Urteil des OLG Hamm vom 24.04.2009
OLG Hamm: gütliche einigung, unterbrechung des kausalzusammenhangs, due diligence prüfung, mandat, beurkundung, anteil, zugehör, gesellschafter, befragung, nichtigkeit
Oberlandesgericht Hamm, 11 U 55/08
Datum:
24.04.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 U 55/08
Vorinstanz:
Landgericht Hagen, 8 O 309/07
Tenor:
Die Berufung der Kläger gegen das 13.02.2008 verkündete Urteil der 8.
Zivilkammer des Landgerichts Hagen wird mit der Maßgabe
zurückgewiesen, dass die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen
bleibt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 1.) zu 89 %
und der Kläger zu 2.) zu 11 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Klägern wird gestattet, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils
gegen sie jeweils vollstreckba-ren Betrages abzuwenden, wenn nicht
der Beklagte vor der Vollstreckung sei-nerseits Sicherheit in Höhe von
110 % des jeweils zu vollstreckenden Betra-ges leistet.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e :
1
I.
2
Die Kläger verlangen von dem beklagten Notar Schadensersatz wegen der
Aufwendungen, die ihnen infolge des Abschlusses einer wiederholenden Verkaufs- und
Abtretungsvereinbarung über dessen Geschäftsanteil an der Firma N + S GmbH mit
dem früheren Mitgesellschafter Y am 10.10.2006 entstanden sind. Sie werfen dem
Beklagten vor, bei seinen Beurkundungen über Anteilsverkäufe und Kapitalerhöhungen
am 26.08.1998, 16.08.2001 und 28.08.2002 nicht für eine hinreichende Bestimmtheit der
auf die einzelnen Mitgesellschafter jeweils entfallenden Geschäftsanteile gesorgt zu
haben.
3
Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird gemäß § 540 ZPO auf die
tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil es nach seiner Auffassung bereits an
einer Amtspflichtverletzung des Beklagten fehle. Zwar seien die vom Beklagten in den
beurkundeten Verträgen verwendeten Begriffe auslegungsbedürftig, jedoch die Grenze
zur Pflichtverletzung nicht überschritten. Die Auslegung des Anteilsverkauf- und
Abtretungsvertrages vom 28.08.2002 in Verbindung mit dem Gesellschafterbeschluss
vom gleichen Tage ergebe den Willen der Gesellschafter, die von Y gehaltenen
Geschäftsanteile vor der Veräußerung zu einem Anteil zusammenzufassen und sodann
in die beiden an die Kläger zu veräußernden Anteile aufzuteilen. Die Veräußerung sei
daher wirksam erfolgt, ohne dass Unsicherheiten über das gewollte Ergebnis
bestünden.
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Mit ihrer Berufung vertiefen die Kläger unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen
Vortrages ihre Auffassung, dass die vom Beklagten errichteten Urkunden eine unklare
Rechtslage geschaffen hätten, weil die vom Landgericht vorgenommene Auslegung
nicht eindeutig sei. Dadurch sei zumindest Unsicherheit über die Wirksamkeit des
Verkaufs- und Übertragungsvertrages vom 28.08.2002 entstanden, wie die
Ausführungen des Gutachters Dr. T und des Bevollmächtigten Dr. u des früheren
Gesellschafters Y zeigten. Hierdurch sei die weitere Vereinbarung vom 10.10.2006 mit
Y herausgefordert worden, mit der die aufgekommenen Streitigkeiten beilegt worden
seien. Eine andere zumutbare Möglichkeit zur Lösung des aufgekommenen Konflikts
habe nach ihrer Behauptung nicht bestanden.
6
Die Kläger beantragen,
7
das am 13.02.2008 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts
8
Hagen abzuändern und den Beklagten zu verurteilen,
9
1.
10
an den Kläger zu 1.) 782.760,35 € und
11
2.
12
an den Kläger zu 2.) 98.478,73 €,
13
jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit zu zahlen.
14
Der Beklagte beantragt,
15
die Berufung zurückzuweisen.
16
Er verteidigt das angefochtene Urteil mit näheren Ausführungen und wiederholt und
vertieft seine Auffassungen, dass auch im Falle etwaiger unwirksamer
Kapitalerhöhungsbeschlüsse eine Heilung des Mangels eingetreten sei, ferner durch
den Abschluss der Vereinbarung vom 10.10.2006 mit Y der Kausalzusammenhang
unterbrochen sei, weil den Klägern andere Möglichkeiten zur Lösung des Konflikts mit
17
Y, die den streitgegenständlichen Schaden nicht verursacht hätten, zur Verfügung
gestanden hätten. Schließlich beruft sich der Beklagte auf die Subsidiarität seiner
Haftung gegenüber dem von den Klägern nach seiner Behauptung im Rahmen der
Vertragsverhandlungen mit Y im Juli 2002 eingeschalteten Rechtsanwalt Dr. u2.
