Urteil des OLG Hamm vom 11.09.2008

OLG Hamm: arzneimittel, medizinprodukt, in den verkehr bringen, verwaltungsakt, schutz der gesundheit, unter ärztlicher kontrolle, energie, werbung, behandlung, auskunft

Oberlandesgericht Hamm, I-4 U 55/08
Datum:
11.09.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-4 U 55/08
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 25 O 25/02
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 29. Januar 2008 verkündete
Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster wird
mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass im Verbotstenor zu 1 a)
folgende Passage „und/oder die vorbezeichneten Handlungen durch
Dritte begehen zu lassen“ entfällt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der
Klägerinnen durch Sicherheitsleitung von 150.000,- € abzuwenden,
wenn nicht die Kläge-rinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser
Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
1
I.
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Die Klägerin zu 1) vertreibt in Deutschland das Arzneimittel Q2, das sie von der Klägerin
zu 2) bezieht. Die Beklagte zu 1), deren alleiniger Gesellschafter der Beklagte zu 2) ist,
stellt das Mittel Q her und vertreibt es unter bestimmten Bedingungen an
Krankenhäuser. Die Parteien streiten darüber, ob es sich bei Q um ein Arzneimittel oder
ein Medizinprodukt handelt.
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Q wird im Rahmen der photodynamischen Therapie (in der Folge: PDT) zur
Bekämpfung von bestimmten Tumoren eingesetzt. Dazu wird das Mittel intravenös in
den Körper des Patienten eingeführt, nachdem es zuvor in einer Salzlösung gelöst
worden ist. Durch die Ausbreitung im Körper gelangt die Substanz auch in das
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worden ist. Durch die Ausbreitung im Körper gelangt die Substanz auch in das
Tumorgewebe, wo es angereichert wird. Durch den Einsatz von Laserlicht wird das Q
angeregt. Bei der Rückkehr in den Grundzustand überträgt das Q Energie von dem
Laserlicht auf den in den Zellen gelösten Sauerstoff. Die Sauerstoffmoleküle werden
durch die Energieerhöhung verändert. Der dadurch gebildete Singulettsauerstoff führt
dann zu einer Schädigung jedenfalls auch der Mitochondrien in den Zellen. Diese
Veränderung führt schließlich zum Absterben der Zelle, ohne dass der genaue Ablauf
im Einzelnen geklärt ist. Q verändert sich während der Behandlung dagegen nicht und
wird vom Körper unverändert ausgeschieden oder abgebaut.
Mit derselben Therapie arbeitende Photosensitizer wie Q2, Q3 und Q4 sind in
Deutschland als Arzneimittel zur Behandlung von bestimmten Tumoren zugelassen.
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Mit Schreiben vom 31. Juli 2001 (Bl. 24) bot der Beklagte zu 2) für die Beklagte zu 1)
dem Apotheker V unter streitigen Umständen das Mittel unter Hinweis darauf, dass es
als Arzneimittel in Deutschland noch nicht zugelassen sei, für klinische und interne
Studien sowie für Therapieversuche an. Er wies dabei darauf hin, dass dem Verkauf des
Präparates für solche Zwecke arzneimittelrechtlich nichts im Wege stehe. Er erklärte
ferner in dem Schreiben, dass es für Apotheken die Möglichkeit gebe, das Präparat als
Chemikalie zu beziehen und nach sorgsamer Prüfung an die Kliniker weiterzugeben.
Am Ende des Schreibens führte der Beklagte zu 2) aus, das Präparat stehe in
ausreichender Menge zur Verfügung und könne nach entsprechender Anforderung am
nächsten Tag eintreffen. Mit Schreiben vom 01. August 2001 (Bl. 273) bat der Zeuge V
entsprechend dem Wunsch der Beklagten zu Identifizierungszwecken um Zusendung
von Unterlagen von Q "zur Behandlung des Oesophaguscarcinoms". Daraufhin wurden
solche Unterlagen an das Krankenhaus, und zwar an den vom Zeugen V benannten
Arzt übersandt.
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Mit Schreiben vom 20. Februar 2002 (Bl. 702) bestätigte das Landesamt für Gesundheit
und Arbeitssicherung Schleswig-Holstein (im folgenden: LAGA) dem Beklagten zu 2),
der auch insoweit für die Beklagte zu 1) handelte, auf dessen schriftliche Bitte vom
gleichen Tage (Bl. 766 f.), dass es sich bei Q nicht um ein Arzneimittel, sondern um ein
Medizinprodukt der Klasse 3 handele. Die Beklagten betrieben daraufhin die
Zertifizierung des Mittels als Medizinprodukt durch die W als Benannte Stelle im Sinne
der §§ 3 Nr. 20, 8, 9 MPG, um die Marktfähigkeit für Medizinprodukte zu erreichen. Die
W erteilte die erforderliche Bescheinigung am 5. Juli 2002 (Bl. 271). Das LAGA
bestätigte den Beklagten mit Schreiben vom 12. August 2002 den Eingang der Anzeige
gemäß §§ 25 und 31 MPG und teilte die für das Medizinprodukt vergebene
Registriernummer mit. Dagegen kam das Bundesinstitut für Arzneimittel und
Medizinprodukte (im folgenden: BfArM) in der klarstellenden Stellungnahme vom 28.
April 2003 (Bl. 373 ff.) zu dem Ergebnis, dass es sich bei Q um ein zulassungspflichtiges
Fertigarzneimittel handele. An der Einschätzung von Q als Medizinprodukt hielt das
LAGA aber nach einer internen Überprüfung mit Schreiben vom 12. November 2003 (Bl.
765) ausdrücklich fest, in dem es die Verkehrsfähigkeit des Präparats bestätigte.
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Die Kläger haben behauptet, bei Q handele es sich ebenso wie bei dem weitgehend
identischen Mittel Q2 sowie bei Q3 und Q4 zweifelsfrei um ein in der PDT eingesetztes
zulassungspflichtiges Arzneimittel. Selbst wenn aber noch Zweifel an der
Arzneimitteleigenschaft bestünden, wäre Q jedenfalls nach Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie
2001/83/EG in der Fassung der Richtlinie 2004/227/EG als Arzneimittel anzusehen.
Deshalb dürften es die Beklagten ohne eine Zulassung nach § 21 Abs. 1 AMG nicht in
den Verkehr bringen, wobei Inverkehrbringen die Vorratshaltung zum Verkauf oder zu
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sonstiger Abgabe, das Feilhalten, das Feilbieten oder die Abgabe an andere sei (§ 4
Abs. 17 AMG). Die Beklagten dürften den Vertrieb auch nicht so bewerben und keine
irreführenden Behauptungen aufstellen, wie es in dem Schreiben vom 31. Juli 2001 an
den Zeugen V geschehen sei. Es habe sich bei der Anfrage des von ihnen als
Testperson eingesetzten Apothekers auch ersichtlich nicht um einen Notfall gehandelt.
Die Beklagten hätten vielmehr in Kenntnis der Tatsache, dass Q noch nicht als
Arzneimittel zugelassen sei, die baldige Übersendung des bereit gehaltenen Präparats
ohne weitere Voraussetzungen angeboten. Auf die später erfolgte Einordnung als
Medizinprodukt durch das LAGA könnten sich die Beklagten ebenso wenig berufen wie
auf die später erfolgte Zertifizierung des Mittels als Medizinprodukt durch W. Außerdem
seien sie bei Abfassung des beanstandeten Schreibens selbst davon ausgegangen,
dass es sich um ein Arzneimittel handele, das noch zugelassen werden müsse.
Im Hinblick auf die beanstandeten Werbeaussagen für das nicht zugelassene
Arzneimittel im Schreiben vom 31. Juli 2001, die zudem irreführend seien, rügen die
Klägerinnen einen Verstoß gegen die §§ 3, 3 a HWG.
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Die Klägerinnen, deren Klage am 4. Februar 2002 zugestellt worden ist, haben
beantragt,
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1) den Beklagten unter Androhung der üblichen Ordnungsmittel zu untersagen, im
geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken
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a) nicht zugelassene Arzneimittel, insbesondere das Arzneimittel Q,
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hilfsweise nicht mit einer CE-Kennzeichnung versehene Medizinprodukte, insbesondere
das Medizinprodukt Q
, zu Zwecken interner Studien, zu Zwecken von
Therapieversuchen und/oder als Chemikalie zum Verkauf vorrätig zu halten,
anzubieten, feilzuhalten und/oder abzugeben und/oder die vorbezeichneten
Handlungen durch Dritte begehen zu lassen;
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und/oder
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b) in der Werbung für nicht zugelassene Arzneimittel,
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hilfsweise in der Werbung für Medizinprodukte,
zu behaupten und/oder behaupten zu lassen,
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aa) dem Vertrieb nicht zugelassener Arzneimittel für interne Studien und/oder
Therapieversuche stehe nichts im Wege und/oder arzneimittelrechtlich nichts im
Wege;
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und/oder
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bb) dem Vertrieb nicht zugelassener Arzneimittel als Chemikalie stehe nichts im
Wege und/oder arzneimittelrechtlich nichts im Wege;
19
und/oder
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cc) zum anderen gebe es für Apotheken die Möglichkeit, das Präparat Q als
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Chemikalie zu beziehen und an die Kliniker weiterzugeben;
insbesondere, wenn dies in der Form geschieht wie im nachstehenden Schreiben
vom 31. Juli 2001 (Bl.4);
22
2) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Klägerinnen sämtlichen aus
den unter vorstehender Ziffer 1 genannten Handlungen entstehenden Schaden zu
ersetzen;
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3) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Klägerinnen Auskunft über
Handlungen gemäß vorstehender Ziffer 1 zu erteilen, wobei die Auskunft nach
Kalendervierteljahren und Adressaten aufzuschlüsseln ist.
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Die Beklagten haben sich gegen die Klage verteidigt und in erster Linie geltend
gemacht, bei Q handele es sich um ein Medizinprodukt, wie sowohl das LAGA als auch
die W festgestellt hätten. Dafür sei entscheidend, dass Q nur als Lichtenergie-
Empfänger und Überträger der Energie auf Sauerstoff fungiere. Das sei eine rein
physikalische Wirkweise. Der angeregte Sauerstoff bewirke dann als wirksames Agens
pharmakologisch die Zerstörung der Zellen. Insoweit unterscheide sich Q auch in
erheblicher Weise von Q2. Die Beklagten haben ferner unter Beweisantritt die
Umstände näher dargelegt, unter denen es nach ihrer Behauptung zu dem Schreiben
und dem Angebot an den Zeugen V gekommen sei. Daraus ergebe sich, dass das
Schreiben durch einen nur vorgespiegelten Notfall ausgelöst worden sei, so dass es
sich nicht um Werbung für das Produkt im wettbewerbsrechtlichen Sinne gehandelt
habe.
