Urteil des OLG Hamm vom 22.03.2007
OLG Hamm: anleger, fonds, einlage, absicht, unternehmen, zeichnung, darlehensvertrag, geschäftsführer, investition, betrug
Oberlandesgericht Hamm, 27 U 62/06
Datum:
22.03.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
27. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
27 U 62/06
Vorinstanz:
Landgericht Siegen, 2 O 604/04
Tenor:
Die Berufung des Beklagten zu 2) gegen das 24. Februar 2006
verkündete Anerkenntnisteil- und Schlussurteil der 2. Zivilkammer des
Landgerichts Siegen wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen:
der Beklagte zu 1) seine eigenen außergerichtlichen Kosten allein - wie
bereits am 17. Juli 2006 beschlossen - sowie ¼ der Gerichtskosten und
4/7 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin als Gesamtschuldner mit
dem Beklagten zu 2),
der Beklagte zu 2) seine eigenen außergerichtlichen Kosten sowie ¾
der Gerichtskosten und 3/7 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin
allein und ¼ der Gerichtskosten und 4/7 der außergerichtlichen Kosten
der Klägerin als Gesamtschuldner mit dem Beklagten zu 1).
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Betrages abzuwenden, falls nicht der Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe:
1
A. Der Kläger hat sich in Höhe von 50.000 DM gemäß Beitrittserklärung vom
28.9./10.10.2000 über deren Treuhandkommanditistin an der N GmbH & Co KG, einer
Publikumsgesellschaft, beteiligt. Diese Einlage begehrt er im vorliegenden Rechtsstreit
zzgl. Agio im Wege des Schadensersatzes von mehreren natürlichen Personen
erstattet. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlich festgestellten Sachverhalts
einschließlich des Vorbringens der Parteien wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO
auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.
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Das Landgericht hat, nachdem es zuvor bereits den Beklagten zu 4) durch
Versäumnisurteil verurteilt hatte, auch die Beklagten zu 1) – 3) mit Ausnahme eines
Teilbetrages von 511,29 € antragsgemäß verurteilt, den Beklagten zu 3) im Wege des
Anerkenntnisurteils. Bezüglich der Beklagten zu 1) und 2) hat es ausgeführt, dass gegen
diese ein Schadensersatzanspruch des Klägers gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263
Abs. 1, 25 Abs. 1 StGB bestehe, weil sie in mittelbarer Täterschaft einen Betrug zu
seinen Lasten begangen hätten, indem sie ihn über die beabsichtigte Verwendung der
Anlage getäuscht hätten. Auch die weiteren Tatbestandsmerkmale des Betrugs seien
von ihnen erfüllt. Der Höhe nach sei der Anspruch bis auf eine erhaltene Ausschüttung
von 511,29 € begründet. Steuervorteile seien nicht anzurechnen und der Anspruch sei
auch nicht verjährt.
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Gegen dieses Urteil, auf das wegen weiterer Einzelheiten seiner Begründung sowie des
Parteivorbringens in erster Instanz verwiesen wird, haben die Beklagten zu 1) und 2)
Berufung eingelegt. Der Beklagte zu 1) hat seine Berufung vor Begründung wieder
zurückgenommen.
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Der Beklagte zu 2) begehrt vorrangig Aufhebung und Zurückverweisung, im Übrigen
weiterhin die Abweisung der gegen ihn gerichteten Klage.
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Er rügt, dass das Landgericht bei seiner Entscheidung zu Unrecht verspäteten Vortrag
des Klägers berücksichtigt habe.
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In der Sache macht er unter näheren Ausführungen im Einzelnen geltend, dass weder
ein Betrug des Beklagten zu 1) noch eine Mittäterschaft oder Beihilfe seinerseits
vorliege. Das Klägervorbringen sei unschlüssig. Es fehle an jedem einzelnen
Tatbestandsmerkmal.
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Der Kläger verteidigt unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens das
angefochtene Urteil. Er bezieht sich auf das vorliegende Geldflussgutachten und meint,
insbesondere aus dem Letter of Agreement von September 1999 ergebe sich die
vorsätzliche und planvolle Vorbereitung des Tuns der Beklagten zu 1) und 2).
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B. Die zulässige Berufung des Beklagten zu 2) (nachfolgend auch kurz: der Beklagte) ist
unbegründet. Das Landgericht hat zutreffend einen Schadensersatzanspruch des
Klägers gegen den Beklagten gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB bejaht.
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I. Es ist unerheblich, ob Vorbringen des Klägers in erster Instanz als gemäß §§ 282, 296
ZPO verspätet zu behandeln gewesen wäre. Denn in zweiter Instanz ist gemäß § 531
Abs. 1 ZPO nur solches Vorbringen ausgeschlossen, dass in erster Instanz tatsächlich
zu Recht zurückgewiesen worden ist. Ist das wie hier nicht der Fall, so ist die
Anwendung von § 531 Abs. 1 ZPO selbst dann ausgeschlossen, wenn die Zulassung
zu Unrecht erfolgte (vgl. BVerfG NJW 1995, 2980; BGH NJW 1990, 1302, 1304). Dies
bedarf deshalb keiner Entscheidung.
