Urteil des OLG Hamm vom 12.09.2003

OLG Hamm (kläger, billige entschädigung, gutachten, angemessene entschädigung, höhe, stadt, zahlung, schmerzensgeld, ersatz, essen)

Oberlandesgericht Hamm, 9 U 50/99
Datum:
12.09.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 U 50/99
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 16 O 182/98
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 11. Januar 1999 verkündete
Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Essen - unter
Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - abgeändert:
Die Beklagten zu 1) und 3) werden verurteilt, an die Hinterlegungsstelle
des Amtsgerichts Essen zu Gunsten des Klägers und der Stadt F,
beginnend ab 1. Januar 1999 monatlich im voraus eine monatliche
Schmerzensgeldrente von 200,00 Euro nebst 4 % Zinsen ab dem
jeweiligen Fälligkeitsdatum zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Bezüglich der Kosten des ersten Rechtszuges bleibt es bei der
Kostenentscheidung des Landgerichts, von den Kosten des
Berufungsrechtszuges der tragen Kläger 20 % und die Beklagten zu 1)
und 3) 80 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des
Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger
seinerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten noch über die Höhe von Ansprüchen aus einem Verkehrsunfall,
der sich am 12.9.1996 auf der BAB A 52 in F ereignet hat. Der Kläger befand sich nicht
angegurtet auf dem Beifahrersitz des von dem Beklagten zu 1) gelenkten und bei dem
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Beklagten zu 3) haftpflichtversicherten PKW VW Golf des Beklagten zu 2), als das
Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit in das Heck eines am Ende eines Staus
stehenden LKW´s fuhr und unter dieses Fahrzeug geriet, wobei sich der Unterbau des
LKW in Kopfhöhe bis zur Mitte der Fahrgastzelle des PKW´s bohrte. Dabei zog sich der
Kläger insbesondere schwere Kopfverletzungen zu (schweres offenes Schädel
HirnTrauma mit Subarachnoidalblutung, frontobasale Fraktur, Nasoliquorrhö,
posttraumatischer Hydrozephalus internus
Gehirnkammersystems>).
Der Kläger behauptet, er sei auf Dauer ein Pflegefall und auf einen Rollstuhl
angewiesen. Mit seiner Klage hat er von den Beklagten zu 1) bis 3) ein angemessenes
Schmerzensgeld bei einer Vorstellung von 50.000,00 DM bis 60.000,00 DM , die
Feststellung einer Ersatzpflicht für weitere immaterielle Schäden und Ersatz eines mit
6.171,00 DM bezifferten Fahrt- und Telefonkostenaufwands begehrt.
3
Die Beklagten sind diesem Begehren entgegengetreten. Sie haben eingewandt, der
Kläger müsse sich das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes als anspruchsminderndes
Miitverschulden entgegenhalten lassen; ferner haben sie die Höhe der in Rechnung
gestellten Fahrt- und Telefonkosten bestritten.
4
Das Landgericht hat die Beklagten zu 1) und 3) zur Zahlung eines
Schmerzensgeldkapitalbetrages von 150.000,00 DM verurteilt, eine Haftung dieser
Beklagten für sämtliche künftigen immateriellen Schäden aus dem Unfall festgestellt
und die Klage im übrigen abgewiesen. Den begehrten Ersatz für Fahrtkosten und
Telefongespräche hat es nach §§ 1908 i, 1835 BGB als nicht ersatzfähig angesehen.
5
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er verfolgt seinen
Schadenersatzantrag wegen Fahrt und Telefonkosten weiter und fordert klage-
erweiternd Zahlung einer Schmerzensgeldrente in Höhe von monatlich 200,00 Euro,
richtet diese Begehren jedoch nur noch gegen die Beklagten zu 1) und 3) und beantragt
Zahlung der auszuurteilenden Beträge zu seinen Gunsten und zu Gunsten der Stadt F
an die Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Essen.
6
Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil; sie halten den erstmals in der
Berufungsinstanz geltend gemachten Antrag auf Zahlung einer Schmerzensgeldrente
mangels Beschwer für unzulässig und im übrigen ebenso wie den Antrag auf Ersatz der
Fahrt und Telefonkosten für sachlich nicht gerechtfertigt. Ferner halten sie auch den
Mitverschuldenseinwand aufrecht.