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Das Landgericht hat das BfArM nach § 432 ZPO um Mitteilung des Schreibens vom 28.
April 2003 an das LAGA ersucht. In dem daraufhin übersandten Schreiben (Bl. 373) geht
das BfArM mit näherer Begründung davon aus, dass es sich bei Q um ein Arzneimittel
handelt. Das Gericht hat zudem Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen
Sachverständigengutachtens über die Frage, ob Q ein Arzneimittel oder ein
Medizinprodukt sei. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das
Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. y vom 28. Juni 2004 (Bl. 395 ff.) Bezug
genommen, in dem der Sachverständige zu dem Ergebnis kommt, dass Q
pharmakologische Wirkungen entfalte und somit als Arzneimittel einzustufen sei.
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Nach Durchführung dieser Beweisaufnahme hat das Landgericht durch Teilurteil vorab
über den nach seiner Auffassung entscheidungsreifen Unterlassungsantrag zu 1 a)
entschieden und diesen Klageantrag zugesprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt,
dass es sich bei Q nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme um ein Arzneimittel
handele und dass die Beklagten nach §§ 8, 4 Nr. 11 UWG den Klägerinnen gegenüber
verpflichtet seien, es zu unterlassen, dieses Arzneimittel entgegen § 21 AMG ohne
arzneimittelrechtliche Zulassung in Verkehr zu bringen.
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Die Beklagten haben das Teilurteil mit der Berufung angegriffen. Sie haben zunächst
geltend gemacht, sie hätten das streitige Mittel als Medizinprodukt hergestellt,
abgegeben und vertrieben, wobei die Einordnung als Medizinprodukt auf
entsprechenden Verwaltungsakten der zuständigen Arzneiüberwachungsstelle beruht
habe. Wegen dieser rechtsgestaltenden Erlaubnis, die auch nicht in einem dafür
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habe. Wegen dieser rechtsgestaltenden Erlaubnis, die auch nicht in einem dafür
vorgesehenen Verfahren aufgehoben worden sei, liege weder nach altem noch nach
neuem Recht ein wettbewerbsrechtlicher Verstoß vor. In der Sache haben die Beklagten
weiter geltend gemacht, Q sei auch kein Arzneimittel, sondern ein Medizinprodukt. Sie
haben dazu nähere Ausführungen gemacht und das eingeholte
Sachverständigengutachten kritisiert. Das Landgericht, so die Beklagten, hätte bei der
Einordnung des Mittels als Arzneimittel oder Medizinprodukt die Bindungswirkung der
entsprechenden Verwaltungsakte des zuständigen LAGA berücksichtigen müssen.
Demgegenüber habe es sich bei dem Schreiben des BfArM nur um ein internes
Behördenschreiben ohne Außenwirkung gehandelt, das weder gegenüber dem LAGA
noch gegenüber ihnen, den Beklagten, Bindungswirkung erlangt habe. Das werde
daraus ersichtlich, dass das BfArM das Schreiben in seinem Schreiben an das
Landgericht selbst als Stellungnahme bezeichnet habe. Diese habe gerade nicht auf §
21 Abs. 4 AMG beruht, sondern auf § 13 Abs. 3 MPG. Zudem sei in der Sache die
bestimmungsgemäße Hauptwirkung von Q beim Einsatz der PDT die Übertragung des
Behandlungslichtes auf den im Gewebe gelösten Sauerstoff. Das sei eine physikalische
und keine pharmakologische Wirkung. Darüber hinaus haben die Beklagten auch die
Auffassung vertreten, dass die Art und Weise, wie es zu dem Testkaufversuch
gekommen sei, unlauter gewesen sei. Sie haben dazu unter Beweisantritt erneut
vorgetragen, dass der Zeuge V die Existenz eines Patienten mit einem
lebensbedrohlichen und auf andere Weise nicht zu behandelnden
Speiseröhrenkarzinom im Krankenhaus in X vorgespiegelt und zur Behandlung dieses
angeblichen Notfalls das Mittel Q erbeten habe. Wegen dieses unlauteren Verhaltens
dürften sich die Klägerinnen auch nicht auf das dadurch provozierte Schreiben des
Beklagten zu 2) vom 31. Juli 2001 berufen. Die Bezeichnung von Q als Arzneimittel in
diesem Schreiben sei zu diesem Zeitpunkt korrekt gewesen, weil es die Kategorie der
Medizinprodukte, die gerade für Präparate im Grenzbereich zwischen Arzneimitteln und
technischen Geräten geschaffen worden sei, damals noch nicht gegeben habe. Zuletzt
haben die Beklagten darauf hingewiesen, dass das Verbot selbst dann, wenn Q
Arzneimittel sei und die Tatbestandswirkung der begünstigenden Verwaltungsakte nicht
greife, in jedem Fall zu weit ginge. Die Herstellung und der Vertrieb des Mittels müssten
sowohl im Bereich des individuellen Heil- und Therapieversuchs in Form des
"compassionate-use" als auch zum Zwecke von klinischen Studien weiter zulässig
bleiben. Sonst könnte es nie zu den erforderlichen Prüfungen und einer
arzneimittelrechtlichen Zulassung kommen.
Die Klägerinnen haben das angefochtene Teilurteil und die Einordnung des Mittels Q
als Arzneimittel verteidigt. Zunächst haben sie gemeint, dass das zuständige BfArM
inzwischen auf der Grundlage von § 21 Abs. 4 AMG für alle Beteiligten verbindlich
festgestellt habe, dass es sich bei Q um ein Arzneimittel handele. Dabei hätte es sich
um einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt gehandelt, der die Landesbehörde
gebunden habe. Dieser Verwaltungsakt hätte auch die Beklagten belastet, die gegen
diese Entscheidung im Wege des Widerspruchs hätten vorgehen können. Da das nicht
geschehen sei und dem Verwaltungsakt somit Tatbestandswirkung zukomme, sei auch
der Senat an die Entscheidung des BfArM gebunden. Die Klägerinnen haben weiter
ausgeführt, dass dem Mittel nicht allein pharmakologische Wirkungen, sondern auch
immunologische und metabolische Wirkungen zukämen. Schließlich sei die
Arzneimitteleigenschaft auch mit Qualitäts- und Sicherheitsaspekten im Sinne der
europäischen Leitlinie zur Einstufung und Abgrenzung von Arzneimitteln und
Medizinprodukten MEDDEV 2.1/3 sowie den Arzneimittelzulassungen vergleichbarer
Präparate zu begründen. Medizinprodukte gebe es schon seit langen Jahren und die
besonderen Voraussetzungen des "compassionate-use" könnten allenfalls den Einsatz
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außerhalb ihres zugelassenen Bereichs durch Ärzte, nicht aber durch die Hersteller
solcher Produkte rechtfertigen.
Der Senat hat durch Urteil vom 10. Mai 2005 (4 U 178/04) das Teilurteil aufgehoben und
die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Wegen
der Einzelheiten wird auf die beglaubigte Abschrift des Urteils in den Akten (Bl. 637 ff.)
verwiesen.
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Das Landgericht hat nach der Zurückverweisung Beweis erhoben durch Vernehmung
des Zeugen V auf Antrag der Beklagten. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme
wird auf das Protokoll der Sitzung vom 17. Oktober 2006 (Bl. 752 ff.) Bezug genommen.
Es hat ferner Beweis erhoben durch Einholung eines ergänzenden Gutachtens des
Sachverständigen Prof. Dr. y zu der Frage, ob auch unter Berücksichtigung der im
Schriftsatz der Beklagten vom 23. März 2005 S. 24 – 29 (Bl. 534 ff.) vorgetragenen
Tatsachen von einer pharmakologischen Wirkung von Q auszugehen sei. Das
Gutachten ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Wirkweise von Q aus
verschiedenen Gründen pharmakologisch sei. Wegen des Ergebnisses im Übrigen wird
auf das Gutachten vom 2. Juli 2007 (Bl. 842 ff.) Bezug genommen.
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Nach Durchführung der Beweisaufnahme hat das Landgericht die Beklagten
antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, zum Zeitpunkt der gerügten
Verletzungshandlung habe ein Unterlassungsanspruch im Hinblick auf Ziffer 1 a) der
Klage aus § 1 UWG a.F. unter dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch
bestanden. Das Verhalten der Beklagten sei auch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen
Verhandlung noch als wettbewerbswidrig nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG anzusehen. Die
Beklagten hätten das Arzneimittel Q in Verkehr gebracht, obwohl es nicht zugelassen
gewesen sei. Q sei ein Arzneimittel, weil nach den überzeugenden Ausführungen des
Sachverständigen davon auszugehen sei, dass das Mittel eine pharmakologische
Wirkweise entfalte. Insbesondere nach dem Ergänzungsgutachten vom 2. Juli 2007
stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass bei der Verwendung von Q einerseits
eine direkte Reaktion mit einem Substrat (Zellmembran) oder anderen Molekülen im
Organismus des Menschen erfolge. Ferner erfolge auch eine Reaktion mit dem
Gewebesauerstoff, dieser werde durch eine physikalische Energieübertragung in einen
sogenannten Singulettsauerstoff umgewandelt. Die vom Sachverständigen
festgestellten tatsächlichen Effekte, die im Körper durch die Verwendung von Q
beeinflusst würden, würden gerade auch dazu eingesetzt, um eine Wiederherstellung
und Besserung der menschlichen physiologischen Funktionen zu erreichen. Der
Einschätzung des Mittels als Arzneimittel stünden auch nicht die Schreiben des LAGA
vom 20. Februar 2002, 12. August 2002 und 12. November 2003 entgegen. Allen drei
Schreiben komme keine Tatbestandswirkung im Sinne eines Verwaltungsaktes zu. Ein
Medizinprodukt müsse nicht zugelassen, sondern lediglich angezeigt werden. Die
Schreiben und Stellungnahmen des LAGA hätten von daher nicht die Qualität eines
begünstigenden Verwaltungsaktes, wie das bei einer Zulassung der Fall sei. Auch die
CE-Kennzeichnung von Q als Medizinprodukt stelle sich nicht als zulassender
Verwaltungsakt der benannten Stelle dar. Es fehle schon an einem
Subordinationsverhältnis zwischen der benannten Stelle und dem Hersteller des
zertifizierten Produktes. Bei der Erteilung der CE-Prüfbescheinigung handele es sich um
eine privatrechtliche Tätigkeit der W als Prüfstelle auf Grundlage öffentlich rechtlicher
Ermächtigung.
