhalten. Vielmehr kommt darüber hinaus, da auch das Gliederungs- und Zitiersystem
nach Heft, Band und Artikel übernommen ist, auch weiterhin das vom Kläger
geschaffene Anordnungssystem zum Ausdruck, und zwar erkennbar in der Form, wie er
die Zusammenstellung vorgenommen hat. Die Zeitschriften sind 1:1 übernommen. Die
Online-Veröffentlichung stellt sich, wie der Kläger es geltend macht, als eine bloße
weitere Kopie der Zeitschrift dar, auch wenn sie in der Online-Datenbank scheinbar
"auseinander gerissen" und "atomisiert" ist. Die systematische Zuordnung der einzelnen
Artikel ist weiterhin möglich. Der fortbestehende Zusammenhang des Sammelwerks,
seine Struktur, wird nach wie vor gerade auch dadurch deutlich, dass selbst das
Inhaltsverzeichnis der Zeitschrift noch vorhanden und abrufbar ist und mit
entsprechenden Lizenzverträgen einzelne Nutzungsrechte hieran eingeräumt werden.
Sämtliche Beiträge sind dabei als Beiträge der Zeitschrift "L" zugänglich gemacht.
72
Auch bei der Recherche nach einem bestimmten Artikel aus der Zeitschrift "L" mit einem
Fundstellenhinweis wird wiederum der Bezug zu der vom Kläger gewählten Zuordnung
hergestellt. Es trifft von daher keineswegs zu, dass die Artikel nunmehr, wie die
Beklagte es meint, nebeneinander, völlig unabhängig von ihrer Zusammenstellung
sowie Zeit und Ort ihres Erscheinens in der Druckfassung der Zeitschrift "L" stehen und
nur durch die bloße Möglichkeit einer sog. "Rückzuordnung" miteinander verbunden
sind. Gerade auch dem fachorientierten Publikum, das nicht nur mit
Fundstellennachweisen arbeitet, sondern gegebenenfalls auch den Gesamtkontext
kennt, ist bekannt, dass die Artikel dieser höchstspezialisierten Zeitschrift mit der vom
Kläger gewählten Zusammenstellung Gegenstand des identischen Druckwerks ist.
Ähnlich ist etwa bei einer juristischer Recherche hinsichtlich eines bestimmten Artikels,
um einen Vergleich zu bilden, aus der NJW oder der GRUR beim Fachpublikum
bekannt, dass dieser Artikel aus dem zugrunde liegenden, gerade auch in Druckform
existierenden Zeitschriftenband stammt. Insofern bleibt die Struktur der einzelnen
Zeitschriften bei einer Recherche keineswegs unbekannt. Dabei macht es keinen
Unterschied, ob der Nutzer sich den Artikel in Druckform in einer Bibliothek oder online
in einer entsprechenden Datenbank sucht. Letztlich sei auch darauf hingewiesen, dass
sich die Deckung von Druckwerk und Online-Veröffentlichung mitsamt der gesamten
73
Struktur anschaulich aus dem vorgelegten Zeitschriftenexemplar W, April 2006 ergibt,
bei dem es auf der Rückseite heißt "B online - *internetadresse*". Danach ist die
Zeitschrift im Kontext erkennbar genauso online erhältlich wie in Papierform.
Dies gilt erst recht, weil der Nutzer um die Qualität der von renommierter Stelle
ausgewählten Artikel weiß. Diese mögen für ihn aus diesem Grunde von größerem
"Wert" sein als solche, die nicht in einer entsprechenden Fachzeitschrift abgedruckt
sind, sondern nur "irgendwo" erscheinen. Der Verbreitungsgrad und der Wert eines
einzelnen Beitrags hängen erfahrungsgemäß insbesondere auch von der Zeitschrift ab,
in der er erscheint. Insofern liegt auch keine "vollständige" Neuordnung vor, bei der eine
Verletzung des Rechts am Sammelwerk wiederum ausscheiden könnte (vgl. dazu
Marquardt, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, 2. Aufl. 2006, § 4 Rn. 17).
74
Auch der Umstand, dass das Zeitschriftenwerk nunmehr in der Datenbank mit mehr als
28.000 Publikationen, darunter mehr als 2.000 Zeitschriften, "verschluckt" wird,
rechtfertigt keine andere Beurteilung, sondern verdeutlicht umgekehrt eher die
Schutzbedürftigkeit des zuvor im Einzelnen kreierten Sammelwerks. Letztlich würden
ansonsten auch die Urheberrechte des Klägers, dessen Auswahl und Anordnung zu
100 % übernommen wird, völlig entwertet, wenn er als Urheber hieran nicht
wirtschaftlich partizipieren könnte.