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Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher
Sachverständigengutachten zu den Unfallfolgen, und zwar eines neurochirurgischen
Gutachtens des Prof. Dr. X1 / Dr. Q, eines augenfachärztlichen Gutachtens des Prof. Dr.
U und eines psychiatrischen Gutachtens des Prof. Dr. B /Dr. X, sowie zur
Unfallursächlichkeit des Nichtanlegens des Sicherheitsgurtes durch Einholung eines
interdisziplinären (verkehrstechnischen und rechtsmedizinischen) Gutachtens des Prof.
T und des Prof. Dr. E. Wegen der Einzelheiten dieser Gutachten wird auf deren Inhalt
verwiesen.
8
Entscheidungsgründe
9
I.
10
Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist der Kläger durch das angefochtene Urteil
beschwert. Zwar fehlt es an einer Beschwer, wenn den Klageanträgen des
Berufungsklägers im ersten Rechtszug in vollem Umfang stattgegeben worden ist und
dieser mit der Berufung ausschließlich weitergehende Anträge verfolgt. So liegt der Fall
hier jedoch nicht, da das Landgericht einen Teil des erstinstanzlichen Klagebegehrens
(Ersatz für Fahrt- und Telefonkosten) abgewiesen hat und der Kläger auch diesen - die
Berufungssumme nach § 511 a Abs. 1 S. 1 ZPO übersteigenden - Teilanspruch
weiterverfolgt. Hat ein Urteil mehrere prozessuale Ansprüche zum Gegenstand - wie es
hier der Fall ist -, erstreckt sich die Hemmungswirkung des Rechtsmittels grundsätzlich
auf das gesamte Urteil. Sie erfasst insbesondere auch diejenigen Teile, die ausweislich
der Berufungsanträge nicht angefochten werden (BGH NJW 1992, 2296/2297 m.w.N.).
Hiernach konnte der Kläger das bezüglich der materiellen Schadensposten (Fahrt- und
Telefonkosten) zulässig eingelegte Rechtsmittel gleichzeitig dazu nutzen, den in erster
Instanz gestellten Schmerzensgeldantrag, mit dem er obsiegt hat, in der
Berufungsinstanz nach § 264 Nr. 2 ZPO auf Zahlung einer Rente zu erweitern.
11
II.
12
Die Berufung hat bezüglich des Antrages auf Zahlung einer Schmerzensgeldrente auch
in der Sache Erfolg.
13
1.
14
Der Kläger ist zur Geltendmachung des Schmerzensgeldanspruchs aktiv legitimiert.
Zwar hat die Stadt F unter dem 23.12.2002 eine (erneute) Überleitungsanzeige nach § 7
Abs. 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) in Verbindung mit § 90 BSHG
erlassen, von der u.a. auch etwaige Schmerzensgeldansprüche des Klägers aus dem
Unfall vom 12.09.1996 erfasst sind. Aber selbst wenn diese Überleitungsanordnung
verwaltungsgerichtlich bestätigt werden sollte, wäre wegen des Grundsatzes des
Nachranges der nach dem AsylbLG erbrachten Leistungen bei dem Kläger als
Geschädigtem trotz Überganges seines Anspruchs auf die Stadt F auch weiterhin eine
Ermächtigung verblieben, das Schmerzensgeld gerichtlich einzufordern. Dieser von
dem Bundesgerichtshof wegen des Nachranges der Sozialhilfe entwickelte Grundsatz
(BGH NJW 1996, 726 und 2509) gilt auch gegenüber Asylbewerbern. Wegen der
Unklarheit darüber, ob die Schmerzensgeldforderungen letztlich dem Kläger oder der
Stadt F zustehen, ist der Antrag des Klägers auf Hinterlegung der Forderungsbeträge
sachgerecht.
15
2.
16
Der Kläger kann das begehrte weitere Schmerzensgeld auch in der Form der
Rentenzahlung fordern.
17
a)
18
Zwar ist die "billige Entschädigung" nach § 847 BGB nach gefestigter Rechtsprechung
regelmäßig als einmalige Kapitalentschädigung und nur ausnahmsweise als
Schmerzensgeldrente festzusetzen (vgl. etwa BGH VersR 1976, 967). Eine Rente ist nur
dann zu gewähren, wenn das haftungsbegründende Ereignis zu lebenslangen
schweren Dauerschäden geführt hat, deren sich der Verletzte immer wieder neu und
19
schmerzlich bewusst wird (BGH VersR 1968, 475; OLG Hamm VersR 1990, 865; OLG
Düsseldorf VersR 1997, 65 f.; Geigel/Kolb, 23. Aufl.,
2001, 7/15 m.w.N.).