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Nach Vernehmung des Zeugen V hat das Landgericht auch einen
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Unterlassungsanspruch gemäß Ziffer 1 b) der Klage bejaht. Es hat zur Begründung
ausgeführt, dass es sich bei dem Schreiben vom 31. Juli 2001 um ein Werbeschreiben
für das Produkt Q gehandelt habe. Schon aus dem Wortlaut des Schreibens ergebe
sich, dass es nicht ausschließlich um die Versorgung des angeschriebenen
Krankenhauses in einem akuten Notfall ging, sondern darum, dem Krankenhaus das
Mittel Q allgemein zum Erwerb anzudienen. Der Zeuge V habe den Vortrag der
Beklagten nicht bestätigt, dass er unter dem Vorwand, dass es um die Behandlung
eines lebensbedrohlich erkrankten Patienten gehe, Informationsunterlagen erbeten
habe, um das Mittel nur in diesem konkreten Einzelfall einzusetzen. Die Beklagten
hätten somit nicht bewiesen, dass es sich um den Fall eines unzulässigen Testkaufs
gehandelt habe. Aus der Aussage des Zeugen V habe sich schon nicht ergeben, dass
er eingesetzt worden sei, um die Beklagten durch Vorspiegelung einer
lebensbedrohlichen Notsituation bei einem Patienten mit einem Speiseröhrenkarzinom
zum Angebot eines wettbewerbswidrigen Verkaufs zu verleiten.
Das Landgericht hat ferner angenommen, dass auch die Ansprüche auf Feststellung
des Schadensersatzanspruches und Erteilung der erforderlichen Auskunft begründet
seien. Bedenken, die sich aus den Schreiben des LAGA und der Zuerkennung des CE-
Kennzeichens für Q als Medizinprodukt für ein Verschulden der Beklagten ergeben
könnten, griffen im Ergebnis nicht durch. Die Beklagten hätten auf die Richtigkeit der
Einschätzung des LAGA und der W nicht vertrauen dürfen. Zum Zeitpunkt der
Kenntnisnahme von dieser Einschätzung sei die vorliegende Klage schon rechtshängig
gewesen. Die Beklagten seien schon im Oktober 2001 unter Hinweis auf die
Arzneimitteleigenschaft von Q abgemahnt worden. Sie hätten auch über genug eigene
Sachkunde verfügt, um zu erkennen, dass die Einordnung als Arzneimittel oder
Medizinprodukt in jedem Fall höchst zweifelhaft sei. Wenn die Beklagten Q nach der
Stellungnahme des LAGA und der Zuteilung des CE-Kennzeichens weiter beworben
und vertrieben hätten, hätten sie zumindest fahrlässig gehandelt. Zuvor habe es erst
recht keinen schützenswerten Vertrauensschutz gegeben.
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Die Beklagten greifen das Urteil mit der Berufung an. Sie sind nach wie vor der
Meinung, dass Q kein Arzneimittel, sondern ein Medizinprodukt sei. Sie verweisen
insoweit auf den durch die Richtlinie 2004/27/EG geänderten Begriff des Arzneimittels
und die neu eingeführte Zweifelsfallregelung und zugleich darauf, dass der
Bundesgesetzgeber daraufhin die nationalen Bestimmungen des AMG nicht geändert
habe. Die Rechtsprechung gehe insbesondere bei der Abgrenzung von Lebensmitteln
und Arzneimitteln von einem engen Arzneimittelbegriff aus. Insoweit verweisen die
Beklagten beispielhaft auf die Entscheidung "Knoblauchpulver" des EuGH, in der die
Praxis der Bundesrepublik, solche Mittel als Arzneimittel einzustufen, weil sie in
gewisser Dosis pharmakologisch wirkten, obwohl diese Dosierung bei dem Mittel nach
den Verzehrempfehlungen nicht erreicht werde, als europarechtswidrig angesehen
worden sei. Danach sei davon auszugehen, dass zunächst positiv festgestellt werden
müsse, dass ein bestimmtes Mittel pharmakologische Wirkungen entfalte. Erst danach
könnte die Zweifelsfallregelung Anwendung finden. Unter Bezugnahme auf das Urteil
des Senats vom 7. August 2007 in der Sache W2 (4 U 194/06) machen die Beklagten
allerdings deutlich, dass es sich bei dem Begriff der pharmakologischen Wirkung um
einen Rechtsbegriff handele, der ein Subsumtionsergebnis darstelle. Wenn die
Wirkweisen eines Mittels unstreitig seien, müsse durch begriffliche Auslegung geklärt
werden, ob es sich bei dem fraglichen Mittel um ein Arzneimittel oder ein
Medizinprodukt handele. Im Rahmen der Festlegung, ob eine pharmakologische
Wirkung gegeben sei, müsse dann auch geprüft werden, ob diese Wirkung eine
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unmittelbare, also primäre Wirkung des Erzeugnisses sein müsse oder ob auch eine
sekundäre oder tertiäre Wirkung ausreiche. Die Definition in der MEDDEV gehe
ersichtlich von einer unmittelbaren pharmakologischen Wirkung aus, da eine Interaktion
zwischen dem Molekül der fraglichen Substanz und einem zellulären Bestandteil
gefordert werde. Da es sich bei der Beurteilung, ob Q Arzneimittel oder Medizinprodukt
sei, um eine Rechtsfrage handele, hätte das Landgericht die Rechtsfrage auch nicht
durch den Sachverständigen entscheiden lassen dürfen. Ebenso hätte das Landgericht
in eigener Zuständigkeit entscheiden müssen, ob dem Mittel pharmakologische Wirkung
zukomme oder nicht. Die Beantwortung dieser Rechtsfrage durch den
Sachverständigen sei deshalb unbeachtlich. Aus dem Gutachten ergebe sich aber auch
tatsächlich keine pharmakologische Wirkung von Q. Das Landgericht habe zu Unrecht
auf der Basis des Gutachtens festgestellt, dass Q direkt mit Zellen des menschlichen
Organismus im Sinne der bestimmungsgemäßen Hauptwirkung reagiere. Im Gutachten
sei zutreffend die sog. Typ II-Reaktion beschrieben, die für Q gelte und derart erfolge,
dass der durch Licht angeregte Sentisizer seine Energie auf den im Gewerbe
befindlichen Sauerstoff übertrage. Eine direkte Interaktion der angeregten Q-
Bestandteile im Sinne einer Typ I –Reaktion habe der Sachverständige lediglich nicht
hinreichend ausschließen können. Wenn der Sachverständige dann anführe, dass die
Beklagten bei der Erläuterung ihres Produktes behaupten würden, Q wirke tatsächlich
nur über eine Typ I-Reaktion, so sei das sachlich falsch. Es sei bis dahin auch unstreitig
gewesen, dass Q bestimmungsgemäß über eine Typ II-Reaktion wirke. Wenn das
Landgericht anderes annehmen wollte, hätte es zumindest eines richterlichen
Hinweises bedurft. Schließlich legen die Beklagten noch dar, dass sich auch aus der
Stellungnahme des BfArM aus April/Mai 2003 keine pharmakologische Wirkung von Q
ergebe. Diese Stellungnahme sei kein Verwaltungsakt, der mangels Widerspruch durch
die Beklagten eine irgendwie geartete Bestandskraft erlangt habe. Im Rahmen der
Durchführung des MPG kämen nämlich dem BfArM keine Befugnisse zu. Zum Zeitpunkt
der Stellungnahme des Amts sei aber Q bereits entsprechend der Regelung in § 27
MPG schon als Medizinprodukt zertifiziert gewesen. Die Einschätzung des BfArM
entfalte deshalb im hiesigen Verfahren keine Tatbestandswirkung. Dort sei im Übrigen
auch von keiner direkten pharmakologischen Wirkung des Mittels die Rede. Es werde
nur auf Dosis-Wirkungsbeziehungen des Mittels abgestellt. Es sei nicht rechtens, Q auf
Verdacht eine Arzneimitteleigenschaft zuzuschreiben. Nach der weiteren Auffassung
der Beklagten sind dagegen die Bescheide des LAGA als Verwaltungsakte zu
qualifizieren, die auch zur Durchführung des MPG erlassen worden seien. Das LAGA
sei insoweit die zuständige Behörde und in entsprechender Anwendung des § 13 Abs. 3
MPG auch befugt gewesen, darüber zu entscheiden, ob das Erzeugnis zutreffend als
Medizinprodukt eingeordnet worden sei. Die Beklagten hätten sich auf die
Tatbestandswirkung der Verwaltungsakte verlassen dürfen, so dass ihr Verhalten nicht
wettbewerbswidrig gewesen sei. Abschließend meinen die Beklagten weiterhin, das
Verbot gehe zu weit, wenn ihnen auch untersagt werde, das Erzeugnis auch zu internen
Studien und zum Zwecke von Therapieversuchen anzubieten, feilzuhalten und/oder die
vorbezeichneten Maßnahmen durch Dritte vornehmen zu lassen. Das stelle einen
Eingriff in ihr Recht auf Forschungsfreiheit dar. Der Begriff der "internen Studien" sei
zudem unklar und könne auch klinische Studien im Sinne von §§ 40 ff. AMG umfassen,
die in jedem Fall zulässig seien.
Die Beklagten beantragen,
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das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerinnen beantragen,
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die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass im Tenor zu 1 a)
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folgende Passage weggelassen wird: "und/oder die vorbezeichneten
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Handlungen durch Dritte begehen zu lassen."
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Die Klägerinnen meinen, dass das Landgericht auf der Grundlage zweier
Sachverständigengutachten und der verbindlichen Entscheidung des BfArM zutreffend
festgestellt habe, dass es sich bei Q um ein Arzneimittel handele, das über die
erforderliche Zulassung nicht verfüge. Deshalb stünden ihnen, den Klägerinnen, nicht
nur der Unterlassungsanspruch, sondern auch die Annexansprüche auf Auskunft und
Schadensersatz zu.