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II. In der Sache selbst ist auch der Senat überzeugt davon, dass der Beklagte
gemeinsam u.a. mit dem Zeugen L, dem früheren Beklagten zu 1), die Anleger der N
GmbH & Co KG, u.a. den Kläger, vorsätzlich über ihre von vornherein bestehende
Absicht getäuschte hat, die eingezahlten Gelder der Anleger ausschließlich an die X
GmbH und damit mittelbar an sie persönlich weiterzuleiten statt sie in
Unternehmensbeteiligungen und banküblichen Kapitalanlagen an Drittunternehmen
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anzulegen. Durch die Umsetzung dieser Absicht ist zudem der Tatbestand des § 826
BGB ebenfalls erfüllt.
1. Indem die Einlagen der Anleger ohne die Zustimmung der Treuhandkommanditistin
und der Treugeber über die KS GbR an die WIPA GmbH geflossen sind, sind sie nicht
so wie im Prospekt vorgesehen verwendet worden. Eine kontrollierte, wirtschaftlich
sinnvolle Investition in Fremdunternehmen ist damit gerade nicht erfolgt. Dass der
Beklagte und der Zeuge Koschate dieses bereits geplant und beabsichtigt hatten, als
die Einlagen mit ihrem Wissen unter Verwendung der anders lautenden
Prospektangaben bei den Anlegern geworben wurden und u.a. die Klägerin ihre
Einlage zeichnete, hat bereits das Landgericht aufgrund einer Gesamtschau
feststehender Umstände überzeugend begründet. Dem schließt sich der Senat in vollem
Umfange an.
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a) Hervorzuheben ist insoweit zum einen, dass der Beklagte hier an der Gründung eines
Fonds beteiligt war, dessen Treuhandkonzeption bereits darauf abzielte, statt sie – wie
im Anlageprospekt versprochen – in Unternehmensbeteiligungen und
kapitalmarktüblichen Finanzengagements anzulegen. Durch die Umsetzung dieser
Absicht ist neben dem Betrugstatbestand – auch der Tatbestand einer vorsätzlichen
sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) erfüllt.
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1. Nach dem im Verkaufsprospekt dargestellten Anlagekonzept sollten die
Anlegergelder in mittelständische Unternehmen investiert werden. Dabei bewarb der
Prospekt, dass eine besonders gewissenhafte Auswahl der Beteiligungen dadurch
gewährleistet sei, dass die jeweilige Mittelfreigabe zusätzlich durch den externen
Berater J mbH validiert würde. Dieses suggerierte den Anlegern ein hohes Maß an
Sicherheit der eingelegten Gelder aufgrund der – über die Fa. J vermeintlich gesicherten
– externen Qualitätssicherung.
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Tatsächlich fand eine externe Qualitätskontrolle jedoch nicht statt, da – was die Anleger
nicht erkennen konnten – auch die vermeintlich unabhängig beratende J in Wahrheit
durch den Beklagten beherrscht war. Aufgrund der personellen Verquickung übte die J
ihre Kontrollbefugnis nicht im Sinne der Anleger aus, sondern gab die Anlegergelder in
der Weise frei, dass Nutznießer ausschließlich die Initiatoren des Fonds selbst, die von
ihnen beherrschten Unternehmen sowie die mit dem Vertrieb des Fonds beauftragte X
GmbH wurden.
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Dieses entsprach einem unter den Initiatoren von vornherein verabredeten Gesamtplan,
wie bereits das Landgericht aufgrund einer Gesamtschau der feststehenden Umstände
überzeugend begründet hat. Der Senat schließt sich den Ausführungen des
Landgerichts insoweit an und weist nur ergänzend noch auf Folgendes hin:
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a)
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Bereits die bei der Gründung eingerichtete "Treuhandkonzeption", nach der Dr. T seine
Gesellschaftsanteile in Wahrheit nicht für sich selbst, sondern für den Beklagten und
den früheren Beklagten zu 1) hielt, zielte darauf ab, die weitgehende Personenidentität
der Beteiligten in den verschiedenen Gesellschaften zu verschleiern. So hat nicht nur
der frühere Geschäftsführer Dr. T, der treuhänderisch die Gesellschaftsanteile an der N
GmbH für den Beklagten und den Zeugen L hielt, in seiner polizeilichen Vernehmung
vom 5.11.2002 bekundet, dass diese Regelung gerade deshalb gewählt worden war,
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damit nicht mit einem Blick ins Handelsregister die personellen Verflechtungen der
Fondskonzeption sofort erkennbar würden (Bl. 223 GA), sondern auch der Beklagte hat
bei seiner Anhörung vor dem Senat erklärt, ihm würde keine Begründung dafür
einfallen, warum dieses Treuhandkonzept gewählt worden war, und der Zeuge L hat in
seiner Vernehmung ebenfalls ausdrücklich bestätigt, dass nicht erkennbar sein sollte,
dass Fonds und Vertriebsgesellschaft von denselben Personen getragen würden.