75
c)
76
Maßgebend für diese Bewertung kann nicht sein, dass rechtspolitisch eine zügige
Erlangung von Informationen am Wissensstandort Deutschland, wie es die Beklagte in
ihrer Berufungserwiderung ausführt, erstrebenswert sein mag und sich das vom
Sammler geltend gemachte Urheberrecht demgegenüber vermeintlich "als
Hemmschuh" darstellt. Soweit der Gesetzgeber bestimmte Hemmnisse dieser Art
abgebaut und etwa § 31 IV UrhG gestrichen hat, ist festzustellen, dass sich die
Regelung des § 4 I UrhG über das Urheberrecht an Sammelwerken nicht geändert hat.
Auch die Neuregelung des § 137 l UrhG geht letztlich davon aus, dass neue, zum
Zeitpunkt des Vertragsschlusses unbekannte Nutzungsarten nicht automatisch
legitimiert sind. Vielmehr wird grundsätzlich eine Zustimmungsbedürftigkeit
vorausgesetzt. Überdies ist festzustellen, dass der Kläger der nunmehrigen Online-
Vermarktung tatsächlich auch widersprochen hat.
77
4.
78
Die Beklagte, die die Zeitschrift "L" in ihrem Online-Angebot "*internetadresse*" via
Internet publik macht, ist als Verletzerin passivlegitimiert, auch wenn das Printmedium
von dem Verlag T2 in E, also in den Niederlanden, verlegt wird und zuvor eine
Verwertung durch die Fa. L2 erfolgt ist. Das Betreiben des Online-Angebots durch die
Beklagte, die mittlerweile die gesamte Zeitschrift seit 1987 online veröffentlicht hat, ist
unstreitig.
79
IV.
80
Der Kläger hat einer solchen Nutzung nicht zugestimmt.
81
1.
82
Eine ausdrückliche Zustimmung liegt nicht vor. Soweit der Kläger im Zusammenhang
mit den außergerichtlichen Verhandlungen grundsätzlich mit Online-Veröffentlichungen
einverstanden war, bezog sich dies, selbst wenn er zwischenzeitlich Kenntnis von
bereits begonnenen Veröffentlichungen hatte, auf den Abschluss eines mit ihm
abzuschließenden Gestattungsvertrages, über den bis April 2004 verhandelt wurde, der
aber gescheitert ist.
83
2.
84
Auch ist eine konkludente Zustimmung zu verneinen. Allein durch die Kenntnis der ohne
seine Zustimmung erfolgten Online-Veröffentlichungen konnte diese nicht als erteilt
angesehen werden, zumal ein Schweigen grundsätzlich nicht als Erklärung gilt und
zudem im Schrifttum auch vertreten wird, dass eine stillschweigende
Rechtseinräumung, wenn sich der Verlagsvertrag nur auf Printmedien bezieht, bei der
bloßen Aufnahme von Online-Veröffentlichungen nicht in Frage komme (vgl. Wandtke/
Bullinger, a.a.O., § 31 Rn. 77; Schricker, a.a.O., § 31 Rn. 37). Der Umstand, dass sich
der Kläger den Online-Veröffentlichungen nicht widersetzt haben soll, wie die Beklagte
verficht, ist in diesem Zusammenhang irrelevant.
85
3.
86
Ein Einverständnis des Klägers ist auch nicht mit der Forderung der Zahlung
rückständiger "Vergütungen" unter dem 08.06.2006 und der Entgegennahme der
Zahlung Ende Juni 2006 in Höhe von 10.000,- € für die Online-Nutzung der Zeitschrift
zu sehen. Zu beachten dabei ist, dass eine konkludente Zustimmung allenfalls in engen
Grenzen in Betracht käme. Der Umfang, in dem ein Urheber Nutzungsrechte eingeräumt
hat, richtet sich im Allgemeinen nach dem Vertragsinhalt. Ein solcher hat hinsichtlich der
in 1985 noch nicht bedachten Onlinevermarktung noch gar nicht vorgelegen. Ansonsten
ist zu fragen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Einräumung von
Nutzungsrechten zur Erreichung des Vertragszwecks erforderlich ist. Nach dem
Zweckübertragungsgedanken des § 31 V UrhG räumt der Urheber Nutzungsrechte im
Zweifel nur in dem Umfang ein, den der Vertragszweck unbedingt erfordert. In dieser
Auslegungsregel kommt zum Ausdruck, dass die urheberrechtlichen Befugnisse die
Tendenz haben, soweit wie möglich beim Urheber zu verbleiben, damit dieser an den
Erträgnissen seines Werkes in angemessener Weise beteiligt wird. Dies bedeutet, dass
im Allgemeinen nur diejenigen Nutzungsrechte stillschweigend eingeräumt sind, die für
das Erreichen des Vertragszwecks unerlässlich sind. Dagegen kann die Einräumung
von über den Vertragszweck hinausgehenden Nutzungsrechten nur angenommen
werden, wenn ein entsprechender Parteiwille – und sei es nur aufgrund der
Begleitumstände und des schlüssigen Verhaltens der Beteiligten – unzweideutig zum
Ausdruck gekommen ist (BGH GRUR 2000, 144 – Comic-Übersetzungen II; GRUR
2004, 938 – Comic-Übersetzungen III). Das gilt erst recht, wenn wie hier, mit der
Beklagten selbst ein Vertrag überhaupt nicht bestand.