20
b)
21
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Der Kläger hat ein schweres offenes Hirntrauma
mit traumatischer Subarachnoidalblutung und intracerebralen Kontusionshämatomen
bifrontal mit Hirnschwellung, eine frontobasale Verletzung mit nasaler Liquorfistel mit
nachfolgendem posttraumatischem Hydrocephalus internus, Shuntinfektion und
rezidivierende Liquorinfektionen erlitten. Diese Verletzungen haben zu einer
dauerhaften Schädigung der persönlichkeitsformenden Hirnstrukturen im Bereich des
Großhirns mit Störung des Antriebs, des Affekts sowie Hirnwerkzeugstörungen
und Aphasie>, zu hochgradiger Sehschwäche beiderseits und
Schallleitungsschwerhörigkeit links mit rezidivierenden Ohrentzündungen und
perforiertem Trommelfell geführt.
22
Der Kläger ist aufgrund seiner unfallbedingten Hirnschädigung wie auch der Folgen
seiner Augenverletzungen in sehr starkem Maße auf Dauer beeinträchtigt. Dies ist auch
durch die vom Senat eingeholten fachärztlichen Sachverständigengutachten bestätigt
worden.
23
Zwar hat sich der Zustand des Klägers aus neurochirurgischer Sicht inzwischen so weit
gebessert, dass sich seine motorischen Fähigkeiten nahezu normalisiert haben. Jedoch
bestätigt das neurochirurgische Gutachten Prof. Dr. X1/
24
Dr. Q von April 2003 ein anhaltendes hirnorganisches Psychosyndrom mit
frontalbetonten posstraumatischen Substanzdefekten und deutlicher Erweiterung der
Liquorräume, Strabismus sowie Seh- und Hörverminderung (Gutachten 18). Eine
künftige Verbesserung ist nach diesem Gutachten nicht zu erwarten; dagegen muss
eine Verschlechterung - im Zusammenhang mit der gleichfalls unfallbedingten Epilepsie
und im Hinblick auf eine "nicht ganz unerhebliche Komplikationsrate" einer weiteren
Infektion bzw. Dysfunktion des implantierten ventrikulo-pertonealen Shunts
(Hirnwasserableitung) - in Betracht gezogen werden (Gutachten S. 20).
25
Nach dem psychiatrischen Gutachten Prof. Dr. B / Dr. X vom 12.09.2002 ist bei dem
Kläger derzeit von einem organischen Psychosyndrom mit Wesenveränderung bei
Zustand nach SHT III, posttraumatischem Hydrozephalus internus mit Shunt-Anlage
sowie posttraumatischer Epilepsie auszugehen (Gutachten S. 21). Es bestehen
erhebliche Einschränkungen der kognitiven mnestischen Fähigkeiten, eine dauerhafte
Wesensveränderung, bei der Enthemmung, ein desorganisiertes, impulsives Verhalten
sowie erhebliche Störungen der Motivation und des Antriebes im Vordergrund stehen
(Gutachten S. 21).
26
Das augenärztliche Gutachten Prof. Dr. U vom 30.09.2002 ist zu dem Ergebnis gelangt,
dass bei dem Kläger unfallbedingt an dem rechten Auge eine Atrophie des Sehnervs
und eine Herabsetzung der Sehschärfe um 19/20 besteht und an dem linken Auge eine
noch ausgeprägtere Atrophie des Sehnervs, eine auf bloße Lichtscheinprojektion
herabgesetzte Sehleistung (funktionelle Erblindung) paralytische Innenschielstellung
und Exopthalmus (Hervortreten des Auges) mit Benetzungsstörungen der
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Hornhautoberfläche vorhanden sind. Auch nach diesem Gutachten ist eine
Verbesserung des Zustandes nicht zu erwarten, sondern mit einer Verschlechterung
insbesondere der Sehschärfe des rechten Auges mit Verschlechterung bei
intercerebralen Komplikationen zu rechnen (Gutachten S. 9/10).
