Urteil des OLG Hamm vom 13.08.2007

OLG Hamm: geldstrafe, gesamtstrafe, vollstreckung, ausnahme, straftat, unterbrechung, strafzumessung, bewährung, datum, rechtskraft

Oberlandesgericht Hamm, 2 Ss 352/07
Datum:
13.08.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ss 352/07
Vorinstanz:
Landgericht Bochum, 4 Ns 47 Js 528/05
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden
Feststellungen auf-gehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über
die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des
Landgerichts Bochum zurückverwiesen.
G r ü n d e :
1
I.
2
Das Amtsgericht Bochum hat den Angeklagten am 10. Januar 2007 wegen "versuchten
gemeinschaftlichen Diebstahls in einem besonders schweren Fall" - begangen am 17.
August 2004 - sowie wegen "gemeinschaftlichen Wohnungseinbruchsdiebstahls in
Tateinheit mit Diebstahls mit Waffen" - begangen am 26. Juni 2005 - zu Einzelstrafen
von sechs Monaten und von einem Jahr verurteilt und aus diesen eine
Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten gebildet, deren Vollstreckung
zur Bewährung ausgesetzt worden ist.
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Das Landgericht Bochum hat die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten, die in
der Berufungshauptverhandlung am 19. April 2007 auf den Rechtsfolgenausspruch
beschränkt wurde, mit dem angefochtenen Urteil verworfen.
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Das Landgericht hat zu den Vorstrafen des Angeklagten folgende Feststellungen
getroffen:
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"Im Februar und im April 2003 wurde er wegen Diebstahls und wegen
gemeinschaftlichen Diebstahls jeweils zu Geldstrafen verurteilt. Aus diesen beiden
Verurteilungen wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Dortmund
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vom 06.10.2003 nachträglich eine Gesamtstrafe von 50 Tagessätzen zu je 15,-
Euro gebildet.
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Am 05.11.2003 verurteilte ihn das Amtsgericht Bochum wegen Diebstahls
geringwertiger Sachen zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 6,- Euro.
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Am 22.01.2004 verurteilte ihn das Amtsgericht Bochum wegen Erschleichens von
Leistungen zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je 6,- Euro.
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Am 16.11.2004 verurteilte ihn das Amtsgericht Bochum wegen Erschleichens von
Leistungen in zwei Fällen zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je
10
6,- Euro.
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Am 06.07.2006 verurteilte ihn das Amtsgericht Bochum - 76 Ds 520 Js 463/06
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- 470/06 - wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10,-
Euro."
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Weiter heißt es in der angefochtenen Entscheidung:
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"Die Kammer hat keine Entscheidung zu einer etwaigen Einbeziehung der
Geldstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Bochum vom 16.11.2004 und vom
06.07.2006 oder über ein Absehen von einer Gesamtstrafenbildung getroffen. Die
Akten lagen im Zeitpunkt der Hauptverhandlung nicht vor. Es konnte bereits nicht
festgestellt werden, ob die Geldstrafen noch unerledigt und damit
gesamtstrafenfähig sind."
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Mit der Revision des Angeklagten, der die Verletzung materiellen Rechts rügt, wird u.a.
geltend gemacht, dass Feststellungen zur Einbeziehung früherer Geldstrafen nicht
getroffen worden sind.
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Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.
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II.
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Die zulässige Revision hat - zumindest vorläufig - Erfolg, weil das angefochtene Urteil
lückenhaft ist (§ 267 StPO). Im Urteil sind schon die Feststellungen zu den im Rahmen
der Strafzumessung verwerteten Vorstrafen des Angeklagten nicht vollständig. Die
Feststellungen enthalten weder Angaben zu den jeweiligen Tatzeitpunkten der
Vorverurteilungen noch zur Rechtskraft der entsprechenden Entscheidungen. Auch der
jeweilige Vollstreckungsstand ist nicht festgestellt. Diese Feststellungen sind aber
erforderlich, um prüfen zu können, ob und ggf. mit welchen Vorverurteilungen eine, ggf.
nachträgliche, Gesamtstrafe zu bilden ist (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl., § 55
Rdnr. 34 m.w.N.).
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Nach den Feststellungen ist der Angeklagte nach der Tat vom 17. August 2004 mit Urteil
vom 16. November 2004 in anderer Sache zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen
verurteilt worden.
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Nach der weiteren Straftat vom 26. Juni 2005 ist der Angeklagte außerdem am 06. Juli
2006, also noch vor der letzten tatrichterlichen Würdigung in vorliegender Sache, zu
einer weiteren Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden.
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Eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung oder ggf. die Prüfung eines sogenannten
Härteausgleichs bei Fehlen der Voraussetzungen der Gesamtstrafenbildung aufgrund
bereits erfolgter Vollstreckung lag bei dieser Konstellation mithin nahe. Dass eine
solche Gesamtstrafenbildung in Betracht kam, wurde ausweislich der Urteilsgründe vom
Landgericht auch gesehen, jedoch mangels Vorlage der Akten der Vorverurteilungen
nicht geprüft.
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Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung darf der Tatrichter jedoch nur ausnahmsweise
einem nachträglichen Beschlussverfahren nach den §§ 460, 462 StPO überlassen,
wenn er nämlich - ohne dass dies auf unzureichender Terminsvorbereitung beruht - auf
Grundlage der bislang gewonnenen Erkenntnisse keine sichere Entscheidung darüber
fällen kann und die Hauptverhandlung allein wegen deshalb noch notwendiger
Erhebungen mit weiterem erheblichem Zeitaufwand belastet werden würde (vgl. BGH
NStZ 2005, 32).
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Dafür, dass eine derartige Ausnahme vorliegt, ist dem Urteil nichts zu entnehmen, zumal
die allein zur Prüfung einer eventuellen nachträglichen Gesamtstrafe in Betracht
kommenden Vorverurteilungen vom 16. November 2004 und vom 6. Juli 2006
Verurteilungen des Amtsgerichts Bochum sind, so dass auch im Fall des unver-
schuldeten Nichtvorliegens der Akten im Termin eine kurzzeitige Unterbrechung zur
Feststellung des jeweiligen Vollstreckungsstandes durch Nachfrage bei der
Staatsanwaltschaft Bochum hätte erfolgen können und müssen.
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Da jedenfalls nicht auszuschließen ist, dass die unterlassene Feststellung und Prüfung
der Gesamtstrafenbildung wegen eines eventuell vorzunehmenden sogenannten
Härteausgleichs auch Auswirkungen auf die ausgeurteilten Einzelstrafen haben kann,
war eine Entscheidung nach § 354 Abs. 1 b StPO nicht möglich, das angefochtene
Urteil im Rechtsfolgenausspruch insgesamt aufzuheben und das Verfahren zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision – an eine andere
kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückzuverweisen.
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