87
Die Zahlung der 10.000,- €, für die bei der Beklagten der Zweck "Zahlung für Vol. 35 am
21.06.2006" ausgewiesen ist, kann nicht als eine derartige, nämlich unzweideutige
Erklärung gerade auch für zukünftige Online-Veröffentlichungen gesehen werden,
schon deshalb, weil es dabei nur um die Veröffentlichung eines Bandes ging, weil
überdies weitere bereits erfolgte Veröffentlichungen und damit rückständige
Schadensersatzzahlungen im Raum standen und vor allem weil die Zahlung auch nach
dem eigenen Vermerk der Beklagten erst auf eine noch zu vereinbarende Beteiligung
88
des Herausgebers an den Nettoeinnahmen aus der elektronischen Nutzung erbracht
wurde, die dann aber nicht zustande gekommen ist. Eine umfängliche Zustimmung zu
den hier fraglichen Online-Veröffentlichungen herzuleiten, wäre verfehlt.
4.
89
Entsprechendes gilt im Hinblick auf die vermeintlich geforderten "Vergütungen", da der
Kläger erkennbar nach wie vor seine Zustimmung zu den Online-Veröffentlichungen
verweigert und von dem Abschluss einer noch zu treffenden Vereinbarung abhängig
gemacht hat.
90
Ebenso wenig kann aus dem ursprünglichen Klageantrag zu 5), mit dem die
Untersagung der Online-Verbreitung (erst) ab dem Heft 1 des Bandes 37 gefordert
worden ist, eine allgemeine Zustimmung hierzu hergeleitet werden, nämlich weil
keinerlei Erlaubnis hiermit mitgeteilt, sondern im Gegensatz hierzu eine Unterlassung
begehrt wurde. Eine Zustimmung hieraus abzuleiten wäre widersinnig. Im Übrigen ging
es dem Kläger, soweit er weitergehende Unterlassungsansprüche nicht geltend
gemacht hat, ersichtlich darum, die Autoren nicht zu schädigen.
91
V.
92
Der Kläger kann aufgrund dessen die titulierten Auskünfte, Rechenschaftslegung und
die Gewinnherausgabe wegen der Online-Veröffentlichungen in 2004 verlangen.
93
1. a)
94
Der Auskunftsanspruch folgt aus § 101 a I UrhG. Danach kann der Verletzer auf
unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der
"Vervielfältigungsstücke" in Anspruch genommen werden. Nach richtiger Ansicht ist
diese Regelung zumindest analog anwendbar auf die Herstellung und Verbreitung
unkörperlicher Vervielfältigungsstücke, wie sie bei einer Online-Veröffentlichung
vorliegen. Dies ist zum einen geboten aufgrund der Richtlinie 2004/48/EG zur
Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums. Zum anderen ist die Geltung
notwendig, weil ansonsten keine effektive Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen
möglich ist (Wild, bei Schricker, a.a.O., § 101 Rn. 1; Bohne, in Wandtke/Bullinger, a.a.O.,
§ 101 a Rn. 6 m.w.N.; a.A. noch OLG Hamburg GRUR-RR 2005, 209).
95
Der Antrag ist auch nicht zu unbestimmt. Unter Lizenznehmer sind unschwer die
Kunden der Beklagten zu verstehen, die mit dieser den Zugriff auf die Artikel der
Zeitschrift K-Theorie vereinbart haben. Das sind keineswegs, wie die Beklagte es
formuliert hat, sämtliche "zugangsberechtigten Angestellten etwa der Bibliotheken
dieser Welt". Es geht alsdann auch nur um die Lizenznehmer, die seit den
Veröffentlichungen durch die Beklagte vorhanden sind, dabei aber dem Umfang nach
um das gesamte Zeitschriftenvolumen seit 1987.
96
b)
97
Entsprechendes gilt für den Ausspruch hinsichtlich der Unternehmen, die von der
Beklagten mit der Vermittlung von Online-Zugangs-Verträgen über die Zeitschrift "L"
beauftragt sind. Es geht hierbei keineswegs, wie die Beklagte meint, um die
Auskunftserteilung zum Zwecke des Vorgehens gegen Dritte.
98
2.
99
Der Kläger kann wie tenoriert Rechnungslegung verlangen. Dabei ist zu konstatieren,
dass es dem Beklagten konkret um die Realisierung seiner Schadensersatzansprüche
geht und nicht, wie von der Beklagten eingewandt, um den Erhalt einer angemessenen
Vergütung im Sinne von § 32 UrhG.
100
3.
101
Der Kläger kann schließlich als Schadensersatz die Herausgabe des Gewinns aus der
Vergabe von Lizenzen für die Zeitschrift L für das Jahr 2004 verlangen. Dies ist als
Teilklage geltend gemacht. Etwaige Gewinnerlöse für die Jahre 2005 bis heute sind
nicht streitgegenständlich.
102
VI.
103
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 I, 269 III, 708 Nr. 10, 711
ZPO.
104