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Zum Sachverhalt verweisen die Klägerinnen darauf, dass erstinstanzlich durch die
Aussage des Zeugen V die streitige Behauptung der Beklagteen widerlegt worden sei,
dass der Zeuge mit dem Beklagten zu 2) Kontakt aufgenommen habe, um von ihm
Informationen zu einem akuten Fall eines Oesophagus-Karzinoms zu erhalten. Die
Klägerinnen bestreiten auch die neue Behauptung der Beklagten, dass es vor dem
Schreiben vom 20. Februar 2002 am 6. Februar 2002 zu einer Besprechung des
Beklagten zu 2) mit Vertretern des LAGA mit dem vorgetragenen Ergebnis gekommen
sei und dass die Einordnung von Q als Medizinprodukt zuvor mit allen zuständigen
Stellen des LAGA besprochen und dabei auch bestätigt worden sei. Sie rügen diesen
Vortrag zudem auch als verspätet. Sie halten es auch für falsch, dass sie keinerlei
Nachweis dafür erbracht haben sollten, dass Q2 und Q chemisch weitgehend identisch
seien. Sie verweisen insoweit auf ihren diesbezüglichen Vortrag in der Klageschrift und
die Ausführungen des Dr. K in seiner Dissertation, die sie als Anlage CCP 30 vorlegen,
zur Äquivalenz der Präparate in Bezug auf die Singulettsauerstoffgenerierung. Sie
ergänzen, dass Q auch mit sonstigen auf dem Markt verfügbaren und als Arzneimittel
zugelassenen Photosensibilatoren chemisch und pharmakologisch identisch sei. In
diesem Zusammenhang weisen die Klägerinnen darauf hin, dass sie unter dem Namen
"Q3" für einen weiteren Photosensibilator die Zulassung als Arzneimittel zur Abtragung
von entarteten Zellen im Halsbereich erhalten haben, das mit Q2 vollständig identisch
sei. Sie legen als Anlage CCP 31 die Produktinformation für das Mittel Q3 vor.
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Es sei auch unzutreffend, wenn die Beklagten den Wirkmechanismus von Q mit dem
Vortrag in Frage stellten, das Mittel reagiere nicht mit körpereigenen Zellen der
Patienten, sondern verleihe nur dem im behandelten Tumorgewebe angereicherten
Sauerstoff zytologische Eigenschaften. Dr. K stelle in seiner Doktorarbeit eindeutig fest,
dass die Photosensibilatoren beider Parteien Bindungen mit körpereigenen Stoffen und
Zellen der behandelten Patienten eingingen und in den Zielzellen direkt wirkten. Sie
hätten eine besondere Bindungsaffinität zu Tumorzellen und Gefäßendothelien der
anderen Zellen. Insoweit zitieren die Klägerinnen die Seiten 12 und 13 der vorgelegten
Dissertation, die auch Q eine direkte zelltoxische Wirkung bescheinige. Der Autor führe
zudem auf Seiten 15 f. aus, dass Q nicht nur unter Einwirkung von Licht toxisch wirke,
sondern auch ohne Lichteinwirkung eine Dunkeltoxizität aufweise. Auch in dem
Standardwerk von Mutschler (vgl. CCP 32) zu Arzneimittelwirkungen sei ausgeführt
worden, dass Photosensibilatoren Verbindungen mit körpereigenen Stoffen wie
Verteporfin im Blut eingehen und selbst konkrete Wirkungen in den Tumorzielzellen
entfalten würden. Im Hinblick auf das gleichfalls als Arzneimittel zugelassene Q3 sei
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dort darauf hingewiesen worden, dass es erst durch die Aktivierung des
Photosensibilators im behandelten Gewebe als Initialzündung zu dem
vorprogrammierten Zelltod komme. Das hätten die Beklagten selbst in ihren
"Erläuterungen zum Medizinprodukt Q" nicht anders dargestellt, in denen sie von einer
"Art Rezeptorenfunktion" von Q gesprochen hätten. Es sei damit insbesondere auch
nicht richtig, dass Q nur über eine sogenannte Typ-II-Reaktion wirke. Mit dieser
Behauptung in der Berufungsbegründung setzten sich die Beklagten in Widerspruch zu
ihrem früheren Vorbringen. Sie berücksichtigten insbesondere nicht, dass allein durch
die als Folge der besonderen Bindungsaffinität erfolgenden Anreicherung der Zielzellen
eine direkte Einwirkung im Sinne einer Typ-I-Reaktion stattfinde. Außerdem
vernachlässigten sie, dass sich die Wirkung von Q gerade auch nach dem Gutachten
des Sachverständigen Prof. Dr. y und der Dissertation des Dr. K nicht allein darauf
beschränke, den Gewebesauerstoff in einen Singulettzustand umzubilden. Vielmehr
bilde Q auch selbst zellschädigende Sauerstoffradikale, die ebenfalls zum Zelltod
führen könnten. Auch dadurch finde eine unmittelbare Interaktion mit den körpereigenen
Zielzellen im Sinne einer Typ-I-Reaktion statt. Das habe der Sachverständige in beiden
Gutachten so gesehen, auch wenn er im ergänzenden Gutachten wegen der
Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 23. Februar 2005 die direkte Interaktion
im Sinne einer solchen Reaktion nur nicht hinreichend ausgeschlossen habe. Genauso
sehe es im Übrigen auch das BfArM in seiner Stellungnahme vom 2. Mai 2003, in der es
von der Entstehung von Radikalen und reaktivem Singulettsauerstoff durch die
Anreicherung spricht. Danach initiiere Q eine Wirkkaskade, die direkt zum Tod der
Zielzellen führe. Das BfArM sei neben dem Wirkmechanismus aber auch noch von einer
unmittelbaren Dosisabhängigkeit von Q ausgegangen. Eine solche Dosis-
Wirkungsbeziehung von Q werde auch in der Dissertation von Dr. K (dort S.96)
angesprochen. Daneben habe das BfArM auch noch ausdrücklich festgestellt, das Q
seine Wirkung auch über eine Verstoffwechselung, also durch Metabolismus erziele.
Nach Auffassung des Instituts sei Q als intravenös zu verabreichendes Präparat in
jedem Fall auch unter Hygiene- und Sicherheitsaspekten als Arzneimittel einzustufen.
Zur Rechtslage und dazu, dass durch das neue UWG keine für den vorliegenden Fall
relevante Änderung eingetreten ist, verweisen die Klägerinnen u.a. auf die
Entscheidung HMB-Kapseln des BGH. Sie treten der Auffassung der Beklagten
entgegen, die einschlägige Rechtsprechung gehe von einem sehr engen
Arzneimittelbegriff aus. Das Gegenteil sei sowohl beim Präsentationsarzneimittel als
auch beim Funktionsarzneimittel der Fall. Allenfalls seien nunmehr als Folge der
Richtlinie 2004/27/EG objektive Merkmale des Produkts in höherem Maße von
Bedeutung. Nach Meinung der Klägerinnen haben die Beklagten Q als
Präsentationsarzneimittel vertrieben, weil sie es selbst als solches bezeichnet haben.
46
Im Übrigen seien den angesprochenen Verkehrskreisen die auf dem Markt befindlichen
Photosensibilatoren ausschließlich als Arzneimittel bekannt. Jedenfalls handele es sich
aber wegen der oben geschilderten und vom Landgericht festgestellten Wirkweisen um
ein Funktionsarzneimittel. Das Mittel wirke dabei auch entgegen der Einschätzung der
Beklagten in der Berufungsbegründung unmittelbar pharmakologisch und metabolisch.
Es komme deshalb nicht darauf an, dass nirgendwo in der Rechtsprechung eine
Einschränkung auf eine unmittelbare Wirkung gemacht werde. Insoweit beziehen sich
die Klägerinnen auf Urteile des Senats in der Sache 4 U 194/06 und des OLG Frankfurt
(WRP 2007, 216 ff.), die unter Bezugnahme auf die MEDDEV Richtlinie eine besondere
Art von Wirkung auf den Körper ausreichen ließen. Nach der weiteren Meinung der
Klägerinnen haben die Beklagten zudem auch unberücksichtigt gelassen, dass die
47
objektiven Wirkungen des Mittels nur ein Element seien, um ein Funktionsarzneimittel
bejahen zu können. Es komme auch noch auf die Modalitäten seines Gebrauchs, den
Umfang seiner Verbreitung, die Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken an,
die seine Verwendung mit sich bringen könne. Besonders der von dem Präparat
ausgehenden Gesundheitsgefahr komme dabei eine eigenständige Bedeutung zu. Die
Risiken der Verwendung von Q im Rahmen der Krebstherapie seien insbesondere nach
dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. y aber erheblich. Obwohl es auf die
Zweifelsfallregelung wegen der eindeutigen Zuordnungsmöglichkeit nicht ankomme,
würde gerade auch diese Regelung zu dem Ergebnis führen, dass Q ein Arzneimittel ist,
selbst wenn es auch Eigenschaften eines Medizinproduktes aufweisen würde.
Mit näheren Ausführungen wenden sich die Klägerinnen auch dagegen, dass das
Landgericht rechtsfehlerhaft Beweis über reine Rechtsfragen erhoben haben soll. Das
Landgericht habe vielmehr die maßgeblichen Tatsachen auf der Grundlage der
tatsächlichen Erläuterungen des Sachverständigen über die Wirkweise von Q in seinen
beiden Gutachten zweifelsfrei festgestellt, so dass der Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1
ZPO an diese Feststellungen gebunden sei. Einem wettbewerbswidrigen Verhalten der
Beklagten stehe schließlich auch nicht entgegen, dass Q durch Verwaltungsakte des
LAGA mit Tatbestandswirkung als Medizinprodukt eingestuft worden sei. Die Schreiben
des LAGA stammten weder von der zuständigen Behörde noch hätten sie als
Behördenschreiben ohne Regelungscharakter die Qualität eines Verwaltungsaktes.
Insoweit beziehen sich die Klägerinnen auf ihre umfangreichen erstinstanzlichen
Ausführungen dazu. Sie ergänzen nur, dass keines der Schreiben des LAGA auf das
Marktverhalten der Beklagten überhaupt Bezug nehme. Einen Verwaltungsakt stelle
lediglich das Schreiben des BfArM vom 2. Mai 2003 dar, mit dem –mit Bindungswirkung
auch gegenüber dem Senat- festgestellt werde, dass Q ein zulassungspflichtiges
Arzneimittel sei.
