Urteil des OLG Hamm vom 18.06.2007

OLG Hamm: fahrzeug, geschwindigkeitsüberschreitung, höchstgeschwindigkeit, fahrverbot, messung, rüge, tachometer, aufklärungspflicht, verwechslung, beifahrer

Oberlandesgericht Hamm, 1 Ss OWi 265/07
Datum:
18.06.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
1. Senat für Bußgeldsachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 Ss OWi 265/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Dortmund, 95 OWi 213 Js 2084/05 – 14623/05
Tenor:
Der Tenor des angefochtenen Urteils wird dahingehend ergänzt, dass
das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach
Rechtskraft in amtliche Verwahrung gegeben wird, spätestens aber nach
Ablauf von vier Monaten.
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.
G r ü n d e :
1
I.
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Das Amtsgericht hat gegen den Betroffene wegen fahrlässigen Überschreitens der
zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 53 km/h außerorts eine Geldbuße von
187,50 Euro sowie ein 1-monatiges Fahrverbot festgesetzt.
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Es hat insoweit folgende Feststellungen getroffen:
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"Am 4. September 2005 befuhr der Betroffene gegen 0.48 Uhr in E die A 40 in
Fahrtrichtung F mit dem PKW Audi mit dem amtlichen Kennzeichen ####2. In
Höhe km 20,8 - 19,6 überschritt er die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von
100 km/h um zurechenbare 53 km/h.
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Der Betroffene hat diesen Vorwurf bestritten und meint, dass die festgestellte
Geschwindigkeitsüberschreitung vermutlich einem anderen Fahrzeug zuzuordnen
sei. Er selbst sei nämlich der Verkehrssituation angepasst und nicht zu schnell
gefahren.
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Diese Einlassung wurde durch die glaubhaften uneidlichen Angaben der Zeugen
PK N und PK E2 widerlegt: Der Zeuge PK E2 als Beifahrer im Polizeiwagen, mit
dem durch Nachfahren die Geschwindigkeit des PKW‘s des Betroffenen festgestellt
wurde, hat angegeben, dass er eine Verwechslung des gemessenen und des
sodann auf dem kurz dahinter befindlichen Tankstellengelände auch angehaltenen
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Fahrzeugs ausschließen könne. Der Wagen des Betroffenen, ein silberner Audi A
4 sei bereits vorher durch seine Fahrweise aufgefallen und mit dem Zeugen PK N
habe man sodann eine Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren deshalb
durchgeführt: Bei Einhaltung eines annähernd gleich bleibenden Abstandes zum
vorausfahrenden Fahrzeug von 100 m und einer Messstrecke von 1200 m habe
sich eine Geschwindigkeit von 180 km/h ergeben. Bei Abzug einer Toleranz von 15
% der abgelesenen Geschwindigkeit - mithin 27 km/h - ergibt sich somit die
zurechenbare Geschwindigkeit von 153 km/h und damit die oben beschriebene
zurechenbare Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Eine
Verwechslung konnte der Zeuge E2 - ebenso wie auch sein Kollege -
ausschließen, da die Schlussleuchten und die Kennzeichenbeleuchtung am
Fahrzeug des Betroffenen funktionsfähig und eingeschaltet waren und bei
Dunkelheit Sicht zum gemessenen Fahrzeug bestand. Bereits im Beiblatt des
Messprotokolls war ent-sprechend festgehalten, dass die Umrisse des
gemessenen Fahrzeugs klar zuerkennen gewesen seien. Als Bezugspunkte für
eine ausreichend zuverlässige Schätzung des Abstandes zum gemessenen
Fahrzeug wurden die Leitpfosten gewählt. Durchgeführt wurde die Messung mit
einem justierten Tachometer- gültig bis 30.05.2006 -."
Im weiteren hat das Amtsgericht mit näherer Begründung ausgeführt, dass die Aussage
des Zeugen T2, der sich als Beifahrer im Fahrzeug des Betroffenen befand, diese
Feststellungen der messenden Beamten nicht zu erschüttern vermochte.
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Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er u.a.
geltend macht, das Amtsgericht habe die von der Rechtsprechung aufgestellten
Grundsätze für eine Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren zur Nachtzeit
missachtet. Darüber hinaus rügt er die Verletzung der Aufklärungspflicht gem. §§ 244
Abs. 2 StPO, 46 Abs. 1 OWiG.
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Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und
die Sache an das Amtsgericht Dortmund zurückzuverweisen.
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II.
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Das Rechtsmittel ist zulässig, vermag in der Sache aber keinen Erfolg zu haben.
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1.
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Die formelle Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht gem. §§ 244 Abs. 2, 46 Abs. 1
OWiG ist bereits unzulässig, da sie den formellen Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO
nicht entspricht. Es ist nicht hinreichend dargelegt, aus welchen Gründen sich das
Gericht zur weiteren Sachaufklärung gedrängt sehen musste. Aus den Urteilsgründen
ergibt sich, dass die vernommenen Polizeibeamten zu der Frage der Identität des
kontrollierten Fahrers des PKW’s mit dem Betroffenen Angaben gemacht haben. Auch
aus der Aussage des Zeugen T ergaben sich keine Anhaltspunkte, an der Identität zu
zweifeln. Unter diesem Umständen wäre es Sache des Beschwerdeführer gewesen,
das Gericht auf die Notwendigkeit weiterer Fragen aufmerksam zu machen. Darüber
hinaus fehlt es an der bestimmten Behauptung, die unterlassene Sachaufklärung hätte
ein für den Betroffenen günstiges Ergebnis gehabt, mit anderen Worten, sie hätte
vorliegend ergeben, dass der Betroffene nicht der Fahrer des kontrollierten Fahrzeuges
gewesen ist.