Darüber hinaus könnten die Kläger auch gegen Y selbst vorgehen.
Der Senat hat die Parteien angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung
des Zeugen Dr. u2. Wegen der Ergebnisse der Anhörung und der Beweisaufnahme wird
auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 18.03.2009, wegen der
Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren auf die in der
Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
18
II.
19
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Den Klägern steht jedenfalls
derzeit kein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1
BNotO, der einzigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage, zu.
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Zwar fällt dem Beklagten - entgegen der Auffassung des Landgerichts - eine schuldhafte
Amtspflichtverletzung zur Last, durch welche der streitgegenständliche Schaden
verursacht wurde (dazu 1.). Der Inanspruchnahme des Beklagten steht jedoch die
Vorschrift des § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO entgegen, weil sich nach dem Ergebnis der
Erörterungen im Senatstermin und der durchgeführten Beweisaufnahme nicht feststellen
lässt, dass die Kläger nicht in anderer Weise Ersatz des Schadens erlangen können
(dazu 2.).
21
1.
22
a) Der Beklagte hat bei seinen Beurkundungen vom 16.08.2001 und 28.08.2002 die ihm
obliegenden Amtspflichten verletzt, indem er seinen Verpflichtungen aus § 17 Abs. 1
BeurkG nicht genügt hat. Nach dieser Vorschrift oblag ihm die Verpflichtung, den Willen
der Beteiligten zu erforschen, den Sachverhalt zu klären, die Beteiligten über die
rechtliche Tragweite des Geschäfts zu belehren und ihre Erklärungen klar und
unzweideutig in der Niederschrift wiederzugeben. Dabei hatte er darauf zu achten, dass
Irrtümer und Zweifel vermieden sowie unerfahrene und ungewandte Beteiligte nicht
benachteiligt werden.
23
Diesen Verpflichtungen hat der Beklagte nicht genügt, weil aufgrund der Abfassung der
Urkunden vom 16.08.2001 und 28.08.2002 Zweifel darüber aufkommen konnten, wie
viele Geschäftsanteile an der Fa. N + S GmbH von den jeweiligen Gesellschaftern
gehalten wurden und ob die Übertragung des oder der von ihm gehaltenen
Geschäftsanteile des Mitgesellschafters Y an die Kläger formwirksam erfolgt oder
vielmehr infolge Verstoßes gegen die Bestimmung des § 15 Abs. 3 GmbHG nichtig war.
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Insofern kann dahinstehen, ob dem Landgericht bei seiner Annahme gefolgt werden
kann, dass die Bestimmungen der Verträge auslegungsbedürftig und -fähig sind und
deshalb davon ausgegangen werden kann, dass jedenfalls am 28.08.2002 der Wille
sämtlicher Mitgesellschafter dahinging, sämtlich etwa in der Hand eines
Mitgesellschafters jeweils vorhandenen Anteile zunächst konkludent zu einem Anteil zu
vereinigen. Denn eine Amtspflichtverletzung des Notars kann auch schon dann
vorliegen, wenn der Notar den wahren Willen der Beteiligten in der Niederschrift nur so
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unvollkommen zum Ausdruck bringt, dass er missdeutet werden kann (vgl. Zugehör -
Ganter, Handbuch der Notarhaftung, Rdn. 1314). Damit verletzt er zugleich auch seine
Verpflichtung zur Wahl des sichersten Weges, nach welcher er unter mehreren
Gestaltungsmöglichkeiten diejenige vorzuschlagen hat, mit denen das von den
Beteiligten angestrebte Ergebnis am sichersten erreicht werden kann (vgl. Zugehör -
Ganter, a.a.O., Rdn. 954). Diesen Verpflichtungen hat der Beklagte nicht genügt, wie
bereits der weitere Geschehensablauf gezeigt hat. Im Zuge der Verhandlungen über die
Übernahme der Geschäftsanteile an der Fa. N + S GmbH durch die Fa. SIMS entstand
Unsicherheit darüber, ob der Verkauf und die Abtretung der Anteile durch Y wirksam
war, oder ob Y seinerzeit mehrere Anteile hielt, welche durch die Urkunde vom
28.08.2002 nicht ausreichend erfasst worden waren, weshalb das schuldrechtliche
Geschäft nichtig sein könnte. In gleicher Weise umstritten war die Frage, ob ein etwaiger
Formmangel analog § 242 AktG geheilt wurde. Den Standpunkt der Nichtigkeit des
Vertrags nahm insbesondere der mit der Begutachtung der Rechtslage beauftragte
Notar Dr. T in seinem zu den Akten gereichten Gutachten vom 22.09.2006 ein. Auch Y
ließ über seinen Rechtsanwalt Dr. u seinen Standpunkt mitteilen, dass er weiter Inhaber
mehrerer Geschäftsanteile an der Fa. N + S GmbH sei, weshalb er erneut Forderungen
gegen die Kläger erhob. Schließlich insoweit allerdings vom Beklagten bestritten war
auch die Fa. Z2 nach vorheriger Durchführung einer Due-diligence-Prüfung des
Unternehmens nicht bereit, angesichts der bestehenden Unklarheit über die
Wirksamkeit des Geschäfts vom 28.08.2002 die Geschäftsanteile zu übernehmen, ohne
dass zuvor die aufgekommenen Unklarheiten ausgeräumt wurden.