48
Die Klägerinnen meinen, dass der Unterlassungsantrag auch nicht zu weit gefasst
worden sei. Die Auslegung des Antrages ergebe zweifelsfrei, dass mit "internen
Studien" gerade keinen klinischen Studien im Sinne der §§ 40 ff. AMG gemeint seien.
Das folge auch schon daraus, dass es um Tathandlungen wie "zum Verkauf vorrätig
halten, anbieten und feilhalten gehe, die allesamt einen kommerziellen Hintergrund
hätten und sich mit klinischen Studien nicht in Einklang bringen ließen.
49
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
50
II.
51
Die Berufung ist unbegründet. Den Klägerinnen stehen die Unterlassungsansprüche
und die weiteren Ansprüche auf Auskunft und Schadensersatz zu, insbesondere weil es
sich bei Q um ein Arzneimittel handelt.
52
1) Die Unterlassungsanträge und die ihnen folgenden Verbote sind bestimmt genug im
Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerinnen haben die Anträge zu 1 a) und 1 b)
durch und/oder verknüpft und das Schreiben vom 31. Juli 2001 als konkrete
Verletzungshandlung in das Verbot einbezogen. Dabei haben sie es auch belassen,
nachdem im Teilurteil des Senats Überlegungen zum Umfang des Verbots angestellt
wurden. Damit ist auch klargestellt, dass Verbotsgegenstand des Antrages zu 1 a) das
Inverkehrbringen des Mittels Q als nicht zugelassenes Arzneimittel in der Art und Weise
53
des Angebots an das Josephs-Hospital in X sein soll. Weitere Verletzungshandlungen
sind auch im Verlauf des langjährigen Verfahrens nicht geltend gemacht worden.
Unstreitig ist Q jedenfalls in der Zeit nach dem 31. Juli 2002 nicht als Arzneimittel
versandt worden. Die Klägerinnen haben zwar im Rahmen der Darlegung ihres
Beschleunigungsinteresses vorgetragen, dass Q fortgesetzt vertrieben werde (Bl. 651,
655), dazu aber keine Einzelheiten vorgetragen. Die Beklagten haben zwar selbst
vorgetragen, dass sie Q als Medizinprodukt vertrieben hätten. Auch insoweit haben sie
aber keine Einzelheiten vorgetragen. Die Klägerinnen haben ihr Klagebegehren auch
nicht auf eine sich daraus ergebende Begehungsgefahr gestützt. Sie verfolgen ihren
Unterlassungsanspruch als Folge der vorgetragenen konkreten Verletzungshandlung
aus dem Jahre 2001 unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr.
2) Der Unterlassungsantrag geht auch nicht mehr zu weit, nachdem sich das Verbot
durch die im Senatstermin erfolgte Einschränkung nicht mehr darauf bezieht, dass das
Arzneimittel Q in der genannten Weise durch Dritte in den Verkehr gebracht worden ist.
Soweit es die Zwecke interner Studien und Therapieversuche erfasst, ist das Verbot
gleichfalls bestimmt genug und geht auch nicht zu weit. Es mag zwar sein, dass eine
Vorratshaltung und ein Angebot zu Zwecken interner klinischer Studien entsprechend
den §§ 40 ff. AMG zulässig sein kann. Hier geht es aber nicht allgemein um solche
Angebote an Krankenhäuser, sondern um Angebote wie sie im Schreiben vom 31. Juli
2001 erfolgt sind. In diesem Umfeld sind gerade auch interne Studien und
Therapieversuche ebenso wie der Erwerb als Chemikalie als Möglichkeiten aufgeführt,
das Mittel trotz seiner fehlenden Zulassung als Arzneimittel beziehen zu können. Daran
knüpft der Antrag an. Er bezieht sich somit erkennbar nicht auf unter anderen
Vorzeichen, nämlich nach §§ 40 ff. AMG zulässige klinische Studien und auch nicht auf
den Einsatz des Mittels unter den besonderen Voraussetzungen des "compassionate-
use".
54
3) Der mit den Unterlassungsanträgen verfolgte Unterlassungsanspruch ergibt sich aus
§ 1 UWG a.F. sowie §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit §§ 2, 21 Abs. 1
AMG, 3 a HWG. Das beanstandete Verhalten ist zum Zeitpunkt der
Verletzungshandlung wettbewerbswidrig gewesen und auch zum Zeitpunkt der letzten
mündlichen Verhandlung nach neuem Recht noch wettbewerbswidrig. Denn das
Präparat Q ist ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG, für das die Beklagten
unstreitig die erforderliche Zulassung nicht haben. Das Präparat durfte somit nach § 21
AMG nicht im Inland vertrieben werden und nach § 3 a HWG durften die Beklagten dafür
auch nicht mit den angegriffenen Behauptungen werben.
55
a) Die Klägerinnen sind im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG als Mitbewerber der
Beklagten klagebefugt. Die Klägerin zu 1) vertreibt das Mittel Q2, das sie von der
Klägerin bezieht, während die Beklagte zu 1) das Mittel Q herstellt und jedenfalls als
Medizinprodukt vertreiben will. Die Mittel sind ähnlich und finden im Rahmen der PDT in
der Tumorbekämpfung Anwendung. Die Klagebefugnis ist folgerichtig auch zu keiner
Zeit in Frage gestellt worden.
56
b) In dem Angebotsschreiben der Beklagten vom 31. Juli 2001 ist auch eine
Wettbewerbshandlung zu sehen. Es handelte sich um ein Schreiben der Beklagten, das
in jedem Falle dazu dienen sollte, den Verkauf und damit den Absatz des Mittels zu
fördern.
57
c) Diese Wettbewerbshandlung ist nach neuem Recht unlauter, wenn mit ihr ein Verstoß
58
gegen § 4 Nr. 11 UWG verbunden ist. Das ist der Fall, wenn der Handelnde damit einer
gesetzlichen Vorschrift zuwider handelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der
Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Um solche Vorschriften handelt es sich
bei § 21 AMG (BGH GRUR 2004, 1037, 1039 –Johanniskraut) und § 3a HWG (BGH
GRUR 2006, 513, 517 –Arzneimittelwerbung im Internet). Beide Vorschriften dienen
dazu, die Vermarktung eines Produkts, sei es durch Inverkehrbringen, sei es durch
Werbung, zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und damit auch der Verbraucher
von einer vorherigen Zulassung abhängig zu machen.
d) Voraussetzung für einen Verstoß gegen die genannten Vorschriften ist es nach
neuem Recht zunächst, dass die Beklagten ein mangels Zulassung gemäß § 21 Abs. 1
AMG nicht verkehrsfähiges Arzneimittel zum Verkauf vorrätig und feilgehalten und damit
nach § 4 Abs. 17 AMG in Verkehr gebracht hätten. Nach altem Recht wäre ein solcher
Rechtsbruch gleichfalls als Verstoß gegen § 1 UWG a.F. unlauter gewesen, weil die
Beklagten gegen eine wertbezogene Norm verstoßen hätten, als die § 21 AMG damals
angesehen worden ist. Jedenfalls zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung hätten sie
auch nicht ausnahmsweise von der Rechtmäßigkeit ihres Verhaltens ausgehen dürfen.
Hauptstreitpunkt der Parteien ist es hier auch, ob es sich bei dem angebotenen und
beworbenen Mittel Q um ein Arzneimittel handelt. Das ist mit dem Landgericht zu
bejahen, auch wenn Q nach Erhebung der Klage von W als Medizinprodukt zertifiziert
worden ist.
59
aa) Nach Art. 1 Nr. 2 b) der Richtlinie 2001/83/EG, die durch die Richtlinie 2004/27/EG
geändert worden ist, ist von einem einheitlichen europäischen Arzneimittelbegriff
auszugehen (vgl. BGH –Arzneimittelwerbung im Internet, a.a.O. S. 517). Danach sind
Arzneimittel alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen
Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die
menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische,
immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu
beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen. Durch diese
Begriffsbestimmung wird nunmehr in größerem Umfang als zuvor auf objektive
Merkmale des Produkts abgestellt, wobei insoweit europarechtlich eine
Vollharmonisierung besteht. Der nationale Arzneimittelbegriff in § 2 AMG ist
richtlinienkonform im Sinne der neuen Begriffsbestimmung auszulegen. Dabei ist für die
hier erforderliche Abgrenzung zum Medizinprodukt auch die Definition des
Medizinprodukts heranzuziehen. Denn Arzneimittel sind nach § 2 Abs. 3 Nr. 7 AMG
grundsätzlich keine Medizinprodukte im Sinne des MPG.
60
bb) Medizinprodukte sind nach der Legaldefinition des § 3 Nr. 1 MPG alle einzeln oder
miteinander verbundenen verwendeten Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Stoffe
und Zubereitungen aus Stoffen oder andere Gegenstände, die vom Hersteller zur
Anwendung für Menschen mittels ihrer Funktionen zum Zwecke der Erkennung,
Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten, der
Erkennung, Überwachung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von
Verletzungen oder Behinderungen oder der Untersuchung, der Ersetzung oder der
Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs
bestimmt sind und deren bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen
Körper weder durch pharmakologisch oder immunologisch wirksame Mittel noch durch
Metabolismus erreicht wird, deren Wirkungsweise aber durch solche Mittel unterstützt
werden kann.
61
cc) Die Entscheidung im Einzelfall, ob ein Mittel als Arzneimittel oder als Medizinprodukt
einzustufen ist, ist im Hinblick auf alle seine Merkmale zu treffen. Dabei kommt es
insbesondere auf seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen Eigenschaften,
die Modalitäten seines Gebrauchs, den Umfang seiner Verbreitung, die Einschätzung
der Verbraucher und insbesondere auch die Risiken, die seine Verbreitung mit sich
bringen kann, an. Angesichts der obigen Definitionen fällt für die Unterscheidung von
Arzneimitteln und Medizinprodukten besonders auf, dass ein Mittel, das
pharmakologische Wirkungen hat und dessen bestimmungsgemäße Hauptwirkung
pharmakologisch erreicht wird, nach beiden Definitionen ein Arzneimittel ist. Das
bedeutet, dass Q sicher als Arzneimittel einzustufen ist, wenn es pharmakologische
Wirkungen hat und seine Hauptwirkung pharmakologisch erreicht wird. Zu beachten ist
auch die Zweifelsfallregelung des Art. 2 Abs. 2 RL 2001/83/EG. Danach gilt die
Arzneimittelrichtlinie in Zweifelsfällen, in denen ein Erzeugnis unter Berücksichtigung
aller seiner Eigenschaften sowohl unter die Definition von Arzneimittel als auch unter
die Definition eines anderen Erzeugnisses fallen kann, das durch die
gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften geregelt ist. Grenzprodukte sollen somit den
strengeren arzneimittelrechtlichen Regelungen unterworfen werden.
