Urteil des OLG Hamm vom 27.05.2008
OLG Hamm: firma, einspruch, gesellschaft, wirtschaftliche tätigkeit, juristische person, zweigniederlassung, hauptniederlassung, geschäftsverkehr, england, betriebsstätte
Oberlandesgericht Hamm, 15 Wx 138/08
Datum:
27.05.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 Wx 138/08
Vorinstanz:
Landgericht Arnsberg, 8 T 4/08
Tenor:
Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts vom
23.10.2007 werden aufgehoben.
Die Androhungsverfügung des Amtsgerichts vom 15.08.2007 wird
ebenfalls aufgehoben.
Der Geschäftswert des Verfahrens der sofortigen ersten und weiteren
Beschwerde wird auf 76,69 € festgesetzt.
G r ü n d e :
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I.
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Die von dem Beteiligten als Director vertretene C Limited ist seit dem 25.05.2006 unter
dem genannten Namen in das "Registrar of companies for England and Wales" unter
der Company No. ####3 eingetragen.
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Das Amtsgericht Arnsberg wies mit Beschluss vom 07.05.2007 – 22 AR 439/06 - den
auf Eintragung einer Zweigniederlassung mit Sitz in B gerichteten Antrag der
Gesellschaft zurück.
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In der Folgezeit nutzte der Beteiligte als Vertreter der Gesellschaft im Geschäftsverkehr
einen Briefkopf der Gesellschaft, der folgende Bezeichnung enthält:
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"C Ltd. T-straße ## ####6 B"
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Das Amtsgericht - Rechtspfleger - hat am 15.08.2007 gegen den Beteiligten folgende
Androhungsverfügung (offenbar unter Verwendung eines älteren Formularmusters)
erlassen, in der es heißt:
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"Gemäß § 37 Abs. 1 HGB, § 140 Nr. 1 HGB, § 132 Abs. 1 FGG wird Ihnen unter
Androhung eines Ordnungsgeldes von 150,-- DM aufgegeben, sich des Gebrauchs der
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unzulässigen Firma (gemeint ist C Ltd.) zu enthalten oder innerhalb einer mit Zustellung
beginnenden Frist von 2 Wochen den Gebrauch der Firma mittels Einspruch gegen
diese Verfügung zu rechtfertigen. Der Einspruch kann schriftlich oder zu Protokoll der
Geschäftsstelle erhoben werden."
Gegen diese am 21.08.2007 zugestellte Verfügung hat der Beteiligte vertreten durch
den Verfahrensbevollmächtigten am 29.08.2007 Einspruch eingelegt. Mit Beschluss
vom 23.10.2007 hat das Amtsgericht - Rechtspfleger - den Einspruch als unbegründet
zurückgewiesen, ohne zuvor mündlich verhandelt zu haben. Gegen diese Entscheidung
hat der Beteiligte sich mit der rechtzeitig erhobenen sofortigen Beschwerde gewandt.
Das Landgericht – Kammer für Handelssachen - hat mit Vorsitzendenbeschluss vom
03.03.2008 – ohne mündliche Verhandlung - die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
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Gegen diese am 26.03.2008 zugestellte Entscheidung richtet sich die am selben Tag
eingelegte sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten, eingelegt durch Schriftsatz
des Verfahrensbevollmächtigten.
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II.
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Die sofortige weitere Beschwerde ist nach §§ 27, 29, 139 Abs. 1, 140 Nr. 1 FGG statthaft
sowie wie form – und fristgerecht eingelegt worden. Die Beschwerdebefugnis des
Beteiligten ergibt sich schon daraus, dass seine Erstbeschwerde zurückgewiesen
worden ist.
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In der Sache ist das Rechtsmittel begründet, weil die Entscheidung auf einer Verletzung
des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG). Die weitere Beschwerde führt zur
Aufhebung der in den Vorinstanzen ergangenen Entscheidungen sowie der
Androhungsverfügung vom 15.08.2007.
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Die landgerichtliche Entscheidung ist bereits nicht verfahrensfehlerfrei zustande
gekommen.
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Nicht zu beanstanden ist indes entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde, dass das
Landgericht nicht die Gesellschaft, sondern den Beteiligten als Director beteiligt hat.
Das Ordnungsgeldverfahren kann sich nur gegen physische Personen richten, die
entweder die Gesellschaft gesetzlich vertreten oder sonst kraft Gesetzes zur Anmeldung
verpflichtet sind, also nie gegen die juristische Person als solche, sondern nur gegen
die handelnden Personen (Keidel – Winkler, a.a.O., § 132 Rdnr 15, § 140 Rdnr 15;
Jansen – Steder, FG, 3. Aufl., § 140 Rdnr 56; zu § 132 FGG schon: RGZ 56, 425, 430).