Diese Situation hätte der Beklagte verhindern können und müssen, indem er zumindest
den Vertrag vom 28.08.2002 so gestaltet hätte, dass keine Zweifel über die Zahl und
Höhe der jeweiligen Geschäftsanteile aufkommen konnte. Noch am 28.08.2002 hätte er
den Beteiligten eine Beschlussfassung und Beurkundung empfehlen müssen, welche
die später in den Urkunden des Notars U3 vom 10.10.2006 enthaltenen Klarstellungen
bereits enthielt. Es hätte festgelegt werden müssen, dass zumindest die in der Hand Y
seinerzeit befindlichen Geschäftsanteile zunächst zu einem Anteil zusammengefasst
werden, bevor dieser Anteil sodann in zwei neue Anteile über 148.000,-- und 18.500,-- €
aufgeteilt und an die Kläger veräußert werden würde.
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Die Drittgerichtetheit der verletzten Amtspflicht zugunsten der Kläger als
Urkundsbeteiligte und Erwerber der Anteile von Y sowie das fahrlässige Verschulden
des Beklagten, der nach seinem Schreiben vom 14.09.2006 davon ausging, dass auf
Seiten jedes Gesellschafters auch ohne vorherige Darstellung nur ein Geschäftsanteil
bestand, ohne sich jemals mit dieser Problematik befasst zu haben, stehen außer Frage.
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b) Die Amtspflichtverletzung des Beklagten hat den mit Klage geltend gemachten
Schaden der Kläger kausal verursacht. Abgesehen davon, dass den Klägern bei der
Feststellung des Ursachenzusammenhangs zur haftungsausfüllenden Kausalität die
Beweiserleichterung des § 287 Abs. 1 ZPO wie die Vermutung beratungsgerechten
Verhaltens der Beteiligten zugute kommt, besteht ohnehin kein vernünftiger Zweifel
daran, dass bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten weder an Y eine erneute
Kaufpreiszahlung für seine Geschäftsanteile erfolgt wäre noch Kosten zur Beseitigung
der entstandenen Unsicherheit entstanden wären.
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So steht außer Frage, dass im August 2002, als Y nach Abschluss der mit ihm geführten
Verhandlungen aus der Gesellschaft ausscheiden wollte, von allen Beteiligten eine
Beschlussfassung und Vertragsgestaltung akzeptiert worden wäre, wonach zunächst
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alle etwaigen von Y gehaltenen Anteile in einem Anteil zusammengefasst worden
wären, bevor dieser Anteil sodann in zwei Anteile über 148.000, und 18.500,-- €
aufgeteilt und an die Kläger veräußert worden wäre.
Wäre dies geschehen, hätte im Jahre 2006 keine Unsicherheit über die Wirksamkeit der
Anteilsveräußerung im Jahre 2002 aufkommen können. Es wäre nicht notwendig
gewesen, erneut an Y heranzutreten. Weder die erneute Beschlussfassung der
Gesellschafter nebst Beurkundung des Anteilsübertragungsvertrages vom 10.10.2006
noch eine weitere Zahlung an Y hätten erfolgen müssen.
