Urteil des OLG Hamm vom 21.02.2006
OLG Hamm: einkünfte, auskunft, erwerbstätigkeit, eltern, wohnung, beruf, ausbildung, ingenieur, beendigung, unterhalt
Oberlandesgericht Hamm, 2 UF 382/05
Datum:
21.02.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Familiensenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 UF 382/05
Vorinstanz:
Amtsgericht Hattingen, 9 F 40/05
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird das Urteil des
Amtsgerichts - Familiengericht - Hattingen vom 30. August 2005 im
Ausspruch über den
Versorgungsausgleich abgeändert.
Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe
1
I.
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Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Ausspruch zum
Versorgungsausgleich im Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Hattingen vom 30.
8. 2005 ist begründet. Sie führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils
dahingehend, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet.
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1. Ein Versorgungsausgleich der Rentenanwartschaften, die die Antragsgegnerin im
Zeitraum vom 1. 12. 1992 (Beginn der Ehezeit) bis zum 22. 7. 1997 erworben hat, ist
wegen grober Unbilligkeit gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB ausgeschlossen. Der Antrag-
steller hat vom 1. 10. 1986 bis zum 22. 7. 1997 studiert. In die Ehezeit fällt seine
Studienzeit vom 1. 12. 1992 bis zum Abschluss des Studiums. Im Zeitraum vom 1. 12.
1992 bis zum 22. 7. 1997 hat die Antragsgegnerin ganz überwiegend den
Lebensunterhalt
beider
vollschichtig gearbeitet und deutlich höhere Einkünfte als der Antragsteller erzielt,
beispielsweise im Jahr 1993 53.020 DM, 1994 54.912 DM, 1995 56.434 DM und 1996
57.888 DM brutto. Diese Einkünfte hat sie ganz überwiegend für den Unterhalt
beider
Eheleute eingesetzt. Die regelmäßigen Einkünfte des Antragstellers waren seinerzeit
deutlich niedriger; sie bestanden in regelmäßigen Zahlungen seiner Eltern in Höhe von
400 DM und dem Honorar für Tennis-Trainerstunden in Höhe von 200 DM im Monat.
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Hinzu kamen gelegentliche unregelmäßige Zahlungen seiner Eltern. Unter diesen
Umständen besteht kein Zweifel, dass die Antragsgegnerin mit ihrer Erwerbstätigkeit
und dem daraus erzielten Einkommen ganz entscheidend dazu beigetragen hat, dass
der Antragsteller sein Studium erfolgreich durchführen und abschließen konnte.
Aufgrund dieser umfangreichen Leistungen der Antragsgegnerin für den Antragsteller
stellt sich ein Versorgungsausgleich der Rentenanwartschaften, die sie vom Beginn der
Ehezeit bis zur Beendigung seines Studiums erworben hat, als grob unbillig dar. Der
Antragsteller hat in diesem Zeitraum ausweislich der Auskunft der Deutschen
Rentenversicherung Bund vom 30. 5. 2005 keine Rentenanwartschaften erworben, weil
er bereits am 1. 12. 1992 die Studienhöchstdauer überschritten hatte. Der Zweck des
Versorgungsausgleichs besteht in erster Linie in der Verbesserung der sozialen Lage
des Ehegatten, der wegen in der Ehe übernommener anderer Aufgaben
Einschränkungen in seiner beruflichen Entfaltung auf sich genommen und dadurch
ehebedingte Nachteile in seiner versorgungsrechtlichen Lage erlitten hat (BGHZ 74, 38,
42 ff.). Dieser Zweck wird verfehlt, wenn der nicht erwerbstätige Ehegatte nicht den
Haushalt versorgt, sondern – wie hier der Antragsteller – eine Ausbildung absolviert hat.
Allerdings kann eine Abweichung der ehelichen Lebensverhältnisse der
Antragsgegnerin und des Antragstellers von der Grundkonstellation, von der der
Gesetzgeber bei der Einführung des Versorgungsausgleichs ausgegangen ist, noch
keine grobe Unbilligkeit i. S. des § 1587 c Nr. 1 BGB begründen. Diese ergibt sich hier
vielmehr daraus, dass der Antragsteller bereits nachhaltig von dem Einkommen profitiert
hat, dass die Antragsgegnerin im Zeitraum vom 1. 12. 1992 bis zum 22. 7. 1997 verdient
hat, denn sie hat während dieses Zeitraums ganz überwiegend auch seinen
Lebensunterhalt sichergestellt und dadurch entscheidend zur Durchführung und zum
erfolgreichen Abschluss seines Studiums beigetragen. Es wäre grob unbillig, wenn er
über den Versorgungsausgleich ein zweites Mal an diesem Einkommen der
Antragsgegnerin teilhätte (vgl. BGH FamRZ 2004, 862; BGH FamRZ 1989, 1060; BGH
FamRZ 1988, 600; BGH NJW-RR 1987, 578; BGH FamRZ 1983, 1217).
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Hinzu kommt weiter entscheidend, dass der Antragsteller aufgrund seines Studiums,
das die Antragsgegnerin wesentlich (mit)finanziert hat, deutlich höhere
Versorgungsanwartschaften als die Antragsgegnerin erwerben kann, an denen diese –
entgegen der ursprünglichen Lebensplanung beider Eheleute – nicht teilhat. In ihrem
Beruf als Physiotherapeutin kann die Antragsgegnerin aller Voraussicht nach nicht
derart hohe Einkünfte und Rentenanwartschaften erwerben wie der Antragsteller als
Ingenieur. Zudem betreut sie die beiden derzeit 7 und 5 Jahre alten gemeinsamen
Kinder und ist deshalb voraussichtlich noch mehrere Jahre an einer vollschichtigen
Erwerbstätigkeit gehindert.
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Der Vortrag des Antragstellers, er habe während der Ehe der Parteien die gemeinsame
Wohnung renoviert und Fahrzeuge der Antragsgegnerin gewartet und repariert,
rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Wert dieser Arbeiten bleibt deutlich hinter dem
Wert der Leistungen zurück, die die Antragsgegnerin während seines Studiums für ihn
erbracht hat.
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2. Werden die Rentenanwartschaften, die die Antragsgegnerin vom 1. 12. 1992 bis zum
22. 7. 1997 erworben hat, nicht in den Versorgungsausgleich einbezogen, besteht eine
Ausgleichspflicht für sie nicht.
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Der Antragsteller hat während der Ehezeit ausweislich der Auskunft der Deutschen
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Rentenversicherung Bund vom 30. 5. 2005 8,8739 Entgeltpunkte in der gesetzlichen
Rentenversicherung erworben, ausnahmslos nach dem 22. 7. 1997. Die
Antragsgegnerin hat während der Ehezeit 12,3028 Entgeltpunkte in der gesetzlichen
Rentenversicherung erworben, davon 5,2921 Entgeltpunkte im Zeitraum vom 1. 12.
1992 bis zum 30. 9. 1997. Werden die Entgeltpunkte, die sie vom 1. 12. 1992 bis zum
22. 7. 1997 erworben hat, nicht in den Versorgungsausgleich einbezogen, hat sie
deutlich geringere Entgeltpunkte und Rentenanwartschaften auszugleichen als der
Antragsteller, so dass dieser keinen Ausgleichsanspruch gegen sie hat.
II.
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Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 13 a Abs. 1 S. 1 FGG.
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