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Ein absoluter Beschwerdegrund ergibt sich aber daraus, dass das erkennende Gericht
nicht durch die Kammer in ihrer ordentlichen Besetzung mit zwei Handelsrichtern,
sondern durch den Vorsitzenden als Einzelrichter entschieden hat, §§ 27 Abs. 1 Satz 2
FGG, 547 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Nach § 30 Abs. 1 Satz 2 FGG erfolgen bei dem Landgericht
die Beschwerdeentscheidungen in Handelssachen, wozu das Verfahren über den
unbefugten Gebrauch einer Firma zählt, durch eine Kammer für Handelssachen an
Stelle der Zivilkammer, sofern – wie hier bei dem Landgericht Arnsberg – eine Kammer
für Handelssachen gebildet wurde. Die Besetzung der Kammer für Handelssachen
bestimmt sich nach § 105 Abs. 1 Satz 1 GVG. Danach ist die Kammer neben dem
Vorsitzenden mit zwei ehrenamtlichen Richtern besetzt. Eine Entscheidung alleine
durch den Vorsitzenden genügt diesen Voraussetzungen nicht. In Angelegenheiten des
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FGG gelten die Regelungen über den Einzelrichter - § 349 ZPO - nicht (Keidel/ Meyer-
Holz, a.a.O., § 30 Rdnr 9; BayObLG NJW – RR 1987, 1206; OLG Köln FGPrax 1996,
229; OLG Frankfurt NJW 1983, 2335).
Darüber hinaus erweist sich auch die Durchführung des Beschwerdeverfahrens nicht
frei von Rechtsfehlern. Wird rechtzeitig Einspruch erhoben, so hat das Gericht Termin zu
bestimmen, in dem die Angelegenheit mit dem Beteiligten zu erörtern ist, es sei denn,
der Einspruch ist ohne weiteres begründet, § 134 Abs. 1 FGG. Das Amtsgericht hat den
Einspruch verfahrensfehlerhaft ohne Durchführung eines Termins "zurückgewiesen".
Eine Verwerfung des Einspruchs (§ 135 Abs. 1 FGG) setzt die Anberaumung eines
Erörterungstermins zwingend voraus. Wird wie hier der Einspruch ohne
Terminsbestimmung und -durchführung verworfen, kann das Beschwerdegericht auf
sofortige Beschwerde hin entweder das Registergericht zur Terminsbestimmung
anweisen oder den Termin selbst nachholen (vgl. BayOblG FGPrax 1998, 233;
Bassenge/Roth, FGG, 11. Aufl., § 134 Rdnr 7; Keidel –Winkler, a.a.O., § 134 Rdn. 6;
Krafka/ Willer, Handbuch Registerrecht, 7. Aufl., Rdnr 2372; a.A. Jansen – Steder,
a.a.O., § 134 Rn. 7, wonach stets der Beschluss des Amtsgerichts aufzuheben und das
Verfahren zurückzuverweisen ist). Wird der Einspruch ohne Termin verworfen und
bestätigt dies das Landgericht, was hier geschehen ist, so sind die Entscheidungen auf
die Rechtsbeschwerde grundsätzlich auch ohne ausdrückliche Rüge und ohne
Sachprüfung aufzuheben, da es an einem ordnungsgemäßen Verfahren fehlt (BayOblG
a.a.O.; OLG Düsseldorf FGPrax 1998, 149; Senat Rpfleger 1985, 302, 303; Jansen –
Steder, a.a.O., § 134 Rdnr 8).
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Der Senat sieht hier gleichwohl ausnahmsweise von einer Zurückverweisung der Sache
ab, sondern entscheidet unter Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen sowie
der Androhungsverfügung abschließend in der Sache.
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Erweist sich nämlich der Einspruch ohne weiteres nach dem Sachverhalt, wie er sich
nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen unter Berücksichtigung des Vorbringens
im Einspruchsverfahren ohne die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen ergibt, als
begründet und erscheint es auch ausgeschlossen, dass eine weitere
Sachverhaltsaufklärung noch zur Feststellung des Bestehens der Verpflichtung führen
könnten, hebt das Registergericht die Androhungsverfügung auf, ohne dass es der
Durchführung eines Termins bedarf, § 135 Abs. 1 FGG (OLG Düsseldorf a.a.O.). Diese
Möglichkeit ist auch dem Rechtsbeschwerdegericht eröffnet (Vgl. Keidel/ Meyer – Holz,
§ 27 Rdnr 56, 58).
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In der Sache ist die Androhungsverfügung zu Unrecht erfolgt. Der Beteiligte ist nicht zur
Unterlassung des Gebrauchs der Firma "C Ltd." verpflichtet.
