Urteil des OLG Hamm vom 09.11.2006

OLG Hamm: freies ermessen, rechtliches gehör, rüge, beweisantrag, aufklärungspflicht, beweiswürdigung, datum, form

Oberlandesgericht Hamm, 2 Ss OWi 689/06
Datum:
09.11.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Senat für Bußgeldsachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ss OWi 689/06
Vorinstanz:
Amtsgericht Recklinghausen, 37a OWi 55 Js 1775/05 (428/05)
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird auf Kosten
des Betroffenen verworfen.
Gründe
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I.
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Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen die §§
21a Abs. 1, 49 StVO, 24 StVG mit einer Geldbuße von 30,-- € belegt. Dagegen richtet
sich der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Die
Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Antrag zu verwerfen.
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II.
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Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist zwar rechtzeitig gestellt und form-
und fristgerecht begründet worden, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
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Da die verhängte Geldbuße nicht mehr als 100 € beträgt, richten sich die
Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 2 Nr. 1
OWiG. Danach ist die Rechtsbeschwerde in den Verfahren mit den so genannten
weniger bedeutsamen Fällen nur zulässig zur Fortbildung des materiellen Rechts (§ 80
Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 80 Abs. 2 OWiG) oder, wenn das Urteil wegen
Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben ist (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG).
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Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.
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Soweit der Betroffene mit seinem Vortrag (auch) die Verletzung materiellen Rechts
rügen will, kann er damit keinen Erfolg haben. Denn zur Fortbildung des materiellen
Rechts ist die Rechtsbeschwerde nur zuzulassen, wenn der Einzelfall Veranlassung
gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts
aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (zu vgl. OLG Hamm
VRS 56, 42 f.). Dafür ist vorliegend kein Anlass ersichtlich. Der Betroffene greift im
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Übrigen insoweit auch nur die tatrichterlichen Ausführungen zur Beweiswürdigung an.
Die materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils führt zudem nicht zur Aufdeckung einer
Rechtsfrage, die die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des materiellen
Rechts gebietet.
Soweit der Betroffene in der Begründung des Zulassungsantrags rügt, dass ein
Beweisantrag nicht hätte abgelehnt werden dürfen, kann er mit dieser formellen Rüge im
vorliegenden Zulassungsverfahren nicht gehört werden. Ein Zulassung wegen formeller
Rechtsfehler scheidet aus.
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Soweit der Betroffene geltend zu machen scheint, dass in der Ablehnung des
Beweisantrages eine Verkürzung des verfassungsrechtlich verbürgten Anspruchs auf
rechtliches Gehör liege (§ 80 Abs. 1 Nr 2 OWiG), ist diese Rüge nicht ausreichend im
Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO begründet. Der Betroffene teilt weder den genauen
Wortlaut seines (angeblichen) Beweisantrages noch den Wortlaut des
Gerichtsbeschlusses, durch den der Antrag abgelehnt worden sein soll, mit. Damit sind
die strengen Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, die für die Rüge der
Verletzung des rechtlichen Gehörs Anwendung finden, nicht erfüllt (vgl. dazu den
Beschluss des Senats 25. Mai 2005, 2 Ss OWi 335/06).
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Nach alledem war der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde mit der sich aus §
473 Abs. 1 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG ergebenden Kostenfolge als zu verwerfen.
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Der Senat weist allerdings darauf hin, dass die Ausführungen des Amtsgerichts im
angefochtenen Urteil zu dem vom Betroffenen gestellten Beweisantrag aus
Rechtsgründen äußerst bedenklich sind. Das Amtsgericht hat ausgeführt. "Unter diesen
Umständen kam es auf den gestellten Beweisantrag
(Sachverständigengutachten/Augenscheinseinnahme) nicht an. Es geht nicht an, jede
als misslich befundene Aussage eine Polizeibeamten durch ein
Sachverständigengutachten oder eine Augenscheinseinnahme zu überprüfen,
jedenfalls dann nicht, wenn es sich um einen derart einfachen Sachverhalt handelt, wie
im vorliegenden Fall. Der Senat weist nachdrücklich darauf hin, dass auch im OWi-
Verfahren über die § 71 OWiG die die Amtsaufklärungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO
gilt. Die ggf. erforderlichen Beweise sind zu erheben. Bei der Ablehnung eines
Beweisantrages ist das Amtsgericht an die Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 bis 4
StPO bzw. an die zusätzlichen Gründe des § 77 Abs. 1 OWiG gebunden. Das
Amtsgericht hat kein freies Ermessen, welche Beweise es erhebt, es kann den Umfang
der Beweisaufnahme nicht nach seinem belieben bestimmen. Zwar ist nach § 77 Abs. 1
Satz 2 OWiG auch die Bedeutung der Sache zu berücksichtigen, dies darf jedoch nicht
zu einer Verletzung der Aufklärungspflicht führen. Es sind also die Beweise zu erheben,
deren Erhebung nach Sachlage zumindest nahe liegt. Die Ausführungen des
Amtsgerichts lassen befürchten, dass das Amtsgericht diesen Umfang seiner
Aufklärungspflicht verkannt hat, was ggf. zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs
und damit zur Zulassung der Rechtsbeschwerde führen kann. Ob das vorliegend der
Fall ist, brauchte der Senat jedoch nicht zu entscheiden, da die Rüge schon nicht
ausreichend begründet worden ist.
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