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Durch die letztlich erfolgte erneute Einigung mit Y und die Beurkundung vom
10.10.2006 wurde auch nicht der Kausalverlauf unterbrochen. Der
Zurechnungszusammenhang wird durch eigene Handlungen eines Geschädigten nur
dann unterbrochen, wenn dieser in ungewöhnlicher und unsachgemäßer Weise in den
Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die den Schaden erst
endgültig herbeiführt. Anders liegen die Dinge, wenn für die Handlung des
Geschädigten ein rechtfertigender Anlass bestand, oder die Handlung durch das
haftungsbegründende Ereignis herausgefordert wurde und eine nicht ungewöhnliche
Reaktion auf dieses Ereignis darstellt. Bei Beseitigung einer Unsicherheit, die durch das
pflichtwidrige Verhalten des Notars erst geschaffen wurde, durch Abschluss eines
Vergleichs kommt eine Unterbrechung des Kausalzusammenhangs nur
ausnahmsweise in Betracht (vgl. BGH NJW 1993, S. 1139; NJW 1999, S. 1391;
Zugehör, a.a.O., Rdn. 2218 f. m.w.N.).
31
Vorliegend bestand für die Kläger ein rechtfertigender Anlass, die Einigung vom
10.10.2006 mit Y herbeizuführen. Unabhängig von der - vom Beklagten bestrittenen -
Forderung der Fa. Z2, eine Klarstellung herbeizuführen, um einen Abbruch der mit der
Fa. Z2 geführten Verkaufsverhandlungen zu vermeiden, lag in der erneuten
Beurkundung in jedem Fall eine wirtschaftlich vertretbare und daher angemessene
Reaktion auf die aufgetretene Unsicherheit über die Wirksamkeit des Vertrages vom
28.08.2002. Die Einigung vom 10.10.2006 war geeignet, eine langwierige und
kostspielige Auseinandersetzung mit Y zu vermeiden, deren Ausgang - wie die
unterschiedlich vertretenen Rechtsauffassungen in dieser Sache zeigen - letztlich
ungewiss war. Eine Erhöhung des am 28.08.2002 vereinbarten Kaufpreises um rund 40
% erscheint auch nach allen Umständen nicht unverhältnismäßig.
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Darüber hinaus kann den Klägern auch nicht entgegengehalten werden, dass es der
Zahlung eines weiteren Kaufpreises an Y im Jahre 2006 nicht bedurft hätte, weil dieser
gemäß Ziffer 10. des notariellen Kauf- und Abtretungsvertrages vom 28.08.2002
verpflichtet gewesen sei, an einer Lösung der aufgetretenen Unsicherheit mitzuwirken,
die der – möglicherweise – unwirksamen Übertragung seiner Anteile wirtschaftlich
möglichst nahe kommt, was eine wiederholende Beurkundung ohne weitere
Kaufpreiszahlung beinhalten müsse. Denn soweit ernsthaft zu erwägen war, dass das
beurkundete Verpflichtungsgeschäft gemäß § 15 Abs. 4 GmbHG und die Abtretung der
Anteile gemäß § 15 Abs. 3 GmbHG nichtig war, so würde diese Nichtigkeit auch die
Verpflichtung der Kläger zur Zahlung des seinerzeit mit insgesamt 2.200.000,-- €
bestimmten Kaufpreises und die salvatorische Klausel erfassen, die nicht isoliert von
sämtlichen weiteren Bestimmungen des Vertrages allein Bestand haben könnte.
Kaufvertrag und Abtretung bilden vielmehr die wesentlichen Bestandteile des Vertrages,
die auch untrennbar mit der Kaufpreiszahlung als vereinbarter Gegenleistung Y
verbunden sind, weshalb eine Zerlegung des Vertrages entgegen der Grundregel des
33
§ 139 BGB mit der Folge des Bestandes der Einigung über die Kaufpreiszahlung nebst
salvatorischer Klausel in Ermangelung eines verbleibenden Rechtsgeschäfts nach
Abtrennung der von der Nichtigkeit betroffenen Klauseln nicht möglich ist (vgl. BGH,
DNotZ 2009, S. 214; Münchener Kommentar zum BGB – Busche, 4. Aufl., § 139 Rdn.
24).
Die Höhe des geltend gemachten Schadens ist zwischen den Parteien nicht streitig. Ein
Erfolg versprechendes Vorgehen gegen Y haben die Kläger nicht in vorwerfbarer Weise
versäumt.
34
2.