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2.
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Auch die Rüge der Verletzung materiellen Rechts vermag der Rechtsbeschwerde nicht
zum Erfolg zu verhelfen.
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Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen einer fahrlässigen
Geschwindigkeitsüberschreitung um 53 km/h hinsichtlich des Schuldspruchs sowie des
Rechtsfolgenausspruchs.
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Die Geschwindigkeitsmessung durch Tachometervergleich aus einem nachfahrenden
Polizeifahrzeug ist grundsätzlich als eine hinreichend zuverlässige Methode der
Geschwindigkeitsmessung anerkannt. Das Amtsgericht hat auch die Grundsätze, die im
Falle einer Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren zur Nachtzeit gelten, noch
hinreichend beachtet (vgl. dazu im einzelnen Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl.,
§ 3 StVO Rdn. 62 m.w.N.). Bei den in der Regel schlechten Sichtverhältnissen zur
Nachtzeit bedarf es zwar grundsätzlich näherer Angaben dazu, wie die
Beleuchtungsverhältnisse waren, ob der Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug
durch Scheinwerfer des nachfahrenden Fahrzeugs oder durch andere Lichtquellen
aufgehellt war und damit ausreichend sicher erfasst und geschätzt werden konnte und
ob für die Schätzung des gleichbleibenden Abstands zum vorausfahrenden Fahrzeug
ausreichende und trotz der Dunkelheit zu erkennende Orientierungspunkte vorhanden
waren. Auch sind Ausführungen dazu erforderlich, ob die Umrisse des vorausfahrenden
Fahrzeugs und nicht nur dessen Rücklichter erkennbar waren ( st. Rspr. aller
Strafsenate des Oberlandesgerichts ). Die tatsächlichen Bedingungen, nach denen bei
diesem Verfahren der Vorwurf einer schuldhaften Geschwindigkeitsüberschreitung noch
mit Sicherheit gerechtfertigt ist, sind nach den getroffenen Feststellungen des
Amtsgerichts noch gewahrt.
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Die mit ca. 1.200 m festgestellte Messstrecke ist ausreichend lang, der gleichbleibende
Abstand von 100 m des nachfolgenden Polizeifahrzeugs zum vorausfahrenden
Fahrzeug der Betroffenen ist, auch unter Berücksichtigung der nachts herrschenden
Dunkelheit, nicht zu beanstanden. Auch die Feststellungen zur Ermittlung des Abstands
anhand der am Fahrbahnrand in einem Abstand von 50 m aufgestellten Leitpfosten, die
durch die Ausleuchtung durch Abblendlicht entsprechend sichtbar waren, begegnen
keinen Bedenken. Es ist zwar davon auszugehen, dass das Scheinwerferlicht des
nachfahrenden Fahrzeuges das von dem Betroffenen gesteuerte in einer Entfernung
von 100 m vorausfahrende Fahrzeug nicht erreichte, sondern vielmehr ausschließlich
die Rückleuchten des Fahrzeuges erkennbar waren. Auch soweit das Urteil keine
ausdrücklichen Feststellungen zu den Beleuchtungsverhältnissen enthält, liegt kein
durchgreifender Fehler vor. Bei nur ca. 100 m Abstand und der Orientierung an den
Leitpfosten sowie den Rücklichtern des gemessenen Fahrzeugs ist auch auf einer
unbeleuchteten Straße eine zuverlässige Schätzung eines gleichbleibenden Abstands
durch geübte Polizeibeamte möglich (vgl. OLG Frankfurt, NStZRR 2002, 19; OLG Celle,
NZV 2004, 419; OLG Hamm, Beschluss vom 26. Juli 2006 - 4 Ss OWi 444/06 - ;
Hentschel a.a.O. m.w.N.). Denn für die Zuverlässigkeit der Geschwindigkeitsmessung
kommt es nicht auf die exakte Bezifferung des eingehaltenen Abstands an, sondern
darauf, dass der eingehaltene Abstand gleichbleibend war. Dies ist aber auch bei
eingeschränkten Sichtverhältnissen infolge von Dunkelheit allein durch optische
Einschätzung jedenfalls dann möglich, wenn der Abstand lediglich 100 m beträgt ( vgl.
OLG Frankfurt, a.a.O. ; OLG Celle, a.a.O.).
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Angesichts der Tatsache, dass bei einem geeichten Tachometer i.d.R. ein Abzug von 10
% vom gemessenen Wert ausreicht ( vgl. Hentschel, a.a.O. ), sind vorliegend durch den
Toleranzabzug von 15 % etwaige Ungenauigkeiten bei der Messung und Schätzung
hinreichend ausgeglichen.
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Die Rechtsbeschwerde war daher, da das Urteil auch darüber hinaus keinen
durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen aufweist, mit der
Kostenfolge aus §§ 473 Abs. 1 StPO, 46 Abs. 1 OWiG als unbegründet zu verwerfen.
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Die Ergänzung des Tenors folgt aus der am 01. März 1998 in Kraft getretenen Vorschrift
des § 25 Abs. 2 a StVG. Der Senat konnte auch in der Sache selbst entscheiden, da
dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen ist, dass gegen den
Betroffenen bislang ein Fahrverbot noch nicht festgesetzt worden ist.
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