62
dd) Wie der Senat bereits entschieden hat, handelt es sich bei der Beurteilung, ob ein
Arzneimittel vorliegt und auch bei der damit in besonderem Zusammenhang stehenden
Bewertung, ob das Mittel eine
pharmakologische Wirkung
Rechtsfrage (vgl. BGH GRUR 2008, 834, 837 –HMB-Kapseln). Als Tatsachen zu
beurteilen und im Wege des Beweises festzustellen sind die Umstände, ob und welche
Körperbeeinflussungen durch die Wirkweisen des Mittels herbeigeführt werden. Die
Frage der konkreten Körperbeeinflussungen und der tatsächlichen Wirkweisen ist
naturwissenschaftlicher Art und bei Unklarheiten nur mit Hilfe eines Sachverständigen
zu beantworten. Von Bedeutung können bei der Antwort auch Fachfragen der
medizinischen Pharmakodynamik und Pharmakokinetik sein. Ob aufgrund der
festgestellten Umstände eine für ein Arzneimittel maßgebliche pharmakologische
Wirkung anzunehmen ist, bedarf abschließend der rechtlichen Beurteilung (vgl. Senat,
Urteil vom 7. August 2007 –4 U 194/06). Bei der Beurteilung ist zunächst darauf
abzustellen, dass zum Kern der pharmakologischen Wirkung diejenigen
Verwendungszwecke gehören, die sich entsprechend der Definition des Arzneimittels
zur Beeinflussung der Beschaffenheit des menschlichen Körpers oder zur
Wiederherstellung, Besserung und Beeinflussung der menschlichen Körperfunktionen
eignen. Das ist der Fall, wenn von außen zugeführte Stoffe eine aktive Rolle im Hinblick
auf die physiologischen Funktionen des Körpers übernehmen, indem sie auf diese
verändernd einwirken im Sinne einer Manipulation. Zur Abgrenzung des Arzneimittels
vom Medizinprodukt hat eine europäische Expertengruppe dabei eine Leitlinie
entwickelt, nämlich die MEDDEV 2.1/3 rev 2 von Juli 2001. Danach wird
pharmakologisch im Zusammenhang mit der Medizinprodukterichtlinie und der
Richtlinie über aktive Implantierbare Medizinprodukte frei übersetzt verstanden als eine
Wechselwirkung zwischen den Molekülen der in Frage stehenden Substanz und einem
zellularen Bestandteil, gewöhnlich als Rezeptor bezeichnet, die entweder in einer
direkten Reaktion (Antwort) zu sehen ist oder die die Reaktion (Antwort) eines anderen
Agens blockiert. Das Vorhandensein einer Dosis-Wirkungsbeziehung stellt dabei,
obwohl kein vollständig vertrauenswürdiges Kriterium, einen Hinweis für einen
pharmakologischen Effekt dar. Legt man diese Grundsätze hier zugrunde, so ist mit dem
Landgericht aufgrund der unstreitigen Tatsachen in Bezug auf die Wirkweise sowie
aufgrund der nachvollziehbaren weiteren fachmedizinischen Erläuterungen des
Sachverständigen Prof. Dr. y zur Zusammensetzung des Mittels und zur Anwendung
63
und Wirkweise des Mittels in der PDT im Nachtragsgutachten davon auszugehen, dass
es sich bei Q um ein Arzneimittel handelt.
(1) Q ist ein Photosensitizer und als solcher ein Hämtoporphyrin-Derivat. Es handelt sich
dabei um eine Komposition von Porphyrinabkömmlingen, die als Einzelbausteine
(Monomere) oder Verknüpfungen (Oligomere) im Präparat vorliegen. Nach den
Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. y im Ergänzungsgutachten ist dabei nicht
objektiv festzustellen, dass die monomeren Bestandteile, die für eine nachhaltige
Lichtsensibilisierung der behandelten Patienten verantwortlich sind, tätsächlich so
weitgehend entfernt wurden, wie die Beklagten behaupten. Q soll im Rahmen der PDT
zur Behandlung einer ganzen Reihe von Tumoren angewendet werden. Die PDT
besteht im Wesentlichen aus dem Zusammenspiel der drei Komponenten Licht,
Photosensitizer und Gewebesauerstoff. Ein Photosentisizer wie Q wird durch Licht
bestimmter Wellenlängen angeregt und wechselt von seinem Grundzustand in einen
angeregten Zustand. Bei der Rückkehr in den Grundzustand überträgt der
Photosentisizer Energie auf Gewebesauerstoff. Dadurch entstehen reaktive
Sauerstoffspezies. Bei Q erfolgt bestimmungsgemäß eine sog. Typ-II Reaktion. Der
angeregte Sentisizer überträgt seine Energie auf physikalischem Wege auf den im
Gewebe befindlichen Sauerstoff. Dabei entsteht in der Regel Singulettsauerstoff. Durch
diese reaktive Sauerstoffspezies werden Zellmembran oder eher interzelluläre
Bestandteile wie Zellkern oder Mitochondrien direkt zerstört. Das Ausmaß der
Schädigung ist dabei abhängig vom Typ des Sensitizers, seiner extra- und
intrazellulären Konzentration, der applizierten Dosis, der totalen Lichtexpositionsdosis,
der Lichtflussrate, der Sauerstoffverfügbarkeit und der Zeit zwischen der Anregung des
Sensitizers und der Lichtexposition. Die bisher verwendeten Photosentisizer zeigen
zwar eine Affinität zum Tumorgewebe, deren Ursache ist bislang aber noch nicht
vollständig geklärt. Es ist jedoch eine präzise Bestrahlung des Tumorareals erforderlich
und eine strikte Lichtvermeidung der Behandelten bis Wochen nach der Anregung, da
damit eine erhöhte Phototoxizität zum Beispiel der gesamten Körperhaut einhergeht, die
bei Kontakt mit Sonne zu einer unerwünschten Lichtexposition führen kann. Q
64
ist ein Pulver, das vor einer intravenösen Applikation aufgelöst wird. Es wird eine Dosis
von 2 mg/kg Körpergewicht empfohlen, wobei die Dosis individuell an den Patienten
angepasst werden soll. Das Areal mit dem zu behandelnden Tumor wird 24 – 72
Stunden nach der Injektion oder Infusion lokal begrenzt mit einem bestimmten Laserlicht
bestrahlt. Q reichert sich dann jedenfalls ganz überwiegend im Tumorgewebe an. Nach
den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. y erfolgt in einem Zeitraum von 24
Stunden auch eine Anreicherung im Lebergewebe. In dem bestrahlten Gewebe läuft
dann bei Q in der Regel die oben geschilderte Typ II Reaktion ab. Der Sachverständige
meint insoweit nur, dass eine reine Typ II Reaktion bislang nicht hinreichend
nachgewiesen ist, wobei er im Hinblick auf die Behauptungen der Beklagten in ihren
Erläuterungen zu Q Typ I und Typ II Reaktion verwechselt hat. Er will lediglich sagen,
dass es ihm nicht hinreichend ausgeschlossen erscheint, dass auch eine Typ-I Reaktion
stattfinden kann. Unabhängig davon ergibt sich auch bei einer Typ-II Reaktion eine
hinreichende Wechselwirkung zwischen dem Q, dem eingesetzten Laserlicht, dem
mutierten Sauerstoff und der zerstörten Tumorzelle, um eine pharmakologische Wirkung
anzunehmen.
65
(2) Die bestimmungsgemäße Hauptwirkung des Q lässt sich danach nämlich nicht auf
die Übertragung von gesammelter Energie auf den Gewerbesauerstoff reduzieren. Das
im Rahmen der PDT eingesetzte Mittel ist vielmehr im Rahmen einer untrennbaren
66
Wirkkaskade, wie sie der Sachverständige genannt hat, dazu bestimmt, im
menschlichen Körper zur Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen
angewandt zu werden. Bestimmungsgemäß soll Licht Q anregen, das angeregte Q
Energie auf Gewebesauerstoff übertragen und dadurch zur Bildung von
Singulettsauerstoff führen, der wiederum das Tumorgewebe zerstören soll. Es ist dabei
unschädlich, dass die Interaktion zwischen dem in der Einordnung fraglichen Mittel und
der angegriffenen Tumorzelle als Rezeptor nicht auf direktem Weg, also unmittelbar
erfolgt, sondern im Wege einer so vorgesehenen fortgesetzten Reihe von Wirkungen,
die sämtlich erforderlich sind, um die Beeinflussung der Körperzellen zu ermöglichen.
Ohne das Q läuft die Wirkungsreihe nicht so ab wie vorgesehen. Sicherlich werden
auch das Licht und der Sauerstoff zwingend benötigt. Diese wirken untrennbar mit dem
Q zusammen. Während Licht und Sauerstoff aber im Körper und im menschlichen
Lebensalltag regelmäßig vorhanden sind, muss das Q –in einer bestimmten Dosis-
zugeführt werden, um die Wirkreihe in zentraler Position möglich zu machen. Das Mittel
ist auch von seiner Bestimmung her kein bloßes Medium, das in völlig beständiger Form
Licht aufnimmt und Energie an den Sauerstoff abgibt. Er wirkt gerade nicht wie ein
Katalysator, wie die Beklagten behauptet haben. Es kommt vielmehr entscheidend auf
die Positionierung des Q im Körper an, die zu einer optimalen Wirkung auf die
Tumorzellen bei einer minimalen Nebenwirkung führen soll. Entscheidend dafür sind in
gleichem Maße das gut proportionierte Q und das zielgerichtete Laserlicht. Wenn man
bedenkt, dass dem objektiven Merkmal der pharmakologischen Wirkung eines Mittels
gerade deshalb besondere Bedeutung zukommt, weil nach der Lebenserfahrung dann
besonders viel dafür spricht, dass das Mittel bestimmungsgemäß dann auch zu dem
Zweck eingesetzt werden soll, diese Wirkung zu entfalten, kann nicht zwischen einer
unmittelbaren Wirkung und einer Wirkkaskade im oben geschilderten Sinn
unterschieden werden. Dabei kann es auch nicht darauf ankommen, dass der
mitentscheidende Wirkungsbeitrag des Mittels in rein physikalischer Form erfolgt.