35
Die Inanspruchnahme des Beklagten scheiterte jedoch an dem Umstand, dass die
Kläger nicht auszuräumen vermochten, dass ihnen eine anderweitige Ersatzmöglichkeit
im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO zur Verfügung steht. Da das Fehlen einer
anderweitigen Ersatzmöglichkeit negative Voraussetzung des geltend gemachten
Schadensersatzanspruches ist, oblag die Darlegungs- und Beweislast den Klägern. Da
sie nicht auszuschließen vermochten, dass sich aus demselben Tatsachenkreis, aus
dem sich die Haftung des Beklagten ergeben kann, eine zumutbare anderweitige
Ersatzmöglichkeit mit begründeter Erfolgsaussicht ergibt, war ihre Klage als derzeit
unbegründet abzuweisen (vgl. Zugehör, a.a.O., Rdn. 2289 m.w.N.).
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a) Die Haftungsbegrenzung des § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO ist im vorliegenden Fall
anwendbar. Dem Beklagten fällt hinsichtlich seiner Amtspflichtverletzung - wie
ausgeführt - Fahrlässigkeit und nicht Vorsatz zur Last. Bei der streitgegenständlichen
Beurkundung am 28.08.2008 handelte es sich ferner nicht um ein Amtsgeschäft des
Beklagten im Sinne der §§ 23, 24 BNotO. Soweit er den Kauf- und Abtretungsvertrag
vom 28.08.2002 vorbereitete und den Beteiligten zunächst einen Vertragsentwurf
übersandte, handelt es sich um eine unselbständige Hilfstätigkeit im Rahmen der
Beurkundung und nicht um eine selbständige Betreuungstätigkeit im Rahmen des § 24
Abs. 1 BNotO. Denn auch die vorbereitenden Tätigkeiten des Beklagten standen in
einem engen inneren Zusammenhang mit dem Urkundsgeschäft und bereiteten dieses
vor (vgl. Zugehör - Ganter, a.a.O., Rdn. 493, 2043 ff.). Dies folgte auch daraus, dass im
Zeitpunkt der Beauftragung des Beklagten und bei Übersendung des Vertragsentwurfes
an die Beteiligten zwischen den Klägern und Y bereits Einigkeit darüber bestand, dass
Y aus der Fa. N + S GmbH als Gesellschafter ausscheiden sollte, um auf diese Weise
die zwischen den Beteiligten aufgetretenen Streitigkeiten beilegen zu können. Die
daher erforderliche Veräußerung und Abtretung der Geschäftsanteile musste aufgrund
der Formvorschriften des § 15 Abs. 3 und 4 GmbH zwingend durch einen notariellen
Vertrag erfolgen. Soweit zwischen den Beteiligten noch über einzelne weitere Punkte
des abzuschließenden Vertrages verhandelt wurde und auch Änderungswünsche
hinsichtlich des Vertragstextes an den Beklagten herangetragen wurden, fanden auch
die weiteren Vertragsverhandlungen unmittelbar im Verhältnis zwischen den Klägern
und Y statt. Dass es sich bei der Tätigkeit des Beklagten um einen einheitlichen
Vorgang handelt, belegt schließlich auch der enge zeitliche Zusammenhang, in dem der
am 03.07.2002 übersandte Vertragsentwurf nach weniger als 2 Monaten am 28.08.2002
zum Abschluss des notariellen Kauf- und Abtretungsvertrages führte.
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b) Nach dem Vorbringen der Kläger und dem Ergebnis der durchgeführten
Beweisaufnahme vermag der Senat nicht auszuschließen, dass den Klägern
hinsichtlich der streitgegenständlichen Schadenspositionen ein
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Schadensersatzanspruch gegen den Rechtsanwalt Dr. u2 gemäß §§ 280 Abs. 2, 675
BGB zusteht.
Die Befragung der Parteien und die Beweisaufnahme hat ergeben, dass Rechtsanwalt
Dr. u2 im Vorfeld der Beurkundung vom 28.08.2002 in die Auseinandersetzung mit dem
damaligen Mitgesellschafter Y eingeschaltet war. Die Befragung des Zeugen Dr. u2 hat
darüber hinaus ergeben, dass ihm der von dem Beklagten vorgelegte Vertragsentwurf
am 10.07.2002 übersandt worden war und er nach diesem Zeitpunkt Telefonate mit
Rechtsanwalt Dr. u, dem Bevollmächtigten Y, führte. Ferner leitete er Faxschreiben von
Dr. u an den Kläger zu 1.) weiter und erhielt von diesem Vorgaben für die
Vertragsgestaltung, welche er wiederum telefonisch an Dr. u weitergab.