In Anbetracht dieses als Dauerschaden zu bewertenden massiven Verletzungsbildes
sind die für eine Schmerzensgeldrente geforderten besonders schweren
Verletzungsfolgen zweifelsfrei gegeben. Diese Gesundheitsstörungen sind auch von
solcher Art, dass sie dem Kläger immer wieder schmerzlich bewusst werden. Soweit die
Beklagten einwenden, das Schmerzensgeld komme wegen der Überleitungsanordnung
der Stadt F nicht dem Kläger persönlich zugute und verfehle damit seinen besonderen
individuellen Ausgleichszweck, ist dem entgegenzuhalten, dass die endgültige
rechtliche Zuordnung des Schmerzensgeldes noch nicht feststeht und die ernsthafte
Möglichkeit sich ständig wiederholender persönlicher immaterieller
Ausgleichsleistungen für die Festsetzung dieser Leistungsform ausreichen.
28
3.
29
Nach der Beurteilung des Senats ist auch die Höhe der von dem Kläger geforderten
monatlichen Schmerzensgeldrente von 200,00 Euro - neben dem vom Landgericht
zuerkannten Kapitalbetrag von 76.696,78 Euro (150.000,00 DM) - nicht zu beanstanden.
30
a)
31
In der Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, dass bei einer Gesamtentschädigung
aus Schmerzensgeldkapital und -rente der monatliche Rentenbetrag so bemessen sein
muss, dass er - kapitalisiert - zusammen mit dem zuerkannten Kapitalbetrag einen
Gesamtbetrag ergibt, der in seiner Größenordnung einem ausschließlich in Kapitalform
zuerkannten Betrag zumindest annähernd entspricht (BGH VersR 1976, 967; OLG
Hamm VersR 1990, 865; OLG
32
München VersR 1992, 508; OLG Düsseldorf VersR 1997, 65, jeweils m.w.N.).
33
Die Kapitalisierung der Rente lässt sich in dem vorliegenden Fall aus deren
Jahresbetrag (200,00 Euro x 12 = ) von 2.400,00 Euro sowie einen durch
Abzinsungssatz und statistische Lebenserwartung des Klägers gebildeten
Kapitalisierungsfaktor errechnen. Dies ergäbe bei einem Abzinsungssatz von 5 % und
einem Alter des am 18.12.1972 geborenen Klägers von 23 Jahren und nahezu 9 Monate
am Unfalltag, dem 12.09.1996, einen Kapitalisierungsfaktor von 18,21 (Geigel /
Schlegelmilch, Haftpflichtprozess, 23. Auflage, 2001, S. 1561, Anhang I) und im
Ergebnis einen kapitalisierten Betrag von 43.704,00 Euro. Hieraus und aus dem vom
Landgericht zuerkannten Kapitalbetrag errechnet sich ein Gesamtbetrag von 120.400,78
Euro (235.481,93 DM).
34
b)
35
Ein Schmerzensgeldbetrag dieser Größenordnung trägt den nach § 847 BGB zu
beachtenden Bemessungsgrundsätzen hinreichend Rechnung und bewegt sich im
Rahmen der in der deutschen Rechtsprechung für vergleichbare Verletzungsbilder
zuerkannten Schmerzensgelder.
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Eine absolut ("an sich") angemessene Entschädigung für nichtvermögensrechtliche
Nachteile gibt es nicht, da diese in Geld nicht unmittelbar meßbar sind (BGH GSZ 18,
149 <156, 164>). Der Maßstab für die billige Entschädigung im Sinne von § 847 BGB
muß deshalb unter Berücksichtigung ihrer Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion für
jeden einzelnen Fall durch Würdigung und Wägung aller ihn prägenden Umstände neu
gewonnen werden (BGH VersR 1976, 967). Dabei hängt die Höhe des zuzubilligenden
Schmerzensgeldes entscheidend von dem Maß der durch das haftungsbegründende
Ereignis verursachten körperlichen und seelischen Lebensbeeinträchtigung des
Geschädigten ab, soweit diese bei Schluss der mündlichen Verhandlung bereits
eingetreten war oder zu diesem Zeitpunkt mit ihr als künftiger Verletzungsfolge ernstlich
gerechnet werden mußte (BGH VersR 1976, 440; 1980, 975; 1988, 299). Die Schwere
dieser Belastungen wird vor allem durch die Stärke, Heftigkeit und Dauer der erlittenen
Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen bestimmt. Besonderes Gewicht kommt
Dauerfolgen der Verletzungen zu.