Insoweit handelt es sich nach den Erläuterungen des Sachverständigen Prof. Dr. y um
eine "struktur-unspezifische pharmakologische Wirkung", die es auch in anderer Form
wie etwa der Osmose gibt, und die später mit der strukturspezifischen Interaktion mit der
Tumorzelle zu einer Gesamtwirkung zusammengeführt wird. Auch nach der eigenen
Patienteninformation der Beklagten haben die Tumorzellen die von Q ausgehende
Energie im Gegensatz zu den gesunden Zellen "falsch" verarbeitet und sind besonders
lichtempfindlich geworden. Werden diese Zellen dann gezielt mit Laserlicht bestrahlt,
fördert Q dadurch deren Zerstörung. Dort wird der Zusammenhang richtig gesehen. Die
Beklagten tragen auch selbst vor, dass sie ursprünglich das Mittel Q auch als
Arzneimittel zulassen wollten. Erst im Rahmen einer Besprechung vom 6. Februar 2002
sei der Beklagte zu 2) von Vertretern des LAGA darauf aufmerksam gemacht worden,
dass es sich um ein Medizinprodukt handele. Dieses Gespräch sei dann auch
Grundlage der Bestätigung vom 20. Februar 2002 gewesen. Danach haben sich die
Beklagten diese Einschätzung zu eigen gemacht. Die Aufspaltung der Gesamtwirkung
erfolgte später, um die Einordnung als Medizinprodukt begrifflich möglich zu machen.
(3) Das Mittel Q weist aber auch eine Dosis-Wirkungsbeziehung auf, die nach der
MEDDEV Leitlinie stark dafür spricht, dass es sich um ein Arzneimittel handelt. Das
hängt damit zusammen, dass eine solche Beziehung auch nach den obigen
Ausführungen stark dafür spricht, dass es sich um keine beständige Substanz handelt,
die wie ein Medium physikalisch eingesetzt wird, sei es auch im menschlichen Körper.
In welcher Dosis Q verabreicht wird, hängt auch nach den eigenen
Anwendungsrichtlinien der Beklagten von dem Zustand des Patienten und
insbesondere der Art des zu bekämpfenden Tumors ab. Eine klare Dosis-
67
Wirkungsbeziehung ergibt sich auch aus den Untersuchungen des Dr. K, die der
Sachverständige Prof. Dr. y anführt. Danach hängt die Bildung des für die
Tumorbekämpfung entscheidenden Singulettsauerstoffs sowohl von der Konzentration
des Photosensibilators als auch von der eingesetzten Lichtenergie ab. Gerade auch
wegen dieser Dosis-Wirkungsbeziehung kommt die Stellungnahme des BfArM vom 28.
April 2003 im Gegensatz zur Einschätzung des LAGA gleichfalls dazu, dass Q als
Arzneimittel anzusehen ist. Das Institut sieht daneben auch den oben geschilderten
Wirkungszusammenhang als Einheit und subsummiert deshalb Q als Arzneimittel unter
§ 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG. Zwar ist diese Stellungnahme kein Verwaltungsakt mit einer die
Zivilgerichte bindenden Tatbestandswirkung, wie die Klägerinnen meinen. Es handelt
sich vielmehr um eine rechtlich unverbindliche behördeninterne Beratung auf Anfrage
der zuständigen Behörde vom 12. September 2002 im Sinne des § 13 Abs. 3 MPG ohne
Wirkung zu Lasten der Beklagten. Dafür haben die Beklagten überzeugende Argumente
angeführt. Das hat im Übrigen das BfArM dem Landgericht mit Schreiben vom 26.
August 2003 auch so selbst mitgeteilt. Es verhält sich widersprüchlich, wenn es dann im
Bescheid die Anfrage als Antrag im Sinne des § 21 Abs. 4 AMG wertet. Die
Einschätzung der Bundesbehörde, die für die Zulassung von Arzneimitteln zuständig ist,
ist allerdings ein weiteres starkes Indiz für eine Arzneimitteleigenschaft von Q. Denn es
handelt es sich um die oberste Fachbehörde, die die Kompetenz für solche
Entscheidungen im verwaltungsrechtlichen Bereich besitzt. Warum das BfArM
voreingenommen sein und ergebnisorientiert argumentieren sollte, ist nicht ersichtlich.
Gerade dass sie den Weg der Beratung des LAGA in diesem schwierigen Rechtsgebiet
gewählt hat, ohne einen bindenden Verwaltungsakt mit Wirkung gegen die Beklagten zu
erlassen, spricht weit eher für eine zurückhaltende Vorgehensweise des
Bundesinstituts. Wenn für das Institut eine Arzneimitteleigenschaft aufgrund der
Zulassung vergleichbarer Mittel im Rahmen der Tumorbehandlung mittels PDT wie Q3,
Q2 und Q4 als Arzneimittel nahe lag, so ist das ein weiteres gutes Argument für das
Vorliegen eines Arzneimittels. Die Beklagten haben nicht darzulegen vermocht, was an
Q so entscheidend anders sein soll. Es wird auch in der Forschung in einem Atemzug
mit Q2 genannt (Bl. 851).
(4) Der Einschätzung, dass Q aufgrund seiner pharmakologischen Wirkung auch in
Zusammenhang mit der gegebenen Dosis-Wirkungsbeziehung als Arzneimittel
anzusehen ist, entsprechen letztlich auch die vom Sachverständigen Prof. Dr. y
nachvollziehbar erläuterten, noch nicht sicher geklärten Risiken, die vor allem mit der
Phototoxizität der Haut zu tun haben, wenn es auf diese nach der neuen
Arzneimitteldefinition noch ankommen sollte. Das Mittel ist gerade deshalb nicht
ungefährlich, weil es auch die gesunden Zellen beeinflussen und lichtempfindlicher
machen kann, auch wenn sie nicht bestrahlt werden. Es beansprucht im Gegensatz zu
den als Arzneimittel zugelassenen Präparaten, die gleichfalls im Rahmen der PDT zur
Tumorbekämpfung eingesetzt werden, einen besonders breiten Anwendungsbereich,
was die Risiken erhöht. Gerade auch die Risiken im Hinblick auf unerwünschte
Wirkweisen des Photosans und die dadurch auftretende Gesundheitsgefahr
rechtfertigen es, das Inverkehrbringen des Mittels von einer Zulassung als Arzneimittel
abhängig zu machen, und zwar ungeachtet der Tatsache, dass auch im Bereich der
Medizinprodukte der Klasse 3 Kontrollen mit den höchsten Sicherheitsanforderungen
stattfinden.
68
(5) Wenn es auf die Einschätzung der Verbraucher im Rahmen der objektivierten
Betrachtungsweise noch ankommen sollte, spräche auch sie für ein Arzneimittel. Denn
schon angesichts des Anlasses der Anwendung, deren Form als intravenöse
69
Platzierung und der ihnen dabei mitgeteilten Risiken sehen die angesprochenen
Verkehrskreise in Q ein Arzneimittel, das zudem stets unter ärztlicher Kontrolle
angewendet wird.
ee) Es kommt dann nicht mehr darauf an, ob Q auch deshalb ein Arzneimittel sein
könnte, weil es eine metabolische Wirkung entfaltet. Metabolismus im Zusammenhang
mit der Richtlinie über Medizinprodukte und aktive implantierbare Medizinprodukte wird
verstanden als eine Aktion, die eine Änderung der normalen chemischen Prozesse
beinhaltet, die in normalen Körperfunktionen teilnehmen oder dafür zur Verfügung
stehen. Diese Änderung schließen die Beendigung, den Beginn oder den Wechsel der
Geschwindigkeit der normalen chemischen Prozesse ein. Die Tatsache, dass ein
Produkt selbst "verstoffwechselt" wird, bedeutet nicht, dass es eine grundlegende
Wirkung auf metabolische Art und Weise erreicht. Der Sachverständige Prof. Dr. y hat
auch eine solche metabolische Wirkung bejaht. Das BfArM hat sogar maßgeblich auf
die metabolische Wirkung abgestellt, als es Q als Arzneimittel eingeordnet hat.
Entscheidend dafür war auch die Bildung des Singulettssauerstoffs durch die
Einwirkung von Q und den dadurch möglichen Eingriff des Sauerstoffs in den
Zellmetabolismus der Mitochondrien. Die Beklagten haben schließlich auch selbst
darauf hingewiesen, dass Q den Porphyrinstoffwechsel stört.
70
ff) Schließlich wäre auch dann, wenn im Hinblick auf eine nur mittelbare
pharmakologische Wirkung noch Zweifel an der Einordnung des Mittels verblieben,
wohl auch die Zweifelsfallregelung des Art. 2 Abs. 2 RL 2001/83/EG anzuwenden.
Danach müsste man dann Q auch als Arzneimittel ansehen. Soweit die
Berufungsbegründung Zweifel der Rechtsprechung bei der Anwendung der
Zweifelsfallregelung erwähnt, beziehen sich diese darauf, dass bei der Abgrenzung von
Nahrungsergänzungsmitteln von Arzneimitteln bei einer bestimmten Dosis Zweifel
bestehen, ob das Mittel schon pharmakologisch wirkt oder noch nicht. In solchen Fällen
wird vertreten, dass dann eine pharmakologische Wirkung feststehen muss. Um einen
solchen Fall geht es aber hier bei der Einordnung eines Grenzproduktes, das sowohl
unter den Begriff des Arzneimittels als auch unter den des Medizinproduktes fallen kann,
gerade nicht. Dann sollen nach den Grundsätzen des Europarechts die strengeren
Regeln des Arzneimittelrechts gelten.
71
gg) Der Wettbewerbswidrigkeit des § 1 UWG a.F. steht hier auch nicht entgegen, dass
die Beklagten wegen bestimmter vertrauensbildender Umstände keine Kenntnis von
den Tatumständen gehabt haben könnten, die die Sittenwidrigkeit oder
Wettbewerbswidrigkeit ihres Verhaltens begründeten.