39
Unter diesen Umständen ist nicht auszuschließen, sondern bestehen vielmehr konkrete
Anhaltspunkte dafür, dass zwischen den Klägern und Rechtsanwalt Dr. u2 ein
anwaltliches Mandat bestand, innerhalb dessen Rechtsanwalt Dr. u2 die Interessen der
Kläger gegenüber Y bei der beabsichtigten Veräußerung der Geschäftsanteile an die
Kläger zu vertreten und damit auch die Rechtswirksamkeit der in dem ihm übersandten
Entwurf enthaltenen Vereinbarungen zu prüfen hatte.
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Die Frage, wie weit ein anwaltliches Mandat reicht und welche Pflichten für den Anwalt
aus dem übernommenen Mandat erwachsen, richtet sich nach den Vereinbarungen der
Parteien, welche der Auslegung nach den §§ 133, 157 BGB zugänglich sind. Wenn
auch im Regelfall davon auszugehen ist, dass ein Anwaltsmandat umfassend erteilt
wird, so kann sich eine Beschränkung des Mandats auch aus der Eigenart des erteilten
Auftrages unter den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ergeben. Dabei kann der
Umfang eines beschränkt übernommenen Mandates dadurch erweitert werden, dass der
Anwalt die mit dem ursprünglich erteilten Mandat unmittelbar zusammenhängenden
rechtlichen und wirtschaftlichen Belange des Mandanten mit zu berücksichtigen hat (vgl.
BGH NJW 1993, S. 2045; Zugehör/Fischer/Sieg/ Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung,
2. Aufl., Rdn. 492 ff.; 499 ff.; Rinsche/ Fahrendorf/Terbille, Die Haftung des
Rechtsanwalts, 7. Aufl., Rdn. 376 ff.; 385).
41
Nach dem Vorbringen der Kläger und der Aussage des Zeugen Dr. u2 spricht Einiges
dafür und ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass sich das Dr. u2 erteilte Mandat
bereits von Anfang an auch auf die Herbeiführung einer rechtswirksamen
Auseinandersetzung mit dem Mitgesellschafter Y bezog. Ebenfalls ernsthaft in Betracht
kommt zudem, dass sich ein zwar ursprünglich beschränkt erteiltes Mandat, welches
anfänglich die Führung von Vertragsverhandlungen noch nicht beinhaltete, im Laufe der
Zeit aufgrund stillschweigender Übereinstimmung der Kläger und des Rechtsanwalts
Dr. u2 auch auf diesen weiteren Aufgabenbereich erweiterte.
42
Dabei ist dem Senat eine abschließende Beurteilung des Mandatsumfangs von
vornherein dadurch erschwert worden, dass die Kläger nicht bereit waren, über die
Inhalte des ursprünglich Dr. u2 erteilten Mandats nähere Auskunft zu geben,
insbesondere den Inhalt der angeblich von Y erhobenen strafrechtlich relevanten
Vorwürfe mitzuteilen und deren Hintergründe zu erläutern oder Einzelheiten der am
12.06. und 17.06.2002 geführten Gespräche von Dr. u2 mit den Bevollmächtigten Zinns
mitzuteilen und insofern den Zeugen Dr. u2 seiner Schweigepflicht zu entbinden. Es
erscheint aber bereits wenig überzeugend, wenn die Kläger vortragen und hiermit
übereinstimmend der Zeuge Dr. u2 ausführt, dass sich sein Mandat allein auf die
Überprüfung der strafrechtlichen Relevanz der von Y erhobenen Vorwürfe beschränkt
43
haben soll. Hierzu wäre eine reine gutachterliche Tätigkeit erforderlich gewesen,
während nach der - insofern ohne weiteres glaubhaften - Aussage des Zeugen Dr. u2, er
selbst wie auch sein Sozius Feigen Gespräche mit den Rechtsanwälten Dr. Q und Dr. u
als Bevollmächtigte Y führten. Diese Verfahrensweise macht vielmehr dann Sinn, wenn
- wie vom Zeugen Dr. u2 letztlich auch eingeräumt wurde - von Anfang an Inhalt des ihm
erteilten Mandats war, eine gütliche Einigung mit Y herbeizuführen. Eine solche
Einigung setzte aber zwangsläufig die Rechtswirksamkeit ihrer Umsetzung voraus, da
andernfalls der ursprünglich angestrebte Erfolg - das Unterbleiben einer Strafanzeige
durch Y - nicht mit ausreichender Sicherheit würde erreicht werden können. Für eine
derartige Auslegung des Mandatsumfangs spricht auch die Einlassung des Klägers zu
1.) bei seiner Befragung durch das Landgericht, wonach er nach Zuleitung eines
Vertragsentwurfs die Angelegenheit mit Dr. u2 diskutiert und sodann entschieden habe,
wie es im Einzelnen gemacht werden solle. Diese Einlassung spricht dafür, dass es
dem Kläger zu 1.) darauf ankam, von Dr. u2 eine juristische Beratung zur Vorbereitung
der von ihm – dem Kläger zu 1.) – zu treffenden Entscheidungen zu erhalten.
Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob bereits die Mandatserteilung die Herbeiführung
einer rechtswirksamen Einigung mit Y umfasste. Denn auch bei Annahme eines
ursprünglich auf die strafrechtlichen Belange beschränkten Mandates und unabhängig
von der Frage, ob ein derartiges Mandat zunächst ausschließlich von der Fa. N + S
GmbH erteilt worden war, sprechen die Umstände des Einzelfalles dafür, dass sich das
Mandat von Dr. u2 jedenfalls ab dem 17.06.2006 erweiterte. Der Zeuge Dr. u2 hat
insoweit anhand seiner Unterlagen nachvollziehbar rekonstruieren können, dass er an
diesem Tage in C ein Gespräch mit Rechtsanwalt Dr. u der Kanzlei Y3 und Aulinger
geführt hatte und nach schwierigen Verhandlungen schließlich die Übereinkunft erzielt
wurde, eine gütliche Einigung herbeizuführen, indem Y ein Angebot für sein
Ausscheiden aus der Fa. N + S GmbH vorgelegt werden sollte. Nachdem ihm sodann
am 09.07.2007 durch Rechtsanwalt Dr. u der von dem Beklagten erstellte
Vertragsentwurf, der die Übertragung des oder der Geschäftsanteile Y an die Kläger
vorsah, zugesandt worden war und er diesen Vertragsentwurf an die Kläger
weiterleitete, sodann die ihm vom Kläger zu 1.) übermittelten Änderungswünsche
wiederum Dr. u mitteilte, bis schließlich sämtliche Vertragsmodalitäten abschließend
ausgehandelt worden waren, spricht dies dafür, dass er jedenfalls bei der
Verhandlungstätigkeit mit Dr. u ausschließlich oder zumindest auch im Interesse und
Auftrag der Kläger verhandelte und konkludent den Auftrag zur Herbeiführung einer
rechtswirksamen Einigung angenommen hatte. Soweit die Kläger und der Zeuge Dr. u2
demgegenüber dargestellt haben, dass er lediglich als "Sprachrohr" tätig gewesen sei,
weil die Kläger die Verhandlungen über die Übernahme des oder der Geschäftsanteile
selbst hätten führen wollen, was aber nicht möglich gewesen sei, weil weder Y noch
Rechtsanwalt Dr. u mit ihnen - den Klägern - persönlich habe verhandeln wollen,
überzeugt dies nicht auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass nach der
Darstellung des Zeugen Dr. u2 seine Kanzlei seinerzeit ausschließlich mit
wirtschaftsstrafrechtlichen Beratungen befasst gewesen sei. Zwar kommt es für die
Beurteilung des Pflichtenkreises des Zeugen Dr. H allein auf die Sichtweise der Kläger
an und nicht etwa auf diejenige von Y und Rechtsanwalt Dr. u, aus deren Sicht Dr. u2
unzweifelhaft umfassend mit der Führung der Vertragsverhandlungen bevollmächtigt
war. Aber abgesehen davon, dass es ungewöhnlich erscheint, einen Anwalt lediglich
als Boten mit der Weitergabe und Entgegennahme von Erklärungen zu beauftragen,
ohne seine anwaltlichen Fähigkeiten in Anspruch nehmen zu wollen, ihn jedoch auf der
Basis der vereinbarten Stundensätze für seine unzweifelhafte ursprünglich ausgeübte
anwaltliche Tätigkeit zu bezahlen, so musste den Klägern wie Dr. u2 im Zeitpunkt der
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Verhandlungen klar sein, dass die mit Y am 17.06.2002 erzielte Einigung lediglich eine
vorläufige war, deren endgültiger Erfolg vom erfolgreichen Abschluss der
Vertragsverhandlungen und der Herbeiführung einer rechtswirksamen Einigung abhing.