Diesem bewussten Verdecken der personellen Verflechtungen auf der einen Seite
entsprechen die mit den Angaben des Prospekts über die Mittelverwendung in keiner
Weise in Einklang zu bringenden Zahlungsvorgänge auf der anderen Seite. So sind
schon am 12.1.2000 mehr als 700.000 DM von der KG an die L1 GbR überwiesen
worden, die später von dieser an die X GmbH weitergeleitet wurden, ohne dass hierfür
irgendeine Grundlage ersichtlich war. Eine vertragliche Grundlage wurde erst
nachträglich mit einem Darlehensvertrag vom 5.12.2000 geschaffen. Diese
Überweisung vom Januar 2000 belegt, dass der entsprechende Plan schon lange vor
Zeichnung der Einlage des Klägers bestanden hat. Hinzu kommt, dass der Beklagte
trotz seiner maßgeblichen Stellung keinerlei konkrete Angaben zu ins Auge gefassten
Beteiligungen des Fonds an anderen mittelständischen Unternehmen machen konnte.
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Im Übrigen wird auf die weitere Begründung des Landgerichts zum Vorliegen einer
vorsätzlichen Täuschung auch durch den Beklagten Bezug genommen.
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b) Die Aussage des in zweiter Instanz vom Senat vernommenen Zeugen L ist nicht
geeignet, Zweifel an der überzeugenden Würdigung des Landgerichts zu begründen.
Das Gegenteil ist der Fall.
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So hat der Zeuge ausdrücklich eingeräumt, dass schon im Dezember 1999 die
Entscheidung gefallen sein könne, in die X GmbH zu investieren. Für weitere
Einzelheiten im Zusammenhang mit dem Geldfluss an die X hat indessen auch er keine
auch nur halbwegs nachvollziehbaren und plausiblen Erklärungen liefern können. So
konnte er weder hinreichend erläutern, warum in dem Darlehensvertrag zwischen dem
N und der X der Darlehensbetrag offen gehalten und der Bestimmung durch die L1 GbR
überlassen wurde noch warum die Zahlungen ohne vertragliche Grundlage überhaupt
über die L1 GbR liefen. Die Angabe, dass dies wegen einer Trennung von Provisionen
und Beteiligungen notwendig gewesen sei, erscheint vorgeschoben und überzeugt den
Senat nicht. Auch konnte der Zeuge nicht vermitteln, warum es eine ordnungsgemäße
Maßnahme im Interesse der Anleger gewesen sein soll, das Darlehen zunächst zinslos
zu vergeben. Dass diese Entscheidung von den zuständigen Prüfungsgremien gebilligt
worden wäre, vermochte er ebenfalls nicht darzulegen.
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Zu den massiven Indizien, die jedenfalls in ihrer Gesamtheit den Schluss tragen, dass
es ihm und dem Beklagten letztlich nur darum ging, Geld für sich persönlich und die von
ihnen getragene X GmbH zu beschaffen, gehört schließlich auch der Inhalt des Letter of
Agreement. Dass dessen Inhalt zunächst nicht umgesetzt worden ist, steht dieser
Annahme nicht entgegen, nachdem der Zeuge L eingeräumt hat, dass die Umsetzung
bislang noch nicht durchgeführter Maßnahmen aus dem Letter of Agreement erfolgen
sollte, wenn insgesamt noch mehr Geld vorhanden war.
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2. Nach alledem ist der Beklagte als Mittäter eines Betrugs zu Lasten der Anleger
anzusehen. Er hat leistete eigene täterschaftliche Beiträge im Rahmen der Umsetzung
des gemeinsamen Tatplans geleistet. Er war als Treugeber an der N GmbH beteiligt, als
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Geschäftsführer der J GmbH tätig und verfügtehat als alleiniger Verfügungsberechtigter
über das Konto der L1 GbR verfügt. Zudem war er für die Verbreitung des Prospekts mit
dem ihm bekannten unzutreffenden Inhalt einer beabsichtigten kontrollierten Investition
in Fremdunternehmen, mit dem die Anleger getäuscht wurden, verantwortlich.
Hierauf beruht die Vermögensverfügung des Klägers in Form der Zeichnung seiner
Einlage; sein Vermögensschaden ist durch die Zahlung an die Treuhänderin
eingetreten. Der dafür erworbene Anspruch auf Beteiligung an der KG war wegen der
beabsichtigten Fehlverwendung der Mittel nicht entsprechend werthaltig. Da sich die
Absicht des Beklagten auch auf diesen Vermögensvorteil der Treuhänderin als
notwendiger Zwischenschritt für den beabsichtigten Enderfolg (Eingang des Geldes bei
der X GmbH) bezog, ist damit der Betrugstatbestand vollendet.
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C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für
die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.
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