72
(1) Dagegen spricht schon der tatsächliche Ablauf. Zum Zeitpunkt der Abmahnung im
Oktober 2001 gingen die Beklagten noch selbst davon aus, dass es sich bei Q um ein
Arzneimittel handelte, für das eine Zulassung erforderlich war. Bis zur Klageerhebung
hatte sich an ihrer Einschätzung nichts geändert. Erst danach und insbesondere nach
der Besprechung im Hause des LAGA am 6. Februar 2002 übernahmen die Beklagten
nach ihrem eigenen Vortrag nach einem entsprechenden Hinweis des Landesamtes die
Auffassung, dass es sich bei Q –im Gegensatz zu den schon als Arzneimitteln
zugelassenen Präparaten Q2, Q3 und Q4- um ein Medizinprodukt handeln sollte und
trugen diese Auffassung auch im Rechtsstreit vor. Ein vorübergehendes Vertrauen, das
sich für das zukünftige Handeln und die Unterlassungspflicht überhaupt nur für die Zeit
nach Februar 2002 ergeben könnte, war jedenfalls nach Kenntnis der Entscheidung des
BfArM vom 28. April 2003 nicht mehr gegeben. Danach war klar, dass die für die
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Zulassung von Arzneimitteln zuständige Behörde eine Zulassungspflicht bejahte, und
zwar ungeachtet der anderweitigen Einschätzung durch das LAGA, das dieses mit
Schreiben vom 12. November 2003 noch einmal bestätigte.
(2) Die den Beklagten auch schriftlich mitgeteilte Einschätzung des LAGA, dass Q als
Medizinprodukt keiner arzneimittelrechtlichen Zulassung bedurfte, änderte nichts daran,
dass die Beklagten weiterhin Kenntnis von den objektiven Umständen hatten, die die
Sittenwidrigkeit ihres Verhaltens i.S. des § 1 UWG a.F. begründeten, so dass weiterhin
ein Wettbewerbsverstoß vorlag. Dasselbe gilt für etwaige Verletzungshandlungen oder
die Unterlassungspflicht nach Inkrafttreten des neuen UWG, weil nach § 4 Nr. 11 UWG
eine unlautere Zuwiderhandlung gegen eine Marktverhaltensregelung nur ein objektiv
rechtswidriges Verhalten voraussetzt (BGH NJW 2005, 2705, 2706 –Atemtest). In den
Fällen, in denen die Zulässigkeit eines Verhaltens von der Entscheidung einer Behörde
abhängt, liegt danach nur dann kein Wettbewerbsverstoß vor, wenn ein Marktverhalten
wie hier das Inverkehrbringen des Mittels Q durch einen Verwaltungsakt der
zuständigen Behörde ausdrücklich erlaubt worden ist und der Verwaltungsakt nicht
nichtig ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Den Beklagten ist das
Inverkehrbringen nicht ausdrücklich durch einen Verwaltungsakt erlaubt worden. Das
Schreiben vom 20. Februar 2002 ist die schriftliche Bestätigung des Inhalts der vom
Beklagten zu 2) mit dem LAGA geführten Gespräche zum Zwecke der Einführung in den
schon anhängigen Rechtsstreit. Es enthält keine Regelung, wie es für einen
Verwaltungsakt erforderlich gewesen wäre. Gleiches gilt für das Schreiben des LAGA
vom 12. August 2002, mit dem lediglich der Eingang einer Anzeige gemäß §§ 25, 31
MPG betreffend die erfolgte Zertifizierung bestätigt wurde. Schließlich stellt auch das
Schreiben vom 12. November 2003 mangels Zuständigkeit der entsprechenden
Behörde keinen Verwaltungsakt dar. Außerdem war den Beklagten zu diesem Zeitpunkt
bereits bekannt, dass die für die Frage der Zulassungspflicht zuständige
Bundesbehörde eine Zulassung für erforderlich erhielt. Sie konnten danach –wie schon
ausgeführt worden ist- nicht mehr darauf vertrauen, dass die Einschätzung des LAGA für
den Vertrieb als Medizinprodukt ausreichte. Gleiches gilt auch und erst recht für die
Zertifizierung durch W, die nur dann für die Verkehrsfähigkeit von Bedeutung gewesen
wäre, wenn es sich bei Q tatsächlich um ein Medizinprodukt gehandelt hätte. Das LAGA
war nicht die für die Zulassung von Q als Arzneimittel zuständige Behörde und eine
Abstimmung, ob nun ein Arzneimittel oder ein Medizinprodukt vorlag, war zwischen der
Landesbehörde und dem Bundesinstitut gescheitert. In dem Schreiben vom
12. November 2003 wurde lediglich klargestellt, dass diese beiden Behörden weiterhin
unterschiedliche Standpunkte vertraten, wobei offen bleiben kann, ob das LAGA zu
diesem Zeitpunkt nach dem Ergebnis seiner Anfrage überhaupt seine frühere
Einschätzung noch beibehalten durfte. Jedenfalls hatte das BfArM den Vertrieb und die
Werbung für das Arzneimittel Q nicht erlaubt. Da es sich um ein Arzneimittel handelte,
fehlte eine die Wettbewerbswidrigkeit ausschließende Erlaubnis der zuständigen
Behörde.
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hh) Das wettbewerbswidrige Verhalten der Beklagten beeinträchtigt den Wettbewerb
auch nicht nur unwesentlich im Sinne des § 3 UWG, weil dadurch die Gesundheit der
Verbraucher betroffen ist, die ein hohes Gut darstellt.
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e) Daneben liegt auch ein Verstoß gegen § 3 a HWG vor, der den Unterlassungsantrag
zu 1 b) rechtfertigt. Nach § 3a HWG ist es unzulässig, für Arzneimittel zu werben, die der
Pflicht zur Zulassung unterliegen und die nicht nach den arzneimittelrechtlichen
Vorschriften zugelassen sind. Dieses Verbot bezieht sich auf die produktbezogene
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Werbung, um die es hier auch geht (vgl. BGH GRUR 2001, 1174 –
Berühmungsaufgabe). Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass sich schon aus
dem Schreiben vom 31. Juli 2001 ergibt, dass die Beklagten ihr Mittel Q dem
angeschriebenen Hospital allgemein zum Verkauf anbieten wollten und nicht nur zur
Versorgung einer ganz bestimmten Notlage. Sie haben dafür bestimmte
Werbeaussagen verwendet, die auch als solche zu verbieten sind. Das Landgericht hat
festgestellt, dass die Vernehmung des von den Beklagten benannten Zeugen V gerade
nicht ergeben hat, dass es ungeachtet des Wortlauts nur um ein Angebot des Mittels zur
Aushilfe in einer ganz bestimmten Notlage gehen sollte, auf die sich der Zeuge V zu
Unrecht berufen habe. An diese Feststellung des Landgerichts ist der Senat gemäß §
529 ZPO gebunden. Die Beklagten haben die Beweiswürdigung nicht angegriffen und
es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, die Zweifel an der Vollständigkeit und
Richtigkeit dieser Tatsachenfeststellung ergeben könnten. Ein Verstoß gegen § 3 a
HWG liegt auch dann vor, wenn wie hier im Rahmen der Werbung ausdrücklich auf die
fehlende arzneimittelrechtliche Zulassung hingewiesen wird (vgl. Fezer-Reinhart, UWG,
§ 4 – S 4 Rdn. 359).
f) Neben der Beklagten zu 1) haftet auch der Beklagte zu 2) als deren Gesellschafter,
der bei der Präsentation des Mittels Q verantwortlich für die Beklagte gehandelt und der
auch den Schriftverkehr und die Verhandlungen mit den zuständigen Behörden geführt
hat. Die Mithaftung des Beklagten zu 2) neben der Beklagten zu 1) ist auch zu keiner
Zeit in Frage gestellt worden.
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4) Aufgrund der Verletzungshandlung ist auch der Schadensersatzanspruch, der sich
nach altem Recht richtet, dem Grunde nach gerechtfertigt. Die Beklagten haben
fahrlässig gehandelt, als sie im Juli 2001 das Mittel Q auf die beanstandete Weise
einem Krankenhaus angeboten haben, wie sich aus den obigen Ausführungen schon
ergibt. Da die Beklagten allenfalls in der Zeit von Februar 2002 bis Mai 2003 auf die
Richtigkeit der Auskunft des LAGA und die spätere Zertifizierung von Q als
Medizinprodukt durch W vertrauen durften, wäre ein Verschulden nur für eine während
dieser Zeit begangene objektive Verletzungshandlung fraglich. Ein solcher weiterer
Verstoß ist aber nicht konkret vorgetragen. Es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit,
dass den Klägerinnen aus dem Angebot des Mittels und der Werbung für das Mittel
auch ein Schaden entstanden ist. Selbst wenn es als Folge der konkreten
Verletzungshandlung zu keiner Bestellung kam, kann das in vergleichbaren Fällen
anders ausgesehen haben. Ist aber Q wettbewerbswidrig abgeboten und geliefert
worden, ist ein Schaden der Klägerinnen denkbar. Denn dort, wo Q zum Einsatz kam,
war kein Raum mehr für Q2.
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5) Die Klägerinnen können zur Bezifferung ihres Schadensersatzanspruchs von den
Beklagten auch Auskunft darüber verlangen, in welchem Umfang diese ihr Mittel Q auf
dieselbe oder im Kern ähnliche Weise zum Verkauf angeboten und wem gegenüber sie
dieselben oder ähnliche Behauptungen im Rahmen der Werbung für ihr Mittel Q
aufgestellt haben.
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Die Revision ist zuzulassen, und zwar zum Zwecke der Rechtsfortbildung zu der Frage,
ob im Rahmen der Abgrenzung des Arzneimittels vom Medizinprodukt auch eine
"mittelbare" pharmakologische Wirkung entscheidend für eine Einordnung als
Arzneimittel spricht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Wenn in der Korrektur des
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Antrages eine teilweise Klagerücknahme zu sehen sein sollte, würde § 92 Abs. 2 ZPO
anwendbar sein und zum selben Ergebnis führen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO. § 712 ZPO ist nicht anwendbar, weil die Beklagten schon die für einen solchen
Schutzantrag erforderlichen Voraussetzungen nicht dargelegt haben.
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