Bei dem von dem Zeugen Dr. u2 bei seiner Vernehmung beschriebenen Verhalten
durften und mussten die Kläger davon ausgehen, dass Dr. u2 auch ihre rechtlichen
Interessen im Zusammenhang mit dem angestrebten Vertragsabschluss vertreten
würde, soweit er nicht mit hinreichender Deutlichkeit ihnen gegenüber eine
Verantwortlichkeit für den Inhalt und die Rechtswirksamkeit des Vertrages ablehnen
würde. Derartige Klarstellungen sind jedoch weder von den Klägern noch von dem
Zeugen Dr. u2 bei seiner Vernehmung dargestellt worden. Die Spezialisierung des
Zeugen Dr. u2 auf den Bereich des Wirtschaftsstrafrechtes, auch wenn sie den Klägern
bekannt war, reicht hierfür angesichts der bei jedem Rechtsanwalt vorauszusetzenden
umfassenden juristischen Bildung nicht aus. Ebenso wenig ändert die im vorliegenden
Rechtsstreit erklärte Überzeugung der Kläger, den Zeugen Dr. u2 nicht in Anspruch
nehmen zu können, weil sie ihn nicht als für die Führung der Vertragsverhandlungen
mandatiert ansehen, nichts an dieser Beurteilung, da die Ansicht der Kläger vom
Rechtsirrtum beeinflusst ist und es allein auf die tatsächliche Würdigung der
Vereinbarungen und des Verhaltens der Parteien im Juni und Juli 2002 ankommt.
Muss aber davon ausgegangen werden, dass Rechtsanwalt Dr. u2 die rechtliche
Beratung der Kläger im Rahmen der Vertragsverhandlungen mit Y und die
Herbeiführung eines rechtswirksamen Vertrags übernommen hatte, so hat er die daher
ihm obliegende Verpflichtung zur umfassenden rechtlichen Prüfung dadurch verletzt,
dass er den ihm übermittelten notariellen Vertragsentwurf nicht darauf hin überprüfte, ob
die darin enthaltenen Vereinbarungen zur Erfüllung der Formvorschriften des § 15 Abs.
3 und 4 GmbHG geeignet waren. Ihm hätte dann schon anhand der
Widersprüchlichkeiten in der Vorbemerkung des Vertragsentwurfes, in welcher u.a.
ausgeführt wird, dass Y wie auch der Kläger zu 2.) und Faller Stammeinlagen in Höhe
von je 166.500,-- € halten und Ziff. 1. des Vertrages, in der nunmehr noch von einem
Geschäftsanteil in der Hand des Mitgesellschafters Y gesprochen wurde, erkennen
müssen, dass hier möglicherweise eine Unklarheit besteht, die die Formwirksamkeit des
Geschäfts zu gefährden geeignet war. Da auch der Anwalt seinen Mandaten den
sichersten Weg zu empfehlen hat, hätte er die Kläger auf diesen Widerspruch
hinweisen, den Inhalt der vorangegangenen Kapitalerhöhung und
Gesellschaftsübertragungen ermitteln und sodann den Klägern die bereits oben näher
dargestellte Klarstellung durch vorangehende Vereinigung aller Geschäftsanteile zu
einem Geschäftsanteil nebst Aufteilung in die beiden sodann zu veräußernden
Geschäftsanteile vorschlagen müssen. Den Zeugen Dr. u2 entlastet insofern auch nicht,
falls er sich aufgrund seiner Spezialisierung auf Wirtschaftsstrafrecht zu einer derartigen
Beurteilung subjektiv nicht in der Lage gesehen hätte. Denn nach Übernahme des
Mandats hätte es ihm oblegen, sich die erforderlichen Rechtskenntnisse anzueignen
oder anderweitig zu erlangen.
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Weiterhin ist davon auszugehen, dass bei ordnungsgemäßer Erfüllung der anwaltlichen
Verpflichtungen durch Dr. u2 der eingetretene Schaden vermieden worden wäre. Bei
der gebotenen anwaltlichen Prüfung wäre der Mangel des Kauf- und
Abtretungsvertrages aufgefallen und korrigiert worden. Der streitgegenständliche
Schaden wäre in diesem Falle aus denselben Gründen wie oben ausgeführt nicht
eingetreten.
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3.
47
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
48
Der Senat hat die Revision zugelassen, da die Rechtssache hinsichtlich der für die
Abweisung der Klage maßgeblichen Erwägungen grundsätzliche Bedeutung hat und
zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgerichts erforderlich erscheint, § 543 Abs. 2 ZPO.
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