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Bei Anlegen dieses Maßstabes ist der in dem vorliegenden Fall errechnete Gesamt-
Schmerzensgeldbetrag in Anbetracht der schweren Verletzungen und als
Dauerschäden fortbestehenden massiven Gesundheitsstörungen des Klägers
insgesamt angemessen. Dabei kann das zuerkannte Schmerzensgeld niemals einen
vollständig gleichwertigen Ausgleich für erlittene Gesundheitsschäden darstellen,
sondern ist nur geeignet, dem Geschädigten gewisse Annehmlichkeiten zur
Erleichterung seiner Lebensbeeinträchtigungen zu ermöglichen. Der vorgenannte
Gesamtbetrag hält sich auch im Rahmen der sonstigen Schmerzensgeldjudikatur, die
wegen des Gleichheitsgebotes zu beachten ist, jedoch schon wegen der häufig nur
begrenzt vergleichbaren Verletzungsbilder nicht einfach schematisch übernommen
werden darf.
38
bb)
39
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes braucht der Kläger sich auch nicht
anspruchsmindernd anrechnen zu lassen, dass er bei der zu dem Unfall führenden
Fahrt keinen Sicherheitsgurt angelegt hatte. Die Beklagten haben nämlich nicht den
ihnen obliegenden Beweis erbracht, dass dieses "Verschulden gegen sich selbst"
unfallursächlich geworden ist. Die Sachverständigen Prof. T und Prof. Dr. med. E sind in
dem von ihnen erstatteten interdisziplinären (technisch-medizinischen) Gutachten mit
überzeugender Argumentation zu dem Ergebnis gelangt, dass auch ein
ordnungsgemäß angelegter Dreipunkt-Sicherheitsgurt des VW Golf unter den
besonderen Bedingungen des Unfalles vom 12.09.1996 den Kläger nicht vor einem
massiven Kopfanstoß hätte bewahren können und zu demselben Verletzungsbild
geführt hätte. Soweit in dem neurochirurgischen Sachverständigengutachten Prof. Dr.
X1/Dr. Q eine gegensätzliche Ansicht vertreten wird, folgt der Senat in medizinischer
Hinsicht der Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. E, da dieser als
Rechtsmediziner für Fragen der Entstehung von Verletzungen besonders kompetent ist
und insoweit über eine überlegene Sachkunde verfügt.
40
III.
41
Für die behaupteten Fahrt- und Telefonkosten kann der Kläger keinen Schadenersatz
verlangen.
42
Der Kläger ist zwar auch für die Geltendmachung dieses Anspruchs aktiv legitimiert.
43
Obwohl er wegen dieses Anspruchs gegen den Überleitungsbescheid der Stadt Z2 vom
10.10.1997 keinen Widerspruch eingelegt hat und der Bescheid insoweit
bestandskräftig geworden ist, hat er auch hier wegen des Nachranges der nach dem
AsylbLG erbrachten Leistungen die Ermächtigung behalten, begründete
Schadenersatzbeträge gerichtlich einzufordern.
Soweit dem Besucher wie im vorliegenden Fall dem Bruder des Klägers als gerichtlich
bestelltem Betreuer wegen der Fahrtkosten ein Aufwendungsersatzanspruch gegen
eine dritte Person zusteht (§§ 1908 i, 1835 BGB), berührt dies den Anspruch des
Verletzten grundsätzlich nicht. Diese Vorschriften bezwecken nämlich keine Entlastung
des Schädigers.
44
Der Kläger hat die von ihm behaupteten Fahrten jedoch nicht hinreichend substantiiert
dargelegt. Hierzu reicht die bloße Auflistung von Daten und Angabe von Entfernungen
nicht aus. Vielmehr hätten zur Konkretisierung seines Vorbringens etwa Tankbelege
vorgelegt oder sonstige auf die einzelnen Fahrten bezogene spezifische Angaben
gemacht werden müssen, um eine sachgemäße Zeugenbefragung zu ermöglichen.
Soweit der Kläger zum Beweis für die von ihm behaupteten Fahrten die Zeugen Dr. B
und Dr.H benannt hat, fehlt es an der Darlegung, welche konkreten Fahrten diese
Zeugen wahrgenommen haben sollen. Wegen dieser Darlegungsmängel kam eine
Beweisaufnahme wegen der Fahrtkosten nicht in Betracht. Die Berufung ist daher
insoweit unbegründet. Dasselbe gilt für die behaupteten Telefonkosten.
45
IV.
46
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Voraussetzungen für
eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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