Urteil des OLG Hamm vom 24.09.1998
OLG Hamm (bestellung, beschwerde, kind, interesse, zpo, antragsteller, eltern, elternteil, scheidung, vater)
Oberlandesgericht Hamm, 2 UF 349/98
Datum:
24.09.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Familiensenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 UF 349/98
Vorinstanz:
Amtsgericht Essen, 105 F 116/97
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des
Amtsgerichts - Familiengericht - Essen vom 20. Juli 1998 wird
zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die
Antragsgegne-rin zu tragen. Der Beschwerdewert beträgt 1.000,00 DM.
G r ü n d e :
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Durch die angefochtene Entscheidung hat das Familiengericht im Rahmen des
anhängigen Verfahrens zur Änderung der anläßlich der Scheidung der Kindeseltern
getroffenen Regelung der elterlichen Sorge gemäß § 1696 BGB für das Kind S1. S.
gemäß § 50 FGG eine Pflegerin für das Sorgerechtsverfahren bestellt. Diese
Maßnahme greift die Antragsgegnerin mit der Begründung an, daß die
Voraussetzungen für die Bestellung eines Verfahrenspflegers nicht vorlagen und im
übrigen der Abänderungsantrag des Antragstellers wegen offensichtlicher
Unbegründetheit hätte zurückgewiesen werden müssen.
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Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht begründet. Die Zulässigkeit
des Rechtsmittels folgt aus §§ 621 a Abs. 1 ZPO, 19, 20 FGG. Danach können
Verfügungen des Familiengerichts, die keine Endentscheidung in der Hauptsache
darstellen (für diese ist gemäß § 621 e ZPO die befristete Beschwerde gegeben), mit der
unbefristeten Beschwerde angefochten werden, soweit durch sie in Rechte des am
Verfahren beteiligten Beschwerdeführers eingriffen wird. Dies ist hier der Fall, da durch
die Bestellung einer Verfahrenspflegerin für das Kind dieser Teil des der
Antragsgegnerin aufgrund ihrer alleinigen elterlichen Sorge obliegenden Rechts der
Personensorge für das Kind beeinträchtigt wird. Die durch das Kindschaftsreformgesetz
vom 16.12.1997 (BGBl. 1997 I S. 2942) geschaffene Möglichkeit der Bestellung eines
Verfahrenspflegers für das Kind im Rahmen eines seine Person betreffenden
gerichtlichen Verfahrens ist nicht anders zu beurteilen als die Bestellung eines
Ergänzungspflegers nach § 1909 BGB, die bereits nach früherem Recht möglich war
und in der Praxis im wesentlichen in Vermögenssorgeangelegenheiten erfolgte. Durch
die Bestellung eines Verfahrenspflegers wird das Elternrecht, das grundsätzlich die
Wahrnehmung sämtlicher Belange und Interessen des Kindes umfaßt, berührt. Dem
kann nicht entgegengehalten werden, daß es der Antragsgegnerin unbenommen ist, als
Verfahrensbeteiligte neben ihren eigenen Interessen auch die Kindesinteressen
weiterhin zu verfolgen. Die Beeinträchtigung des Elternrechts ist ebenso wie bei der
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Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1909 BGB darin zu sehen, daß ein
Teilbereich der elterlichen Sorge nicht mehr von dem alleinvertretungsberechtigten
Elternteil bzw. den alleinvertretungsberechtigten Eltern allein wahrgenommen werden
kann. Daher sind der alleinsorgeberechtigte Elternteil bzw. im Falle der gemeinsamen
elterlichen Sorge beide Eltern gleichermaßen wie bei der Bestellung eines
Ergänzungspflegers (BayObLG FamRZ 1965, 99) berechtigt, die Rechtmäßigkeit der
vom Gericht angeordneten Bestellung eines Verfahrenspflegers im
Beschwerdeverfahren überprüfen zu lassen.
In der Sache hat die Beschwerde der Antragsgegnerin dagegen keinen Erfolg, da die
Voraussetzungen für die Bestellung eines Verfahrenspflegers nach § 50 FGG vorliegen.
In § 50 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGG werden Fallgruppen genannt, in denen das Gericht in der
Regel eine Verfahrenspflegerbestellung vorzunehmen hat. Vorliegend sind die
Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 Nr. 1 FGG gegeben, der eine
Verfahrenspflegerbestellung vorsieht, wenn das Interesse des Kindes zu dem seines
gesetzlichen Vertreters in erheblichem Gegensatz steht. Dies ist hier der Fall. Die
Kindeseltern streiten seit mehr als einem Jahr um die vom Antragsteller beantragte
Änderung der anläßlich der Scheidung getroffenen Regelung der alleinigen elterlichen
Sorge der Antragsgegnerin. Das Familiengericht hat nach Anhörung von S1, bei der
diese erklärt hat, daß sie sich beim Vater wohler fühle, den Eindruck gewonnen, daß der
Wunsch des Kindes nach einer Änderung der Sorgeregelung so stark ist, daß bereits
vor der endgültigen Entscheidung über den Abänderungsantrag ein Wechsel des
Kindes in den Haushalt des Antragstellers erforderlich erschien. Der Senat hat zwar die
zu diesem Zweck vom Familiengericht erlassene vorläufige Anordnung, mit welcher
dem Antragsteller die Personensorge für das Kind einstweilen übertragen worden war,
in der Beschwerdeinstanz aufgehoben. Dies besagt jedoch keineswegs, daß für das
Abänderungsbegehren von vornherein keinerlei Erfolgsaussicht besteht. Eine solche
Beurteilung bleibt der endgültigen Entscheidung vorbehalten. Im Rahmen des
Beschwerdeverfahrens hat der Senat festgestellt, daß zwischen den Kindeseltern
erhebliche Spannungen bestehen, die S1 belasten. Der aus diesem Grund
unternommene Versuch, eine einverständliche Regelung herbeizuführen, ist
gescheitert. Auch wenn dies aus Sicht des Senats insbesondere auf die Haltung des
Antragstellers zurückzuführen war, hat sich die Antragsgegnerin auch nicht in der
gebotenen Weise um eine im Interesse des Kindeswohls gebotene einvernehmliche
Lösung des Konflikts bemüht. Dies wird insbesondere daran deutlich, daß sie den
Verhandlungsterminen vom 04.08.1997 und vom 20.07.1998 ohne ausreichende
Entschuldigung ferngeblieben ist. Dieses Verhalten läßt nicht nur auf mangelndes
Interesse an einer Beilegung des Partnerkonflikts bzw. zumindest einer Minderung der
bestehenden Spannungen, was für das Kindeswohl dringend geboten wäre, sondern
auch auf fehlendes Verständnis für den von der Tochter geäußerten Wunsch, beim
Vater leben zu wollen, schließen. Die Möglichkeit, daß unter diesen Umständen die
Kindesinteressen den eigenen Interessen der Antragsgegnerin nachgeordnet und damit
im vorliegenden Verfahren nicht mehr sachgerecht verfolgt werden, rechtfertigt die vom
Familiengericht vorgenommene Verfahrenspflegerbestellung nach § 50 FGG.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG.
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