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Nach § 37 Abs. 1 HGB ist das Registergericht grundsätzlich verpflichtet, zur Wahrung
des öffentlichen Interesses an der Verhinderung unbefugter Firmenführung gegen
denjenigen, der eine ihm nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches nicht
zustehende Firma gebraucht, einzuschreiten. Es hat ihn zur Unterlassung des
Gebrauchs durch Ordnungsgeld anzuhalten. Für den Gebrauch einer Firma im Sinne
dieser Bestimmung genügt jede Handlung im Rahmen des Geschäftsverkehrs, aus der
sich der Wille ergibt, die Firma als Handelsnamen auf Dauer zu benutzen. Ein
firmenmäßiger Gebrauch der Unternehmensbezeichnung liegt u.a. regelmäßig dann vor,
wenn Geschäftsbriefbögen – wie hier - mit entsprechenden Aufdrucken verwendet
werden (vgl. BayObLG FGPrax 1998, 233; BayObLG DB 1992, 569; Baumbach/
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Hopt, HGB, 33. Aufl. § 37 Rdnr 3; Röhricht/ Graf von Westphalen – Ammon, 2. Aufl.,
HGB, § 37 Rdnr 5; Keidel – Winkler, a.a.O., § 140 Rdnr 7; FGG 12.Aufl. Rn.7; auch
schon RGZ 29, 57, 61 zu § 132 FGG).
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Unbefugt ist der Gebrauch jedoch nur dann, wenn das Firmenrecht den Gebrauch nicht
gestattet.
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Das ist hier nicht der Fall. Die von dem Beteiligten vertretene Gesellschaft ist mit dem
genutzten Namen "C Ltd." in dem "Registrar of Companies for England and Wales in
Cardiff" mit Sitz in C1 eingetragen. Die in Art 43 und 48 EG – Vertrag auch für
Gesellschaften verankerte Niederlassungsfreiheit garantiert einer Gesellschaft innerhalb
der EU auch außerhalb des Staates, in dem sich ihr satzungsmäßiger Sitz befindet,
wirtschaftlich tätig zu werden. Das gilt auch dann, wenn die wirtschaftliche Tätigkeit
ausschließlich in anderen Staaten als demjenigen, in dem sich der Sitz der Gesellschaft
befindet, ausgeübt wird (Vgl. EuGH NJW 2002, 3612- Überseering BV/ Nordic
Construction Company Baumanagement GmbH; BGHZ 154, 185, 188). Daraus folgt,
dass sie auch ihren im Land der Hauptniederlassung anerkannten Namen in den
anderen Ländern im Geschäftsverkehr nutzen kann, auch wenn dieser nicht mit den
firmenrechtlichen Vorschriften des anderen Staates in Einklang steht. Insoweit kann der
Beteiligte auch grundsätzlich den registrierten Namen, C Ltd., im Geschäftsverkehr
verwenden.
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Allenfalls unter dem Gesichtspunkt einer unbefugten gesonderten Firmierung einer nicht
bestehenden Zweigniederlassung kann in diesem Fall ein registergerichtliches
Einschreiten nach § 37 Abs. 1 HGB in Betracht kommen.
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Die rechtlich unselbständige Zweigniederlassung hat grundsätzlich keine eigene Firma.
Ihre Firma entspricht derjenigen der Hauptniederlassung. Das schließt nicht aus – im
Falle des § 30 Abs. 3 HGB sogar zwingend -, dass eine Zweigniederlassung eine
eigene Firma führt (Baumbach/ Hopt, a.a.O., § 13 Rdnr 7; Röhricht/ von Westphalen –
Ammon, a.a.O., § 13 Rdnr 17, 18). In diesem Zusammenhang kann die unbefugte
Verwendung einer Firma einer Zweigniederlassung Anlass für ein Einschreiten des
Registergerichts nach § 37 Abs. 1 HGB sein.
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Vorliegend ist aber nicht erkennbar, inwieweit der Beteiligte für die Betriebsstätte in B
unbefugt eine andere Firma verwendet, die nicht mit dem im englischen Register
eingetragenen Namen der Hauptniederlassung identisch ist. So ist die
Stadtbezeichnung B auch Teil des Namens der Hauptniederlassung. Die Anschrift der
Betriebsstätte ist gerade nicht Teil der verwandten Firma. Die Angabe verstößt nicht
gegen firmenrechtliche Vorschriften. Da dort ein Geschäftsbetrieb – wenn auch nicht als
Zweigniederlassung – betrieben wird, ist die Ortsbezeichnung nicht irreführend (§ 18
Abs. 2 HGB). Soweit der Beteiligte es dadurch unterlässt, den Sitz der Gesellschaft zu
offenbaren, unter dem die Gesellschaft verklagt werden kann, ist dies nicht Gegenstand
eines Verfahrens wegen unbefugtem Gebrauch einer Firma.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
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Den Geschäftswert hat der Senat gem. § 119 Abs. 2 KostO entsprechend dem
angedrohten Ordnungsgeld auf den in Euro umgerechneten Betrag von 76,69 €
festgesetzt und gem. § 31 Abs. 1 Satz 2 KostO gleichzeitig die landgerichtliche
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Wertfestsetzung für das Erstbeschwerdeverfahren abgeändert. Für das
Einspruchsverfahren vor dem AG ist bislang eine Wertfestsetzung noch nicht erfolgt.